Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Mitgliedschaftsverhältnis schließt nicht aus, daß ein Mitglied zu seinem Verein in die besondere Beziehung eines Arbeitnehmers tritt.
2. Als Entgelt iS der Sozialversicherung können auch Leistungen mit Alimentationscharakter gewertet werden. Unerheblich ist, daß die Leistungen aus Spenden erbracht werden.
3. Der Begriff des Arbeitsverhältnisses ist für die Frage der Versicherungspflicht und der Lohnsteuerpflicht grundsätzlich der gleiche.
Leitsatz (amtlich)
Das Recht der Religionsgesellschaften, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen (GG Art 140 iVm WRV Art 137 Abs 3) schließt die Befugnis ein, selbständig darüber zu befinden, ob und in welcher Weise geistliche Ämter innerhalb ihrer Gemeinschaft bestehen sollen. Die hiernach für die Tätigkeit des Predigers einer Freien evangelischen Gemeinde geltende Ordnung ist bei der Entscheidung über seine Versicherungspflicht zugrunde zu legen; jedoch ist die Auffassung der Religionsgesellschaft über die Folgen, die sich aus dieser Ordnung für die Rechtsstellung ihres Predigers in der Sozialversicherung ergeben, für Versicherungsträger und Gerichte nicht bindend. Die dem Prediger laufend gewährten Bezüge sind Entgelt; auch wenn die Gemeinde ihre Aufwendungen allein aus Spenden ihrer Mitglieder bestreitet und die Höhe der Bezüge des Predigers nach Unterhaltsgesichtspunkten bemessen ist.
Das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Prediger nur in sehr geringem Umfange an Weisungen der Gemeindeorgane gebunden ist, sofern er nur als dienendes Glied in die gemeindliche Ordnung eingefügt ist.
Normenkette
GG Art. 140 Fassung: 1949-05-23; RVO § 160 Abs. 1 Fassung: 1941-07-01, § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1956-06-12; AVG § 1 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1945-03-17; AVAVG § 69; AVAVG 1927 § 69; WRV Art. 137 Abs. 3
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen. vom 17. Oktober 1957 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der Beigeladene R... war bei der Beklagten, einer "Freien evangelischen Gemeinde" im "Bunde Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland", von September 1945 bis zum 31. Juli 1953 als Prediger tätig. Er erhielt von der beklagten Gemeinde Bezüge in Gestalt einer Dienstwohnung und von Barbezügen, die sich ursprünglich auf monatlich etwa 225,-- DM, zuletzt auf etwa 320,-- DM beliefen. Zunächst gingen die beklagte Gemeinde und der Beigeladene R... davon aus, daß dieser nicht versicherungspflichtig sei. R... entrichtete jedoch als freiwilliges Mitglied Beiträge zur Angestelltenversicherung (AnV).
Als im Jahre 1949 bei der klagenden Krankenkasse (KK) Zweifel darüber auftauchten, ob die Versicherungsfreiheit des Beigeladenen R... zu Recht angenommen worden sei, setzte sich die KK mit der Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen ins Benehmen. Im Einvernehmen mit dieser sah die klagende KK den Beigeladenen R... nunmehr als versicherungspflichtig an und forderte mit Bescheid vom 4. November 1949 die Nachentrichtung der Beiträge, soweit sie nicht verjährt waren, d.h. vom 1. Januar 1947 an, und zwar für die Zeit vom 1. Januar 1947 bis 31. März 1948 und vom 1. Juni 1949 bis 30. September 1949 für alle Versicherungszweige, für die Zeit vom 1. April 1948 bis 31. Mai 1949 - wegen Überschreitung der damals für die Krankenversicherung (KrV) gültigen Jahresarbeitsverdienstgrenze - nur für die AnV und die Arbeitslosenversicherung (≪!X!≫V). Die Beiträge wurden - sowohl für die Vergangenheit als auch in der Folgezeit - entrichtet.
Mit Schreiben vom 14. November 1952 wurde die beklagte Gemeinde bei der klagenden KK wegen der Versicherungsfreiheit des Beigeladenen R... vorstellig, und zwar unter Berufung auf eine Mitteilung der LVA Westfalen vom 27. August 1952, in der diese Prediger von Freien evangelischen Gemeinden als versicherungsfrei ansah. An diesem Standpunkt hielt die LVA in den Erörterungen mit den Beteiligten fest, während der Präsident des Landesarbeitsamts (LAA) ... Nordrhein-Westfalen zur gegenteiligen Auffassung neigte und zur Klärung der Frage ein Beschlußverfahren nach § 405 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) empfahl.
