Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 1971 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der erste Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater der Kläger zu 2) und 3), der am 4. August 1929 geborene Dipl. Physiker Friedrich-Karl H. (H.), befaßte sich seit Mai 1956 mit seiner Diplomarbeit, die den „Kernfotoeffekt an Deuteronen” zum Thema hatte. In der Zeit vom 1. März 1958 bis 31. März 1959 wurde er von Prof. Dr. Ds. Direktor des Instituts für angewandte Physik der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt/M., als wissenschaftliche Hilfskraft zum Aufbau eines kernphysikalischen Anfängerpraktikums auf Privatdienstvertrag eingestellt und aus Mitteln, die das damalige Atomministerium bereitgestellt hatte, bezahlt. In der Zeit vom 1. April 1959 bis 31. August 1960 wurde er als wissenschaftliche Hilfskraft beim Institut für angewandte Physik auf Universitätsdienstvertrag weiter beschäftigt. Auch während dieser Zeit war er mit dem Aufbau des kernphysikalischen Praktikums betraut, was zugleich die Aufgabe, den Versuch „Kernfotoeffekt an Deuteronen” zu erstellen, mit einschloß. Am 30. Juli 1960 legte H. die Diplom-Hauptprüfung in Physik ab. Der Kurator der Universität teilte der Beklagten am 9. Februar 1966 mit, H. sei während der Dauer seiner Tätigkeit im Institut für angewandte Physik nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gegen Arbeitsunfall versichert gewesen. In der Zeit vom 1. September 1960 bis 28. Februar 1962 war H. wissenschaftliche Hilfskraft in der Abteilung für wissenschaftliche Fotografie des Instituts für angewandte Physik – Abteilungsleiter Prof. Dr. H. tätig und wurde von ihm auf Privatdienstvertrag beschäftigt und aus Mitteln, die das damalige Atomministerium bereitstellte, bezahlt. Im Rahmen dieses Privatdienstvertrages war H. mit der Bearbeitung eines Themas über Beta-Autoradiografie beschäftigt. Ab 1. März 1962 war er in dem Forschungsinstitut der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in Frankfurt a.M. als Physiker mit Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet von Seliziumgleichrichtern beschäftigt. Im Herbst 1964 erkrankte er an subakuter aleukämischer Paramyeloblastenleukämie, die am 22. Februar 1965 zu seinem Tode führte.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von Hinterbliebenenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung an die Kläger mit der Begründung ab, daß nach einem Gutachten von Prof. Dr. G. und einer Stellungnahme des Landesgewerbearztes eine Berufskrankheit nicht vorgelegen habe (Bescheid vom 26. Mai 1967). Die Klage hatte im ersten Rechtszug Erfolg (Urteil des Sozialgerichts – SG – Frankfurt/Main vom 15. Juli 1970), die Berufung der Beklagten führte zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts – LSG – vom 8. Dezember 1971). Das Berufungsurteil ist im wesentlichen auf folgende Überlegungen gestützt:
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei H. während seiner Tätigkeit lediglich einer sehr geringen Strahlenbelastung ausgesetzt gewesen, die weit unter den nach der Strahlenschutzverordnung vom 24. Juni 1960 zulässigen Werten gelegen habe. Ob – wie die Kläger behaupteten – H. im September oder Oktober 1959 einen sog. „Strahlenunfall” erlitten habe, lasse sich nicht mehr zuverlässig feststellen, zumal H. damals keine Überprüfung veranlaßt habe. Doch selbst wenn das der Fall gewesen sein sollte, könne auch bei pessimistischer Abschätzung keine erhebliche Strahlendosis von H. empfangen worden sein. Die mögliche Unfalldosis könne nur 0,2 % der zugelassenen Unfalldosis erreicht haben. Die insgesamt empfangene Dosis habe nicht mehr als 1,2 % der zulässigen Dosis ausgemacht.
