Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld – Ruhen – Abfindung – Regelsperrzeit – besondere Härte – Minderung der Anspruchsdauer – Verhältnismäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zur Verhältnismäßigkeit der Sperrzeit- und Ruhensregelungen bei der Gewährung von Arbeitslosengeld.
Stand: 26. November 2001
Normenkette
AFG § 110 S. 1 Nr. 1 Buchst. a.F.assung: 1992-12-18, Nr. 2 Fassung: 1992-12-18, § 117a Fassung: 1992-12-18, § 117 Abs. 2 Fassung: 1993-12-21, Abs. 3 Fassung: 1993-12-21, § 119 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1988-12-20, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1988-12-20, § 119a Nr. 1 Fassung: 1994-07-26
Beteiligte
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. September 2000 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. bis 11. Juni 1996; außerdem wendet er sich gegen eine Minderung seiner Alg-Anspruchsdauer um insgesamt 178 Tage (wegen Eintritts einer Regelsperrzeit und Zahlung einer Abfindung) und verlangt deshalb für die Zeit vom 28. Januar bis 1. Juli 1998 die Zahlung von Alg anstelle von Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Der 1946 geborene Kläger war vom 14. Juni 1976 bis 31. Januar 1996, zuletzt als Betonbauer, beschäftigt. Mit Schreiben vom 27. November 1995 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsmangels zum 31. Mai 1996; sie übersandte dem Kläger jedoch einen Vorschlag zum Abschluß eines Aufhebungsvertrags zum 31. Januar 1996 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000 DM. Später nahm sie ein Gegenangebot des Klägers (Schreiben vom 11. Dezember 1995) auf Abschluß eines Aufhebungsvertrags – gleichfalls zum 31. Januar 1996 – gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 34.000 DM an.
Der Kläger meldete sich zum 1. Februar 1996 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit erließ drei Bescheide (vom 20. Februar 1996; Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 1996):
- über die Ablehnung von Alg für die Zeit vom 1. Februar bis 24. April 1996 (Eintritt einer Sperrzeit) und über die Minderung der Anspruchsdauer um 169 Tage (wegen der eingetretenen Sperrzeit),
- über die Ablehnung von Alg für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Mai 1996 (Ruhen des Alg-Anspruchs wegen Zahlung einer Abfindung) und
- über die Ablehnung von Alg für die Zeit vom 1. bis 11. Juni 1996 (Ruhen des Alg-Anspruchs wegen Zahlung der Abfindung und Eintritts einer Regelsperrzeit) sowie über die Minderung der Anspruchsdauer um weitere neun Tage (des Ruhenszeitraums).
Außerdem bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Wirkung ab 12. Juni 1996 Alg (Bescheid vom 1. August 1996), das dieser in der Folgezeit bis 14. Oktober 1997 und vom 29. Oktober 1997 bis 27. Januar 1998 bezog; seit dem 28. Januar 1998 erhielt der Kläger Anschluß-Alhi (ohne Berücksichtigung von Einkommen bzw Vermögen).
Die Klage auf Zahlung von Alg ab 1. Februar 1996 blieb erstinstanzlich erfolglos (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 17. Dezember 1996). Nachdem der Kläger beim Landessozialgericht (LSG) seinen Klageantrag beschränkt hatte, hatte das LSG entsprechend dem beschränkten Antrag das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten vom 20. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 1996 aufgehoben, soweit sie Rechtsfolgen zu Lasten des Klägers für die Zeit über den 31. Mai 1996 hinaus beinhalten, und die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 1. bis 11. Juni 1996 Alg in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Begründung seiner Entscheidung hatte das LSG ausgeführt, da der Kläger Alg nur noch ab 1. Juni 1996 verlange, fehle es an der für den Sperrzeittatbestand erforderlichen Kausalität zwischen dem die Sperrzeit begründenden Ereignis und dem Eintritt der Arbeitslosigkeit; diese wäre ab 1. Juni 1996 wegen der bereits vor Abschluß des Aufhebungsvertrags ausgesprochenen Kündigung ohnedies eingetreten. Es entfalle damit auch die nach § 110 Satz 1 Nr 1a und Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vorgesehene Minderung der Anspruchsdauer, und Alg sei bereits ab 1. Juni 1996 zu zahlen.