Dementsprechend beantragte die klagende KK im August 1953 vor dem Versicherungsamt (VA) Bochum eine Entscheidung über die Versicherungspflicht des Predigers R.... Der Rechtsstreit ist mit Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage auf das Sozialgericht (SG) Bochum übergegangen. In diesem Verfahren beantragte die klagende KK
festzustellen, daß der beigeladene Prediger R... während seiner Tätigkeit vom 1. Januar 1947 bis zum 31. Juli 1953 sozialversicherungspflichtig gewesen sei.
Die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) trat der Auffassung der Klägerin bei. Sie wies insbesondere darauf hin, daß R... kein "Kollektenprediger" gewesen sei, der über den Kollektenertrag habe frei verfügen können, sondern seine Bezüge von der beklagten Gemeinde erhalten habe, die ihrerseits ihren Aufwand aus Spenden finanziert habe R... sei von seiner Gemeinde persönlich und wirtschaftlich abhängig gewesen.
Die beigeladene Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (BfArb) hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen.
Die beklagte Gemeinde ist der Auffassung, daß ihr Prediger R... kein Angestellter im Sinne des Sozialversicherungsrechts sei. Daß der Bund Freier evangelischer Gemeinden, zu dem die beklagte Gemeinde gehöre, Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, habe für die Frage der Sozialversicherungspflicht der Prediger keine Bedeutung; denn eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 169 RVO entfalle schon deshalb, weil der Bund den Predigern keine Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung gewährleiste. Der Beigeladene R... verrichte seinen Predigerdienst nicht zum Broterwerb, sondern aus religiösen und sittlichen Beweggründen. Er diene der Gemeinde aus freier, jederzeit abänderbarer Entscheidung, wie auch die Gemeinde jederzeit auf den Dienst des Predigers verzichten könne. In der Ausgestaltung seines Gottesdienstes und seiner sonstigen Verrichtungen im Dienst der Gemeinde sei er frei von jeder Weisung. Was er tue und warum er es tue, sei in sein Gewissen gestellt. Der Prediger einer Freien evangelischen Gemeinde sei auch nicht wirtschaftlich von dieser abhängig. Er erhalte keine Vergütung von der Gemeinde, sondern werde von dieser mit seiner Familie aus sittlichen Gründen unterhalten. Die Höhe dieses Unterhaltsbeitrags liege nicht von vornherein fest, sondern richte sich nach den Familienverhältnissen des Predigers einerseits, nach der Leistungsfähigkeit der Gemeindeglieder andererseits. Da sich die monatlichen Spendeneingänge für den Unterhalt des Predigers in etwa derselben Höhe bewegten, seien auch die Unterhaltsbeiträge für den Prediger nicht allzu großen Schwankungen unterworfen gewesen. - Was die steuerrechtliche Behandlung der Bezüge eines Predigers betreffe, so seien sie als "Einkünfte aus selbständiger Arbeit" eigentlich einkommenssteuerpflichtig. Aus Gründen der Vereinfachung und Arbeitsersparnis sei aber in den Lohnsteuerrichtlinien (vgl. LStR 1955 Nr. 19) vorgesehen, daß die Prediger des Bundes Freier evangelischer Gemeinden - wie anderer Freikirchen - nicht zur Einkommensteuer veranlagt werden, sondern - unter Zuerkennung bestimmter Pauschalbeträge - Lohnsteuer zu entrichten haben.
Das SG hat dem Klageantrag gemäß festgestellt, daß der Beigeladene R... während seiner Tätigkeit für die beklagte Gemeinde der Versicherungspflicht in der AnV, KrV und ≪!X!≫ unterlegen habe (Urteil vom 23. Februar 1956).
Gegen dieses Urteil hat die beklagte Gemeinde Berufung eingelegt mit dem Antrag,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Sie wendet sich vor allem dagegen, daß das SG persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit angenommen hat. Das SG habe die innerkirchliche Bedeutung des Freiwilligkeitsgrundsatzes verkannt. Das angefochtene Urteil habe eine wesenswidrige Verbindung von weltlicher und kirchlicher Rechtsordnung vorgenommen und diese nach arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten beurteilt. Es verstoße insoweit gegen den in Art. 140 Grundgesetz (GG), Art. 137 Abs. 3 Weimarer Verfassung (WRV) verankerten Verfassungsgrundsatz des autonomen Selbstordnungsrechts der Religionsgemeinschaften.
