Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegeunfall. innerer Zusammenhang. dritter Ort. Aufenthaltsdauer. Zweistundengrenze für Hinweg. Arztbesuch
Leitsatz (amtlich)
Unfallversicherungsschutz kann auf dem Wege von einem anderen Ort als dem der Wohnung „dritter Ort”) zum Ort der Tätigkeit nur dann bestehen, wenn der Aufenthalt an dem „dritten Ort” mindestens zwei Stunden andauerte.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
RVO § 550 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Mai 1997 und das Urteil des Sozialgericht Regensburg vom 13. September 1995 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind in allen drei Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin wegen der Folgen des Verkehrsunfalls vom 4. August 1994 zu entschädigen.
Die Klägerin ist als Verkaufsleiterin bei dem Kaufhaus K. in R. … beschäftigt und wohnt in O. …. Am 4. August 1994 sollte sie um 12.00 Uhr die Arbeit antreten. Sie verließ ihre Wohnung gegen 10.45 Uhr und fuhr mit ihrem Pkw auf dem für sie zum Arbeitsantritt üblichen Weg in Richtung ihrer Arbeitsstätte. In R. … bog sie kurz vor ihrer Arbeitsstätte von der üblichen Fahrtroute ab, weil sie um ca 11.00 Uhr einen vorher vereinbarten Arzttermin wahrnehmen wollte. Die Abweichung vom üblichen Weg zur Arbeitsstätte betrug bis zur Arztpraxis etwa 0,5 km und bis zum Erreichen des üblichen weiteren Fahrtweges zu ihrer Arbeitsstätte wegen einer Einbahnstraßenregelung eine etwas längere Wegstrecke. Nach der ärztlichen Behandlung, die etwa 1 ¼ Stunden in Anspruch nahm, fuhr die Klägerin weiter in Richtung Kaufhaus K. Auf einem Wegstück, auf dem sie noch nicht die übliche Route dorthin erreicht hatte, erlitt die Klägerin gegen 12.30 Uhr einen Verkehrsunfall, bei dem sie sich Verletzungen zuzog.
Die Beklagte lehnte Entschädigungsleistungen ab, weil die Klägerin sich bei diesem Unfall nicht auf dem direkten Weg von der Wohnung zur Arbeit, sondern auf einem unversicherten Abweg befunden habe (Bescheid vom 27. April 1995 idF des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 1995).
Das Sozialgericht Regensburg (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 4. August 1994 als Arbeitsunfall anzuerkennen sowie zu entschädigen (Urteil vom 13. September 1995). Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 28. Mai 1997). Die Klägerin habe ihren Weg zum Ort der Tätigkeit nicht von ihrer Wohnung, sondern erst von der Praxis des Arztes aus angetreten. Ausgangspunkt des Weges nach dem Ort der Tätigkeit sei nämlich nicht die Wohnung des Versicherten, sondern ein anderer „dritter”) Ort, wenn die Dauer des dortigen Aufenthalts so erheblich sei, daß der vorangegangene Weg eine selbständige Bedeutung erlange und deshalb nicht in einem rechtlich erheblichen Zusammenhang mit der bevorstehenden Aufnahme der Arbeit an der Arbeitsstätte stehe. Auch bei einem Arztbesuch vor Beginn der betrieblichen Tätigkeit bestehe Versicherungsschutz nach § 550 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auf dem Weg von der Arztpraxis zum Ort der Tätigkeit, wenn der Aufenthalt dort rechtserheblicher Natur gewesen sei. Das sei hier der Fall, denn die Klägerin habe sich länger als eine Stunde in der Praxis des Arztes aufgehalten. Dieses Ergebnis entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), von der abzugehen keine Veranlassung bestehe.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 550 Abs 1 RVO. Das LSG habe zu Unrecht Versicherungsschutz unter dem Gesichtspunkt des sog dritten Ortes angenommen. Ein versicherter Weg vom dritten Ort zur Arbeitsstätte hätte nämlich erst nach einer mehr als zweistündigen Aufenthaltsdauer in der Arztpraxis angenommen werden dürfen. Zwar habe die Rechtsprechung bisher keine feste Zeitgrenze für die Begründung eines dritten Ortes festgelegt, jedoch hätten sich die bisher von der Rechtsprechung diskutierten und in Einzelfällen angewandten Zeitgrenzen überwiegend in einer Spanne von einer halben bis zu einer Stunde Mindestdauer des Aufenthalts an dem anderen Ort, also deutlich unter der