Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Arbeitslosengeld
Beteiligte
… Kläger und Revisionskläger |
Bundesanstalt für Arbeit,Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Streitig ist die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg).
Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 5. August 1986 Alg für 312 Tage in Höhe von wöchentlich 278,40 DM. Der Kläger lebte von seiner Ehefrau getrennt, bei der sich auch das gemeinsame Kind Michaela (geboren 1984) befand. Er hat noch eine weitere Tochter aus erster Ehe (Elke, geboren 1971).
Bereits im September 1986 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten die Auszahlung eines angemessenen Teils des dem Kläger bewilligten Alg an sie (Abzweigung), weil sie dessen Angehörigen Hilfe zum Lebensunterhalt zahle, da der Kläger seiner Unterhaltspflicht nicht nachkomme. Der Kläger beanstandete zwar im Rahmen seiner Anhörung durch die Beklagte die beabsichtigte Höhe der Abzweigung, die die Beklagte daraufhin auch ermäßigte, wendete sich aber nicht gegen die Abzweigung als solche, obwohl er Durchschrift des auf § 48 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - (SGB I) gestützten Abzweigungsbescheides vom 26. September 1986 erhalten hatte. Dasselbe geschah, als die Beigeladene ab 1. Oktober 1986 wegen ihrer Leistungen an die Tochter Elke zusätzlich Abzweigungen begehrte. Der Kläger erklärte, er sei zwar gegenüber Ehefrau und den minderjährigen Kindern Elke und Michaela unterhaltspflichtig; ihm müsse jedoch der Selbstbehalt von 900,-- DM monatlich verbleiben. Daraufhin setzte die Beklagte den Abzweigungsbetrag mit wöchentlich 75,-- DM niedriger fest, als ursprünglich geplant (Bescheide vom 5. November 1986 an den Kläger und die Beigeladene). Als der Alg-Satz des Klägers sich wegen Änderung des Inhalts seiner Lohnsteuerkarte ab 1987 auf 261,-- DM wöchentlich verminderte, wurde der Abzweigungsbetrag ab 2. Januar 1987 auf wöchentlich 51,-- DM herabgesetzt. Der Kläger hat von dem entsprechenden Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 1987 eine Durchschrift erhalten. Auch als die Beklagte eine Aufteilung der oa 51,-- DM in zwei Zahlungen an ihr Sozialamt und ihr Jugendamt begehrte, weil letzteres Leistungen für das Kind Michaela erbrachte, erhielt der Kläger wie die Beigeladene einen Bescheid über entsprechende Teil-Abzweigungen (Bescheide vom 25. März 1987 = 34,02 DM an Sozialamt, 16,98 DM an Jugendamt). Nach Aufklärung über die Berechnung eines Teilbetrages beanstandete der Kläger auch diese Abzweigungsentscheidung nicht weiter.
Am 18. Juni 1987 nahm der Kläger eine Beschäftigung auf; das Alg einschließlich der abgezweigten Beträge wurde jedoch noch bis einschließlich 20. Juni 1987 gezahlt. Die Beklagte hob daraufhin gegenüber dem Kläger die Bewilligung von Alg mit Wirkung vom 18. Juni 1987 auf und forderte vom Kläger die Erstattung von 130,50 DM zu Unrecht gezahlter Leistungen für die Zeit vom 18. bis 20. Juni 1987 (Bescheid vom 8. September 1987; Widerspruchsbescheid vom 16. November 1987).
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) antragsgemäß den Bescheid vom 8. September 1987 idF des Widerspruchsbescheides vom 16. November 1987 aufgehoben, soweit vom Kläger ein Betrag von mehr als 105,-- DM zurückgefordert wird (Urteil vom 25. Juli 1989). Das SG ist der Auffassung des Klägers gefolgt, daß er nur das Alg zu erstatten habe, das er für die drei Tage der Überzahlung auch tatsächlich erhalten habe (105,-- DM), nicht jedoch die für diese Zeit an die Beigeladene ausbezahlten 25,50 DM.
Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen. Das LSG hat sein Urteil vom 10. April 1990 wie folgt begründet: Zu Recht habe die Beklagte die Alg-Bewilligung für die Zeit ab 18. Juni 1987 gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X wegen Arbeitsaufnahme des Klägers aufgehoben. Dadurch sei gleichzeitig die Abzweigung von Alg an die Beigeladene in Höhe von 8,50 DM werktäglich hinfällig geworden. Das sei unter den Beteiligten auch nicht streitig. Ein sogenannter atypischer Fall, der die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung unter Härtegesichtspunkten ausnahmsweise in das Ermessen der Beklagten stelle, liege nicht vor. Zwar sei das ab 18. Juni 1987 zu Unrecht gezahlte Alg in Höhe von 25,50 DM nicht an den Kläger ausgezahlt worden, sondern an die Beigeladene. Er habe dadurch aber im Vergleich zu der Alg-Bezugszeit vor dem 18. Juni 1987 keinen finanziellen Nachteil erlitten, weil er durch die Aufnahme einer Beschäftigung ab 18. Juni 1987 Arbeitsentgelt erziele, welches das bisher gezahlte Alg übersteige.
Die nach Aufhebung eines Verwaltungsaktes aus § 50 Abs 1 SGB X folgende Pflicht zur Erstattung erbrachter Leistungen treffe nicht nur denjenigen, dem die Leistung als Berechtigten ausbezahlt worden sei, sondern gegebenenfalls auch den, dem an Stelle des eigentlichen Leistungsempfängers gezahlt worden sei. In solchen Fällen sei aber vorrangig derjenige in Anspruch zu nehmen, der im Innenverhältnis zu zahlen habe. Anders sei es nur, wenn dieser nicht mehr unterhaltspflichtig sei. Danach habe der Kläger auch den an die Beigeladene ab 18. Juni 1987 zu Unrecht abgezweigten Betrag von 25,50 DM zu erstatten; seine Einkommensverhältnisse hätten sich durch die Arbeitsaufnahme und den dadurch bedingten Wegfall des Alg nicht verschlechtert, sondern verbessert. Die bisherige Abzweigung des Alg in Höhe von 51,-- DM wöchentlich (8,50 DM werktäglich) an die Beigeladene sei bis 17. Juni 1987 rechtmäßig und mangels Aufhebung auch verbindlich geworden. Sie entspreche dem vom Kläger selbst vorgelegten Unterhaltsurteil des Amtsgerichts Lingen vom 13. Februar 1987, wonach dem Kläger ab Januar 1987 von seinem Alg nach Abzug eines Selbstbehalts in Höhe von 900,-- DM eine Verteilungsmasse für Unterhaltszahlungen an die Töchter Elke und Michaela in Höhe von 222,30 DM monatlich verbliebe, von der er durch die Abzweigung von wöchentlich 51,-- DM an die Stadt Lingen monatlich 219,30 DM erfülle, während der Unterhaltsbedarf beider Kinder 555,-- DM monatlich betrage.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 50 SGB X. Er sei nicht richtiger Adressat des Verwaltungsaktes gemäß § 50 Abs 3 SGB X. Der Rechtsauffassung des Landessozialgerichts (LSG) könne nicht gefolgt werden. Grundlage für die Auszahlung eines Teils des Alg an den Auszahlungsberechtigten sei der Bescheid über die Abzweigung gemäß § 48 SGB I. Für die Abzweigung nach § 48 SGB I bedürfe es dabei nicht der Feststellung, ob der Leistungsberechtigte dem Kind unterhaltsverpflichtet sei und dieser Pflicht nicht nachkomme. Vielmehr genüge es, wenn das Kind tatsächlich nicht unterhalten werde. § 48 SGB I entbinde mithin den Leistungsgewährenden von der Prüfung der Frage, ob nach bürgerlichem Recht eine Unterhaltspflicht überhaupt besteht. Nur unter dieser Voraussetzung sei die Vorschrift des § 48 SGB I für den Leistungsgewährenden überhaupt praktikabel; denn es sei für den Leistungsgewährenden in der Regel völlig unmöglich, festzustellen, ob eine Unterhaltspflicht nach dem bürgerlichen Recht tatsächlich bestehe. Zur Entscheidung über die Frage, ob eine Unterhaltspflicht nach bürgerlichem Recht besteht, seien vielmehr ausschließlich die Zivilgerichte berufen.
