Leitsatz (amtlich)
1. Mit den Worten "nach Entstehung des Anspruchs" in AFG § 119 Abs 3 ist gemeint "nach Entstehung der Anwartschaft".
2. Zur Belehrung über die Rechtsfolgen einer Arbeitsablehnung gemäß AFG § 119.
Normenkette
AFG § 119 Abs. 3 Fassung: 1969-06-25, Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1969-06-25
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 14.07.1977; Aktenzeichen L 9/Al 55/76) |
SG Landshut (Entscheidung vom 26.02.1976; Aktenzeichen S 8/Al 24/75) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 1977 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) wegen "erneutem Eintritt einer Sperrzeit" (§ 119 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz - AFG -) erloschen ist.
Der 1930 geborene Kläger ist Hilfsarbeiter. Seit Februar 1973 erhielt er Alhi. Nachdem er eine ihm angebotene Beschäftigung als Bauhilfsarbeiter abgelehnt hatte, verhängte die Beklagte im Oktober 1973 gegen ihn eine Sperrzeit von 4 Wochen. Der Bescheid wurde bindend.
Vom 28. Januar bis 15. März 1974 bezog der Kläger Krankengeld wegen Arbeitsunfähigkeit. Die Beklagte hob darauf die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi auf und nahm die Zahlung der Alhi nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit wieder auf.
Nachdem der Kläger am 29. August 1974 wieder die Aufnahme einer Beschäftigung aus Gründen abgelehnt hatte, die die Beklagte nicht als ausreichend ansah, stellte sie die Gewährung der Alhi mit Wirkung zum 30. August 1974 ein, weil der Kläger nach der Entstehung des Anspruchs bereits zum zweiten Male Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit gegeben habe und deshalb der Anspruch erloschen sei. Die in der Zeit vom 30. August bis 12. September 1974 gezahlten Beträge forderte sie zurück (Bescheid vom 20. September 1974; Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 1975).
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über die Alhi erneut zu entscheiden. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 26. Februar 1976). Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 14. Juni 1977 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Voraussetzungen der §§ 134 Abs 2 Satz 1, 119 Abs 3 AFG, unter denen der Anspruch auf Alhi erlösche, lägen bei dem Kläger vor. Gemäß § 119 Abs 3 AFG erlösche der Anspruch, wenn der Arbeitslose "nach der Entstehung des Anspruchs" bereits einmal Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gegeben habe und erneut Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen biete. Ein neuer Anspruch entstehe iS des § 119 Abs 3 AFG nicht schon beim Eintritt jedes neuen Versicherungsfalles, sondern dann, wenn der Arbeitslose eine neue Anwartschaft erwerbe. Erforderlich sei, daß bei dem Arbeitslosen wieder alle Voraussetzungen des § 134 Abs 1 AFG erfüllt würden. Der Anspruch des Klägers auf Alhi sei im Februar 1973 entstanden, und zwar gemäß § 134 Abs 1 Nr 4 a AFG, weil er vorher Arbeitslosengeld (Alg) bezogen habe. Weder durch nachträgliche Beschäftigungsverhältnisse noch durch die Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 28. Januar bis 15. März 1974 sei ein neuer Anspruch auf Alhi begründet worden. Im Jahr vor der neuen Arbeitslosmeldung vom 15. März 1973 habe der Kläger auch nicht mindestens 10 Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden, somit keine neue Anwartschaft erworben. Da der Kläger "nach der Entstehung des Anspruchs" zweimal Anlaß für eine Sperrzeit von vier Wochen gegeben habe, sei sein Anspruch auf Alhi erloschen.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 119 Abs 3 AFG und bringt hierzu vor: Das AFG mache von zwei verschiedenen Begriffen des "Anspruchs" Gebrauch, Einmal verwende es den allgemein üblichen Anspruchsbegriff, ein andermal meine es eine "Anspruchsmasse, also ein bestimmtes Kapital", welches der Arbeitnehmer durch Beitragszahlungen angesammelt habe und welches ihm bei Bedarf zur Verfügung stehe (§§ 104, 106 AFG). So verwendeten die §§ 100 und 134 AFG den Begriff des "Anspruchs" in dem weiten Sinne, der im Rechtsleben üblich sei, während die §§ 106, 125 und 135 AFG den Begriff im engeren Sinne gebrauchten, also die Anspruchsmasse meinten.
