Leitsatz (amtlich)
1. Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des § 6 Abs. 2 und des § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes über die Berücksichtigung von Arbeitsentgelten oder Arbeitseinkommen zusatz- und sonderversorgter Personen in der gesetzlichen Rentenversicherung.
2. Dem Gesetzgeber ist es von Verfassungs wegen nicht verwehrt, bei der Berechnung der Rente nach dem SGB VI die in der Deutschen Demokratischen Republik erzielten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen von Angehörigen bestimmter Versorgungssysteme und von Inhabern bestimmter Funktionen auch unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze unberücksichtigt zu lassen, soweit sie nicht auf Arbeit und Leistung beruhten und deshalb überhöht waren. Die Bestimmung der Erhöhungstatbestände und die daran geknüpften Folgen für die Berücksichtigung der Arbeitsverdienste müssen aber in den tatsächlichen Verhältnissen eine Entsprechung finden, um dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG zu genügen.
Verfahrensgang
Tenor
§ 6 Absatz 2 (in Verbindung mit den Anlagen 4, 5 und 8) und § 6 Absatz 3 Nummer 7 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG) vom 25. Juli 1991 (Bundesgesetzbl I S. 1606, 1677) in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz – Rü-ErgG) vom 24. Juni 1993 (Bundesgesetzbl I S. 1038) waren seit dem 1. Juli 1993 mit Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 30. Juni 2001 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.
Tatbestand
A.
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren betreffen die Überleitung von Renten aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der Deutschen Demokratischen Republik in die gesetzliche Rentenversicherung des wiedervereinigten Deutschland. Gegenstand der Vorlagen ist die Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, bei Angehörigen bestimmter Versorgungssysteme und bei Inhabern bestimmter Funktionen den Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung nicht das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze, sondern einen darunter liegenden, abgesenkten Betrag zugrunde zu legen.
I.
1. Die Altersversorgung in der Deutschen Demokratischen Republik umfaßte eine einheitliche Sozialpflichtversicherung und eine ergänzende Freiwillige Zusatzrentenversicherung. Daneben bestanden zahlreiche Zusatzversorgungssysteme. Für bestimmte Gruppen von Staatsbediensteten existierten Sonderversorgungssysteme.
a) Die Leistungen aus den Zusatzversorgungssystemen ergänzten die Renten aus der Rentenversicherung. Sie sollten den Berechtigten einen Anteil ihres letzten Erwerbseinkommens unter Anrechnung der Rente aus der Rentenversicherung sichern. Die Zusatzversorgungssysteme glichen damit der betrieblichen Altersversorgung und der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in den alten Bundesländern (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 28. April 1999 – 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95 –, Umdruck S. 6).
Ein Zusatzversorgungssystem auf freiwilliger Basis bestand seit dem Jahre 1971 für Leiter und Mitarbeiter des Staatsapparates. Rechtsgrundlage war die vom Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik am 29. Januar 1971 beschlossene Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates (im folgenden: FZAO-StMitarb). Für die Höhe der Beiträge in diesem Zusatzversorgungssystem war – sozialversicherungsrechtlichen Grundsätzen entsprechend – das beitragspflichtige Einkommen maßgebend. Bei einem monatlichen Bruttoverdienst von höchstens 700 Mark betrug der Beitrag 5 Mark monatlich, bei einem darüber liegenden monatlichen Bruttoverdienst bis 1.500 Mark 5 vom Hundert des 600 Mark übersteigenden Bruttoverdienstes und bei einem monatlichen Bruttoverdienst über 1.500 Mark 3 vom Hundert des gesamten Bruttoverdienstes (§ 3 Abs. 1 FZAO-StMitarb). Eine Obergrenze gab es nicht. Der Beitrag wurde vom Gehalt einbehalten. Aus dem Staatshaushalt wurde jährlich ein Beitragsanteil in Höhe des jährlichen Beitragsaufkommens des Mitarbeiters gezahlt (§ 4 FZAO-StMitarb).
Für die Versicherungsleistung war – bei einem Bruttoeinkommen bis zu 1.500 Mark – der durchschnittliche monatliche Nettoverdienst oder – bei einem Bruttoeinkommen über 1.500 Mark – der durchschnittliche monatliche Bruttoverdienst der zehn günstigsten zusammenhängenden Jahre maßgebend (§ 5 Abs. 3 FZAO-StMitarb). Gezahlt wurde als Altersrente nach Ablauf der Wartezeit von 15 Jahren bei einem Bruttoeinkommen bis 1.500 Mark eine Zusatzversorgung zur allgemeinen Rente in Höhe der Differenz zwischen dieser Rente und 90 vom Hundert des Nettoverdienstes (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a FZAO-StMitarb). Überstieg das Bruttoeinkommen 1.500 Mark, so wurde ergänzend zur Rente eine Zusatzversorgung in Höhe von 50 vom Hundert des Bruttoverdienstes gezahlt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b FZAO-StMitarb); die Gesamtversorgung durfte jedoch 90 vom Hundert des monatlichen Nettoverdienstes nicht überschreiten (§ 5 Abs. 1 Satz 2 FZAO-StMitarb).
Das Zusatzversorgungssystem mit den meisten Mitgliedern war das für Leiter und Mitarbeiter des Staatsapparates. Am 1. Juni 1990 wurden aus diesem Zusatzversorgungssystem 55.069 Versichertenrenten wegen Alters gezahlt (vgl. BTDrucks 11/8485, S. 8).
b) Ein Teil der Staatsbediensteten gehörte nicht der Zusatzversorgung, sondern Sonderversorgungssystemen an. Dazu zählten die Angehörigen der Nationalen Volksarmee, der Deutschen Volkspolizei, der Feuerwehr und des Strafvollzugs, der Zollverwaltung und des Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS). Diese Sonderversorgungssysteme stellten eine eigenständige Sicherung außerhalb der Rentenversicherung bereit. Der begünstigte Personenkreis erhielt Leistungen ausschließlich aus den Sonderversorgungssystemen. Anstelle von Beiträgen zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung hatten die Angehörigen der Sonderversorgungssysteme Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes ihrer vollen Bezüge ohne Bemessungsgrenze an den Versorgungsträger zu entrichten. Den Leistungsberechtigten war ein Rentenniveau garantiert, das grundsätzlich 90 vom Hundert der monatlichen Nettobesoldung vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis entsprach (vgl. hierzu etwa Reimann, DAngVers 1991, S. 281 ff.; Mutz/Stephan, DAngVers 1992, S. 281 f.).
Der Status des Sonderversorgten in der Deutschen Demokratischen Republik glich demjenigen eines Ruhestandsbeamten in den alten Bundesländern (vgl. Reimann, a.a.O., S. 282; Mutz/Stephan, a.a.O., S. 281). Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat die Zahl aller am 1. Januar 1992 übernommenen Renten aus Sonderversorgungssystemen mit 61.256 angegeben. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung schätzt die Zahl der Personen mit Anwartschaften aus Sonderversorgungssystemen auf etwa 1,5 Millionen.
Die Sonderversorgung von Angehörigen der Deutschen Volkspolizei beruhte auf der amtlich nicht veröffentlichten Ordnung Nr. 11/72 des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die soziale Leistungsgewährung vom 1. Juli 1954 (im folgenden: Versorgungsordnung), die in der Folgezeit mehrfach geändert und ergänzt wurde. Während der Dauer des Dienstverhältnisses bestand Versicherungspflicht. Die Regelungen der Sozialpflichtversicherung und der Zusatzversorgungssysteme fanden keine Anwendung (Teil A I 1 ≪1≫ der Versorgungsordnung). Die Höhe der von den Angehörigen der Deutschen Volkspolizei zu entrichtenden Beiträge betrug 10 vom Hundert der beitragspflichtigen Bruttobesoldung (Teil A II 1 ≪1≫ der Versorgungsordnung). Die Beitragspflicht erstreckte sich auch auf den Teil der Besoldung, der 600 Mark im Monat überstieg. Vom Ministerium des Innern der Deutschen Demokratischen Republik wurde ein Verwaltungsanteil in gleicher Höhe geleistet (Teil A II 1 ≪2≫ der Versorgungsordnung).