Sei aber Grundlage für die Abzweigung nicht die tatsächliche Leistungspflicht nach bürgerlichem Recht, sondern ausschließlich der Bescheid über die Abzweigung, so sei festzustellen, daß bei einer Aufhebung des Leistungsbescheides nach § 48 SGB X zugleich auch die Abzweigung aufgehoben und somit gegenstandslos werde. Damit entfalle der Rechtsgrund für die Leistungserbringung an den Auszahlungsberechtigten, was zwingend zur Folge haben müsse, daß der Auszahlungsberechtigte zur Erstattung der an ihn erbrachten Leistung verpflichtet sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für rechtens und führt ergänzend aus:Der Bewilligungsbescheid Alg sei mit Wirkung von 18. Juni 1987 rechtmäßig aufgehoben und der überzahlte Betrag gemäß § 50 Abs 1 SGB X zurückverlangt worden. Die Aufhebung des Leistungsbescheides beinhalte nicht die Aufhebung des die Auszahlung gemäß § 48 SGB I verfügenden Verwaltungsaktes gegenüber einem Dritten. Aufgrund der Aufhebung des Bewilligungsbescheides habe die Erstattung der bereits erbrachten, überzahlten Leistung durch den Kläger zu erfolgen. Erbracht iS des § 50 Abs 1 SGB X seien insoweit auch Leistungen, die in Erfüllung von Verbindlichkeiten des Leistungsempfängers an Dritte ausbezahlt worden seien, da dieser hierdurch von seiner Verbindlichkeit jeweils insoweit befreit worden sei. Dadurch sei der Kläger, auch wenn die Auszahlung des hier streitigen Betrages von 25,50 DM nicht an ihn erfolgt sei, richtiger Adressat des Erstattungsbegehrens.
Dem Argument, es könne der streitige Betrag ebenso vom Empfänger des Auszahlungsbetrages zurückverlangt werden, sei entgegenzuhalten, daß insoweit keine Aufhebungsmöglichkeit gemäß § 48 SGB X bestehe, da der Ehefrau des Klägers wohl kaum vorgeworfen werden könne, daß sie den Aufhebungsgrund (Arbeitsaufnahme des Klägers als Überzahlungsursache) kannte bzw infolge besonders schwerer Sorgfaltspflichtverletzung nicht kannte. Abgesehen davon könne ihr keine Verletzung einer Mitteilungspflicht angelastet werden.
Auch der Argumentation des Klägers hinsichtlich der Grundlagen der Entscheidung nach § 48 SGB I könne nicht gefolgt werden. Wie dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. Mai 1987 (7 RAr 13/86) zu entnehmen sei, habe die Bundesanstalt für Arbeit die zivilrechtlichen Normen zum Unterhaltsrecht zu beachten und ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Dies beinhalte die Prüfung, ob eine Unterhaltspflicht besteht, als unverzichtbare Voraussetzung für einen Anspruch auf Auszahlung gemäß § 48 SGB I. Lediglich bei der Berechnung der Höhe des Unterhaltsanspruchs habe das BSG die einheitliche Benutzung der Düsseldorfer Tabelle gebilligt, so daß eine Differenz zu einem Unterhaltsurteil, das sich auf die örtlich regelmäßig angewandte Unterhaltstabelle und Leitlinien stützt, entstehen könne. Darüber hinaus habe mit dem Urteil des Familiengerichts Lingen vom 27. Februar 1987 ein Unterhaltstitel vorgelegen, der nach § 48 SGB I habe ausgeführt werden müssen. Die Argumentation des Klägers zur Frage der Prüfung der Unterhaltspflicht sei damit unerheblich.
Die Beigeladene, die keinen Antrag gestellt hat, hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zusätzlich weist sie darauf hin, daß der Kläger mittlerweile regelmäßig Unterhalt zahle. Bei der Berechnung der Unterhaltsrückstände werde dem Kläger der vom Arbeitsamt Nordhorn abgezweigte und überzahlte Betrag von 25,50 DM angerechnet. Im übrigen werde nochmals bestätigt, daß eine Unterhaltspflicht des Klägers bestanden habe, so daß die Abzweigung durch das Arbeitsamt korrekt vorgenommen worden sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte verlangt zu Recht von ihm die Erstattung von Alg in Höhe von 130,50 DM.