Aber auch die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit des Predigers R... rechtfertige nicht den Schluß auf ein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit. R... habe über seine Dienstzeit und deren Dauer selbst frei zu bestimmen gehabt. Er habe Zeitpunkt und Dauer seines Urlaubs nach eigenem Ermessen festlegen können, und es sei ihm jederzeit unbenommen gewesen, Nebentätigkeiten bei anderen Gemeinden auszuüben. Er sei also keineswegs verpflichtet gewesen, seine ganze Arbeitskraft in den Dienst der Beklagten zu stellen. Der von ihm bezogene Unterhaltszuschuß habe nicht als wirtschaftliches Äquivalent und damit als Entgelt für seine qualitativ hochwertige Prediger- und Seelsorgertätigkeit angesehen werden können. Aus diesen Gründen müsse man zu dem Ergebnis kommen, daß der Prediger R... nicht als weisungsgebundener Angestellter in einem Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt, sondern als persönlich unabhängiger Selbständiger in einem Treueverhältnis zu der Beklagten gestanden habe. Er habe sich seinen Pflichten als Mitglied der Gemeinde, eines nicht rechtsfähigen Vereins, nur in vermehrtem Maße gewidmet. Neben dieser Mitgliedschaft habe nicht noch ein besonderes arbeitnehmerähnliches Verhältnis zur Gemeinde bestanden.
Die klagende KK hat Zurückweisung der Berufung beantragt. Den gleichen Antrag hat die beigeladene BfArb gestellt. Auch die beigeladene BfA hält die Berufung für unbegründet, Sie verweist darauf, daß das durch Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WRV den Kirchen eingeräumte Recht, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbständig zu ordnen, nicht ausschließe, daß diese wie auch immer gestaltete Ordnung hinsichtlich ihrer sozialversicherungsrechtlichen Folgen nach den zwingenden Vorschriften des für alle geltenden Sozialversicherungsrechts beurteilt werde. Das Dienstverhältnis eines Predigers zu einer Freien evangelischen Gemeinde sei durch deren feste, hergebrachte Ordnung hinreichend deutlich umrissen, so daß eine ins einzelne gehende Festlegung der beiderseitigen Rechte und Pflichten unnötig gewesen sei. Die persönliche Abhängigkeit der Prediger werde nicht dadurch ausgeschlossen, daß sie die Art und Weise ihrer Tätigkeit selbst bestimmen könnten. Auch Hochschullehrer, leitende Ärzte von Krankenhäusern ... u.ä. übten, wiewohl abhängig beschäftigt, ihre Tätigkeit in verhältnismäßig großer Unabhängigkeit aus.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der beklagten Gemeinde zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 17. Oktober 1957).
Gegen dieses Urteil hat die beklagte Gemeinde Revision eingelegt mit dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG Dortmund vom 23. Februar 1956 die Klage abzuweisen.
Sie rügt in erster Linie Verletzung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Die hiernach garantierte Autonomie der Religionsgesellschaften schließe aus, daß die Gerichte die innerkirchliche Ordnung einschließlich der Regelung der dienstrechtlichen Stellung ihrer Prediger nachprüften. Gerade die Ausgestaltung des geistlichen Amtes sei wesentlicher Ausdruck der besonderen kirchlichen Anschauung. Mit dem das ganze kirchliche Leben der Freien evangelischen Gemeinden beherrschenden Grundsatz der Freiwilligkeit wäre es aber unvereinbar, wenn ihre Prediger sich in abhängiger Stellung befänden. Diese Prediger seien nicht "Kleriker" in dem Sinne, daß nur sie bestimmte, ihnen vorbehaltene priesterliche Tätigkeiten ausüben könnten. Sie seien nichts weiter als Gemeindemitglieder, die Neigung, Fähigkeit und Zeit hätten, sich der Ausübung der jedem Gemeindemitglied zustehenden Befugnisse ganz hinzugeben. Für das Bestehen eines neben dem Mitgliedschaftsverhältnis bestehenden Arbeitsverhältnisses fehle aber jeder Anhalt. Das LSG habe seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 103 SGG) verletzt, weil es keine Feststellungen über den entscheidenden Einfluß des Mitgliedschaftsverhältnisses auf das Predigeramt getroffen habe. Auch habe es gegen § 128 SGG verstoßen, weil es nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt habe. Die Tätigkeit des Predigers R... habe keinen Erwerbszweck verfolgt. Was er für sich und seine große Familie von der beklagten Gemeinde erhalten habe, sei nicht vertragliche Gegenleistung, sondern eine bescheidene Unterhaltsrente gewesen, wie auch die Dienstbezüge der Beamten kein Entgelt für geleistete Dienste, sondern Alimentation seien.