Hinsichtlich des § 119 Abs 3 AFG sei davon auszugehen, daß der übliche, weite Anspruchsbegriff gemeint sei. Es sei ein Erfordernis der Rechtssicherheit, daß Begriffe im üblichen, gebräuchlichen Sinne verwendet würden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger antragsgemäß Alhi zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und ist der Auffassung, daß die Auslegung, die das LSG dem § 119 Abs 3 AFG gegeben habe, auch durch die Gesetzesmaterialien bestätigt werde.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist zulässig. Sie ist in dem Sinne begründet, daß das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist. Aufgrund der festgestellten Tatsachen läßt sich noch nicht abschließend entscheiden, ob der Alhi-Anspruch des Klägers aufgrund des Eintritts einer "erneuten" Sperrzeit erloschen ist.
Gemäß § 134 Abs 2 Satz 1 AFG gelten die Vorschriften des ersten Unterabschnitts über Arbeitslosengeld, also die §§ 100 ff AFG für die Alhi entsprechend, soweit die Besonderheiten der Alhi nicht entgegenstehen. Da gegen die Bestimmung des § 119 AFG über die Verhängung von Sperrzeiten keine Bedenken aus den Besonderheiten der Arbeitslosenhilfe bestehen, ist § 119 AFG innerhalb der Alhi-Bestimmungen entsprechend heranzuziehen.
Voraussetzung für das Erlöschen des Alhi-Anspruchs ist gemäß § 134 Abs 2 Satz 1, § 119 Abs 3 AFG, daß der Arbeitslose "nach der Entstehung des Anspruchs" bereits einmal Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gegeben, der Arbeitslose hierüber einen schriftlichen Bescheid erhalten und er erneut Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gegeben hat. Im vorliegenden Falle ist zum Nachteil des Klägers zweimal der Eintritt einer Sperrzeit festgestellt worden, während er Alhi bezog. Nach Auffassung des Klägers liegt dennoch keine zweimalige Sperrzeit iS des § 119 Abs 3 AFG vor, weil die erste Sperrzeit vor, die zweite nach einem zwischenzeitlichen Krankengeldbezug lag. Diese Auslegung des § 119 Abs 3 AFG ist jedoch nicht zutreffend.
Richtig ist, daß das AFG den Begriff des Anspruchs in verschiedener Bedeutung gebraucht. Üblich und völlig vorherrschend wird unter "Anspruch" das Recht verstanden, von einem Anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (so die Legaldefinition des § 194 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Der Anspruch in diesem Sinne entsteht, wenn alle Voraussetzungen vorliegen, an die das Gesetz den Anspruch knüpft. In diesem Verständnis verwendet das AFG den Begriff des "Anspruchs" insbesondere in § 100 Abs 1 AFG. Diese Vorschrift nennt alle Voraussetzungen, unter denen der konkrete Anspruch auf die konkrete Leistung des Alg entsteht. Demgegenüber gehen insbesondere die §§ 125 und 135 AFG, die das Erlöschen des Anspruchs auf Alg und Alhi regeln, von einem anderen Anspruchsbegriff aus. Sie besagen nicht etwa nur, daß der konkrete Anspruch auf Leistung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen erlischt, sondern daß die gesamte Anspruchsberechtigung, die gesamte rechtliche Grundlage untergeht, derzufolge der Arbeitnehmer durch Arbeitslosigkeit einen Anspruch erwerben kann. Das geht schon daraus hervor, daß der erste Tatbestand sowohl des § 125 wie auch des § 135 AFG die Erfüllung einer neuen Anwartschaft und damit eine die "Beitragspflicht begründende Beschäftigung" voraussetzt, also eine Situation, in der ein konkreter Anspruch auf Leistung mangels Arbeitslosigkeit ohnehin nicht bestehen kann. Wenn § 125 und § 135 AFG aussprechen, daß der Anspruch auf Alg bzw Alhi erlischt, wenn der Arbeitslose durch Erfüllung der Anwartschaftszeit einen Anspruch auf Alg erwirbt, so kann das nur besagen, daß über den konkreten Anspruch hinaus die gesamten früheren Anspruchsgrundlagen entfallen sollen.