Gegenstand der Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 8. September 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 1987 (§ 95 SGG). Dieser Bescheid enthält zwei Verfügungssätze, nämlich zum einen die Aufhebung der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 18. bis 20. Juni 1987, zum anderen die Regelung, daß der Kläger 130,50 DM zu Unrecht gezahltes Alg an die Beklagte zurückzuzahlen (zu erstatten) habe. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung hat der Senat nicht zu entscheiden; denn der Kläger hat diesen Teil des oa Bescheides nicht angefochten. Dies folgt ohne weiteres aus seinem Klageantrag und dem Vorbringen im Verfahren. Mit der Klage hat der Kläger beantragt, den oa Bescheid aufzuheben, soweit er mehr als 105,-- DM erstatten soll. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Überzahlung sei objektiv eingetreten; denn die Zahlung von Alg hätte wegen der Arbeitsaufnahme zum Ablauf des 17. Juni 1987 eingestellt werden müssen. Er - der Kläger - sei bereit, die (ihm zugeflossenen) 105,-- DM zurückzuzahlen, nicht jedoch die 25,50 DM, die an die Beigeladene überwiesen worden sind. Auch mit der Revision rügt der Kläger nur die Verletzung von § 50 SGB X, also der Vorschrift über die Erstattung von Leistungen. Er begründet dies damit, daß er nicht der richtige Adressat des Verwaltungsaktes "gemäß § 50 Abs 3 SGB X" sei; der Leistungsberechtigte sei nicht zur Erstattung verpflichtet, wenn nicht er selbst, sondern ein Dritter die Leistung tatsächlich empfangen habe. Schließlich formuliert er sein Klageziel auch hier ausdrücklich dahin, den angefochtenen Verwaltungsakt insoweit aufzuheben, als von ihm ein Betrag von mehr als 105,-- DM zurückgefordert werde. Gemäß § 123 SGG sind die Sozialgerichte zwar nicht an die Fassung der vom Kläger gestellten Anträge gebunden; ungeachtet dessen dürfen sie jedoch nur über die von ihm erhobenen Ansprüche entscheiden. Verfolgt der Kläger hier aber nur das Ziel der Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes, soweit von ihm mehr als 105,-- DM zurückgefordert werden, betrifft seine Klage die gleichzeitig ausgesprochene Aufhebung der Alg-Bewilligung gar nicht; auch die Rückforderung von Alg greift er nicht an, soweit sie 105,-- DM beträgt. In diesem Umfang ist der angefochtene Bescheid der Beklagten mithin bindend geworden (§ 77 SGG). Deshalb ist nur noch darüber zu befinden, ob die von der Beklagten verlangte Erstattung von 130,50 DM auch insoweit rechtens ist, als sie 105,-- DM übersteigt. Dies ist zu bejahen.
Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) gelangten aufgrund der Bewilligung von Alg an den Kläger für die Tage 18., 19. und 20. Juni 1987 seitens der Beklagten insgesamt 130,50 DM zur Auszahlung; davon wurden an den Kläger selbst für diese Zeit 105,-- DM überwiesen, an die Beigeladene (aufgrund der Abzweigung) 25,50 DM. Nachdem die Beklagte die Alg-Bewilligung für diese Zeit bindend aufgehoben hat, muß der Kläger nicht nur die ihm zugeflossenen 105,-- DM zurückzahlen, sondern auch die 25,50 DM erstatten, die die Beigeladene erhalten hat. Dies folgt aus § 50 SGB X.
Nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier gegenüber dem Kläger erfüllt. Die Bewilligung von Alg an ihn ist für die Zeit vom 18. bis 20. Juni 1987 bindend aufgehoben worden; für die gleiche Zeit hatte die Beklagte aufgrund der aufgehobenen Alg-Bewilligung Leistungen in Höhe von 130,50 DM erbracht. Von diesem Betrag wurden zwar 25,50 DM an die Beigeladene ausbezahlt. Der Kläger muß sich dies zurechnen lassen und hat diesen Betrag als eine von der Beklagten erbrachte Leistung ebenso zu erstatten wie den Betrag, den er selbst erhalten hat. Dies ergibt sich aus der für den Kläger wirksamen Abzweigung (auch) dieses Teils des ihm zustehenden Alg an die Beigeladene.