Die Frage, ob durch die Strahleneinwirkungen die Leukämie verursacht worden sei, könne nach den eingeholten Sachverständigengutachten nicht bejaht werden. Der Beweis für einen Kausalzusammenhang von erhöhter Leukämie-Incidenz und vorausgegangener Strahlenbelastung sei nach Prof. Dr. G. nur im Bereich hoher und höchster Dosen geführt; in diesem Bereich bestehe eine lineare Beziehung zwischen Dosishöhe und Leukämie-Häufigkeit. Hingegen seien die Beziehungen zwischen Dosis und Leukämie-Risiko nach Belastungen mit kleineren Dosen noch nicht abgeklärt. Da die von H. akkumulierte Dosis um das 14- bis 22-fache unterhalb der Dosen liege, die nach rein theoretischen Annahmen für eine Erhöhung der Leukämie-Incidenz verantwortlich sein könnten, liege mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Kausalzusammenhang vor. Wenn man, wie Prof. Dr. W. ausgeführt habe, annehme, daß die Induktion der Leukämie keinen Schwellenwert aufweise und bis zu den kleinsten Dosen hin proportional mit der Dosis verlaufe, so betrage die Wahrscheinlichkeit, daß die Leukämie des H. durch die von ihm bei seiner beruflichen Tätigkeit erhaltene Dosis induziert worden sei, 1:51 bis 1:52, d. h. 2 bis 4 %. Bei dieser Sachlage habe auch Prof. Dr. H. die Auffassung vertreten, ein Kausalzusammenhang zwischen der Strahlenbelastung und der Leukämie sei zwar möglich, aber doch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu verneinen. Es stelle daher eine Überschreitung der Grenzen richterlichen Ermessens dar, wenn der Erstrichter angenommen habe, der vorliegende Fall sei zu den 2 bis 4 % zu rechnen, bei denen die Leukämie auf eine vorauf gegangene Strahlenbelastung im hier festgestellten Umfang zurückzuführen sei. Auch wenn die der Berechnung der Strahlendosis zugrunde gelegten Werte nicht genau bestimmbar und die für die Abgrenzung der Wahrscheinlichkeit verwandten Vomhundertsätze mit beträchtlichen Unsicherheitsfaktoren belastet sein sollten, so spreche dies doch gerade eher für eine Verneinung als für eine Bejahung der Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs. Die Nichtbeweisbarkeit einer höheren als der angenommenen Strahlendosis und der Wahrscheinlichkeitssätze sei von den Klägern „zu vertreten”. Daß H. zu den 2 bis 4 % gehöre, bei denen ein Kausalzusammenhang anzunehmen sei, könne auch nicht daraus hergeleitet werden, daß die Leukämie 5 bis 6 Jahre nach der Strahlenbelastung aufgetreten sei. Die in eine solche Richtung weisenden Erfahrungen seien bei Erwachsenen lediglich im Zusammenhang mit der Einwirkung hoher und höchster Dosen – wie bei Hiroshima und Nagasaki – gewonnen worden, hinsichtlich geringerer Strahlendosen fehle es jedoch völlig an gesicherten Feststellungen. Besondere Bedeutung könne nach Prof. Dr. H. auch nicht dem Umstand beigemessen werden, daß die Leukämie, an der H. verstorben sei, mit der durch Strahlungen am häufigsten induzierten Art der akuten unreifzeitigen Leukämie übereinstimme, und daß das Chromosomenbild bei H. typische Anzeichen aufgewiesen habe, wie sie häufig nach einer Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen zu beobachten seien.
Für eine Umkehr der Beweislast oder eine Ersetzung des Kausalitätsnachweises durch eine Kausalitätsvermutung sei auch im Falle von Strahlenschäden kein Raum. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) zur Produzentenhaftung und zum Impfschaden könne kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Die Schaffung einer Regelung im Sinne der Vorschriften des § 1 Abs. 3 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) oder des § 81 a des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) müsse dem Gesetzgeber überlassen bleiben.
