Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung einer an den Abtretungsgläubiger ausgezahlten Beitragserstattung - Versorgungsausgleich
Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Sozialleistungsträger eine Beitragserstattung aufgrund einer Abtretung nach § 53 SGB 1 an den Abtretungsgläubiger ausgezahlt, kann bei Mängeln im Leistungsanspruch (Deckungsverhältnis) die Sozialleistung nur von dem ursprünglich Leistungsberechtigten und nicht "auch" von dem Abtretungsgläubiger zurückgefordert werden., ,
2. Eine Erstattungspflicht des Abtretungsgläubigers kommt allenfalls insoweit in Betracht, als die Abtretung selbst (das Valutaverhältnis) unter Mängeln leidet.
Normenkette
SGB X § 45 Abs. 1; SGB I § 53 Abs. 2; SGB X §§ 49, 50 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Sätze 1-2; SGB VI § 210 Abs. 1; RVO § 1303 Abs. 1; BGB § 398; VersorgAusglHärteG § 10d; SGG § 51 Abs. 1; GVG § 17a Abs. 5
Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken |
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2001 und das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25. November 1997 sowie die ihr gegenüber ergangenen Bescheide der Beklagten vom 29. November 1991, 10. Januar 1992, 22. Juli 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 1993 aufgehoben.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der beiden Beigeladenen zu tragen.
Tatbestand
I
Die klagende Bank wendet sich gegen ihre Verpflichtung zur Erstattung von 45.405,04 DM nach Aufhebung eines Beitragserstattungsbescheids.
Die Ehe des Beigeladenen zu 1., eines türkischen Staatsangehörigen, mit der Beigeladenen zu 2. wurde durch Urteil des Amtsgerichts (AG) Köln vom 22. Juni 1988 geschieden. Am 23. Juni 1988 beantragte der Beigeladene zu 1., der im April 1988 zuletzt rentenversicherungspflichtig gearbeitet hatte und im selben Monat in die Türkei verzogen war, über die Klägerin die Erstattung seiner Rentenversicherungsbeiträge. Diese hatte dem Beigeladenen zu 1. durch einen Kredit in Höhe von 64.596,55 DM die Beitragserstattung vorfinanziert und sich zur Sicherung die Erstattungsforderung gegen die Beklagte abtreten lassen.
Im Juli 1988 leitete die Beigeladene zu 2. ein Versorgungsausgleichsverfahren bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz ein. In Unkenntnis dieses Verfahrens erstattete die Beklagte durch Bescheid vom 23. August 1988 in der Gestalt des (den im Februar 1989 eingelegten Widerspruch der Beigeladenen zu 2. zurückweisenden) Widerspruchsbescheids vom 2. Februar 1990 gemäß § 1303 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) Rentenversicherungsbeiträge des Beigeladenen zu 1. in Höhe von 64.901,83 DM; der an den Beigeladenen zu 1. gerichtete Bescheid wurde der Klägerin als dessen Bevollmächtigte bekannt gegeben und der Betrag gleichzeitig auf ein bei dieser geführtes Konto des Beigeladenen zu 1. ausgezahlt. Die gegen die Beitragserstattung gerichtete Klage der Beigeladenen zu 2. wies das Sozialgericht Köln (SG) durch Urteil vom 9. August 1990 ab. Das Berufungsverfahren endete durch Vergleich, in welchem sich die Beklagte verpflichtete, ihre Bescheide vom 23. August 1988 und 2. Februar 1990 aufzuheben und über den Widerspruch der Beigeladenen zu 2. erneut zu entscheiden; der Rechtsstreit wurde einvernehmlich als erledigt angesehen.