Auf jeden Fall habe das LSG aber zu Unrecht die Tätigkeit des Predigers R... als Ausfluß eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses gewürdigt. Es habe nur dargelegt, warum Reich zu seiner Tätigkeit in der beklagten Gemeinde verpflichtet gewesen sei und warum keine Schlüsse gegen das Bestehen einer persönlichen Abhängigkeit gezogen werden könnten. Für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sei aber notwendig, daß ein Unterordnungsverhältnis bestehe. Insoweit habe das LSG aber gerade festgestellt, daß der Prediger R... keinen direkten Weisungen unterlegen habe, sondern nur durch die bestehende kirchliche Ordnung und die Vorstellungen der Gemeindemitglieder über das Mindestmaß und die grundsätzliche geistliche Richtung seiner Tätigkeit gebunden gewesen sei.
Die klagende Ortskrankenkasse hat beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie macht geltend, für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Beschäftigungsverhältnissen sei von der Gestaltung der tatsächlichen Verhältnisse auszugehen. Der Bund Freier evangelischer Gemeinden habe selbst in einer Bescheinigung vom Jahre 1949 von dem "in unseren Diensten stehenden" Prediger R... gesprochen; auch habe der Kassierer der beklagten Gemeinde in Jahre 1952 eine Bescheinigung über den "Arbeitsverdienst (Barbezüge und Sachbezüge)" des Predigers R... ausgestellt. Auch spreche für das Bestehen eines abhängigen Arbeitsverhältnisses, daß R... eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt worden sei und daß die Bezüge der Prediger grundsätzlich als lohnsteuerpflichtig angesehen würden.
Die beigeladene BfArb hat sich dem Antrag der klagenden Ortskrankenkasse angeschlossen. Auch die beigeladene BfA hält an ihrer schon bisher vertretenen Auffassung fest, daß der Prediger R... der Versicherungspflicht zur AnV unterlegen habe. Sie verweist darauf, daß die Prediger des Bundes Ev. Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (Baptisten), der mit dem Bund Freier evangelischer Gemeinden und anderen Freikirchen zu einer Dachorganisation zusammengeschlossen sei, unstreitig in einem der Sozialversicherungspflicht unterliegenden Beschäftigungsverhältnis stünden, nachdem der Hessische Minister für Erziehung und Volksbildung mit Erlaß vom 20. Juli 1957 die Gewährleistungsentscheidung vom 17. Februar 1957 widerrufen habe.
II.
1. Die Feststellungsklage der KK ist zulässig.
Der vorliegende Rechtsstreit war im Zeitpunkt des Inkrafttretens des SGG - 1. Januar 1954 - im Beschlußverfahren nach § 405 Abs. 2 RVO beim VA anhängig gewesen. Er ist in diesem Zeitpunkt - als Klage (BSG 3, 30, 34) - auf das SG übergegangen, und zwar als Kläger mit dem Beteiligten, der die Entscheidung nach § 405 Abs. 2 RVO beantragt hatte (BSG 3, 30, Leitsatz Nr. 1). Diesen Antrag hatte die klagende AOK gestellt. Zu Recht haben die Vorinstanzen sie daher als Klägerin angesehen.
Ihre Feststellungsklage ist nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig. Da es sich nur um die Fortführung eines im Zeitpunkt seiner Einleitung zulässigerweise auf Feststellung gerichteten Verfahrens handelt, bedarf es nicht des sonst für eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 SGG erforderlichen berechtigten Interesses an der baldigen Feststellung (BSG 3, 35; bestätigt durch Urteil des erkennenden Senats vom 13. Februar 1962 - 3 RK 13/58 -).
2. Die klagende KK begehrt die Feststellung, daß der Beigeladene R... während seiner Tätigkeit als Prediger bei der beklagten Gemeinde in der Zeit vom 1. Januar 1947 bis zum 31. Juli 1953 der Versicherungspflicht in der KrV, AnV und ArblV unterlegen hat.
a) Die Versicherungspflicht in der AnV und ArblV hängt davon ab, daß der Prediger R... als Angestellter in der fraglichen Zeit krankenversicherungspflichtig war oder der Versicherungspflicht zur KrV nur wegen der Höhe seines Jahresarbeitsverdienstes (JAV) nicht unterlegen hatte (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Angestelltenversicherungsgesetz - AVG - idF der Ersten Vereinfachungsverordnung, § 69 Nr. 2 Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG - aF). Wäre der Beigeladene R... somit aus anderen Gründen als der Höhe des JAV nicht krankenversicherungspflichtig gewesen, so stünde damit auch seine Versicherungsfreiheit in der AnV und in der ArblV...fest.