Die Versorgungen mußten mindestens der Höhe der gleichartigen Rente der Sozialversicherung entsprechen (Teil C I 6 der Versorgungsordnung). Altersrente und Invalidenvollrente betrugen 75 vom Hundert der beitragspflichtigen monatlichen durchschnittlichen Bruttobesoldung – wahlweise – der letzten zwölf Monate der Berufstätigkeit, der letzten zwölf Monate vor Vollendung des 50. Lebensjahres oder der zehn verdienstgünstigsten zusammenhängenden Dienstjahre (Teil C III 2 und 3 sowie IV 2 der Versorgungsordnung). Die Altersrente mußte mindestens 600 Mark monatlich erreichen (Teil C III 5 der Versorgungsordnung). Nach Mitteilung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wurden aus dem Sonderversorgungssystem 40.403 Leistungen an Bestandsrentner erbracht (vgl. ferner Mutz/Stephan, a.a.O., S. 283).
2. Im Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (BGBl II S. 537; im folgenden: Staatsvertrag) war vorgesehen, das Sozialversicherungsrecht der Deutschen Demokratischen Republik an das bundesdeutsche Recht anzugleichen. Es sollte eine beitragsfinanzierte Rentenversicherung mit lohnorientierten, dynamischen Leistungen (Art. 20 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrages) geschaffen werden (vgl. zu den Zielen der Sozialunion im einzelnen und zu den Auswirkungen des Staatsvertrages Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 28. April 1999 – 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95 –, Umdruck S. 9 ff.). In Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Staatsvertrages war hinsichtlich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme folgendes vereinbart:
Die bestehenden Zusatz- und Sonderversorgungssysteme werden grundsätzlich zum 1. Juli 1990 geschlossen. Bisher erworbene Ansprüche und Anwartschaften werden in die Rentenversicherung überführt, wobei Leistungen aufgrund von Sonderregelungen mit dem Ziel überprüft werden, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen.
Diese Festlegungen des Staatsvertrages setzte die Deutsche Demokratische Republik im wesentlichen mit dem Gesetz zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen – Rentenangleichungsgesetz – (im folgenden: RAnglG) vom 28. Juni 1990 (GBl I S. 495) um. Im Hinblick auf die Schaffung eines neuen Rentenversicherungsrechts der Deutschen Demokratischen Republik traf das Rentenangleichungsgesetz für die Überführung von Ansprüchen aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen eine Reihe von Übergangsregelungen. Daneben legte es Grundsätze für die (spätere) Überführung in die Rentenversicherung fest und eröffnete die Möglichkeit einer Kürzung von Ansprüchen und Anwartschaften aus zusätzlichen Versorgungssystemen nach einer Überprüfung im Einzelfall. Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 RAnglG hatte folgenden Wortlaut:
Ansprüche und Anwartschaften aus zusätzlichen Versorgungssystemen können gekürzt werden, wenn der Berechtigte in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer mißbraucht hat. Die Kürzung darf nicht dazu führen, daß der Berechtigte insgesamt weniger Rente erhält, als er entsprechend seinen gezahlten Beiträgen durch die Sozialversicherung erhalten würde.
3. Mit dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – (im folgenden: EV) vom 31. August 1990 (BGBl II S. 889) wurden im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung weitere grundsätzliche Festlegungen und erste Detailregelungen getroffen. Dabei griff der Einigungsvertrag auch die Überführung von Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in die Rentenversicherung wieder auf, veränderte jedoch die § 27 Abs. 1 RAnglG zugrundeliegende Konzeption. In Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. b EV ist folgendes bestimmt:
Die erworbenen Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod sind, soweit dies noch nicht geschehen ist, bis zum 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung zu überführen. Bis zur Überführung sind die leistungsrechtlichen Regelungen der jeweiligen Versorgungssysteme weiter anzuwenden, soweit sich aus diesem Vertrag, insbesondere den nachfolgenden Regelungen, nichts anderes ergibt. Ansprüche und Anwartschaften sind, auch soweit sie bereits überführt sind oder das jeweilige Versorgungssystem bereits geschlossen ist,
1. nach Art, Grund und Umfang den Ansprüchen und Anwartschaften nach den allgemeinen Regelungen der Sozialversicherung in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet unter Berücksichtigung der jeweiligen Beitragszahlungen anzupassen, wobei ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen sind sowie eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen nicht erfolgen darf, und
2. darüber hinaus zu kürzen oder abzuerkennen, wenn der Berechtigte gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat oder in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer mißbraucht hat.
Bei Personen, die am 3. Oktober 1990 leistungsberechtigt sind, darf bei der Anpassung nach Satz 3 Nr. 1 der Zahlbetrag nicht unterschritten werden, der für Juli 1990 aus der Sozialversicherung und dem Versorgungssystem zu erbringen war. Bei Personen, die in der Zeit vom 4. Oktober 1990 bis 30. Juni 1995 leistungsberechtigt werden, darf bei der Anpassung nach Satz 3 Nr. 1 der Zahlbetrag nicht unterschritten werden, der für Juli 1990 aus der Sozialversicherung und dem Versorgungssystem zu erbringen gewesen wäre, wenn der Versorgungsfall am 1. Juli 1990 eingetreten wäre.
Damit bestimmte der Einigungsvertrag in Satz 3 die Gründe für die Abschaffung und den Abbau (Nr. 1) sowie für die Kürzung oder Aberkennung (Nr. 2) von Versorgungsleistungen abweichend von den Vorstellungen des Gesetzgebers der Deutschen Demokratischen Republik in § 27 Abs. 1 RAnglG. Danach konnte eine Kürzung nur erfolgen, wenn der Berechtigte seine Stellung in schwerwiegendem Maße zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer mißbraucht hatte. Sie durfte nicht dazu führen, daß der Berechtigte insgesamt weniger Rente erhielt, als er entsprechend seinen Beiträgen durch die Sozialversicherung erhalten hätte.
4. Weitere Schritte zur Vereinheitlichung des Rentenversicherungsrechts unternahm der Bundesgesetzgeber mit dem Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz – RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S. 1606). Kern des Renten-Überleitungsgesetzes war die Erstreckung der rentenrechtlichen Regelungen des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI) auf das Beitrittsgebiet (Art. 1 RÜG). Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme. Das als Art. 3 RÜG verkündete Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S. 1606, 1677) bestimmte hierzu – in Verbindung mit den Vorschriften des SGB VI – das Nähere (zu weiteren Einzelheiten vgl. Ruland, DRV 1991, S. 518 ff.; Michaelis/Stephan, DAngVers 1991, S. 149 ff.; Rische, DAngVers 1991, S. 229 ff.; Rahn, DtZ 1992, S. 1 ff.).
Nach § 5 Abs. 1 AAÜG gelten Zeiten der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Anlage 1 zu § 1 Abs. 2 AAÜG und Anlage 2 zu § 1 Abs. 3 AAÜG) als Pflichtbeitragszeiten der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. § 55 SGB VI). Die Bewertung der Zeiten richtet sich – unabhängig von einer Beitragszahlung – nach den Arbeitsentgelten oder Arbeitseinkommen. Durch die Anknüpfung an die Arbeitsverdienste werden Berechtigte aus Versorgungssystemen so behandelt, als hätten sie diese Verdienste in der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert. Versorgte werden damit unter Beachtung der gesetzlich vorgesehenen Begrenzungen faktisch nachversichert. Die Höhe der bei der Ermittlung von Entgeltpunkten nach dem SGB VI zugrunde zu legenden Verdienste wird durch § 6 AAÜG bestimmt.
Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen werden nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG von vornherein nur bis zur Höhe der in der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt. Dieses Ziel wird – technisch – dadurch erreicht, indem die für § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG maßgebenden und in Anlage 3 aufgeführten Jahreshöchstverdienste so bemessen wurden, daß sich nach ihrer Umrechnung auf Westniveau (vgl. Anlage 10 zum SGB VI) die in den alten Bundesländern geltende Beitragsbemessungsgrenze ergibt. Die Höchstbeträge in Anlage 3 gewährleisten, daß aus Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem höchstens so viele Entgeltpunkte folgen können wie bei einem Verdienst an der westdeutschen Beitragsbemessungsgrenze. Auf der Grundlage des in den alten Bundesländern erzielten Durchschnittsentgelts sind das 180 vom Hundert des Durchschnittsentgelts oder 1,8 Entgeltpunkte.
Von dem in § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG geregelten Grundsatz machte das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz in seiner ursprünglichen Fassung zahlreiche Ausnahmen. Danach durften Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen bei einigen Personengruppen nur bis zum jeweiligen Durchschnittsentgelt berücksichtigt werden. Der Kreis der Betroffenen wurde durch die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Versorgungssystem, also “bereichsspezifisch”, oder durch die Zugehörigkeit zu bestimmten Funktionsebenen, also “funktionsspezifisch”, oder sowohl “bereichs-” als auch “funktionsspezifisch” bestimmt (vgl. § 6 Abs. 2 bis 4 AAÜG i.d.F. des RÜG). In der Begründung der Gesetzentwürfe der Bundesregierung vom 11. April 1991 (BRDrucks 197/91, S. 113) und der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. vom 23. April 1991 (BTDrucks 12/405, S. 113) ist hierzu ausgeführt:
Allerdings soll das Einkommen grundsätzlich nicht bis zur Beitragsbemessungsgrenze, sondern nur in begrenztem Umfang berücksichtigt werden, um entsprechend der Maßgabe des Einigungsvertrages überhöhte Anwartschaften abzubauen.
…
Kriterium… soll eine bei typisierender Betrachtung relativ geringe Staats- oder Systemnähe sein.
5. Gewichtige Änderungen erfuhr das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz durch das Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz – Rü-ErgG) vom 24. Juni 1993 (BGBl I S. 1038), das in seinen wesentlichen Teilen rückwirkend zum 1. August 1991 in Kraft trat. Die Regelungen über die Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens nach § 6 Abs. 2 bis 4 AAÜG wurden in größerem Umfang modifiziert (Art. 3 Nr. 3, 12, 13 und 14 Rü-ErgG), allerdings unter Beibehaltung des Konzepts der Begrenzungsregelungen.
a) § 6 Abs. 2 bis 4 AAÜG in der für die vorliegenden Verfahren maßgebenden Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes lautete:
(2) Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 2, 3 oder 19 bis 27 oder Anlage 2 Nr. 1 bis 3, in denen ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 8 bezogen wurde, ist den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 4 zugrunde zu legen. Wurde ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen über dem jeweiligen Betrag der Anlage 8 bezogen, ist in den Fällen des Satzes 1 den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst der Betrag zugrunde zu legen, der sich ergibt, wenn das Doppelte des den jeweiligen Betrag der Anlage 8 übersteigenden Teils des erzielten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens von dem jeweiligen Betrag der Anlage 4 abgezogen wird, mindestens jedoch der jeweilige Betrag der Anlage 5; hierbei sind die jeweiligen Beträge der Anlage 3 nicht zu berücksichtigen.
(3) Absatz 2 gilt auch für Zeiten, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit als
1. Betriebsdirektor, soweit diese Funktion nicht in einem Betrieb ausgeübt wurde, der vor 1972 in dessen Eigentum stand,
2. Fachdirektor eines Kombinats auf Leitungsebene oder einer staatlich geleiteten Wirtschaftsorganisation,
3. Direktor oder Leiter auf dem Gebiet der Kaderarbeit,
4. Sicherheitsbeauftragter oder Inhaber einer entsprechenden Funktion, sofern sich die Tätigkeit nicht auf die technische Überwachung oder die Einhaltung von Vorschriften des Arbeitsschutzes in Betrieben und Einrichtungen des Beitrittsgebiets bezog,
5. hauptamtlicher Parteisekretär,
6. Professor oder Dozent in einer Bildungseinrichtung einer Partei oder der Gewerkschaft FDGB,
7. Richter oder Staatsanwalt,
8. Inhaber einer hauptamtlichen Wahlfunktion auf der Ebene der Kreise, Städte, Stadtbezirke oder Gemeinden im Staatsapparat oder in einer Partei sowie Inhaber einer oberhalb dieser Ebene im Staatsapparat oder in einer Partei ausgeübten hauptamtlichen oder ehrenamtlichen Berufungs- oder Wahlfunktion
ausgeübt wurde.
(4) Absatz 2 ist für die in Anlage 7 genannten Personen nicht anzuwenden.
Die in § 6 Abs. 4 AAÜG in Bezug genommene Anlage 7 hatte folgenden Wortlaut:
Personen im Sinne des § 6 Abs. 4
Hauptamtliche Mitarbeiter
1. von Banken, Sparkassen, Versicherungen, der Sozialversicherung, des Feriendienstes, bei Kreisen, Städten, Stadtbezirken oder Gemeinden sowie bei Einrichtungen auf der Ebene der Kreise, Städte, Stadtbezirke oder Gemeinden für Zeiten ihrer Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 19 oder Nr. 22,
2. des Blinden- und Sehschwachenverbandes,
3. des Bundes der Architekten,
4. des Deutschen Roten Kreuzes,
5. des Gehörlosen- und Schwerhörigenverbandes,
6. der Kammer der Technik,
7. des Kulturbundes,
8. der Volkssolidarität,
9. der wissenschaftlichen Gesellschaft für Veterinärmedizin,
10. der agrarwissenschaftlichen Gesellschaft,
11. in Druckereien und Verlagen für Zeiten der Zugehörigkeit zu den Zusatzversorgungssystemen nach Anlage 1 Nr. 19 und 22 bis 27, mit Ausnahme der Leiter und Redakteure der Zeitungen, Zeitschriften, Druckereien und Verlage.
Angehörige der Berufsfeuerwehr für Zeiten ihrer Zugehörigkeit zu dem Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 Nr. 2.
Aus den in § 6 Abs. 2 AAÜG angeführten Nummern 2, 3 und 19 bis 27 der Anlage 1 und den Nummern 1 bis 3 der Anlage 2 ergibt sich der personelle Anwendungsbereich der Norm. Anlage 1 lautet wie folgt:
Zusatzversorgungssysteme
1. …
2. Zusätzliche Altersversorgung der Generaldirektoren der zentral geleiteten Kombinate und ihnen gleichgestellte Leiter zentral geleiteter Wirtschaftsorganisationen, eingeführt mit Wirkung vom 1. Januar 1986.
3. Zusätzliche Altersversorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft, eingeführt mit Wirkung vom 1. Januar 1988.
4. bis 18…
19. Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates, eingeführt mit Wirkung vom 1. März 1971.
20. Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter der Gesellschaft für Sport und Technik, eingeführt mit Wirkung vom 1. August 1973.
21. Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter gesellschaftlicher Organisationen, eingeführt mit Wirkung vom 1. Januar 1976, für hauptamtliche Mitarbeiter der Nationalen Front ab 1. Januar 1972.
22. Freiwillige zusätzliche Funktionärsunterstützung für hauptamtliche Mitarbeiter der Gewerkschaft FDGB, eingeführt mit Wirkung vom 1. April 1971.
23. Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter der LDPD, eingeführt mit Wirkung vom 1. Oktober 1971.
24. Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter der CDU, eingeführt mit Wirkung vom 1. Oktober 1971.
25. Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter der DBD, eingeführt mit Wirkung vom 1. Oktober 1971.
26. Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter der NDPD, eingeführt mit Wirkung vom 1. Oktober 1971.
27. Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter der SED/PDS, eingeführt mit Wirkung vom 1. August 1968.
Gemäß Anlage 2 werden außerdem die Sonderversorgungssysteme der Nationalen Volksarmee (Nr. 1), der Deutschen Volkspolizei, der Feuerwehr und des Strafvollzugs (Nr. 2) und der Zollverwaltung (Nr. 3) von der Regelung des § 6 Abs. 2 AAÜG erfaßt.
Die in Bezug genommenen Anlagen 3, 4, 5 und 8 enthalten Jahresgehaltstabellen der Zeit von 1950 bis 30. Juni 1990 für das Beitrittsgebiet. In Anlage 3 werden Jahreshöchstverdienstgrenzen genannt. Die Beträge dieser Anlage entsprechen der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze West (vgl. oben unter A I 4). Anlage 5 gibt das jeweilige Jahresdurchschnittseinkommen im Beitrittsgebiet wieder. Anlage 4 und Anlage 8 enthalten ebenfalls Grenzbeträge. Anlage 4 beziffert die um 40 vom Hundert über dem Durchschnitt liegenden, Anlage 8 die um 60 vom Hundert darüberliegenden Jahresgehälter.
b) Danach war den rentenrechtlichen Pflichtbeitragszeiten für Zeiten der Zugehörigkeit zu bestimmten Versorgungssystemen als Verdienst das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nur dann zugrunde zu legen, wenn es 140 vom Hundert des durchschnittlichen Verdienstes nicht überstieg (§ 6 Abs. 2 Satz 1 AAÜG). Mit dieser Schwelle legte das Gesetz fest, welches Entgelt als “systembedingt” erhöht anzusehen und deshalb für die Rentenberechnung abzusenken war. Betrug das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen mehr als 140 vom Hundert des Durchschnittsverdienstes, aber nicht mehr als 160 vom Hundert, so wurde der Versorgungsberechtigte so behandelt, als ob er 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts (Anlage 4) erzielt hätte. Verdiente der Versorgungsberechtigte mehr als 160 vom Hundert des Durchschnittsentgelts (Anlage 8), so wurde auch die Eingangsschwelle von 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts unterschritten und das anzurechnende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen progressiv von 140 vom Hundert bis zum jeweiligen Durchschnittsentgelt abgesenkt (Anlage 5); die Absenkung betrug das Doppelte des über 160 vom Hundert des Durchschnittsentgelts liegenden Mehrverdienstes. Ab einem Verdienst von 180 vom Hundert des Durchschnittsentgelts durfte nur das Durchschnittsentgelt berücksichtigt werden. Von der “bereichsspezifischen” Sonderregelung des § 6 Abs. 2 AAÜG waren unter anderem Berechtigte aus dem Zusatzversorgungssystem für Leiter und Mitarbeiter des Staatsapparates (vgl. Anlage 1 Nr. 19 zu § 1 Abs. 2 AAÜG) und aus dem Sonderversorgungssystem der Deutschen Volkspolizei betroffen (vgl. Anlage 2 Nr. 2 zu § 1 Abs. 3 AAÜG).
§ 6 Abs. 3 AAÜG begrenzte die Berücksichtigung der Entgelte bei Versorgten, die auf bestimmten Funktionsebenen tätig waren, selbst dann, wenn sie nicht zu einem der in dieser Vorschrift genannten Versorgungssysteme gehörten. In diesen Fällen gelangte ausschließlich § 6 Abs. 3 AAÜG zur Anwendung. Neben § 6 Abs. 2 AAÜG erhielt die Vorschrift Bedeutung, wenn eine Person jemals Mitglied in einem der Versorgungssysteme des § 6 Abs. 2 AAÜG war. Die “funktionsspezifische” Sonderregelung erfaßte nach der Neuregelung auch Richter der Deutschen Demokratischen Republik (§ 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG).
Von der “bereichsspezifischen” Sonderregelung des § 6 Abs. 2 AAÜG wurden nach § 6 Abs. 4 AAÜG Ausnahmen für bestimmte Personengruppen gemacht (vgl. Anlage 7), die trotz ihrer Zugehörigkeit zu den in § 6 Abs. 2 AAÜG genannten Versorgungssystemen aufgrund ihrer Funktion weniger “system- und staatsnah” erschienen und daher gegenüber anderen Angehörigen dieser Versorgungssysteme nicht benachteiligt werden sollten. Nach § 6 Abs. 4 AAÜG verblieb es für diesen Personenkreis bei der Grundregelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, wonach das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze (Anlage 3) zu berücksichtigen war.
c) Damit hielt die auf dem Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz beruhende Fassung des § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG an dem Grundgedanken, überhöhte Leistungen abzubauen, fest. Zur Begründung wurde auf den Zweck der mit dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz geschaffenen Regelungen verwiesen und ergänzend dargelegt (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. vom 27. April 1993, BTDrucks 12/4810, S. 20 f.):
An dieser Zielsetzung wird festgehalten. Die hierbei unumgänglichen Typisierungen und Pauschalierungen des geltenden Rechts treffen derzeit in vollem Umfang aber auch Personengruppen in der mittleren Führungsebene. Für diese soll die Einkommensbegrenzung nur noch in eingeschränktem Umfang wirken, für Spitzenfunktionäre jedoch die volle Wirkung erhalten bleiben. Dies soll dadurch erreicht werden, daß die starre Grenzregelung des geltenden Rechts – bereits ein geringfügiges Überschreiten des 1,4fachen des jeweiligen Durchschnittsentgelts hat zur Folge, daß das jeweilige Durchschnittsentgelt zugrunde gelegt wird – durch eine Regelung ersetzt wird, mit der für diese Personen je nach ihrer Stellung im Einkommensgefüge als Verdienst ein dem 1,4fachen des Durchschnittsentgelts entsprechender Betrag berücksichtigt wird, und bei höherem Einkommen eine gleitende Rückführung auf das Durchschnittsentgelt erfolgt.
…
Die modifizierte Form der Bestimmung des berücksichtigungsfähigen Entgelts soll für alle Personengruppen gelten, bei denen nach geltendem Recht der Rentenberechnung das jeweilige Durchschnittsentgelt zugrunde gelegt wird, also sowohl für Personen in leitenden Funktionen, insbesondere im Staatsapparat – künftig auch in den Parteien der ehemaligen DDR – als auch für Personen, die z.B. Betriebsdirektoren oder verdienstvolle LPG-Vorsitzende gewesen sind.
Durch die damit verbundene Abmilderung der rentenrechtlichen Fortwirkung hervorgehobener Positionen wird im Rahmen der notwendigen Typisierungen und Pauschalierungen und unter Anknüpfung an das dem System der gesetzlichen Rentenversicherung immanente Element der Bestimmung der Leistungshöhe auf der Grundlage des Entgelts eine stärker einzelfallorientierte Differenzierung erreicht. Gleichzeitig bleibt das Ziel erhalten, solche Einkommen bestimmter Personengruppen aus Tätigkeiten, in denen sie im Vergleich zu anderen Personengruppen bei typisierender Betrachtung einen erheblichen Beitrag zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des politischen Systems der ehemaligen DDR geleistet haben, nicht in vollem Umfang in die Rentenversicherung zu übernehmen und bei der künftigen sozialen Sicherung fortwirken zu lassen. Dies wird durch die Veränderung der relativen Entgeltposition dieser Personengruppen im Vergleich zu den anderen Personengruppen für die Zeit einer entsprechenden Tätigkeit erreicht.