Zweistundengrenze bewegt. Diese zeitlichen Festlegungen könnten jedoch dann nicht maßgeblich sein, wenn sich der Aufenthalt an einem anderen Ort rechtlich als Unterbrechung iS eines Um- bzw Abweges darstelle, da dann nach gefestigter Rechtsprechung Versicherungsschutz für die Wegstrecken außerhalb der eigentlichen – regelmäßig unversicherten – Unterbrechung so lange bestehe, wie der Aufenthalt die Dauer von zwei Stunden nicht überschreite. Entfalle der Versicherungsschutz nach diesen Grundsätzen mithin erst nach einer mehr als zweistündigen Unterbrechung, so dürfe der ursprünglich einheitliche Gesamtweg aber nicht nach dem Grundsatz des dritten Ortes bereits deutlich früher eine Teilung mit der Folge erfahren, daß der erste Teil des Weges eine selbständige Bedeutung im privaten unversicherten Bereich erhalte, während die weitere Fortsetzung des Weges nach der privaten Handlung in voller Länge unfallversicherungsgeschützt sei. Durch die Anwendung unterschiedlicher Zeitgrenzen träten nicht hinnehmbare Ungereimtheiten auf, je nach der Einordnung eines Falles unter das Dogma „Unterbrechung in Form eines Um-/Abweges” oder unter das des „dritten Ortes”. Daher müsse die Zeitgrenze einheitlich auf zwei Stunden festgelegt werden, wie dies auch von der überwiegenden Kommentarliteratur befürwortet werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Mai 1997 sowie das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 13. September 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das BSG beurteile in ständiger Rechtsprechung die zeitliche Mindestdauer für die Begründung des dritten Ortes anders als die zum Verlust des Versicherungsschutzes führende Zeitspanne zwischen Beendigung der Arbeit und Antritt des Heimweges, ohne daß irgendwelche Bedenken daran zu erkennen wären.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat entgegen der Auffassung der Vorinstanzen keinen Anspruch, wegen des Unfallereignisses vom 4. August 1994 aus der gesetzlichen Unfallversicherung entschädigt zu werden.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, weil der von ihr geltend gemachte Arbeitsunfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes ≪UVEG≫, § 212 SGB VII).
Die Klägerin hat am 4. August 1994 keinen Arbeitsunfall erlitten. Denn sie ist nicht auf dem Weg nach dem Ort der Tätigkeit iS des § 550 Abs 1 RVO verunglückt. Nach dieser Vorschrift gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall auf einem mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift den Versicherungsschutz für die Wege nach und von der Arbeitsstätte nicht auf die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beschränkt, sondern lediglich darauf abgestellt, daß die Arbeitsstätte Ziel oder Ausgangspunkt des Weges ist; der andere Grenzpunkt des Weges ist gesetzlich nicht festgelegt (so bereits RVA EuM 21, 281 und 47, 415; st Rspr des BSG, zB BSGE 22, 60, 61 = SozR Nr 54 zu § 543 RVO aF; SozR 2200 § 550 Nr 57; s auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 485r f mwN; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Bd 3, Gesetzliche Unfallversicherung, 1997, 12. Aufl, § 8 RdNrn 174 und 191ff). Allerdings hat der Gesetzgeber nicht schlechthin jeden Weg unter Versicherungsschutz gestellt, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Vielmehr ist es nach § 550 Abs 1 RVO darüber hinaus erforderlich, daß der Weg mit der Tätigkeit in dem Unternehmen zusammenhängt, dh daß ein innerer Zusammenhang zwischen dem Weg und der Tätigkeit in dem Unternehmen besteht. Dieser innere Zusammenhang setzt voraus, daß der Weg, den der Versicherte zurücklegt, wesentlich dazu dient, den Ort der Tätigkeit oder nach Beendigung der Tätigkeit – in der Regel – die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt des Weges von dem Ort der Tätigkeit zu erreichen. Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird; fehlt es an einem solchen inneren Zusammenhang, scheidet ein Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 4 mwN und zuletzt BSG Urteil vom 17. Februar 1998 – B 2 U 1/97 R –).