Das LSG hat die Revision zugelassen. Die Kläger haben von diesem Rechtsmittel Gebrauch gemacht und ausgeführt:
Das LSG habe zu Unrecht das Vorliegen einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs zwischen der Strahlenbelastung und der Leukämie-Erkrankung verneint. Es habe verkannt, daß dieses Leiden sowohl auf die berufliche Strahlenbelastung als auch auf einen Strahlenunfall zurückzuführen sei. In diesem Zusammenhang habe es die Stellungnahme des Institutsdirektors Prof. Dr. D. überbewertet, die Aussagen anderer Zeugen, insbesondere Dr. Sch., Dr. G., H. sen. und jun., Dr. A., jedoch „unter den Tisch fallen lassen”; auch das Vorbringen der Kläger sei insoweit im Tatbestand des angefochtenen Urteils nicht zutreffend wiedergegeben. Denn es sei von den Klägern nicht nur auf den Strahlenunfall, sondern auf die Gesamtbelastung abgehoben worden. Die 1. Strahlenschutzverordnung sei erst am 1. September 1960, also nach Abschluß der Tätigkeit des Verstorbenen in Kraft getreten, so daß es entgegen der Auffassung des LSG auf sie nicht ankommen könne, um so mehr als für die strahleninduzierte Leukämie kein „Schwellenwert” bestehe. Das LSG habe die Gutachten der Professoren W. und H. nicht richtig ausgewertet; das Gutachten des Prof. G. sei ohne Aussagewert. Aus der Häufigkeitsziffer von 2 bis 4 % folge nichts Endgültiges für die Wahrscheinlichkeit der Verursachung im Einzelfall. Bei einer zutreffenden Verwertung der Aussagen des sachverständigen Zeugen Dr. A. hätte das LSG nach Meinung der Revision für erwiesen halten müssen, daß H. zu den 2 bis 4 % der Fälle gehöre, in denen die zugrunde zu legende Dosis letal wirke. Zudem habe sich das LSG nicht ausreichend mit der Frage einer Umkehr der Beweislast befaßt, die Grundsätze des sozialen Ausgleichs für erhöhte Risiken außer acht gelassen und sich gegenüber den Hinweisen auf § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG, § 81 a SVG und Art. 3 des Grundgesetzes (GG) zu Unrecht mit einer Berufung auf mangelndes positives Recht begnügt. Die Ansprüche würden auf Nr. 27 der 6. bzw. 7. Berufskrankheitenverordnung (BKVO) gestützt.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Frankfurt/Main zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Nach den Feststellungen des LSG ist H. während der versicherten Tätigkeit nur einer sehr geringen, wesentlich hinter der höchstzulässigen Dosis zurückbleibenden Strahlenbelastung ausgesetzt gewesen. Die gegen diese Feststellungen von der Revision erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Zwar hat das LSG bezweifelt, ob H. in der Tat im September oder Oktober 1959 einen „Strahlenunfall” erlitten hat. Ob diese Zweifel begründet waren, mag indessen auf sich beruhen. Denn das LSG hat ausdrücklich festgestellt, daß selbst dann, wenn H. der behaupteten einmaligen Strahlung ausgesetzt gewesen sein sollte, weder dadurch allein noch durch die gesamte Strahlenbelastung, der H. durch seine Berufstätigkeit ausgesetzt gewesen sein mochte, die nach der 1. Strahlenschutzverordnung zulässigen Dosiswerte überschritten worden sind. Daraus ergibt sich eindeutig, daß das LSG zugunsten der Kläger unterstellt hat, daß es zu dem behaupteten „Strahlenunfall” gekommen ist. Es gereicht dem LSG entgegen der Meinung der Revision auch nicht zum Vorwurf, daß es sich bei seinen Überlegungen auf die während des in Betracht kommenden Zeitraums noch nicht geltende 1. Strahlenschutzverordnung bezogen hat. Denn wenn das LSG ausgeführt hat, daß die Strahlenbelastung nur einen unbedeutenden Vomhundertsatz der nach der Verordnung zulässigen Höchstdosis ausgemacht habe, so soll damit offensichtlich lediglich die Geringfügigkeit der Einwirkung veranschaulicht, nicht aber zum Ausdruck gebracht werden, daß die von dem Verordnungsgeber angegebenen Dosen zwingend auch für die Zeit davor gelten müßten. Daß die Kläger durch die vergleichsweise Heranziehung dieser Dosen in ihren Rechten beeinträchtigt worden wären, ist im übrigen nicht ersichtlich. Dies wäre nur der Fall, wenn für die Zeit davor geringere gefährliche Dosen allgemein anerkannt gewesen wären. Dies behauptet die Revision jedoch selbst nicht. Im übrigen hat das LSG unabhängig von der Strahlenschutzverordnung im weiteren Verlauf seiner Überlegungen der Frage, ob die angenommene Strahlenbelastung für die zum Tode führende Leukämie ursächlich gewesen ist, einen breiten Raum eingeräumt. Daraus wird deutlich, daß das LSG den in der Verordnung genannten Dosen nicht die von der Revision angenommene Bedeutung beigemessen hat. Dabei hat das LSG zutreffend darauf hingewiesen, daß Prof. Dr. W. – zugunsten der Kläger – davon ausgegangen ist, daß die Induktion der Leukämiekeinen „Schwellenwert” besitze.