Auf die Revision der Beklagten hat das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen (Urteil vom 5. August 1999), weil der Ansicht des LSG zur fehlenden Kausalität nicht zu folgen sei. Daß der Kläger Alg erst für einen Zeitpunkt beanspruche, zu dem er ohnedies aufgrund der dem Aufhebungsvertrag vorausgegangenen Kündigung seiner Arbeitgeberin arbeitslos gewesen wäre, habe keinen Einfluß auf die von § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG geforderte Kausalität. Vielmehr sei eine Sperrzeit ab 1. Februar 1996 eingetreten, falls der Kläger für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses keinen wichtigen Grund gehabt habe. Der Arbeitslose könne zwar durch eine spätere Antragstellung die unmittelbaren Rechtsfolgen des Ruhens seines Alg-Anspruchs vermeiden, nicht jedoch den Eintritt einer Sperrzeit und das kalendermäßige Ablaufen dieser Sperrzeit verhindern. Allerdings habe das LSG das Vorliegen eines wichtigen Grundes iS des § 119 Abs 1 Satz 1 AFG und einer besonderen Härte iS des Abs 2 Satz 1 – ausgehend von seiner Rechtsauffassung – nicht geprüft; insoweit fehle es an Tatsachenfeststellungen.
Das LSG hat die Beklagte nunmehr unter Änderung des SG-Urteils und der Bescheide vom 20. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 1996 sowie des Bescheids vom 1. August 1996 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juni 1996 bis 11. Juni 1996 Alg sowie für die Zeit vom 28. Januar 1998 bis 1. Juli 1998 Alg anstelle von Alhi in gesetzlicher Höhe zu gewähren (Urteil vom 19. September 2000). Das LSG hat das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Kläger verneint, jedoch nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen im Eintritt der Regelsperrzeit eine besondere Härte gesehen (§ 119 Abs 2 Satz 1 AFG), so daß die Sperrzeit nur einen Zeitraum von sechs Wochen (§ 119a Nr 1 AFG) umfasse. Bei Annahme einer Regelsperrzeit ergäben sich nämlich über die der Sperrzeit selbst innewohnenden Rechtsfolgen hinaus weitere Konsequenzen aus § 110 Satz 1 Nr 2 AFG (Minderung des Leistungsanspruchs um 169 Leistungstage) und aus § 117a AFG iVm § 110 Satz 1 Nr 1a AFG (weitere Minderung der Anspruchsdauer um neun Leistungstage und Ruhen des Anspruchs vom 1. bis 11. Juni 1996). Bei der vorliegenden Fallgestaltung lasse sich dies aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht rechtfertigen. Mangels Eintritts einer Regelsperrzeit von zwölf Wochen komme § 117a AFG nicht zur Anwendung, und der Kläger habe für den Zeitraum vom 1. bis 11. Juni 1996 einen Alg-Anspruch. Für die Zeit vom 28. Januar bis 1. Juli 1998 müsse die Beklagte anstelle von Alhi Alg zahlen, weil sich – wiederum mangels Eintritts einer Regelsperrzeit – die Anspruchsdauer nicht um insgesamt 178 Leistungstage (sechswöchige Sperrzeit), sondern um lediglich 36 Leistungstage (Tage der Sperrzeit) mindere.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 119 Abs 2 Satz 1 AFG. Sie ist der Ansicht, eine besondere Härte liege entgegen den Ausführungen des LSG nicht vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist iS der Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Für eine endgültige Entscheidung durch den Senat fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen, die das LSG – von seiner Rechtsansicht ausgehend folgerichtig – nicht getroffen hat.