Die Klägerin hat entsprechend den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) ihren Weg zum Kaufhaus K. in R. …, dem Ort ihrer Tätigkeit iS des § 550 Abs 1 RVO, von ihrer Wohnung in O. … und nicht erst von der Praxis ihres Arztes aus angetreten. Denn bei dem Weg von ihrem häuslichen Bereich zu der Arztpraxis und von dort zum Ort ihrer Tätigkeit handelte es sich um einen rechtlich einheitlichen Gesamtweg, gegenüber dem der dem Aufenthalt in der Arztpraxis vorausgegangene Weg von ihrem häuslichen Bereich keine selbständige Bedeutung erlangt hat. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen rechtfertigen es die Verhältnisse des vorliegenden Falles nicht, einen anderen Ort als die Wohnung der Klägerin, einen sog dritten Ort, als Ausgangspunkt des Weges nach dem Ort der Tätigkeit mit der Folge des Unfallversicherungsschutzes für diesen Weg zu werten. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung einen anderen Ort als die Wohnung nur dann als Ausgangspunkt des Weges nach dem Ort der Tätigkeit angesehen, wenn die Dauer des Aufenthaltes an dem anderen Ort so erheblich war, daß der vorangegangene Weg eine selbständige Bedeutung erlangte und deshalb nicht in einem rechtlich erheblichen Zusammenhang mit der bevorstehenden Aufnahme der Arbeit an der Arbeitsstätte stand (BSGE 62, 113, 115 = SozR 2200 § 550 Nr 76; BSG SozR 2200 § 550 Nr 78 und SozR 3-2200 § 550 Nrn 2, 5 und 10; BSG Urteil vom 17. Februar 1998 – B 2 U 1/97 R –; s auch Brackmann/Krasney aaO § 8 RdNr 195; Schulin HS-UV § 33 RdNrn 58 ff). Dabei hat der Senat ausschließlich auf die Dauer des Aufenthalts an dem anderen Ort selbst abgestellt und den Weg von der Wohnung zu dem anderen Ort zeitlich nicht mit eingerechnet (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 2 und zuletzt BSG Urteil vom 17. Februar 1998 aaO).
Für die Erheblichkeit des Aufenthalts an dem anderen Ort hat der Senat bisher keine bestimmte (Mindest-) Zeitdauer als wesentliches Kriterium festgelegt (vgl BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 2). Er hat nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles einen Aufenthalt an dem anderen Ort von etwa ein bis zwei Stunden als erheblich angesehen, so etwa bei einem der Fahrt zur Arbeitsstätte vorangegangenem (eigenwirtschaftlichen) Aufsuchen einer Wäscherei mit einstündigem Aufenthalt (SozR Nr 32 zu § 543 RVO aF), einem Aufenthalt auf einem Laubengrundstück von 1 ½ Stunden (Urteil vom 30. August 1963 – 2 RU 243/61 = VdKMitt 1963, 458), einem etwa zwei Stunden dauernden Besuchsaufenthalt bei Angehörigen (BSGE 22, 60 = SozR Nr 54 zu § 543 RVO aF) und einem Gaststättenbesuch von etwa 1 ¼ Stunden (Urteil vom 18. Oktober 1984 – 2 RU 22/84 = HV-Info 1984, Nr 20, S 13). Bei vielen der bisher entschiedenen Fälle war der zur Annahme eines dritten Ortes führende Aufenthalt allerdings deutlich länger (s zB SozR Nr 40 zu § 543 RVO aF: fünfstündiger Besuchsaufenthalt bei Verwandten; BSGE 62, 113 = SozR 2200 § 550 Nr 76: mehrstündiger Klinikaufenthalt). Der für Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung nicht mehr zuständige 9b-Senat des BSG hat indes sogar einen Aufenthalt von wohl nur knapp über einer halben Stunde als erheblich bewertet (Urteil vom 5. August 1987 – 9b RU 28/86 – = USK 87115); dem ist der Senat jedoch nicht gefolgt (kritisch in SozR 3-2200 § 550 Nr 2, ablehnend im Urteil vom 17. Februar 1998 – B 2 U 1/97 R –).