Besondere Befreiungsgründe liegen nicht vor, wie das LSG zutreffend festgestellt hat. § 169 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 RVO idF der Ersten Vereinfachungsverordnung kommt schon deshalb nicht zur Anwendung, weil den Predigern der Freien evangelischen Gemeinden keine. Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet ist. Sie gehören auch nicht zu dem in § 172 Abs. 1 Nr. 6 RVO idF der Erst en Vereinfachungsverordnung aufgeführten Personenkreis.
b) Demnach hängt die Entscheidung über die Frage der Versicherungspflicht des Beigeladenen R... allein davon ab, ob er ein Angestellter war, der gegen Entgelt beschäftigt wurde (§ 165 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 RVO). Nach Auffassung der Revision fehlt es schon an der Entgeltlichkeit des Predigerverhältnisses, weil der das Leben einer Freien evangelischen Gemeinde beherrschende Wesenszug die im Gewissen verankerte Freiwilligkeit der Tätigkeit aller ihrer Gemeindeglieder sei, zu denen auch die Prediger gehörten; hiernach seien die Leistungen der Gemeinde an ihren Prediger - Zurverfügungstellung einer Dienstwohnung und Barleistungen - nach der innerkirchlichen Ordnung der Gemeinde nicht als Gegenleistung für den Predigerdienst, sondern als ein frei gewährter Unterhaltsbeitrag anzusehen. Zu Unrecht nimmt die beklagte Gemeinde für sich in Anspruch, daß ihre Auffassung über die Rechtsnatur der ihrem Prediger gewährten Bezüge als Ausfluß des in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV statuierten Selbstbestimmungsrechts der Religionsgesellschaften der gerichtlichen Nachprüfung entzogen sei. Nach der genannten Vorschrift ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Daß sich "hinter konstanter Textkulisse" (Köttgen, DVBl 1952, 485, 487) ein starker Bedeutungswandel von der Weimarer Reichsverfassung hinüber zum Bonner Grundgesetz in der Richtung vollzogen hat, daß die Kirchen und Religionsgemeinschaften heute dem Staate gegenüber eine Autonomie haben, die nicht aus seiner Vergebung abgeleitet ist, steht außer Zweifel (vgl. hierzu außer Köttgen aaO, Scheuner, Die institutionellen Garantien des GG in Recht, Staat, Wirtschaft, Bd. 4 (1953) S. 111 ff; Werner Weber, Die Gegenwartslage des Staatskirchenrechts in Veröffentlichung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehren, Heft 11, 153, 159 ff; Mikat in Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte Bd. 4, 1 Halbbd. S 110, 138 ff; Maunz/ Dürig, GG, Art. 19 Anm. 20). Wie die Kirche ihren geistlichen Auftrag versteht, kann nur sie selbst verbindlich sagen. Aufs engste hängt mit diesem Lehrverständnis die kirchliche Ämterhoheit zusammen. Ob und in welcher Weise Geistliche Ämter im Rahmender kirchlichen Gemeinschaft bestehen sollen, insbesondere unter welchen Voraussetzungen Personen zu Geistlichen oder Predigern berufen, beschäftigt und abberufen werden, entscheidet allein die Religionsgemeinschaft. In diesem Bereich gibt es kein vom Staat gesetztes "für alle geltendes Gesetz" (BGHZ 22, 383, 390), es sei denn, daß es sich bei dem "für alle geltenden Gesetz" um solche Normen elementaren Charakters handelt, die sich als Ausprägungen und Regelungen grundsätzlicher, dem Recht wesentlicher, für unseren sozialen Rechtsstaat unabdingbarer Postulate darstellen (so BGHZ 34, 372, 374 in Anschluß an Scheuner). Daraus folgt, daß das Rechtsverhältnis zwischen der Religionsgemeinschaft und ihren Geistlichen nicht der staatlichen Gesetzgebung unterstellt ist und daß kirchliche Maßnahmen, die den Bestand dieser Rechtsverhältnisse betreffen, allenfalls mit Ausnahme eines offenkundigen Mißbrauchs der Berufung auf kirchliche Lehre oder Ordnung (vgl. BGHZ 22, 390) - der Nachprüfung der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen sind, so daß sie weder als rechtswidrig aufgehoben noch als ungültig behandelt werden können.