Mit im Wesentlichen gleich lautenden Bescheiden vom 4. Juli 1991 an die Beigeladenen zu 1. und 2. hob die Beklagte den Beitragserstattungsbescheid vom 23. August 1988 (abermals) auf und verfügte, dass über den Beitragserstattungsantrag vom 23. Juni 1988 nach Abschluss des Verfahrens über den Versorgungsausgleich abschließend entschieden werde. Die Bescheide enthalten zudem den Hinweis, dass zu Unrecht erbrachte Leistungen gemäß § 50 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) zu erstatten seien; gerichtet an den Beigeladenen zu 1. heißt es zudem, dass mit Aufhebung des Erstattungsbescheides der Rechtsgrund für die Auszahlung des Erstattungsbetrages in Höhe von 64.901,83 DM entfalle. Einen gleich lautenden Bescheid wie an den Beigeladenen zu 1. richtete die Beklagte am 29. November 1991 an die Klägerin, von der sie mit weiterem Bescheid vom 10. Januar 1992, gestützt auf § 50 SGB X, die Erstattung von 64.901,83 DM begehrte. Gegen beide Bescheide legte die Klägerin Widerspruch ein. Durch Beschluss vom 3. Dezember 1992 übertrug das AG Köln einen Teil der Rentenanwartschaften vom Konto des Beigeladenen zu 1. auf das Konto der Beigeladenen zu 2., woraufhin die Beklagte mit an den Beigeladenen zu 1. gerichteten Bescheid vom 4. Juni 1993 den Erstattungsbetrag neu berechnete. Bei einer Erstattungssumme von 19.800,85 DM ergab sich nunmehr eine Überzahlung in Höhe von 45.405,04 DM. Diesen Betrag forderte die Beklagte – wiederum gestützt auf § 50 SGB X – unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10. Januar 1992 von der Klägerin zurück (Bescheid vom 22. Juli 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 1993).
Die hiergegen erhobene Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 25. November 1997). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 14. Mai 2001). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei gemäß § 45 Abs 1 iVm § 49 SGB X befugt gewesen, den Beitragserstattungsbescheid vom 23. August 1988 (teilweise) aufzuheben; der Beitragserstattungsbescheid sei als begünstigender Verwaltungsakt bis zur Höhe von 45.405,04 DM rechtswidrig gewesen. Als Rechtsnachfolgerin des Beigeladenen zu 1. sei die Klägerin auch richtiger Adressat des Rückforderungsbescheids. Die „Rückforderungs-Automatik” beziehe ihre Rechtfertigung daraus, dass die Belange des Rückforderungsschuldners bereits im Rücknahmeverfahren genügend zu berücksichtigen gewesen seien.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 1303 Abs 1 Satz 3 RVO, § 10d Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich ≪VAHRG≫, § 49 SGB X). Sie ist der Ansicht, die Beklagte könne sie als Zessionarin allein des Beitragserstattungsanspruchs bei fehlerhafter Abwicklung des Grundverhältnisses (Versicherungsverhältnisses zum Zedenten) nicht auf Rückzahlung bereits erstatteter Beiträge in Anspruch nehmen. Es sei allein der Beklagten anzulasten, dass sie nicht verhindert habe, dass vorzeitig über Beitragserstattungsbeträge verfügt werde. Ggf müsse die Beklagte im Wege des Schadensersatzes das Beitragskonto des Beigeladenen zu 1. wieder auffüllen, um im Rahmen des Versorgungsausgleichs Anwartschaften auf das Konto der Beigeladenen zu 2. übertragen zu können.
Die Klägerin beantragt,
das Berufungsurteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2001 aufzuheben und unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des SG Münster vom 25. November 1997 die Bescheide der Beklagten vom 29. November 1991, vom 4. Juni und vom 22. Juli 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 1993 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2001 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus: Auch wenn nach einer Abtretung des Zahlungsanspruchs das Stammrecht beim Versicherten verbleibe, werde der Abtretungsgläubiger dennoch Forderungsinhaber. Als Inhaber des Zahlungsanspruchs könnten ihm gegenüber – wenn auch nur in beschränktem Maße – Verwaltungsakte ergehen. Insbesondere sei die Feststellung des wohlverstandenen Interesses iS des § 53 Abs 2 Nr 2 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) nicht nur eine verwaltungsinterne Entscheidung, sondern ein Verwaltungsakt, gegen den sowohl der Berechtigte als auch der Abtretungsempfänger Widerspruch einlegen konnten. Umgekehrt sei auch eine Rückforderung nach § 50 Abs 1 SGB X gegenüber dem Zessionar durch Verwaltungsakt zulässig, weil die Leistung an diesen „erbracht” worden sei. Wegen des Schutzes vor nachfolgenden Pfändungen und Abtretungen habe die Klägerin statt einer Zahlungsanweisung an sie auch bewusst die Forderungsabtretung gewählt; sie müsse sich deshalb auch bezüglich der Rückforderung als Forderungsinhaberin behandeln lassen.