Eine feste Zeitgrenze von zwei Stunden hat der Senat demgegenüber für das (endgültige) Entfallen des Versicherungsschutzes nach einer längeren Unterbrechung auf Wegen von dem Ort der Tätigkeit angenommen, um so die Versicherten in die Lage zu versetzen, anhand dieses sicher zu beurteilenden Kriteriums mit der erforderlichen Rechtssicherheit einschätzen zu können, bis wann sie nach einer lediglich privaten Zwecken dienenden Unterbrechung auf dem weiteren Weg von dem Ort der Tätigkeit wieder unter Unfallversicherungsschutz stehen (vgl BSG SozR 2200 § 550 Nrn 12, 42; BSGE 55, 141, 143 = SozR 2200 § 550 Nr 55; s auch Brackmann/Krasney aaO § 8 RdNr 247 mwN).
An dieser Rechtsprechung zum Unfallversicherungsschutz auf Wegen von und zum Ort der Tätigkeit mit unterschiedlichen Zeitgrenzen für die Erheblichkeit von Unterbrechungen wird in der einschlägigen Fachliteratur erhebliche Kritik geübt (s insbesondere Schulin HS-UV § 33 RdNrn 67ff; KassKomm-Ricke § 8 SGB VII RdNr 209 ff, insbesondere RdNr 215; Stoll BG 1991, 45, 46). Bemängelt wird insbesondere, daß die Einstundengrenze bei dem Weg zum Ort der Tätigkeit infolge der unsicheren Abgrenzung von der Unterbrechung des Weges durch einen Abweg und der Betrachtung des Ziels des Abweges als dritten Ortes zu Konflikten mit der Zweistundengrenze mit der Folge einer unterschiedlichen Annahme von Unfallversicherungsschutz führen kann (s Schulin aaO und KassKomm-Ricke aaO RdNr 215 mit Beispielen). Als sachgerechte Lösung zur Vermeidung solcher Widersprüche wird die einheitliche Anwendung der Zweistundengrenze für die Beurteilung des dritten Ortes und der Unterbrechung des Weges vom Ort der Tätigkeit vorgeschlagen (s Schulin aaO und KassKomm-Ricke aaO; Stoll BG 1991, 45, 46).