Um diesen Bereich handelt es sich aber im vorliegenden Falle nicht. Für die Entscheidung der Frage, ob der Beigeladene R... wegen seiner Predigertätigkeit der Versicherungspflicht unterliegt, wird das Rechtsverhältnis zwischen ihm und der beklagten Gemeinde so, wie es von den Beteiligten im Rahmen des durch Art 140 GG verbürgten Selbstbestimmungsrechts gestaltet worden ist, hingenommen. Es wird nur daraufhin beurteilt, ob es nach den für alle Staatsbürger geltenden Vorschriften des Sozialversicherungsrechts außerhalb des kirchlichen Raumes bestimmte Rechtsfolgen auslöste. So ... wenig die beklagte Gemeinde von sich aus entscheiden oder durch Vereinbarung mit ihrem Prediger regeln kann, ob er nach den staatlichen Steuergesetzen steuerpflichtig ist, so wenig kann sie - außer durch Gestaltung des Rechtsverhältnisses seihst - Einfluß auf die Rechtsfolgen nehmen, die sich nach den unabdingbaren Vorschriften des Sozialversicherungsrechts ergeben. Demnach sind die Versicherungsträger und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV nicht daran gehindert zu prüfen, ob die Tätigkeit des Predigers R... bei der beklagten Gemeinde entgegen den Vorstellungen dieser Beteiligten der Versicherungspflicht unterlegen hat.
c) Dabei ist allerdings in vollem Umfange der konkreten Lebenssituation Rechnung zu tragen, die dem Predigerdienst des Beigeladenen R... bei der beklagten Gemeinde das Gepräge verliehen hat. Soweit die auf ihr Verständnis der christlichen Botschaft gegründete Überzeugung der Beteiligten über die Art und Weise, wie das Verhältnis zwischen der Gemeinde und ihrem Prediger zu ordnen ist, in der tatsächlichen Gestaltung dieses Verhältnisses ihren Ausdruck gefunden hat, ist diese der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen - wie es auch sonst im Sozialversicherungsrecht zu geschehen hat, wenn eine Beschäftigung auf die Versicherungspflicht hin zu prüfen ist.
Die Revision weist in diesem Zusammenhang mit Nachdruck darauf hin, daß das Leben einer Freien evangelischen Gemeinde vom Grundsatz der Freiwilligkeit beherrscht sei und daß dies besonders für ihren Prediger gelte, der seinen Dienst in der Gemeinde nicht wegen des Broterwerbs, sondern aus christlicher Verantwortung ausübe. Zutreffend bezeichnet die beklagte Gemeinde eine solche Beziehung als ein Treueverhältnis, in dem eine rechenhafte Invergleichsetzung der Tätigkeit des Dienstnehmers und der Gegenleistung des Dienstgebers ausgeschlossen ist. Bei solchen Treueverhältnissen richtet sich die Höhe der Leistung des Dienstgebers, wie das von der Revision angeführte Beispiel des Beamtenverhältnisses zeigt, in erster Linie nach Unterhaltsgesichtspunkten, zumal dann, wenn Dienstverrichtungen rein geistlicher Art wie Predigt und Seelsorge in Frage stehen, die sich jeder Bewertung in Geld entziehen (vgl. Knoll in Zentralblatt für Reichsversicherung und Reichsversorgung 1932, 353, 356 f). Dennoch schließt der Alimentationscharakter solcher Leistungen nicht aus, das sie als Entgelt gewertet werden.(aA Knoll, aaO). Ausschlaggebend ist für die Beurteilung, daß die für den Unterhalt des Dienstnehmers bestimmten Bezüge um seines Dienstes willen gewährt werden. Wie das LSG festgestellt hat, bestand bei Beginn der Predigertätigkeit des Beigeladenen R... zwischen diesem und dem Vorstand der beklagten Gemeinde Einverständnis darüber, daß die Gemeinde ihrem Prediger nach Maßgabe seines bescheiden bemessenen Lebensbedarfs einerseits, ihrer Leistungsfähigkeit andererseits die notwendigen Mittel gewähren werde. Die beklagte Gemeinde hat diese Verpflichtung auch erfüllt, indem sie dem Beigeladenen R... eine Dienstwohnung zur Verfügung stellte und regelmäßig monatlich einen Barbetrag zahlte, dessen Höhe vom Vorstand der Gemeinde festgelegt wurde. Daß die Höhe dieser Barleistung nicht vereinbart war (vgl. § 315 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB), ist für ihren Entgeltscharakter unerheblich, wie das LSG zutreffend festgestellt hat. Ebensowenig ist von Bedeutung, daß die beklagte Gemeinde diese Leistung aus - zweckgebundenen und nicht zweckgebundenen - Spenden der Gemeindeglieder erbrachte.