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 20. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 1996 und der Bescheid vom 1. August 1996 hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen für die Zeit ab 1. Juni 1996 (Leistungsablehnung für die Zeit vom 1. bis 11. Juni 1996, Minderung der Anspruchsdauer um insgesamt 178 Tage). Da der Kläger nach der ersten Zurückverweisung der Sache beim LSG unter zulässiger Erweiterung der Klage (§§ 153 Abs 1, 99 Abs 3 Nr 2 SGG) eine Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Alg anstelle von Alhi ab 28. Januar 1998 beantragt hat, ist Gegenstand des Revisionsverfahrens auch der die Bewilligung von Anschluß-Alhi betreffende Bescheid geworden, soweit die Beklagte damit gleichzeitig die Bewilligung von Alg für die Zeit ab 28. Januar 1998 abgelehnt hat. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG außerdem zu prüfen haben, ob ein Bescheid über die Beendigung der Alg-Zahlung ergangen ist, der gemäß § 96 SGG in die Entscheidung einzubeziehen ist. Ob dies der Senat in der Revisionsinstanz ohne Rüge zu beachten hätte, kann dahinstehen; denn die Sache ist ohnedies aus anderen Gründen an das LSG zurückzuverweisen.
Nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) liegen Anhaltspunkte für einen wichtigen Grund iS des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG nicht vor (vgl zur Auslegung des Terminus „wichtiger Grund” BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 16 S 72 f mwN); unter Berücksichtigung der in der zurückverweisenden Entscheidung des Senats dargelegten Gründe (§ 170 Abs 5 SGG) ist mithin eine Sperrzeit eingetreten.
Entgegen der Ansicht des LSG stellt die Sperrzeit von zwölf Wochen (§ 119 Abs 2 Satz 1 iVm § 119a Nr 1 AFG; jetzt § 144 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – ≪SGB III≫) nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen für den Kläger auch keine besondere Härte dar; die Sperrzeit umfaßt deshalb zwölf Wochen (Regelsperrzeit). Damit finden auch § 117a AFG und § 110 Satz 1 Nr 1a und 2 AFG (vgl zu Nr 2 jetzt § 128 Abs 1 Nr 4 SGB III) mit der Folge Anwendung, daß die Dauer des Alg-Anspruchs gemindert wird, und zwar im Rahmen des § 110 Satz 1 Nr 2 AFG um ein Viertel der Anspruchsdauer (vgl zur maßgeblichen Fassung der Normen die zurückverweisende Entscheidung des Senats vom 5. August 1999, BSGE 84, 225, 228 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17; statt der aaO versehentlichen Datierung des Gesetzes zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand auf den 20. Dezember „1998” muß es jedoch„1988” heißen).
Zur Beurteilung der Frage, ob der Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit nach den für ihren Eintritt maßgeblichen Tatsachen für den Arbeitslosen eine besondere Härte bedeutet, sind die Gesamtumstände des Einzelfalls zu bewerten. Die Annahme einer besonderen Härte ist gerechtfertigt, wenn nach diesen Gesamtumständen der Eintritt einer Sperrzeit mit der Regeldauer (zwölf Wochen) im Hinblick auf die für ihren Eintritt maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 14 S 60 unter Hinweis auf BSG SozR 4100 § 119 Nr 32 und SozR 3-4100 § 119 Nr 11). Dem Gesetzeswortlaut zufolge beurteilt sich dabei die Frage, ob sich die Regelsperrzeit wegen Vorliegens einer besonderen Härte (§ 119 Abs 2 Satz 1, § 119a Nr 1 AFG) auf die Hälfte reduziert, allein nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen; außerhalb des Sperrzeittatbestandes liegende sowie nach Eintritt des sperrzeitbegründenden Ereignisses eintretende Umstände können grundsätzlich keine Berücksichtigung finden (BSGE 77, 61, 63 = SozR 3-4100 § 119a Nr 3; BSGE 64, 202, 208 = SozR 4100 § 119 Nr 34). Zwar sind nach der Rechtsprechung des Senats auch die rechtlichen Folgewirkungen, die mit dem Eintritt einer Regelsperrzeit verbunden sind, mitzubedenken (BSGE 77, 61, 65 = SozR 3-4100 § 119a Nr 3) und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots zu beachten (BSGE 77, 61, 64 = SozR 3-4100 § 119a Nr 3); jedoch ist vorliegend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Genüge getan: Besondere Härteumstände, die nicht gerade in den gesetzlichen Rechtsfolgen selbst zu sehen sind, hat das LSG nicht festgestellt; die gesetzlichen Rechtsfolgen alleine treffen den Kläger nicht in unverhältnismäßiger Weise (Art 20 Abs 3 Grundgesetz).