Der Senat hält es nach eingehender Abwägung der verschiedenen Aspekte für geboten, unter teilweiser Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung die Erheblichkeit des Aufenthalts an dem anderen Ort, der diesen als „dritten Ort” im obigen Sinne erscheinen läßt, davon abhängig zu machen, daß sich der Versicherte dort mindestens zwei Stunden aufhält bzw aufhalten will. Zum einen werden hierdurch die in der Literatur aufgezeigten Konflikte vermieden, zum anderen wird auch dem Umstand Rechnung getragen, daß es bei beiden Konstellationen im Kern um dieselbe Frage nach der Teilung in zwei selbständige Wege geht (s KassKomm-Ricke aaO RdNr 215), die aus Gründen der Gleichbehandlung und Systemgerechtigkeit auch nur einheitlich beantwortet werden kann. Dabei erscheint der Zeitraum von mindestens zwei Stunden eher sachgerecht als etwa der von nur einer Stunde oder sogar noch darunter, weil hierdurch der Umstand, daß der dritte Ort in diesen Fällen funktional an die Stelle des häuslichen Bereichs tritt (vgl Schulin aaO § 33 RdNr 59) und so ein adäquates zeitliches Gewicht haben sollte, besser berücksichtigt wird. Durch die Einführung dieses klar zu beurteilenden Kriteriums, die Vereinheitlichung der zeitlichen Maßstäbe für Unterbrechungen sowie Wege nach und von dritten Orten und die damit verbesserte Transparenz wird dem hier in gleichem Maße bestehenden Bedürfnis der Versicherten nach Rechtssicherheit bei der Beurteilung der Reichweite ihres Unfallversicherungsschutzes auf Wegen zum Ort der Tätigkeit Genüge getan.
Angesichts des Aufenthalts der Klägerin in der Arztpraxis von 1 ¼ Stunden, der unter der danach anzuwendenden Zweistundengrenze liegt, war die Praxis nicht dritter Ort iS der Rechtsprechung des Senats. Die Klägerin hatte somit am 4. August 1994 den zum Unfall führenden Weg zum Ort ihrer Tätigkeit bei dem Kaufhaus K. von zu Hause aus angetreten, wich aber davon ab, um zu der Arztpraxis zu gelangen. Dabei handelte es sich nach der Handlungstendenz um eine dem privaten/persönlichen unversicherten Bereich zuzurechnende eigenwirtschaftliche Tätigkeit (BSG SozR 2200 § 548 Nr 31; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 2), die in keinem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als Verkaufsleiterin stand (s auch BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 16). Während dieser einer privaten Besorgung dienenden nicht nur geringfügigen Unterbrechung (vgl hierzu Brackmann/Krasney aaO § 8 RdNr 235) des Weges nach dem Ort der Tätigkeit durch den Einschub eines anderen mit anderer Zielrichtung (Abweg) bestand kein Unfallversicherungsschutz (vgl Brackmann/Krasney aaO § 8 RdNrn 232, 235 mwN; Krasney in Schulin aaO § 8 RdNr 82; Schulin aaO § 33 RdNr 59). Erst nach Beendigung der Unterbrechung wäre auf dem weiteren Weg nach dem Ort der Tätigkeit wieder ein Versicherungsschutz gegeben gewesen (vgl BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 2; Brackmann/Krasney aaO § 8 RdNr 235 mwN). Die Klägerin ist jedoch nicht in einem Verkehrsbereich verunglückt, den sie auch sonst auf dem Weg von ihrer Wohnung zur Arbeitsstätte zurückgelegt hätte. Vielmehr hatte sie im Unfallzeitpunkt weder die gewöhnliche zur Arbeitsstätte zurückgelegte Wegstrecke noch den Verkehrsraum ihrer Arbeitsstätte wieder erreicht. Sie ist damit auf einer Wegstrecke verunglückt, die sie ohne Aufsuchen der Arztpraxis von zu Hause nicht zurückgelegt hätte. Damit war im Unfallzeitpunkt die Unterbrechung des Weges nach dem Ort der Tätigkeit noch nicht beendet und somit der Unfallversicherungsschutz noch nicht wieder gegeben (vgl BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 2).
Auf die Revision der Beklagten waren daher die angefochtenen Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1175490 |
BSGE 82, 138 |
BSGE, 138 |
BB 1998, 2646 |
NJW 1998, 3292 |
NZS 1998, 578 |
SGb 1998, 310 |
SGb 1999, 81 |
SozR 3-2200 § 550, Nr.18 |
GV/RP 1999, 308 |
FuHe 1999, 414 |
SozSi 1999, 36 |