Demnach ist der Beigeladene R... gegen Entgelt bei der beklagten Gemeinde beschäftigt gewesen.
d) Auch das weitere zur Begründung der Versicherungspflicht unerläßliche Erfordernis, daß der Prediger R... als Angestellter, d.h. abhängig beschäftigt war, ist gegeben. Dem steht nicht entgegen, daß er nach der Auffassung der beklagten Gemeinde über die Berufung zu geistlichen Ämtern keine besonderen Rechte und Pflichten hatte, wie sie einem herausgehobenen geistlichen Stand vorbehalten zu sein pflegen, sondern einen Dienst als Lebensaufgabe verrichtete, wie ihn jedes andere Gemeindemitglied grundsätzlich auch hätte tun können und - nach dem Vortrag der beklagten Gemeinde - nicht selten nach Maßgabe der ihm verliehenen Gaben in beschränktem Umfang auch verrichtet hat. Ein Mitgliedschaftsverhältnis schließt nicht aus, daß das Mitglied zu seinem Verein - die beklagte Gemeinde ist ein nicht rechtsfähiger Verein - in die besondere Beziehung eines Arbeitnehmers tritt (vgl. Trieschmann in der Anmerkung zum Urteil des BAG vom 18.2.1956 in BABl 1956, 270 f und Urteil des erkennenden Senats vom 20. Dezember 1961 - 3 RK 65/57 -). Alleinige Voraussetzung hierfür ist, daß auch in diesem Falle so wie in den Fällen, in denen ein Dienstverhältnis ohne Verbindung mit einem Mitgliedschaftsverhältnis besteht, die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses vorliegen.
Nach der feststehenden Rechtsprechung des Senats ist wesentliches Merkmal für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses die persönliche Abhängigkeit (vgl. zuletzt BSG 13, 130, 132; 13, 196, 201; 15, 65, 69). Sie äußert sich vornehmlich in der Eingliederung des Arbeitenden in einen Betrieb (oder eine Verwaltung), womit in aller Regel das Direktionsrecht des Arbeitgebers verbunden ist. Hierfür wiederum ist maßgebliches Kriterium, ob der Dienstnehmer, wie der Senat in Anlehnung an § 84 Abs. 1 Satz 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) ausgesprochen hat (BSG 13, 201), im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, oder ob er einem "Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung" umfassenden Weisungsrechts unterliegt (BSG 13, 202 unter Hinweis auf BGHZ 10, 190). Allerdings kann diese Weisungsgebundenheit - insbesondere bei "Diensten höherer Art" (§ 622 BGB) -, was die Ausführung der Arbeit betrifft, aufs stärkste eingeschränkt sei; denn es gibt Arbeitsverhältnisse bei denen, wie das Bundesarbeitsgericht zutreffend ausführt ("Chefarzt-Urteil" vom 27.7.1961 - 2 AZR 255/60 - in Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen 1962, 86 mit zustimmender Anmerkung von Herschel und Arbeitsrechtliche Praxis, § 611 BGB - Ärzte, Gehaltsansprüche - Nr. 24 mit zustimmender Anmerkung von Molitor), dem Arbeitgeber eine Einflußnahme auf die sachliche Ausübung der Tätigkeit des Arbeitnehmers rechtlich versagt ist. Trotzdem kann die Dienstleistung eines solchen Arbeitnehmers fremdbestimmt se in, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes oder der Gemeinschaft erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Wach Auffassung des Senats kann das für das abhängige Beschäftigungsverhältnis allein charakteristische Merkmal der persönlichen Abhängigkeit in Grenzfällen sowohl durch die Eingliederung in einen Betrieb - Verwaltung, Haushalt - (vgl. Nikisch, ArbB 3. Aufl. Bd. I S. 95 ff und Molitor, Recht der Arbeit 1959, 2 ff) als auch - beim Fehlen eines Betriebes oder einer Verwaltung - allein durch Weisungsgebundenheit gekennzeichnet sein (vgl. Hueck in Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des ArbR 6. Aufl. Bd. I S. 39 ff), wenn auch in aller Regel beide miteinander verbunden sind. Ist das eine der soziologische Grundsachverhalt, so ist das andere die typische Ausdrucksform und Folge dieses Verhältnisses. Je weniger allerdings das Direktionsrecht des Arbeitgebers in Gestalt ausdrücklicher Weisungen in Erscheinung tritt, je mehr der Arbeitnehmer bei der Gestaltung seiner Arbeit auf sich selbst gestellt ist, um so größeres Gewicht erhält das Merkmal der Eingliederung in einen übergeordneten Organismus für die Abgrenzung zwischen abhängig geleisteter Arbeit und selbständig verrichteten Diensten. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinert sich in einen solchen Fall zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß.