Der Beigeladene zu 1. ist im Revisionsverfahren nicht vertreten. Die Beigeladene zu 2. hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 29. November 1991, 10. Januar 1992 und 22. Juli 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 1993 verletzen die Klägerin in ihren Rechten und sind wie die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben. Im Revisionsantrag der Klägerin ist zwar statt des Bescheids vom 10. Januar 1992 der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 1993 aufgeführt. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 1993 war jedoch nicht an die Klägerin gerichtet, sondern an den Beigeladenen zu 1.; ihr war dieser Bescheid lediglich als (früherer) Bevollmächtigter des Beigeladenen zu 1. zugestellt worden. Insoweit ist ihr Aufhebungsbegehren gegenstandslos; angefochten ist deshalb sinngemäß der in Ergänzung des angefochtenen Bescheides vom 29. November 1991 erlassene, an die Klägerin gerichtete Erstattungsbescheid vom 10. Januar 1992, der seinerseits durch den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 1993 modifiziert worden ist.
1. Die Frage, ob für die von der Klägerin im eigenen Namen geltend gemachten Aufhebungsansprüche der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit begründet ist (§ 51 Abs 1 Sozialgesetzbuch ≪SGG≫), ist im Revisionsverfahren nicht mehr zu prüfen (§ 17a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz ≪GVG≫). Wird nämlich die Zulässigkeit des Rechtswegs von der ersten Instanz in einem Sachurteil – wie hier – bejaht, hat es dabei sein Bewenden (vgl BSG Urteil vom 24. Juli 2001 – B 4 RA 102/00 R; Breithaupt 2001, 989 f, zur Veröffentlichung in SozR 3 vorgesehen, mwN). Unabhängig hiervon ist die Frage zu bejahen, ob für den geltend gemachten Anspruch der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist. Denn es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung, nämlich um eine Streitigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte hat in den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen festgestellt, sie habe gegen die Klägerin eine Erstattungsforderung in Höhe von 45.405,04 DM; ferner hat sie der Klägerin geboten, diesen Betrag an sie zu zahlen. Der Streit um die Aufhebung solcher Verwaltungsakte ist nach öffentlichem Recht zu entscheiden (vgl BSG Urteil vom 24. Juli 2001 aaO).
2. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG war die Beklagte – nach Aufhebung des gegenüber dem Beigeladenen zu 1. ergangenen Beitragserstattungsbescheids vom 23. August 1988 – nicht befugt, den überzahlten Betrag von der Klägerin im Wege eines Verwaltungsakts zurückzufordern. Der Tatbestand des § 50 Abs 3 Satz 1 SGB X ist nicht erfüllt. Danach ist die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Vorschrift ermächtigt zwar zu einem das Zahlungsgebot und die Anspruchsfestsetzung umfassenden Leistungsbescheid, aber nur unter der Voraussetzung, dass die Leistung dem Leistungsträger zu erstatten ist. Der Beklagten steht jedoch ein entsprechender Zahlungsanspruch nicht zu; für das Begehren der Beklagten, die Klägerin solle die überzahlte Beitragserstattungssumme von 45.405,04 DM zahlen, gibt es keine Anspruchsgrundlage (vgl BSG Urteil vom 29. April 1997 – 4 RA 46/96 – SozR 3-1300 § 42 Nr 5).
a) Zwar sind nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Der Erstattungsanspruch des Leistungsträgers ist somit eine unmittelbare Folge der Aufhebung des Verwaltungsakts, wobei § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X nicht ausdrücklich regelt, wer Schuldner des Erstattungsanspruchs ist. Doch grundsätzlich richtet sich der Erstattungsanspruch gegen den Leistungsempfänger, sofern dieser der durch den Verwaltungsakt unmittelbar Begünstigte ist. Begünstigter und Adressat des Beitragserstattungsbescheids der Beklagten vom 23. August 1988 war der Beigeladene zu 1., nicht die Klägerin. Mit dem Vertrag über die Abtretung des Beitragserstattungsanspruchs (§ 53 SGB I iVm § 398 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫ analog) hat sich die Gestalt des Sozialrechtsverhältnisses nicht verändert. Denn im Sozialrecht ist anders als im Zivilrecht eine Neubestimmung der Gläubigerstellung oder der vollständige Eintritt in ein Vertragsverhältnis unter Einschluss des neuen Gläubigers in das Pflichtengefüge nicht vorgesehen. Der Dritte, hier die Klägerin, erhält durch die Abtretung – wie dies der 13. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) bereits in einer Entscheidung vom 6. Februar 1991 (13/5 RJ 18/89 – BSGE 68, 144 = SozR 3-1200 § 53 Nr 1) ausgeführt hat – „nur das begrenzte, ihm übertragene Recht aus dem Gesamtkomplex der Rechtsbeziehungen, ohne dass sich dessen Inhalt verändert”. Durch die Abtretung wird also nur die Rechtszuständigkeit über die abgetretene Forderung verändert, der Zessionar tritt jedoch nicht in die Rechtsstellung des Zedenten aus dem Sozialrechtsverhältnis ein (vgl auch BSG Urteile vom 27. November 1991 – 4 RA 80/90 – SozR 3-1200 § 53 Nr 2 und vom 24. Juli 2001 – B 4 RA 102/00 R – zur Veröffentlichung in SozR 3 vorgesehen – Breithaupt 2001, 989 f – zur Abtretung des Rentenanspruchs; danach verbleibt das sog „Stammrecht” beim Versicherten).