Des weiteren hat das LSG unangegriffen festgestellt, daß die Wahrscheinlichkeit für eine Induktion der Leukämie durch die Strahleneinwirkung nur 1:51 bis 1:52 beträgt. Das bedeutet, daß unter 100 Fällen, in denen ein an Leukämie Erkrankter der gleichen Strahlenbelastung ausgesetzt gewesen ist, wie sie das LSG bei H. unterstellt hat, allenfalls zwei bis vier Fälle enthalten sein mögen, in denen ein Kausalzusammenhang bejaht werden kann; dabei ist zu bedenken, daß die durch den Strahleneinfluß bewirkte Erhöhung der Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise auch auf Einzelfälle zurückzuführen sein wird, in denen der Strahleneinfluß nur als eine unwesentliche und damit für die gesetzliche Unfallversicherung nicht in Betracht kommende Bedingung der Leukämieerkrankung angesehen werden kann. Außerdem hat Prof. Dr. W. dargelegt, daß die Leukämie in den Kulturländern nach dem UN-Bericht Suppl. 14 ohnedies zu etwa einem Viertel durch die natürliche Strahlenbelastung verursacht werde und daß das natürliche Leukämierisiko bei H. durch seine berufliche Exposition um rund 1–2 % vergrößert worden sei. Da es sich dabei notwendigerweise um rechnerische – statistische – Erwägungen handelt und die daraus sich ergebenden Zahlen außerordentlich klein sind (vgl. S. 10 des Gutachtens von Prof. Dr. W.), konnte das LSG ohne Rechtsirrtum zu der Annahme gelangen, es sei zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich, daß im vorliegenden Fall ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Strahlenbelastung und der Leukämie besteht. Besonderheiten, die zu einer für die Entscheidung ins Gewicht fallenden Erhöhung der Wahrscheinlichkeit führen könnten, sind nach den getroffenen Feststellungen nicht ersichtlich. Selbst wenn man annehmen wollte, daß in der Eigenart des Krankheitsbildes und dem zeitlichen Abstand zwischen Einwirkung und Erkrankung für einen ursächlichen Zusammenhang sprechende Momente gefunden werden können, würde das angesichts der eindeutigen Bekundungen der vom SG gehörten Sachverständigen, die diese Umstände in ihre Überlegungen einbezogen haben, noch nicht den Schluß erlauben, daß der ursächliche Zusammenhang in einem für die richterliche Überzeugungsbildung ausreichenden Maße wahrscheinlich sei. Der sachverständige Zeuge Dr. A., auf dessen Aussage bzw. Stellungnahme sich die Revision in diesem Zusammenhang beruft, hat – offenbar im Hinblick auf diese Umstände – in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 3. August 1968 zu der Frage, ob die Dosis der Substanz oder der Strahlung groß genug war, daß eine ursächliche Verknüpfung zwischen Einwirkung der Schadensubstanz und der Leukämie-Entstehung wahrscheinlich sei, „keine Stellung nehmen” können. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, daß das LSG aus der Bekundung des Dr. A. auf eine Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs hätte schließen müssen. Das weitere Vorbringen der Revision, das LSG habe die Gutachten der Professoren Dr. W. und Dr. H. nicht richtig ausgewertet und das Gutachten des Prof. Dr. G. sei ohne Aussagewert, ist nicht hinreichend substantiiert. Dasselbe gilt für die Rüge, das LSG habe die Stellungnahme des Prof. Dr. D. überbewertet und die Aussagen der Zeugen Dr. Sch., Dr. G. sowie H. sen. und jun. unter den Tisch fallen lassen. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, inwiefern sich aus deren Bekundungen trotz der obigen Umstände die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs ergeben sollte.