Die Abzweigung beruht auf der Anwendung des § 48 Abs 1 SGB I durch die Beklagte. Nach dieser Vorschrift können laufende Geldleistungen, die - wie das Alg - der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, in angemessener Höhe an den Ehegatten oder die Kinder des Leistungsberechtigten ausgezahlt werden, wenn er ihnen gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt (Satz 1). Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Ehegatten oder den Kindern Unterhalt gewährt (Satz 2 alter Fassung, jetzt Satz 4). Die auf § 48 SGB I gestützte Verfügung des Leistungsträgers, eine bestimmte Sozialleistung in bestimmter Höhe an einen Dritten und nicht an den Leistungsberechtigten auszuzahlen, ändert zwar nichts an der Anspruchsberechtigung (BSGE 49, 243, 246 = SozR 2200 § 205 Nr 32). Soweit der Leistungsträger die Sozialleistung einem Dritten zukommen läßt, verfügt er jedoch an Stelle des Leistungsberechtigten (BSG SozR 1200 § 48 Nr 11). Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei der Abzweigung nach § 48 Abs 1 SGB I zwar um eine Ermessensentscheidung; jedoch müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sein, was sowohl vorab von der Beklagten als auch im Streitfall von den Gerichten zu prüfen ist (vgl BSG SozR 1200 § 48 Nr 12 mwN). Zu dieser Prüfung gehört entgegen der Auffassung des Klägers auch, ob der Leistungsberechtigte gegenüber dem Ehegatten oder Kindern als Abzweigungsbegünstigten unterhaltspflichtig ist und dieser Pflicht nicht nachkommt. Erst nach Feststellung dieser Tatbestandsmerkmale ist die Beklagte zur Ausübung ihres Ermessens berechtigt und verpflichtet, ob und in welchem Umfang sie eine Abzweigungsregelung trifft. Sie greift mit der Entscheidung zur Abzweigung allerdings in die Rechte des Leistungsberechtigten ein; denn Teile der ihm zustehenden Leistung werden nunmehr nicht mehr ihm, sondern einem Dritten ausbezahlt. Folglich hat sie den Leistungsberechtigten vor der Entscheidung gemäß § 24 Abs 1 SGB X anzuhören (BSG SozR 1200 § 48 Nrn 12, 13). Die Entscheidung, eine Abzweigung vorzunehmen, ist dem Leistungsberechtigten bekanntzugeben, damit sie ihm gegenüber wirksam wird (§§ 37 Abs 1, 39 Abs 1 und 2 SGB X). Der Leistungsberechtigte hat schließlich das Recht, zu seinem Nachteil lautende Abzweigungsentscheidungen vor den Sozialgerichten anzufechten (BSG SozR 1200 § 48 Nrn 8, 10, 11).
Diese rechtliche Ausgestaltung des Abzweigungsverfahrens nach § 48 SGB I gewährleistet mithin die Rechte des Leistungsberechtigten in vollem Umfang. Er vermag sich mit allen relevanten Einwänden Gehör zu verschaffen, die er gegenüber der Auszahlung von Teilen der ihm zustehenden Leistung an Dritte besitzt. Es muß davon ausgegangen werden, daß er von diesen Rechten auch Gebrauch macht, wenn er mit der angekündigten oder angeordneten Abzweigung nicht einverstanden ist. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn er der Meinung ist, daß eine Unterhaltspflicht gar nicht bestehe. Wendet sich der Leistungsberechtigte hingegen dem Grunde nach weder gegen das Vorhaben einer Abzweigung noch gegen die dementsprechende Entscheidung, obwohl ihm diese eröffnet ist, folgt daraus, daß er damit einverstanden ist. Er steht rechtlich so da, als ob er in die Auszahlung eines Teils der ihm zustehenden Leistung durch den Leistungsträger an einen Dritten einwilligt oder sie jedenfalls genehmigt. Diese Schlußfolgerung aus einer dem Leistungsberechtigten gegenüber wirksam eingetretenen Bindungswirkung der vom Leistungsträger getroffenen Abzweigungsentscheidung bedeutet zugleich, daß der Leistungsberechtigte sich die abgezweigten Leistungsteile ungeachtet ihrer tatsächlichen Auszahlung an einen Dritten als iS von § 50 Abs 1 SGB X an sich erbracht zurechnen lassen muß. Insoweit unterscheidet sich dieser Sachverhalt nicht von jenem, in dem der Leistungsträger mit Billigung des Leistungsberechtigten, dh entsprechend seinem Willen, Teile der Leistung an einen Dritten auszahlt. Für diesen Fall hat das BSG aber bereits entschieden, daß sich der Leistungsberechtigte diese Zahlungen als empfangen zurechnen lassen muß mit der Folge der ihn treffenden Erstattungspflicht gemäß § 50 Abs 1 SGB X nach wirksamer Aufhebung der Leistungsbewilligung (vgl BSG SozR 1300 § 50 Nr 16). Etwas anderes gilt nur, wenn die Auszahlung an den Dritten noch erfolgt, obwohl der Leistungsträger den Umständen nach von einer insoweit fehlenden Zustimmung des Leistungsberechtigten ausgehen muß. Das ist zB der Fall, wenn der Leistungsberechtigte die Bestimmung des Zahlungsempfängers geändert hat (BSG aaO). Für Fälle der Abzweigung nach § 48 Abs 1 SGB I wird man dasselbe annehmen müssen, wenn der Leistungsberechtigte dem Leistungsträger gegenüber zu erkennen gibt, daß er mit der Auszahlung an Dritte nicht länger einverstanden ist, indem er zB einen Antrag auf Änderung der derzeit noch bindenden Abzweigungsentscheidung stellt. In solchen Fällen kann der Fortführung der Abzweigung das Merkmal der Erbringung der Leistung "an den" Leistungsberechtigten fehlen, wie es § 50 Abs 1 SGB X für dessen Erstattungspflicht voraussetzt. Gleiches wird für Zahlungen des Leistungsträgers an Dritte gelten, die nicht (mehr) vom Bestand einer entsprechenden Leistungsbewilligung gedeckt sind.