Nach den Angaben der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wirkten sich die Begrenzungsregelungen des § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG bei Zusatzversorgten bis zum 31. Dezember 1996 in etwa 60.700 Fällen aus. Davon entfielen auf die “bereichsspezifische” Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 2 AAÜG etwa 46.000 Fälle und auf die “funktionsspezifische” Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 3 AAÜG etwa 14.700 Fälle. Der Anteil der davon betroffenen Zusatzversorgungsberechtigten betrug 12,28 vom Hundert. Von den bearbeiteten Vorgängen wurden 8,17 vom Hundert auf Werte der Anlage 5, 3,93 vom Hundert auf Werte der Anlage 4 und 0,18 vom Hundert auf Werte zwischen denen der Anlage 5 und der Anlage 4 begrenzt.
Von den Begrenzungsregelungen wesentlich stärker betroffen waren Berechtigte aus Sonderversorgungssystemen der Anlage 2 Nr. 1 bis 3 zu § 1 Abs. 3 AAÜG. Je nach Sonderversorgung und Versorgungsträger wurden bis zum 31. Dezember 1996 zwischen 31 und 49,7 vom Hundert aller Fälle von einer Begrenzung erfaßt. Nach den Angaben der jeweiligen Versorgungsträger betrugen die Begrenzungen auf Werte der Anlage 5 zwischen 30 und 78,5 vom Hundert, diejenigen auf Werte der Anlage 4 zwischen 14 und 40 vom Hundert und diejenigen auf Werte zwischen den beiden Anlagen zwischen 9,9 und 25 vom Hundert der bearbeiteten Vorgänge.
6. Für Rentenbezugszeiten ab dem 1. Januar 1997 wird die Begrenzung von Arbeitsentgelten oder Arbeitseinkommen für die genannten Personenkreise nach § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG-Änderungsgesetz – AAÜG-ÄndG) vom 11. November 1996 (BGBl I S. 1674) vorgenommen (Art. 1 Nr. 3 und 12 AAÜG-ÄndG). Eine Begrenzung des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens ist danach nur noch für Personen vorgesehen, die aufgrund der Wahrnehmung politischer Verantwortung oder Mitverantwortung in der Deutschen Demokratischen Republik ein besonders hohes Einkommen erzielt haben (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 22. März 1996, BRDrucks 209/96, S. 10; Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 25. September 1996, BTDrucks 13/5606, S. 16).
Als Maßstab für ein besonders hohes Einkommen gilt nicht (mehr) ein bestimmter Prozentsatz des Durchschnittsentgelts, sondern einheitlich die Gehaltsstufe E 3 (ab 1985 Gehaltsstufe 12), die einem Hauptabteilungsleiter im zentralen Staatsapparat zustand. Die Beträge, die den jeweiligen Jahreseinkommen (einschließlich Aufwandsentschädigung) eines Hauptabteilungsleiters entsprechen, ergeben sich für die einzelnen Jahre aus der neuen Anlage 4. Nach der Neufassung des § 6 Abs. 2 AAÜG, die auch für die in § 6 Abs. 3 AAÜG genannten Funktionsinhaber gilt, sind solche und darüber liegende Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen auf das Durchschnittsentgelt (Anlage 5) zu begrenzen. Alle unterhalb der Grenzbeträge nach Anlage 4 liegenden Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen werden nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG (in Verbindung mit Anlage 3) nunmehr bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt.
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat mitgeteilt, daß sich die Gesamtzahl der Begrenzungsfälle durch das AAÜG-Änderungsgesetz auf 1,34 vom Hundert aller bearbeiteten Vorgänge verringern werde. Für die Sonderversorgungsbereiche wird mit 100.000 und für die Zusatzversorgungsbereiche mit 65.000 Rentenneufeststellungen gerechnet (vgl. Stephan, DAngVers 1997, S. 14 Fn 34). Schon der Regierungsentwurf zum AAÜG-Änderungsgesetz ging davon aus, daß die auf § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes beruhenden Begrenzungen durch die Neufassung des § 6 Abs. 2 AAÜG für etwa 75 vom Hundert der bisher von ihnen Betroffenen vollständig aufgehoben würden (BRDrucks 209/96, S. 12).
II.
Den Ausgangsverfahren liegen folgende Sachverhalte zugrunde:
1. a) Der 1928 geborene Kläger des Ausgangsverfahrens des Normenkontrollverfahrens 1 BvL 22/95 ist seit dem 1. September 1993 Rentner. Er war nach Beendigung seiner Ausbildung für den gehobenen Justizdienst von 1950 bis 1964 als Justizinspektor, Rechtspfleger und Sekretär beim Amts- und Kreisgericht tätig. In der Zeit von 1964 bis April 1971 war er als Notar in einem Staatlichen Notariat beschäftigt. In dieser Zeit betrieb er an der Humboldt-Universität zu Berlin ein juristisches Fernstudium, das er im März 1971 mit dem Diplom abschloß. Ab Mai 1971 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Informations- und Dokumentationsstelle des Bezirksgerichtes E…. Am 23. April 1976 wurde er zum Richter am Bezirksgericht ernannt.
Seit März 1971 gehörte der Kläger der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates an (vgl. Anlage 1 Nr. 19 zu § 1 Abs. 2 AAÜG). Der durchschnittliche monatliche Bruttoverdienst der zehn verdienstgünstigsten Jahre betrug 1.987,50 Mark. Zuletzt bestand eine Anwartschaft auf eine Zusatzversorgung in Höhe von 993,75 Mark (50 vom Hundert des durchschnittlichen monatlichen Bruttoverdienstes).
Nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik am 3. Oktober 1990 war der Kläger weiter als Zivilrichter tätig. Nachdem er vom Richterwahlausschuß überprüft worden war, ernannte ihn der Thüringer Minister für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten am 3. Juli 1991 unter Berufung in das Richterverhältnis auf Probe zum Richter des Landes Thüringen. Im August 1991 wurde er außerdem zum Richter der Senate für Rehabilitierungsverfahren nach dem Rehabilitierungsgesetz der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. September 1990 bestellt. Bis Juli 1992 war er ferner Mitglied des Richterwahlausschusses in E…. Mit dem Ende des Monats August 1993 wurde der Kläger wegen Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Richterdienst entlassen. Weil er vor diesem Zeitpunkt keine fünf Dienstjahre im Richteramt war, steht ihm ein Anspruch auf Ruhegehalt nicht zu.
b) Der Kläger beantragte die Gewährung von Altersrente. Daraufhin teilte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Versorgungsträger nach § 8 Abs. 2 AAÜG die notwendigen Überführungsdaten mit und gab dem Kläger den Inhalt dieser Mitteilung mit (Entgeltüberführungs-)Bescheid vom 22. November 1993 bekannt. Als nachgewiesene Zeiten der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates wurde der Zeitraum vom 1. Januar 1950 bis 30. Juni 1990 festgestellt. Die Zeiten vom 1. Januar 1950 bis 28. Februar 1971 wurden gemäß § 5 Abs. 2 AAÜG als sogenannte Vorsystemzeiten einbezogen. Für den Zeitraum vom 1. Juni 1971 bis 31. Dezember 1974 wurde der berücksichtigungsfähige Verdienst auf Werte zwischen denen der Anlage 5 (Durchschnittsentgelt im Beitrittsgebiet) und der Anlage 4 (140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts) begrenzt, für die Zeit vom 1. Januar 1975 bis 31. Dezember 1977 auf die Werte der Anlage 5.
Die Begrenzung erfolgte, weil der Kläger dem Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 19 zu § 1 Abs. 2 AAÜG angehört hatte (vgl. § 6 Abs. 2 AAÜG). Wegen seiner Tätigkeit als Richter (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG) wurde der Verdienst für die Zeiträume vom 1. Januar bis 30. November 1978, vom 1. Januar 1986 bis 28. November 1987 und vom 1. Januar bis 30. Juni 1990 auf die Werte der Anlage 5 festgesetzt und für die übrigen Zeiträume auf Werte zwischen denen der Anlage 5 und der Anlage 4. Dem hiergegen eingelegten Widerspruch half die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mit Bescheid vom 28. Januar 1994 für den Zeitraum vom 18. März bis 30. Juni 1990 ab, indem sie den Verdienst des Klägers für diese Zeit nunmehr bis zu den Werten der Anlage 3 berücksichtigte. Im übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 1994 zurück.