Dass bei (bestandskräftiger) Beitragserstattung – anders als bei einem Anspruch auf eine wiederkehrende Sozialleistung – das Versicherungsverhältnis aufgelöst wird bzw entfällt (vgl § 1303 Abs 7 RVO; § 210 Abs 6 Satz 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – ≪SGB VI≫), ändert – wie auch der vorliegende Fall (der Wiederherstellung des Versicherungsverhältnisses) zeigt – nichts daran, dass das Sozialrechtsverhältnis nur zwischen dem ursprünglichen Leistungsberechtigten, dem Beigeladenen zu 1., und dem Versicherungsträger besteht. Folgerichtig ist auch bei Mängeln im ursprünglichen Leistungsverhältnis (Deckungsverhältnis) nicht nur – wie dies die Beklagte in ihrem Revisionsschriftsatz vom 28. Januar 2002 einräumt – der die Beitragserstattung aufhebende bzw abändernde Bescheid ausschließlich an den ursprünglich Leistungsberechtigten zu richten, sondern er ist auch der Adressat eines Erstattungsbescheids und hat die Leistung, mit der die abgetretene Forderung erfüllt wurde, zu erstatten.
b) Mit diesem Ergebnis setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der – von der Beklagten zitierten – Entscheidung des 11. Senats des BSG vom 28. Juni 1991 (11 RAr 47/90 – SozR 3-1300 § 50 Nr 10). Dort ging es um die Frage, ob in dem Fall, in dem die Leistung einem beteiligten Dritten (hier: Abzweigungsberechtigten) zugeflossen ist, der Forderungsinhaber, der tatsächliche Empfänger oder beide einem Erstattungsanspruch nach § 50 Abs 1 SGB VI ausgesetzt sind. Der 11. Senat kam zu dem Ergebnis, dass die Rückforderung nicht gegenüber dem Abzweigungsberechtigten, sondern ausschließlich gegenüber dem ursprünglich Leistungsberechtigten zu erfolgen hat, denn dieser bleibe – „anders als bei der Abtretung …” – Anspruchsinhaber und der Leistungsträger verfüge, soweit er die Sozialleistung einem Dritten zukommen lasse, an Stelle des Leistungsberechtigten (entsprechend § 362 Abs 2 iVm § 185 Abs 1 BGB). Die Entscheidung des 11. Senats hatte somit nicht den Fall einer Forderungsabtretung, sondern den der Abzweigung nach § 48 Abs 1 SGB I zum Gegenstand; bei der dort getroffenen Abgrenzung der rechtlichen Ausgestaltung des Abzweigungsverfahrens im Vergleich zur Forderungsabtretung handelt es sich allenfalls um nicht tragende Ausführungen (obiter dictum).
3. Entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung folgt die Zulässigkeit einer Inanspruchnahme der Klägerin als Abtretungsgläubigerin – neben einer Inanspruchnahme des ursprünglich Leistungsberechtigten, des Beigeladenen zu 1. – nicht bereits daraus, dass – „auch” – ihr die Leistung iS des § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X „erbracht” worden wäre (vgl Heilemann, SozVers, 1999, 148 ff mwN). Das Erbringen umfasst die Erfüllungshandlung des Leistungsträgers und den Erfolg (Zufluss). Die Leistungshandlung der Beklagten diente hier unstreitig dem Zweck, dem Beigeladenen zu 1. den zuvor bewilligten Vermögensvorteil zu verschaffen. Daraus folgt – wie der 11. Senat des BSG bereits in der vorgenannten Entscheidung vom 28. Juni 1991 (11 RAr 47/90 – SozR 3-1300 § 50 Nr 10) ausgeführt hat –, dass der Leistungserfolg nur eintritt, wenn die Leistung dem aus dem Verwaltungsakt Berechtigten tatsächlich zugeflossen ist. Nur wenn die Leistung an einen weder zum Leistenden noch zum Berechtigten in einer Rechtsbeziehung stehenden – unbeteiligten – Dritten fließt, fehlt es am Leistungserfolg und damit am Erbringen iS des § 50 SGB X (BSG aaO, vgl auch BSG Urteil vom 24. Juli 2001 – B 4 RA 102/00 R – Breithaupt 2001, 989 ff – zur Veröffentlichung in SozR 3 vorgesehen – mwN; Schneider-Danwitz in Gesamt-Komm Sozialversicherung, Bd 4 Anm 13 zu § 50 SGB X ≪Stand Dezember 1999≫).
Die Auszahlung des Erstattungsbetrages auf das von dem Beigeladenen zu 1. angegebene Konto bei der Klägerin beruhte darauf, dass dieser der Beklagten über die Klägerin eine Abtretungserklärung vom 8. März 1988 betreffend seine „Forderung aus seiner gesetzlichen Rentenversicherung zur Erstattung anstehender Beiträge in voller Höhe” vorgelegt hatte. Durch die Abtretung der Sozialleistung sollte laut beigefügter Mitteilung der Klägerin vom 22. Juni 1988 und ebenfalls vorgelegtem Kreditvertrag ein Kredit an den Beigeladenen zu 1. über einen Betrag von 64.596,55 DM gesichert werden. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, wie dieser komplexe Vorgang im Einzelnen rechtlich zu bewerten war. Jedenfalls war die Beklagte auf Grund dieser Abtretungserklärung befugt, die Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Übertragung des Geldleistungsanspruchs nach § 53 Abs 2 Nr 1 oder Nr 2 SGB I zu prüfen und hierüber durch feststellenden Verwaltungsakt zu entscheiden (vgl im Einzelnen BSG Urteile vom 14. August 1984 – 10 RKg 19/83 – SozR 1200 § 53 Nr 2 und vom 29. Juni 1995 – 11 RAr 109/94 – BSGE 76, 184, 186 f = SozR 3-1200 § 53 Nr 8, wobei in letzterer Entscheidung die Frage einer Regelungsbefugnis im Verhältnis zum Abtretungsempfänger ausdrücklich offen gelassen wird; eine Entscheidung durch Verwaltungsakt befürworten auch: Seewald, Kasseler Komm, § 53 RdNr 19 f ≪Stand November 2001≫; Schneider-Danwitz in Gesamt-Komm Sozialversicherung, Bd 4, Anm 18b zu § 50 SGB X ≪Stand Dezember 1999≫; Elling in: Brennpunkte des Sozialrechts 1999, S 119, 133 f mwN).
Im vorliegenden Fall ist indes ein solcher Verwaltungsakt nicht ergangen; die Beklagte ist vielmehr stets – zuletzt dokumentiert im Schriftsatz vom 28. Januar 2002 – ohne ausdrückliche Auszahlungsanordnung davon ausgegangen, dass eine rechtsgültige Forderungsabtretung vorlag, die insbesondere auch den Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 53 Abs 2 SGB I entsprach. Durch die reine Auszahlung des Erstattungsbetrags führte die Beklagte somit nur aus, was zunächst durch den an den Beigeladenen zu 1. gerichteten Beitragserstattungsbescheid vom 23. August 1988 geregelt worden war.
Die Beklagte und die Klägerin standen sich – nach früherer Terminologie – in keinem öffentlich-rechtlichen Verhältnis der Unter-Überordnung, sondern der Gleichordnung gegenüber (vgl BSG Urteil vom 22. Februar 1990 – 4 RA 19/89 – HV-INFO 1992, 1278 mwN). Ihr gegenüber konnte die Beklagte daher jedenfalls hinsichtlich der Rückforderung überzahlter Beträge nicht durch Verwaltungsakt tätig werden. Denn was für die Auszahlung des Erstattungsbetrags an die Klägerin gilt, gilt sinngemäß auch für die Rückforderung; anders ausgedrückt: Das mit einem Leistungsanspruch stets verbundene „mögliche Rückabwicklungsverhältnis” zwischen der Behörde und dem ursprünglich Leistungsberechtigten wird von einer (wirksamen) Abtretung des Leistungsanspruchs nicht betroffen (so auch Schneider-Danwitz in Gesamt-Komm Sozialversicherung, Bd 4, Anm 19b Unterbuchst bb zu § 50 SGB X ≪Stand Dezember 1999≫).