Die Revision meint jedoch im Grunde nur, es sei unbefriedigend, wenn die vorerwähnten Grundsätze auf den vorliegenden Fall uneingeschränkt angewendet würden. Es ist zwar nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft möglicherweise nicht auszuschließen, daß in einer Gruppe von Fällen, in denen ein Ursachenzusammenhang zwischen einer berufsbedingten Strahlenbelastung und einer danach aufgetretenen Leukämie als möglich in Betracht kommt, eine gewisse Zahl von Fällen enthalten ist, in denen dieser Kausalzusammenhang in Wahrheit gegeben ist; auf der anderen Seite ist aber nicht ersichtlich, wie solche – auch hinsichtlich anderer Erkrankungen denkbare – Fälle im einzelnen mit jener hinreichenden Sicherheit und Bestimmtheit herausgefunden werden sollten, die erforderlich ist, um gegenüber einem Dritten einen oft in die Hunderttausende gehenden Ersatzanspruch zu begründen. Das mag Anlaß zu der Überlegung geben, ob nicht im Wege einer Umkehr der Beweislast, d. h. der Begründung einer Art Kausalitätsvermutung, derartige Ergebnisse vermieden werden könnten. Das geltende Recht läßt indessen die Beschreitung dieses Weges nicht zu.
Die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung setzt den Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität voraus (BSG 30, 121 [123], 278 [280f]). Da der Tatrichter alle Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts zu erschöpfen hat (BSG 30, 121 [123]), fallen bei Unaufklärbarkeit eines wesentlichen Umstands die Folgen der objektiven Beweislosigkeit (vgl. BSG 6, 70 [72]; 30, 278 [280]) dem, der eine ihm günstige Rechtsfolge geltend macht, nur dann, aber auch stets dann zur Last, wenn der genannte Nachweis nicht zu erbringen ist. Dabei kann es keinen Unterschied begründen, ob die Unmöglichkeit des Nachweises in den besonderen Umständen des Einzelfalles, insbesondere einer nicht zu behebenden Unklarheit hinsichtlich des Unfallherganges, oder in der generellen Eigenart des Leidens, das mit der versicherten Tätigkeit in Zusammenhang gebracht wird, wurzelt; in dem einen wie dem anderen Fall muß der Beweisfällige eine Ablehnung seines Begehrens hinnehmen, obgleich nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, daß der geltend gemachte Anspruch in Wahrheit begründet ist. Unbillig kann ein solches Ergebnis der Beweislastverteilung im einen wie im anderen Fall nur dann erscheinen, wenn die Begründetheit des Anspruchs unterstellt wird. Gerade diese ist aber streitig. Deswegen können Gesichtspunkte der Billigkeit auch hier nur im Rahmen der Beweiswürdigung, nicht aber bei der Beantwortung der Frage nach der Beweislast berücksichtigt werden (vgl. BSG 30, 121 [123]). Der Tatrichter ist sonach nicht gehindert, Eigentümlichkeiten des Falles dadurch Rechnung zu tragen, daß er an einen Beweis verminderte Anforderungen stellt (vgl. BSG 19, 52 [56]). Wie weit er dabei im einzelnen gehen darf, mag auf sich beruhen; die seinem Ermessen gezogenen Grenzen sind jedenfalls dort überschritten, wo die gegen die Wahrscheinlichkeit der beweisbedürftigen Tatsache sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Das hat das LSG nicht verkannt. Es hat den Anspruch der Kläger nicht nur deswegen für unbegründet gehalten, weil ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich sei, sondern es hat unter Abwägung der für und gegen den Zusammenhang sprechenden Gründe den behaupteten Kausalzusammenhang für derart unwahrscheinlich erachtet, daß ihm sogar eine ausreichend sichere negative Feststellung gerechtfertigt erschienen ist (Urt. S. 19). Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob es dem Gericht bei der Wahrscheinlichkeitsprüfung überhaupt gestattet ist, verminderte Anforderungen zu stellen, wenn die gehörten Sachverständigen – wie hier – die Wahrscheinlichkeit nach eingehender Prüfung verneint haben.