Wie der Senat im vorliegenden Verfahren in seiner zurückverweisenden Entscheidung vom 5. August 1999 ausführlich dargelegt hat, ist es Sinn der Sperrzeitregelung des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG und der daraus resultierenden Regelung über die Minderung der Anspruchsdauer des § 110 Satz 1 Nr 2 AFG um ein Viertel des Gesamtanspruchs, die Versichertengemeinschaft typisierend gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat. Die Rechtsfolgen einer Sperrzeit stellen also keine Vertragsstrafe und keinen pauschalierten Schadensausgleich dar, sondern sie verfolgen das Ziel, die Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Herbeiführung des Versicherungsfalls zu verhindern, wenn hierfür kein wichtiger Grund vorliegt. Insoweit ist die Neuregelung des § 110 Satz 1 Nr 2 AFG durch das Gesetz zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2044), wonach sich bei Eintreten einer Regelsperrzeit die Anspruchsdauer um mindestens ein Viertel (statt wie zuvor nur um die Tage der Sperrzeit) mindert, im Hinblick darauf erfolgt, daß das Verhältnis der beitragspflichtigen Beschäftigung zur Anspruchsdauer bereits zuvor (ab 1. Juli 1987) herabgesetzt worden war und die Höchstdauer des Anspruchs von – bis Ende 1984 – 12 Monaten ab Vollendung des 42. Lebensjahrs je nach Lebensalter und Dauer der beitragspflichtigen Beschäftigung auf maximal 32 Monate angestiegen war (BR-Drucks 503/92 Nr 27 zu § 110; vgl vor der Änderung des § 106 AFG durch das Gesetz zur Verlängerung des Versicherungsschutzes bei Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit vom 27. Juni 1987 – BGBl I 1542 – auch § 106a AFG). Diese Leistungsverbesserungen erforderten einen stärkeren Schutz der Arbeitslosenversicherung vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme von Leistungen. Der verlängerte Versicherungsschutz konnte einen nicht unerheblichen Anreiz darstellen, das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund aufzugeben, und zwar insbesondere für ältere Arbeitnehmer, die auf Anraten des Arbeitgebers oder aus eigenem Entschluß aus dem Arbeitsleben ausschieden. Dem sollte die Gesetzesänderung entgegenwirken (BR-Drucks aaO); sie ist insoweit geeignet und erforderlich.
Die Regelung des § 110 Satz 1 Nr 2 AFG trifft den Kläger auch nicht unangemessen oder in unzumutbarer Weise. Er hat das Ende des Beschäftigungsverhältnisses – und damit den Eintritt der Arbeitslosigkeit – durch die Vereinbarung über die Auflösung zum 31. Januar 1996 um mindestens vier Monate vorverlegt (wenn man von einer wirksamen Kündigung zum 31. Mai 1996 ausgeht). Verlängert aber der Gesetzgeber für über 42jährige Arbeitslose die Anspruchsdauer im Rahmen des § 106 AFG (bzw im Rahmen des § 106a AFG aF für über 49jährige oder über 44jährige Arbeitslose), weil bei älteren Arbeitnehmern das Risiko einer längeren Arbeitslosigkeit eher als bei jüngeren Arbeitnehmern besteht (BT-Drucks 11/198 S 6), so ist es gerechtfertigt, daß der Gesetzgeber gerade im Hinblick auf dieses erhöhte Risiko einer aktiven Beteiligung des Arbeitnehmers an der Herbeiführung des Versicherungsfalls verstärkt entgegenwirkt. Mit der Kürzung der Anspruchsdauer um mindestens ein Viertel bleibt die Regelung hierbei innerhalb des auch für jüngere Arbeitnehmer (unter 42) geltenden Rahmens. Denn auch bei diesen ergab sich schon vor Einführung der Kürzung um mindestens ein Viertel aus dem Eintritt der Regelsperrzeit eine Kürzung der Anspruchsdauer um die Tage der Sperrzeit, also um etwa ein Viertel. Hinzu kommt vorliegend, daß der Kläger im Anschluß an den Bezug von Alg Anschluß-Alhi bezog, so daß seine individuelle Beeinträchtigung durch die Regelung des § 110 Satz 1 Nr 2 AFG ohnedies erheblich abschwächt wurde; zudem liegt die Kürzung um 169 Tage (etwa 6 ½ Monate) noch in der Größenordnung des Zeitraums, um den der Kläger das Ende des Beschäftigungsverhältnisses – ausgehend von der Kündigung zum 31. Mai 1996 – vorverlegt hat (mindestens vier Monate).