Mit seiner dagegen erhobenen Klage will der Kläger erreichen, daß für den Zeitraum vom 1. Juni 1971 bis 17. März 1990 nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG als Verdienst das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze (Anlage 3) zugrunde gelegt wird. Seit dem Inkrafttreten des AAÜG-Änderungsgesetzes werden die tatsächlich erzielten Verdienste des Klägers für Rentenbezugszeiten ab 1. Januar 1997 bis zu dieser Grenze berücksichtigt.
c) Das Sozialgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt,
ob § 6 Abs. 2 und § 6 Abs. 3 Ziff. 7 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (AAÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S. 1606, 1677) in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung der Rentenüberleitung (Rü-ErgG) vom 24. Juni 1993 (BGBl I S. 1038) mit Art. 2 Abs. 1, 3, 20 Abs. 1 und 3, 28 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes insoweit vereinbar sind, als für Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG (Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates, eingeführt mit Wirkung vom 1. März 1971) sowie für Zeiten der Tätigkeit als Richter das für die Berechnung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung maßgebende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen in der Weise begrenzt wird, daß das bezogene Arbeitsentgelt/-einkommen, wenn es den Wert der Anlage 4 AAÜG (1,4-faches des Durchschnittsentgelts) überschritten hat, nur in Höhe des Werts der Anlage 4 zugrunde gelegt wird und von dem bezogenen Arbeitsentgelt/-einkommen, wenn es den Wert der Anlage 8 AAÜG (1,6-faches des Durchschnittsentgelts) überschritten hat, das Doppelte des den Betrag der Anlage 8 überschreitenden Arbeitsentgelts/-einkommens vom Wert der Anlage 4 (1,4-faches des Durchschnittsentgelts) bis zur Untergrenze der Anlage 5 (Durchschnittsentgelt) abgezogen wird.
Für die Entscheidung über das Klagebegehren komme es auf die Gültigkeit von § 6 Abs. 2 und 3 Nr. 7 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes an. Erwiesen sich die Vorschriften als verfassungsgemäß, so müsse die Klage abgewiesen werden. Der Kläger habe nicht zu dem in Anlage 7 zu § 6 Abs. 4 AAÜG genannten Personenkreis gehört. Im Falle der Ungültigkeit der Bestimmungen habe die Klage Erfolg, weil dann die Regelnorm des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG zur Anwendung gelange. Der Ausgang des Rechtsstreits hänge sowohl von der Gültigkeit des § 6 Abs. 2 AAÜG als auch von der Gültigkeit des § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG ab. Die Norm des § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG stelle eine selbständige Entgeltkürzungsvorschrift dar. Wäre § 6 Abs. 2 AAÜG verfassungswidrig, so griffe jedenfalls § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG ein. Im umgekehrten Fall – bei Ungültigkeit des § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG – gelange jedenfalls die Bestimmung des § 6 Abs. 2 AAÜG zur Anwendung. Wegen ihres eindeutigen Wortlauts und des klaren gesetzgeberischen Willens könnten die zur Prüfung gestellten Normen nicht verfassungskonform ausgelegt werden.
Nach Auffassung des Sozialgerichts verstoßen § 6 Abs. 2 und § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 und 3 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Personengruppe, zu der der Kläger gehöre, sei gegenüber Rentnern benachteiligt, die in der Deutschen Demokratischen Republik der Sozialpflichtversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung angehört hätten. Bei diesen würden der Rentenberechnung die vollen versicherten oder versicherbaren Verdienste bis zur Beitragsbemessungsgrenze zugrundegelegt. Bei Personen wie dem Kläger hingegen würden Verdienste, die 140 vom Hundert des Durchschnittsverdienstes überstiegen, auf 140 vom Hundert oder 100 vom Hundert des Durchschnittsverdienstes gekürzt.
Hinreichende Gründe für die unterschiedliche Behandlung seien nicht gegeben. Soweit im Hinblick auf die Vorgaben des Einigungsvertrages überhöhte Leistungen abgebaut werden sollten, sei die Begrenzung des Arbeitsentgelts durch dieses Ziel nicht gerechtfertigt. Das im Einigungsvertrag enthaltene Programm für die Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen sei zwar verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber habe sich aber nicht an dieses Überführungsprogramm gehalten, sondern auch Versorgungsleistungen abgebaut, die tatsächlich nicht zu hoch gewesen seien. Die Verdienste des Klägers als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bezirksgericht und als Richter seien zur Überzeugung des Gerichts nicht überhöht gewesen. Das Sozialgericht stützt sich insoweit auf ein Gutachten von Professor Dr. Kaufmann und Dr. Napierkowski. Danach ergäben sich für Fach- und Hochschulabsolventen im Staatsapparat hinsichtlich ihres Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens keine wesentlichen Unterschiede zum volkswirtschaftlichen Mittelwert. In anderen Bereichen wären die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten vergleichbar vergütet worden.
Die unterschiedliche Behandlung sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt notwendiger Typisierung zulässig. Die zur Prüfung gestellten Vorschriften gingen typisierend davon aus, daß bei einem Verdienst von über 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts dieser nicht vollständig durch Arbeit und Leistung gerechtfertigt, sondern zum Teil wegen regimenützlicher Tätigkeit erworben worden sei. Oberhalb von 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts liegende Einkommensanteile würden als politische Vergünstigung angesehen. Übersteige das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen 160 vom Hundert des Durchschnittsentgelts, so würden nicht einmal 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts als redlich verdient anerkannt. Die Typisierung führe im Einzelfall zu erheblichen Einbußen. Darüber hinaus sei die Zahl der von den Entgeltkürzungen betroffenen Personen nicht gerade klein. Die Typisierung sei ferner nicht deshalb zulässig, weil die hinter den Normen stehende gesetzliche Vermutung in einigen Fällen zutreffe. Hier liege ein Ausnahmefall vor, der nicht zum Leitbild für eine Typisierung gewählt werden dürfe. Jedenfalls fehle es an einer Härtefallregelung, die dem Betroffenen den Nachweis ermögliche, daß sein Einkommen weder unberechtigt erworben noch überhöht gewesen sei.
Die gesetzlichen Regelungen könnten weiterhin nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, die Betroffenen hätten mit ihrer Tätigkeit das politische System der Deutschen Demokratischen Republik gefördert. Ein solcher Regelungszweck verstoße gegen den Grundsatz der Wertneutralität des Rentenrechts. Soweit der “Abbau von Privilegien” nicht bloß zu einer Gleichstellung mit den “Unprivilegierten”, sondern zu einer Schlechterstellung führe, liege darin eine Bestrafung beziehungsweise Quasibestrafung und damit eine rechtsstaatswidrige Differenzierung. Als “unprivilegiert” gelte nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz derjenige, der – unabhängig ob “systemnah” oder auf bestimmten Funktionsebenen tätig – nicht mehr als 140 vom Hundert des Durchschnittsverdienstes erzielt habe. Knüpften Begrenzungen des bei der Rentenberechnung zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens lediglich an die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem und die Verdiensthöhe an, so verstoße das gegen den Schuldgrundsatz, die Unschuldsvermutung und das Verbot der Kollektivbestrafung.
Daß die Vorschriften des § 6 Abs. 2 und des § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG der Stabilisierung der Finanzentwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung dienen sollten, sei nicht ersichtlich. Diese Erwägung habe im Gesetzgebungsverfahren keine Rolle gespielt.