Auch die Besonderheiten der Strahlengefährdung rechtfertigen keine anderen Beurteilungen. Allerdings mag eine Beschäftigung, wie sie H. ausgeübt hat, das Risiko einer Leukämieerkrankung erhöhen. Diese denkbare Risikoerhöhung trifft jeden, der eine solche Beschäftigung aufnimmt und ausübt, ohne Rücksicht darauf, ob sich die – im Hinblick auf die Umwelteinflüsse ohnedies gegebene und durch die Beschäftigung nur in einem verhältnismäßig geringen Umfang vergrößerte – Gefahr in dem nicht konkret feststellbaren Einzelfall verwirklicht. Diese Mehrbelastung aller durch eine Gefahr, der nur wenige, deren Identität – im Regelfall – selbst im nachhinein nicht bestimmt werden kann, zum Opfer fallen, könnte zwar dem Arbeitgeber oder den gesetzgebenden Körperschaften Anlaß bieten, für einen zusätzlichen Schutz gegen etwaige Vermögensnachteile, die sich aus den Gefahren einer solchen zusätzlichen Strahlenbelastung ergeben können, Sorge zu tragen. Für die Annahme einer Gesetzeslücke bieten jedoch jedenfalls die in dieser Streitsache von den Sachverständigen vermittelten Erkenntnisse keine ausreichende Grundlage. Es fehlen Hinweise darauf, daß bei dem hier in Betracht kommenden Personenkreis Leukämieerkrankungen auffallend gehäuft aufgetreten wären; demgemäß haben sich auch die Sachverständigen nicht in der Lage gesehen, einen Kausalzusammenhang im vorliegenden wie auch in vergleichbaren Fällen zu bejahen. Doch können diese Erwägungen hier auf sich beruhen. Denn auf der Grundlage des geltenden Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung ist jedenfalls für eine Entschädigung von Unfällen oder Krankheiten, bei denen ein ursächlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht wahrscheinlich ist, kein Raum.
Dabei ist es unerheblich, ob man den geltend gemachten Anspruch unter dem Gesichtspunkt des § 548 RVO (Arbeitsunfall) oder dem des § 551 RVO i.V.m. der Nr. 27 der Anlage zur 6. BKVO vom 28. April 1961 prüft. In beiden Fällen ist Voraussetzung der Entschädigung, daß das Leiden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die angeschuldigten betrieblichen Einwirkungen zurückzuführen ist (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.–7. Aufl., Band II S. 490 k und 480 o I). Kann eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit nicht festgestellt werden, so trifft die objektive Beweislast den Kläger (Brackmann aaO, S. 480 o I). Daran ist auch für den vorliegenden Fall festzuhalten. Denn eine Abkehr von den Grundsätzen der Beweislastverteilung könnte nicht auf Fallgestaltungen wie die hier gegebene beschränkt werden. Wollte man allgemein die bloße Möglichkeit ursächlicher Verknüpfung genügen lassen, so würde nicht nur das Wesen der gesetzlichen Unfallversicherung von Grund auf verändert, sondern es würden auch die sich daraus ergebenden finanziellen Belastungen die Grenzen des noch Tragbaren sprengen; insbesondere könnte in Fällen wie dem vorliegenden der bei einer Umkehr der Beweislast zulässige Gegenbeweis praktisch niemals geführt werden; somit müßten auch die Fälle entschädigt werden, die durch die natürliche Strahlenbelastung verursacht worden sind, was dem Sinn und System der gesetzlichen Unfallversicherung widerspräche.