Auch die Rechtsfolgen des § 117a AFG iVm § 110 Satz 1 Nr 1a AFG treffen den Kläger nicht unverhältnismäßig. Bereits in seinem zurückverweisenden Urteil vom 5. August 1999 hat der Senat darauf hingewiesen, daß § 117a AFG und § 110 Satz 1 Nr 1a AFG in Ergänzung zu § 119 AFG iVm § 110 Satz 1 Nr 2 AFG der Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch den Arbeitnehmer entgegenwirken sollen; dabei hat der Gesetzgeber zu Recht typisierend angenommen, daß eine Abfindung, die wegen einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer gezahlt wird oder zu beanspruchen ist, Beträge enthält, die dem Arbeitnehmer das Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes erleichtern sollen. Wenn aber der Arbeitgeber trotz Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer eine Abfindung zahlt, so kann angenommen werden, daß er sich mit einem Teil jener Abfindung die „Zustimmung” des Arbeitnehmers zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses erkauft. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers muß der Arbeitnehmer deshalb über § 117 Abs 2 und 3 AFG hinaus einen weiteren Teil der Abfindung zur Deckung seines Lebensunterhalts nach Ablauf der Regelsperrzeit und des daneben laufenden Ruhenszeitraums des § 117 Abs 2 und 3 AFG verwenden, soweit die Abfindung das nach § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 1 AFG fingierte entgangene Arbeitsentgelt übersteigt (BR-Drucks 503/92 Nr 32 zu § 117a). Gerade die Minderung des berücksichtigungsfähigen Abfindungsbetrags um das Arbeitsentgelt nach § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 1 AFG, das auf den Ruhenszeitraum dieser Vorschrift entfällt, verhindert in dem Falle, in dem neben § 117 AFG auch § 117a AFG eingreift, eine Doppelbelastung des Arbeitslosen. Demgemäß hat die Beklagte in Anwendung des § 117a AFG nur einen geringen Betrag der Abfindung berücksichtigt und Alg nur für die Zeit vom 1. bis 11. Juni 1996 abgelehnt sowie eine Minderung der Anspruchsdauer um nur neun Tage verfügt, für diese neun Tage aber Alhi nach Ablauf des Alg-Zahlungszeitraums gewährt. Auch die Kumulation der Rechtsfolgen der §§ 119, 119a, 117a, 110 AFG trifft den Kläger damit nicht unangemessen.
Da das LSG die Ruhenszeiträume nach § 117 Abs 2 und 3 AFG bzw § 117a AFG – ausgehend von seiner Rechtsansicht – auch in seiner Entscheidung vom 19. September 2000 nicht überprüfen mußte, jedoch ausreichende tatsächliche Feststellungen für die erforderliche genaue Überprüfung durch den Senat fehlen, wird das LSG diese nunmehr nachzuholen haben. Das LSG wird für die Berechnung des Ruhenszeitraums nach § 117 Abs 2 und 3 AFG zunächst die für die Arbeitgeberin des Klägers geltende ordentliche Kündigungsfrist zu ermitteln und zu beurteilen haben, ob diese eingehalten ist. In der Entscheidung des LSG ist hierzu nur ausgeführt, auf das Arbeitsverhältnis des Klägers habe der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Anwendung gefunden und die Kündigungsfrist sei bei Ausspruch der Kündigung eingehalten worden. Woraus sich die Anwendbarkeit dieses Tarifvertrags ergibt (wohl zumindest aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung, die auch dieses Arbeitsverhältnis erfaßt), wird jedoch nicht ausgeführt. Dabei scheint das LSG von der Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende durch das Kündigungsschreiben vom 27. November 1995 auszugehen, obwohl nicht festgestellt ist, wann der Kläger jenes Schreiben erhalten hat. Von der Dauer und der Einhaltung der Kündigungsfrist ist aber abhängig, ob § 117 Abs 2 und 3 AFG überhaupt zur Anwendung kommt und wie lange der Alg-Anspruch ab 1. Februar 1996 nach § 117 Abs 2 und 3 AFG geruht hat. Sollte der Ruhenszeitraum vor dem Ende der 12wöchigen Sperrzeit enden, könnte sich für den Kläger daraus eine günstigere Rechtsfolge ergeben (§ 117a Abs 1 Satz 1 iVm Abs 3 Satz 2 AFG).