Gemäß § 106 Abs 1 AFG richtet sich die Dauer des Anspruchs nach der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist. Man könnte annehmen, daß damit der konkrete Leistungsanspruch gemeint sei. Daß das aber nicht der Fall ist, folgt daraus, daß der Anspruch im Sinne des § 106 AFG durch mehrfache Arbeitslosigkeit, also auch durch mehrmaliges Entstehen des konkreten Leistungsanspruchs genutzt und verbraucht werden kann, solange keine neue Anwartschaft (§ 104 Abs 1 AFG) erworben ist (§ 125 Abs 1 AFG).
Da das AFG somit den Begriff des "Anspruchs" in verschiedenem Sinne gebraucht, läßt sich allein aus diesem Wort allein noch nicht herleiten, was es im einzelnen Falle meint. Unter "Anspruch" kann es einmal den konkreten aktuellen Leistungsanspruch meinen, also das Recht, von einem Anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, zum anderen aber auch die Berechtigung, aus der heraus der Anspruchsteller einen aktuellen und konkreten Leistungsanspruch erwerben kann; das sind die Rechte aus der Erfüllung der "Anwartschaftszeit" (§ 104 Abs 1 Satz 1 AFG), die man Anwartschaft nennen kann.
Auch die Entstehungsgeschichte des § 119 Abs 3 AFG zeigt nicht eindeutig, in welcher Bedeutung diese Vorschrift den Begriff "Entstehung des Anspruchs" verwendet.
§ 119 Abs 3 AFG entspricht inhaltlich der Regelung des § 83 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16. Juli 1927 - RGBl I 187 - idF der Bekanntmachung vom 3. April 1957 - BGBl I 321, 706 -. Der § 83 AVAVG lautete: "Ist seit der letzten Erfüllung einer Anwartschaftszeit (§ 85) wiederholt eine Sperrfrist verhängt worden und hat der Arbeitslose erneut Anlaß zur Verhängung einer Sperrfrist gegeben, so kann der ihm noch zustehende Anspruch auf Arbeitslosengeld entzogen werden." Das AVAVG stellte es damit klar auf das Verhalten des Arbeitslosen in der Zeit nach Erwerb der Anwartschaft und nicht nach dem Entstehen des konkreten Leistungsanspruchs ab. Auch § 120 des Regierungsentwurfs zum AFG (BR-Drucksache 484/67, V 2291 - entspricht dem geltenden § 119 Abs 3 AFG) knüpfte an die "letzte Erfüllung der Anwartschaftszeit" an. Die Sperrzeitvorschrift, wie sie vom Ausschuß für Arbeit (BT-Drucksache V 4110, § 108 a) vorgeschlagen wurde, sah dagegen zum ersten Male die Worte "nach Entstehen des Anspruchs" vor. Begründet wurde diese Änderung damit (zu BT-Drucksache V 4110), anders als nach geltendem Recht (§ 83 AVAVG) und nach dem Regierungsentwurf (§ 120) solle nur noch das Verhalten des Arbeitslosen nach Entstehen des Anspruchs, d.h. nach der Arbeitslosmeldung und damit nach Belehrung über die Rechtsfolgen des Erlöschens des Anspruchs auf Alg die Möglichkeit der Sperrzeit begründen. Die Änderung gegenüber § 120 des Regierungsentwurfs und § 83 AVAVG war also nicht nur redaktioneller Art, sondern hatte den Sinn, gegenüber diesen Bestimmungen eine materielle Änderung herbeizuführen.