2. a) Der 1929 geborene Kläger des Ausgangsverfahrens des Normenkontrollverfahrens 1 BvL 34/95 ist seit dem 1. Februar 1990 Rentner. Er trat 1950 als Wachtmeister in die Deutsche Volkspolizei ein und war bis Dezember 1951 bei einem Volkspolizeikreisamt beschäftigt. Nach seiner Beförderung zum Offizier war er zunächst bei einer Bezirksintendantur und ab September 1952 bei einer Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei im Finanzwesen tätig. Von Juli 1982 bis November 1983 führte er dort die Dienstgeschäfte eines Parteisekretärs. Danach arbeitete er unter anderem als Leiter der Abteilung Finanzen, bis er wegen Invalidität im Range eines Oberstleutnants aus dem Dienstverhältnis ausschied.
Während seiner gesamten Berufstätigkeit gehörte der Kläger dem für die Deutsche Volkspolizei geschaffenen Sonderversorgungssystem an (vgl. Anlage 2 Nr. 2 zu § 1 Abs. 3 AAÜG). In den letzten zwölf Monaten vor Rentenbeginn (Februar 1989 bis Januar 1990) betrug seine Bruttobesoldung 29.160 Mark, seine durchschnittliche monatliche Bruttobesoldung also 2.430 Mark. Ab Februar 1990 bezog der Kläger vom Ministerium des Innern der Deutschen Demokratischen Republik (Abteilung Finanzen) eine Invalidenvollrente in Höhe von 1.823 Mark monatlich (75 vom Hundert der durchschnittlichen monatlichen Bruttobesoldung). Zum 1. Juli 1990 wurde die Rente mit diesem Zahlbetrag aufgrund des Staatsvertrages in Deutscher Mark gewährt. Zum 1. Januar 1992 wurde sie in die gesetzliche Rentenversicherung überführt und als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit geleistet sowie zum 1. Juli 1992 auf 1.947,69 DM angehoben, so daß dem Kläger nach Abzug des Beitragsanteils zur Krankenversicherung zu diesem Zeitpunkt etwas mehr als 1.823 DM auszuzahlen waren.
b) Das Land Brandenburg als Versorgungsträger teilte der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nach § 8 Abs. 2 AAÜG die Zeiten der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Deutschen Volkspolizei – unter Einbeziehung sogenannter Vorsystemzeiten nach § 5 Abs. 2 AAÜG –, die tatsächlich erzielten Verdienste sowie die nach § 6 Abs. 2 AAÜG berücksichtigungsfähigen Entgelte mit. Danach wurden die tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste teilweise auf die Werte der Anlage 5 (Durchschnittsentgelt im Beitrittsgebiet) und teilweise auf Werte zwischen denen der Anlage 5 und der Anlage 4 (140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts) begrenzt. Mit (Entgeltüberführungs-)Bescheid vom 5. November 1993, Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 1993 und weiterem (Entgeltüberführungs-)Bescheid vom 28. Juli 1994 gab das Land Brandenburg dem Kläger den Inhalt dieser Mitteilung bekannt. Gegen diese Bescheide richtet sich die Klage.
Mit dem Inkrafttreten des AAÜG-Änderungsgesetzes wurden die tatsächlich erzielten Verdienste des Klägers für Rentenbezugszeiten ab 1. Januar 1997 uneingeschränkt bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG in Verbindung mit Anlage 3) berücksichtigt.
c) Das mit der Klage verfolgte Begehren, der Rentenberechnung den tatsächlich erzielten Verdienst auch über die Beitragsbemessungsgrenze hinaus zugrunde zu legen, hatte keinen Erfolg. Auf die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 28. Juli 1994 entschied das Bundessozialgericht über einen Teil der Revision (Beschäftigungsjahr 1952) durch Teilurteil vom 14. Juni 1995. Im übrigen (Beschäftigungszeitraum von 1953 bis 1989) hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt,
ob § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫, verkündet als Art. 3 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. Juli 1991 ≪BGBl I S. 1606≫ , in Kraft getreten am 1. August 1991, geändert durch das Gesetz zur Änderung des RÜG vom 18. Dezember 1991 ≪BGBl I S. 2207≫ und durch das Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung vom 24. Juni 1993 ≪BGBl I S. 1038≫) in Verbindung mit den Anl 2 Nr. 2, 4, 5 und 8 zum AAÜG insoweit mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar ist, als die bei der Berechnung einer Rente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch zugrunde zu legenden Arbeitsentgelte aus einer Tätigkeit als Offizier der Deutschen Volkspolizei der ehemaligen DDR in jedem Fall zu kürzen sind, falls sie das 1,4-fache des Durchschnittsentgelts Ost (Werte der Anl 4 zum AAÜG) überschreiten.
aa) Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes sei für die zu treffende Entscheidung erheblich. Bei Gültigkeit der Vorschrift sei die Klage unbegründet und die Revision zurückzuweisen. § 6 Abs. 2 AAÜG komme im vorliegenden Fall zur Anwendung. Erweise sich die Bestimmung als verfassungswidrig, so könne zwar nicht über die Revision in der Sache entschieden werden; der Rechtsstreit sei aber bis zu einer Neuordnung der Rechtsmaterie durch den Gesetzgeber auszusetzen. Die Vorschrift entziehe sich einer verfassungskonformen Auslegung.
bb) Das Bundessozialgericht ist der Auffassung, die zur Prüfung gestellte Norm verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Art. 14 GG komme als Prüfungsmaßstab dagegen nicht in Betracht, weil § 6 Abs. 2 AAÜG Bestandteil einer Regelung sei, die im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erstmals den Inhalt des Eigentums bestimme.
(1) Personen wie der Kläger seien gegenüber den von § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG Betroffenen dadurch benachteiligt, daß bei ihnen Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen nicht bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt würden. Diese Ungleichbehandlung begegne grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Zwar sei es nicht offensichtlich, daß die von § 6 Abs. 2 AAÜG betroffenen Personen in jedem Fall “regimenäher” gewesen seien als andere Zusatzversorgungsberechtigte. Der Gesetzgeber habe insoweit nicht einmal ansatzweise geprüft, ob auch andere Personengruppen als die von § 6 Abs. 2 AAÜG erfaßten durch ihre berufliche Tätigkeit das Regime gestützt hätten. Auch rechtfertige die Ungleichbehandlung nicht, daß eine höhere Altersversorgung für Spitzenfunktionäre und Personen in der mittleren Führungsebene verhindert werden sollte. Der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AAÜG liege die Vorstellung zugrunde, daß Personen, die einen Beitrag zur Stärkung des Systems geleistet hätten, Rente höchstens nach einem Verdienst in Höhe von 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts erhalten dürften. Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen oberhalb von 140 vom Hundert lägen aber deutlich unter der Beitragsbemessungsgrenze und befänden sich damit noch im normalen Streubereich der Verdienste im Beitrittsgebiet.
Für die grundsätzliche Benachteiligung der von § 6 Abs. 2 AAÜG betroffenen Personen könne jedoch als ein hinreichender Grund angeführt werden, daß Privilegien in der Einkommenshöhe, die das alte System gewährt habe, nicht in die Rentenversicherung übernommen werden sollten. Zwar habe das grundsätzlich auch bei der Sozialpflichtversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beachtet werden müssen. Jedoch sei es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn der Gesetzgeber seine Bemühungen, in die SGB VI-Rente weder rentenbegründend noch rentensteigernd Elemente einfließen zu lassen, die auf politischer Begünstigung durch das DDR-Regime beruhen, auf die Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten konzentriert habe. Bei diesen seien die besondere Bedeutung der Tätigkeit für Wirtschaft und Gesellschaft und damit die Regimenützlichkeit der ausgeübten Beschäftigungen einerseits und die Höhe der Versorgungszusage andererseits ins Auge gesprungen. Letztere seien stets deutlich höher als die Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung gewesen, die der “Masse der Werktätigen” nur ein sehr bescheidenes Alterseinkommen gewährt hätten.