Für die Berechnung des Ruhenszeitraums wird das LSG außerdem nach § 117 Abs 3 Satz 4 und 5 AFG das bis 31. Januar 1996 abgerechnete Arbeitsentgelt genau zu ermitteln haben. Seine Ausführungen im Urteil zu den abgerechneten Verdiensten des Klägers „ohne einmalige Zuwendungen” sind in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar. Offenbar hat das LSG damit bestimmte Entgelte unberücksichtigt gelassen, ohne diese in tatsächlicher Hinsicht zu erläutern. Die Arbeitsbescheinigung für den Monat Dezember enthält Hinweise auf ein höheres Entgelt, als es vom LSG berücksichtigt worden ist. Dabei könnte zu beachten sein, daß nach dem Wortlaut des § 117 Abs 3 Satz 5 AFG nur die einmaligen, nicht die wiederkehrenden Zuwendungen – anders bei § 112 Abs 1 Satz 2 AFG (einmalige und wiederkehrende Zuwendungen) – außer Betracht bleiben. Darüber hinaus sei nur angemerkt, daß entgegen der nicht näher erläuterten Feststellung des LSG (§ 163 SGG) durchaus eine Abrechnung des Monats Januar erfolgt sein könnte, bevor der Kläger aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden ist. Ein höherer Verdienst vor dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis könnte zugunsten des Klägers zu einem kürzeren Ruhenszeitraum nach § 117 Abs 2 und 3 AFG und damit zu einer Vorverlagerung des Ruhenszeitraums nach § 117a AFG führen. Die genaue Ermittlung des maßgeblichen Arbeitsentgelts ist aber auch für den Ruhenszeitraum nach § 117a AFG selbst von Bedeutung (§ 117a Abs 3 AFG). Bei der Anwendung des § 110 AFG wird das LSG dann nach Satz 1 Nr 1 zu berücksichtigen haben, inwieweit dem Kläger Alg für die Zeit vom 1. bis 11. Juni 1996 zuzubilligen ist. Von Bedeutung könnte auch sein, wann dem Kläger die Kündigung der Arbeitgeberin vom 27. November 1995 zugegangen ist, weil sich daraus ggf (bei geringerem Entgelt in den bis 31. Januar 1996 abgerechneten Lohnabrechnungszeiträumen der letzten sechs Monate) ein längerer Ruhenszeitraum nach § 117 Abs 2 und 3 AFG (ohne Minderung der Anspruchsdauer) ergibt, an den sich erst der Ruhenszeitraum des § 117a AFG (mit Minderung der Anspruchsdauer) anschließt. Da andererseits die Beklagte bereits ab 12. Juni 1996 Alg bewilligt hat und mit dem Bewilligungsbescheid möglicherweise den Endzeitpunkt des Ruhenszeitraums nach § 117a AFG „fixiert” hat, könnte sich uU hieraus eine geringere Minderung der Anspruchsdauer auf Alg ergeben. Sollte sich insgesamt eine geringere Minderungsdauer ergeben, wäre jedoch zu ermitteln, weshalb dem Kläger vom 15. bis 28. Oktober 1997 kein Alg gezahlt worden ist; dies ist nämlich zur Beurteilung der Frage bedeutsam, ob nicht auch im Zusammenhang mit der Nichtzahlung dieser Leistung für den Zeitraum eine Minderung der Anspruchsdauer nach § 110 AFG (etwa Nr 5) zu bejahen ist, die eine evtl günstigere Berechnung kompensieren könnte.
Das LSG wird schließlich über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 651835 |
AP, 0 |
SozR 3-4100 § 119, Nr. 22 |
info-also 2002, 73 |