Aber auch aus der vom Ausschuß für Arbeit angegebenen Zielsetzung, die Verhängung einer Sperrzeit und ggf. den Verlust des Alg- oder Alhi-Anspruchs nur nach Entstehen des konkreten Anspruchs und nach einer Belehrung über die Rechtsfolgen zu ermöglichen, läßt sich nicht eindeutig entnehmen, daß in § 119 Abs 3 AFG mit "Entstehung des Anspruchs" jeweils lediglich die Zeit nach Begründung ein und desselben konkreten Leistungsanspruchs gemeint ist. Das zeigt die Gestaltung des vorliegenden Falles. Der vom Ausschuß für Arbeit angegebenen Zielsetzung ist gerade im vorliegenden Falle genügt, obwohl der konkrete Leistungsanspruch dadurch gewechselt hat, daß der Kläger zwischenzeitlich erkrankt und ihm deswegen der Anspruch auf Leistung entzogen war. Nach Entstehen der Anwartschaft des Klägers war bereits durch Arbeitslosmeldung ein konkreter Leistungsanspruch entstanden, und der Kläger hatte auch anläßlich der ersten Sperrzeit bereits eine Belehrung erhalten. Daraus wird ersichtlich, daß die Begründung des Ausschusses nicht die redaktionelle Änderung abdeckt, die er im Gesetz vorgenommen hatte. Die Materialien des AFG lassen unter diesen Umständen keinen überzeugenden Schluß auf den gesetzgeberischen Willen zu der Frage erkennen, was mit "Anspruch" im Sinne des § 119 Abs 3 AFG gemeint ist.
Die Auslegung des § 119 Abs 3 AFG muß sich daher am Sinn und Zweck dieser Vorschrift ausrichten. Die Sperrzeit beruht auf dem Grundgedanken, daß sich eine Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muß, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft. Sie hat nicht den Charakter einer Strafe (Hennig/Kühl/Heuer, § 119 Anm 1). Die Sperrzeit soll die Gemeinschaft der Beitragszahler davor schützen, daß einzelne Beitragszahler das Risiko der Arbeitslosigkeit manipulieren, indem sie dem Arbeitslosen einen Teil der Aufwendungen aufbürdet, die er den Beitragszahlern durch sein Verhalten verursacht (Gagel, Sperrzeitprobleme in der Sicht des Artikel 12 Grundgesetz, Arbeit und Beruf 1978, 258). Aus dieser Grenzziehung zwischen den verschiedenen im AFG wirksamen Interessen ist auch § 119 Abs 3 AFG zu verstehen, der der Bundesanstalt die Befugnis gibt, die weitere Zahlung von Lohnersatzleistungen überhaupt einzustellen. Mit dem Gedanken, daß dem Arbeitslosen die Möglichkeit verwehrt sein muß, das Risiko zu Lasten der Versichertengemeinschaft herbeizuführen oder aufrechtzuerhalten und daß ihm ein Teil der Kosten aufgebürdet werden soll, der ihm durch ein solches Verhalten entsteht, wäre es nicht zu vereinbaren, wenn in § 119 Abs 3 AFG der Begriff "Anspruch" und der Begriff "Entstehung des Anspruchs" im Sinne des konkreten Einzelanspruchs, also des Rechts verstanden würde, von einem Anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Der Arbeitslose hätte dann nämlich die Möglichkeit, den Folgen des erneuten Eintritts einer Sperrzeit dadurch zu entgehen, daß er sich aus dem Bezug der Leistung abmeldete oder erklärte, daß er der Arbeitsvermittlung nicht (mehr) zur Verfügung stehe. Auch würde, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, die durch § 119 Abs 3 AFG für die zweite Sperrzeit vorgesehene Rechtsfolge dann nicht eintreten, wenn der Arbeitslose zwischendurch Krankengeld bezogen hat und wegen seiner vorübergehenden Nichtverfügbarkeit der Anspruch entzogen worden ist. Eine damit zufällige oder sogar absichtliche Verhinderung des Eintritts einer Sanktion für versicherungsschädliches Verhalten wäre jedoch nicht zu rechtfertigen. § 119 Abs 3 AFG ist daher ebenso wie die Vorgängervorschrift des § 83 AVAVG dahin zu verstehen, daß eine erneute Sperrzeit dann eingetreten ist, wenn seit der letzten Erfüllung einer Anwartschaftszeit ein weiteres Mal diejenigen Umstände verwirklicht sind, die zur Verhängung einer Sperrzeit berechtigen. Die Entziehung des Alhi-Anspruchs war daher nicht deshalb gegenüber dem Kläger unberechtigt, weil er zwischen der ersten und der zweiten Sperrzeit erkrankt gewesen war und die Beklagte ihm deshalb die Alhi nach § 151 AFG entzogen hatte.