Im vorliegenden Fall sind für solche, die Erstattungspflicht des leistungsberechtigten Klägers nach § 50 Abs 1 SGB X für abgezweigte Beträge einschränkenden Umstände keine Anhaltspunkte gegeben. Hingegen liegen die oa Voraussetzungen vor, die die Erstattungspflicht des Klägers wegen der an die Beigeladene für die Zeit vom 18. bis 20. Juni 1987 ausbezahlten 25,50 DM rechtfertigen: Der Kläger ist von der Beklagten vor der Abzweigungsentscheidung angehört worden; seinen gegen die Höhe von Abzweigungsbeträgen gerichteten Einwänden wurde Rechnung getragen; die Abzweigungsentscheidung wurde ihm förmlich bekanntgegeben; den dagegen möglichen Widerspruch hat er nicht eingelegt. Die hieraus folgende Wirksamkeit der Abzweigungsregelung auch ihm gegenüber muß der Kläger als Grundlage für seine Erstattungspflicht nach § 50 Abs 1 SGB X gegen sich gelten lassen. Auf die Frage der fortbestehenden Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seiner Ehefrau oder seinen Kindern kommt es angesichts dessen insoweit nicht mehr an; diese ist im übrigen schon wegen der Kinder mit einem die streitige Abzweigung übersteigenden Wert vom LSG unangegriffen festgestellt worden.
Die Wirksamkeit der Abzweigung ist mit der Aufhebung der Alg-Bewilligung für die Zeit vom 18. bis 20. Juni 1987 rückwirkend entfallen. Denn die Abzweigung hat nach Anspruchsvoraussetzung und Zweckbestimmung keinen selbständigen Charakter; sie setzt die Leistungsgewährung voraus und teilt deshalb als akzessorische Leistung deren Schicksal (BSG SozR 1500 § 147 Nr 8). Die auch für die Abzweigungsentscheidung maßgebliche Aufhebung der Alg-Bewilligung durch den teilweise angefochtenen Verwaltungsakt bedeutet allerdings nicht, wie das SG und der Kläger meinen, daß die Zahlung der abgezweigten Beträge für den 18. bis 20. Juni 1987 an die Beigeladene ohne Rechtsgrund erfolgt sind. Im Zeitpunkt der Auszahlung erfolgte dies aufgrund der noch bestandskräftigen Bewilligung und Abzweigung. Sie war deshalb nicht rechtsgrundlos erfolgt; die Aufhebung der Bewilligung erweist seit ihrer Bindung für die Beteiligten lediglich, daß die Auszahlung von Alg an den Kläger und der abgezweigten Beträge an die Beigeladene rechtswidrigerweise erfolgt sind. Erst die erfolgte wirksame Aufhebung als solche ist die Voraussetzung für die Erstattungspflicht nach § 50 Abs 1 SGB X, ohne daß damit allein bereits feststeht, wer zu erstatten hat. Dafür ist maßgebend, wie schon ausgeführt, wem die Leistungen "erbracht" worden sind. Zu Unrecht schließt deshalb der Kläger mit dem SG allein aus jener zwangsläufig rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung auf die Erstattungspflicht des Abzweigungsempfängers. Im übrigen geht es hier nicht darum; denn die Erstattung der 25,50 DM verlangt die Beklagte nicht von der Beigeladenen, sondern vom Kläger. Dieses Verlangen ist berechtigt, wie dargelegt. Über die Frage, ob die Beklagte (daneben) auch von der Beigeladenen Erstattung hätte verlangen können, ist folglich nicht zu entscheiden.
Die Revision des Klägers ist nach allem zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen
Haufe-Index 517939 |
BSGE, 107 |