4. Für dieses Ergebnis spricht schließlich auch die Regelung des § 50 Abs 3 Satz 2 SGB X. Danach soll die Festsetzung (der zu erstattenden Leistung) mit der Aufhebung des Verwaltungsakts verbunden werden, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist. Die danach vorgeschriebene Verbindung von Aufhebungs- und Erstattungsbescheid zeigt – auch wenn es sich nur um eine Sollvorschrift handelt –, dass das Gesetz zumindest im Grundsatz allein den Adressaten des Aufhebungsbescheids als erstattungspflichtig ansieht. Dementsprechend wird zu der Parallelregelung des § 49a Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), der die Erstattungspflicht und den ihr korrespondierenden Erstattungsanspruch regelt, in der Kommentarliteratur überwiegend die Auffassung vertreten, es sei problematisch, im Falle einer Abtretung des Anspruchs durch den Begünstigten bei Auszahlung an den Abtretungsgläubiger diesen der Erstattungspflicht zu unterwerfen (vgl Stelkens/Bonk/Sachs, Komm zum VwVfG, § 49a RdNr 30, 6. Aufl, 2001; Kopp/Ramsauer, Komm zum VwVfG, § 49a RdNr 10, 7. Aufl, 2000 – jeweils mwN –; vgl für weiter gehende Möglichkeiten beim Erstattungsanspruch Siebelt/Eckert, DVBl 1995, 1114 f mwN).
Demgegenüber ist im Steuerrecht (§ 37 Abs 2 Satz 1 und Satz 3 der Abgabenordnung 1977 idF des Gesetzes vom 11. Oktober 1995, BGBl I, 1250, 1405) ausdrücklich eine doppelte Erstattungspflicht, nämlich die des Einzelrechtsnachfolgers neben der des ursprünglich Leistungsberechtigten bestimmt (vgl zur Unterschiedlichkeit der verfahrensrechtlichen Regelungen – BFH Urteil vom 24. August 2001 – VI R 83/99 – BFHE 196, 278). Wenn eine entsprechende Regelung im SGB X nicht vorgesehen ist, bleibt der Rechtsnachfolger grundsätzlich in seinem guten Glauben an das Fortbestehen der Abtretungsforderung geschützt.
Zu diskutieren bliebe allenfalls, ob der Rechtsnachfolger dann iS eines „Durchgriffs” in Anspruch genommen werden kann, wenn der Rückforderungsanspruch nicht allein den eigentlichen Leistungsanspruch betrifft, also iS des Bereicherungsrechts auf einem Mangel im Deckungsverhältnis beruht, sondern auf einem Mangel in der Rechtsnachfolge (hier: bei der Abtretung), iS des Bereicherungsrechts auf einem Mangel im Valutaverhältnis (vgl Schneider-Danwitz in Gesamt-Komm Sozialversicherung, Bd 4, Anm 15 f, 20a zu § 50 SGB X ≪Stand Dezember 1999≫). Mängel in der Rechtsnachfolge hat die Beklagte jedoch gerade nicht festgestellt, sie geht vielmehr von einer rechtsgültigen Forderungsabtretung aus. Dann aber kann sie die Klägerin – auch bei Annahme eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsverhältnisses – nicht gemäß § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X bzw – bei fehlendem Auszahlungsbescheid – nach § 50 Abs 2 SGB X iVm § 50 Abs 3 SGB X in Anspruch nehmen (vgl Schneider-Danwitz aaO, Anm 20a zu § 50 SGB X; vgl andererseits auch BSG Urteil vom 24. Juli 2001 – B 4 RA 102/00 R, Breithaupt 2001, 989 ff, zur Veröffentlichung in SozR 3 vorgesehen, mwN – zum Erstattungsanspruch eines Sozialleistungsträgers nach § 50 Abs 2 Satz 1 SGB X bei fehlendem Einzugsrecht des Pfändungsgläubigers). Seit Kodifikation des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens kommt im Übrigen auch der Gesichtspunkt eines „übergeordneten” öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nicht mehr in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 747387 |
FA 2002, 364 |
WM 2003, 772 |
SozR 3-1300 § 50, Nr. 25 |
ZBB 2003, 224 |