Der Kläger hatte damit iS von § 119 Abs 3 AFG "nach der Entstehung des Anspruchs" bereits einmal Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gegeben, und er hatte darüber einen schriftlichen Bescheid erhalten. Da dieser Bescheid bindend geworden ist, steht seine Rechtmäßigkeit nicht mehr in Frage. Hinsichtlich des Anlasses für den Eintritt einer weiteren Sperrzeit von vier Wochen hat das LSG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß der Kläger zum Arbeitsplatz lediglich einen zumutbaren Fußweg zurückzulegen hatte, den er zu Unrecht verweigert hat. Da der Kläger diese Tatsachenfeststellung nicht mit Revisionsgründen angegriffen hat, ist das Revisionsgericht an sie gebunden (§ 163 SGG).
Dennoch kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Gemäß § 119 Abs 1 Nr 2 AFG konnte zum Nachteil des Klägers nur dann die zweite Sperrfrist eintreten, wenn er trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt angebotene Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten hatte. Sinn dieser Belehrung ist es, dem Arbeitslosen die Folgen vor Augen zu führen, die sich aus der Ablehnung der Arbeit ergeben. Der Arbeitslose soll in die Lage versetzt werden, unter Berücksichtigung aller Umstände selbstverantwortlich eine Entscheidung zu treffen. Die Belehrung muß daher alle Informationen enthalten, die für diese seine Entscheidung notwendig sind; sie muß dem Arbeitslosen demgemäß nicht nur alle Einzelheiten bezüglich der ihm angebotenen Arbeit vermitteln, derer er für eine sachgerechte Entscheidung über Annahme oder Nichtannahme bedarf, sondern auch über die Möglichkeit von Folgen iS des § 119 Abs 2 und 3 AFG unterrichten. Sie muß in allen Punkten verständlich sein und dabei die Auffassungsgabe des Einzelnen berücksichtigen. Erforderlich ist vor allem, daß die Belehrung erfolgt, bevor der Arbeitslose Verhandlungen mit dem Arbeitgeber aufnimmt und bevor es zu einer Ablehnung des Arbeitsangebotes gegenüber dem Arbeitgeber kommt. Nicht ausreichend ist es, wenn der Arbeitslose erst nach Ablehnung des Arbeitsangebotes gegenüber dem Arbeitgeber von dem Bediensteten des Arbeitsamtes die erforderliche Belehrung erhält und diesem gegenüber die Ablehnung lediglich wiederholt oder die Gründe für sein Verhalten darlegt. In einem solchen Fall ist der Arbeitslose durch sein vorangegangenes Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber bereits festgelegt, ohne daß er dabei die erforderliche Belehrung bereits hatte.
Auch ist die Belehrung des Arbeitslosen vor der zweiten Ablehnung eines Arbeitsangebotes nicht deshalb überflüssig, weil ihm bereits bei dem ersten Arbeitsangebot eine Belehrung erteilt worden ist. Angesichts der schwerwiegenden Folgen des Entzugs der Lohnersatzleistungen muß sichergestellt sein, daß der Arbeitslose über die Folgen seines Verhaltens in jeder Beziehung ausreichend unterrichtet ist. Es ist nicht auszuschließen, daß derjenige, dem vor dem Eintritt einer Sperrfrist eine Information über die Folgen einer zweiten Sperrzeit erteilt worden ist, auf diesen Punkt kein besonderes Gewicht legt, weil er sich in der betreffenden Situation noch nicht befindet und daß er sich daher bei der zweiten Ablehnung einer Arbeit über diese Folgen nicht (mehr) im klaren ist (vgl dazu auch BSG SozR 4100 § 152 Nr 3).
Ob im Falle des Klägers eine solche Belehrung erfolgte, ist vom LSG nicht festgestellt worden. Deshalb ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1647172 |
BSGE, 101 |