Im vorliegenden Rechtsstreit ist entscheidend die Eingliederung des Predigers in einen Organismus, dessen Zweckbestimmung und Ordnung seine Stellung als dienendes Glied der Gemeinde bestimmt. Der Prediger R... hatte zwar keine Vorgesetzten oder "Oberen", da es weder in der beklagten Gemeinde noch in dem Bund freier evangelischer Gemeinden nach der ihnen eigentümlichen Wesensstruktur eine Hierarchie gibt. Dessen ungeachtet war sein Aufgabengebiet als Prediger in der beklagten Gemeinde klar abgegrenzt und ihm auch - nicht zuletzt auf Grund seiner mehrjährigen Ausbildung auf der Predigerschule des Bundes Freier evangelischer Gemeinden - wohlbekannt. Es bedurfte keiner Weisungen eines "konkreten Prinzipals", um dem Prediger R... vorzuschreiben, was er zu tun oder zu lassen hatte; denn nach Übung und Herkommen stand sowohl für die beklagte Gemeinde als auch den Beigeladenen R... im wesentlichen fest, was das Amt eines Predigers bei der Beklagten als einer besonderen Form kirchlicher Gemeinschaft an Dienstleistungen erforderte. Der das Gemeindeleben beherrschende freiheitliche Grundgedanke hatte zwar auch das Dienstverhältnis des Beigeladenen R... insofern geprägt, als ihm nicht im einzelnen vorgeschrieben wurde, wie er Gottesdienst, Seelsorge und andere Aufgaben seines Predigeramts zu gestalten hatte. Auch sonst wies das Arbeitsverhältnis des Predigers R... weniger rechtliche Bindungen -zB in der Frage des Urlaubs und der Beendigung des Dienstverhältnisses - auf, als sie üblicherweise hei abhängigen Beschäftigungsverhältnissen vorliegen. Diese Besonderheiten, die sich aus der Eigenart der Lebensordnung ergaben, in die R... gestellt hatte, ließen aber den für die Kennzeichnung seines Beschäftigungsverhältnisses ausschlaggebenden Umstand unberührt, daß er nämlich im wesentlichen seine volle Arbeitskraft im Dienst der beklagten Gemeinde zur Durchführung von Aufgaben einzusetzen hatte, die ihm vorgegeben waren und bei denen ihm ein selbstverantwortliches Ermessen nur für die Durchführung im einzelnen eingeräumt war.
Zu Unrecht sieht die beklagte Gemeinde in der Wertung des Dienstverhältnisses ihres Predigers R... als eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses eine Beeinträchtigung der brüderlichen Zusammenarbeit, auf die sie das Verhältnis eines Predigers zu seiner Gemeinde abgestellt wissen will. Daß die Rechtsordnung ein Dienstverhältnis nach seinen tatsächlichen Merkmalen als abhängiges Beschäftigungsverhältnis beurteilt, schließt nicht aus, daß die Beteiligten sich für ihr Zusammenwirken auch nach Maßstäben richten, die außerhalb der Rechtsordnung liegen und die vergleichsweise bescheidenen Rechte und Pflichten aus dem rechtlich geordneten Dienstverhältnis durch möglicherweise weit stärker wirkende Bindungen weltanschaulicher und ethischer Art vertiefen und ergänzen.
Der nach alledem berechtigte Schluß, daß der Prediger R... in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur beklagten Gemeinde stand, wird auch durch die Tatsache gestützt, daß die Finanzbehörden die Prediger der Freien evangelischen Gemeinden als lohnsteuerpflichtig behandeln. Zwar ist die Frage, ob Arbeit in abhängiger Stellung geleistet wird, nach Sozialversicherungsrecht, nicht nach Lohnsteuerrecht zu beurteilen (BSG 15, 65, 69). Da der für die Frage der Versicherungspflicht und der Lohnsteuerpflicht maßgebende Begriff des Arbeitsverhältnisses aber grundsätzlich der gleiche ist (vgl. Bogs in BABl 1962, 369 unter Teil 1, Abschn. I A), ist es immerhin aufschlußreich und als Indiz für das Vorliegen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses zu werten, daß auch im Lohnsteuerrecht das Dienstverhältnis des Predigers einer Freien evangelischen Gemeinde als abhängiges Dienstverhältnis beurteilt wird.
Demnach erweist sich das angefochtene Urteil als zutreffend. Die Revision der beklagten Gemeinde ist als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 60481 |
BSGE 16, 289 (LT1) |
BSGE, 289 |
BB 1962, 923 (LT1) |
RegNr, 1606 |
DAngVers 1963, 82 (LT1) |
Breith 1962, 953 (LT1) |
DÖV 1962, 786 (LT1) |
Die Beiträge 1962, 278 (LT1) |
Dienstbl BA C SozVers/§ 165 RVO (Nr 810a) (ST1-3, LT1-3) |
MDR 1962, 854 (LT1) |
SozR § 165 RVO (LT1), Nr 30 |