Zu Unrecht berufen sich die Kläger für ihre Ansicht, daß eine Umkehr der Beweislast eintreten müsse, auf die Rechtsprechung des BGH zum Impfschaden (BGHZ 18, 286) und zur sog. Produzentenhaftung (BGHZ 51, 91). In keiner dieser Entscheidungen hat der BGH eine Umkehr der Beweislast in der Frage des Kausalzusammenhangs angenommen. In der Entscheidung zum Impfschaden war der Kausalzusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne – um den allein es auch hier geht – erwiesen (vgl. hierzu jetzt § 52 Abs. 2 des Bundesseuchengesetzes sowie Urteil des erk. Senats vom 9. Mai 1972 – SozR Nr. 13 zu § 163 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–). Die Ausführungen des BGH betreffen allein die Frage der Ausscheidung solcher Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die bei einer unter dem Gesichtspunkt adäquater Verursachung wertenden Beurteilung nicht mehr als haftungsbegründende Umstände betrachtet werden können (vgl. BGHZ 18, 286 [288]). In der Entscheidung zur Produzentenhaftung wird der Nachweis des Geschädigten, daß der Schaden im Organisations- und Gefahrenbereich des Herstellers eingetreten ist, ausdrücklich als erforderlich bezeichnet (vgl. BGHZ 51, 91 [105]) und nur das Risiko einer Nichterweislichkeit der „Schuldlosigkeit” – auf die es in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht ankommt – dem Hersteller auferlegt (vgl. BGHZ 51, 91 [106]).
Eine analoge Anwendung der Vorschriften des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG und des im wesentlichen gleichlautenden § 81 a SVG scheidet schon deswegen aus, weil nicht angenommen werden kann, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit des Auftretens entsprechender Fälle im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung übersehen hat. Dies umsoweniger, als die Möglichkeit beruflicher Gesundheitsstörungen durch Röntgen strahlen und andere strahlende Energie schon seit Jahrzehnten hinreichend bekannt ist und bereits 1929 zur Aufnahme solcher Erkrankungen in die BKVO vom 11. Februar 1929 für alle Unternehmen geführt hat (vgl. Nr. 10 der Anlage); davor bestand Versicherungsschutz nur für Beschäftigte in bestimmten Betrieben (vgl. Nr. 9 der Anlage zur BKVO vom 12. Mai 1925). Der besondere Charakter der gesetzlichen Unfallversicherung, deren wesentliches Element die Ablösung der Unternehmerhaftpflicht gegenüber den Arbeitnehmern (vgl. dazu Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Band I S. 42 ff, 51) auf der Grundlage der Selbstverwaltung ist, verbietet es, die §§ 1 Abs. 3 Satz 2, 89 BVG sowie 81 a SVG entsprechend anzuwenden. Das Fehlen einer diesen Vorschriften entsprechenden Regelung im 3. Buch der RVO und das Unterbleiben einer entsprechenden Anwendung verletzen die Kläger nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Revision übersieht, daß die in § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG vorausgesetzte Ungewißheit in der ärztlichen Wissenschaft über die Ursache eines Leidens ihr auch im Recht der Kriegsopfer Versorgung nicht weiterhelfen kann, wenn diese Ursache an sich bekannt ist. Daß die Leukämie durch Strahleneinwirkungen entstehen kann, ist bekannt (siehe die obigen Ausführungen). Demgemäß ist auch im Schriftsatz der Kläger vom 9. Mai 1970 zutreffend von einer Erkrankung „aus bekannter, aber nicht gesicherter Ursache” die Rede (vgl. SG-Akten Bl. 214). Eine Ungewißheit i. S. des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG kann nicht schon darin gefunden werden, daß im Einzelfall ein Kausalzusammenhang zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich ist. Die Ungewißheit muß sich vielmehr auf die Ursache des festgestellten Leidens im allgemeinen beziehen, nicht aber darauf, daß – wie das in der vorliegenden Streitsache allenfalls zutreffen mag – im konkreten Falle der Zusammenhang zwischen Schädigung und Leiden unter den gegebenen Umständen ungewiß geblieben ist (vgl. BSG KOV 1970, 106 [108 f]; vgl. ferner Rd.-Schrb. des BMA vom 16.6.1969 – BVBl 1969, S. 70 Nr. 41 –, wonach bei Malignomen auch eine Kannleistung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG bei nur geringer Einwirkung karzinogener Substanzen nicht in Betracht kommt).
Nach alledem konnte die Revision keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Unterschriften
Dr. Maisch, Richter am BSG Dr. Kaiser ist erkrankt Dr. Maisch, Dr. Zimmer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.01.1974 durch Schuppelius RegHSekretär als Urk.Beamter d.Gesch.Stelle
Fundstellen