(2) Die weitere Ausgestaltung der Typisierung in § 6 Abs. 2 AAÜG sei jedoch mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
Der Gesetzgeber habe die Verdienste Versorgungsberechtigter für rentenrechtlich unbeachtlich erklärt, soweit sie 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts aller Arbeitnehmer im Beitrittsgebiet überschritten. Dieses Differenzierungskriterium entbehre der sachbezogenen Aussagekraft für den Privilegienabbau unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze. Zunächst sei zu berücksichtigen, daß ein Abbau politischer Vergünstigungen bei der Rentenberechnung schon über die Beschränkung der Berücksichtigung von Entgelten auf solche bis zur Beitragsbemessungsgrenze nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG erfolge. Bei Verdiensten unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze könnten politische Vergünstigungen und Privilegien wohl nur dann vorliegen, wenn bestimmte berufliche Tätigkeiten generell höher entlohnt worden seien als vergleichbare Tätigkeiten mit gleichwertigen Qualifikationsvoraussetzungen außerhalb des von Zusatz- und Sonderversorgungssystemen erfaßten Arbeitslebens, ferner bei auffällig erhöhten Entgelten sowie dann, wenn dem Betroffenen eine Position zugewiesen gewesen sei, für welche er die Zugangsvoraussetzungen nicht erfüllt habe. Eine solche individuelle Privilegierung könne auch darin liegen, daß er ohne Unterschiedlichkeit der Aufgaben höher entlohnt worden sei als gleichwertig Beschäftigte mit gleichwertiger Qualifikation.
Soweit der Gesetzgeber bei einem Verdienst über 160 vom Hundert des Durchschnittsentgelts angeordnet habe, daß nur ein Betrag unter 140 vom Hundert bis zum Einfachen des Durchschnittsentgelts zu berücksichtigen sei, überzeuge diese Regelung nicht. Die insoweit maßgebliche Anlage 8 zu § 6 Abs. 2 AAÜG enthalte teilweise Werte, die oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze lägen und schon gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG rentenversicherungsrechtlich unbeachtlich seien. Vor allem aber könne aus dem Umstand, daß ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen in der Nähe oder oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liege, nicht geschlossen werden, daß ein Verdienst bis zur Beitragsbemessungsgrenze nicht durch Arbeit und Leistung gerechtfertigt sei. Ferner sei aus dem Zweck des Privilegienabbaus nicht erklärbar, welche ungerechtfertigten Vorteile dadurch beseitigt würden, daß Arbeitsentgelte unterhalb von 140 vom Hundert bis hinab zum Durchschnittsentgelt nicht als Verdienst anerkannt werden. Der Abstufungsmechanismus habe erkennbar nichts mit Privilegienabbau im Rentenversicherungsrecht zu tun.
III.
Zu den Vorlagen haben das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung namens der Bundesregierung, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die Verwaltung für Gesundheit und Soziales namens des Senats von Berlin, der Bund der Ruhestandsbeamten, Rentner und Hinterbliebenen im Deutschen Beamtenbund, die Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V. (GBM) und die Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger der bewaffneten Organe und der Zollverwaltung der DDR – ISOR e.V. Stellung genommen.
1. Das Bundesministerium hält die zur Prüfung gestellten Normen für verfassungsgemäß. Den vorlegenden Gerichten sei insoweit zuzustimmen, als sie Art. 3 Abs. 1 GG für den alleinigen Prüfungsmaßstab hielten. Der allgemeine Gleichheitssatz sei jedoch nicht verletzt.
a) Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Fortdauer aufgrund politischer Begünstigung während des Berufslebens erhaltener Vorteile im Bereich der Altersversorgung auszuschließen. Deshalb habe der Gesetzgeber die in der Rentenversicherung (Sozialpflichtversicherung und Freiwillige Zusatzrentenversicherung) Versicherten und die Angehörigen der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme einander gegenübergestellt. Bei letzteren sei er zutreffend davon ausgegangen, daß an diese allgemein aus politischen Gründen überhöhte Arbeitsentgelte gezahlt wurden. Die von den vorlegenden Gerichten geforderte Härteklausel sei mit der Konzeption des Gesetzgebers nicht vereinbar. Dieser habe typisieren wollen und dabei durch die Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem die Einschätzung der Wertigkeit einer Tätigkeit aus der Sicht der Deutschen Demokratischen Republik zugrunde gelegt. Eine Härtefallregelung führe ihrerseits zu Ungleichbehandlungen und zu erheblichen Verfahrensverzögerungen, weil praktisch jeder Betroffene versuchen würde, den “Entlastungsbeweis” zu führen.
b) Wegen der historisch einmaligen Situation der Wiedervereinigung zweier wirtschafts- und sozialpolitisch völlig unterschiedlicher Staaten sei eine typisierende Regelung in der Deutschen Demokratischen Republik erworbener Rentenansprüche und -anwartschaften notwendig und gerechtfertigt gewesen. Eine andere als die gefundene Lösung und damit ein milderes, aber dennoch praktikables Mittel, um das gesetzgeberische Ziel gleich wirksam zu erreichen, sei nicht erkennbar. Mit dem Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz habe der Gesetzgeber außerdem neuere Erkenntnisse hinsichtlich “regimenaher” Tätigkeiten in seine Konzeption einfließen lassen.
In der gesetzlichen Typisierung könne auch kein Eingriff in das Äquivalenzgefüge der gesetzlichen Rentenversicherung gesehen werden. Da Vorleistungen des Einzelnen im Wege der Beitragszahlung an die gesetzliche Rentenversicherung nicht vorhanden seien, fehle der Maßstab für die Begründung des Grundsatzes einer Äquivalenz von Beitrag und Leistung.
Nicht nachvollziehbar sei schließlich die Feststellung des Bundessozialgerichts, ein Abbau politischer Vergünstigungen für die Berechnung der SGB VI-Renten sei im wesentlichen durch die Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Verdienste auf Beträge bis zur Beitragsbemessungsgrenze erfolgt. Es werde verkannt, daß sich bereits die Zuweisung bestimmter Stellen in der Staats- und Parteihierarchie der Deutschen Demokratischen Republik mit ihren Rückwirkungen auf alle Bereiche auf die Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen positiv ausgewirkt habe.
2. Auch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hält § 6 Abs. 2 und 3 Nr. 7 AAÜG für verfassungsgemäß; sie verstießen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie hat sich vor allem zu den praktischen Auswirkungen einer Härteklausel geäußert und auf die zu erwartenden Verfahrensverzögerungen und die Zahl der möglichen Überprüfungsfälle hingewiesen.
3. Die Verwaltung für Gesundheit und Soziales des Senats von Berlin sieht die Regelungen über die Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens als verfassungsrechtlich bedenklich an. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Beurteilung stützt sie sich im wesentlichen auf das von Professor Dr. Rürup und Dr. Simon im Auftrag der fünf neuen Bundesländer und des Landes Berlin zu diesen Fragen erstellte Rechtsgutachten. Im übrigen verweist sie auf den Berliner Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ersten und Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes und der Rentenüberleitung vom 29. September 1995 (BRDrucks 616/95), der nicht in den Bundestag eingebracht worden sei, weil er im Plenum des Bundesrats nicht die erforderliche Mehrheit gefunden habe.
4. Der Bund der Ruhestandsbeamten, Rentner und Hinterbliebenen im Deutschen Beamtenbund ist der Auffassung, daß die zur Prüfung gestellten Vorschriften verfassungswidrig seien.
Die Begrenzungen des für die Berechnung der Rente maßgebenden Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens und die daraus resultierenden Rentenkürzungen verstießen gegen das Willkürverbot und seien trotz des weiten Ermessensspielraums des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt. So seien nur bestimmte, keineswegs alle Zusatz- und Sonderversorgungssysteme “auf den Index” gesetzt worden. Das Rentenrecht habe wertneutral zu sein und dürfe nicht bestrafen. Es sei unmöglich herauszufinden, wer durch seine Tätigkeit “einen besonderen Beitrag” zur Stärkung des Regimes der Deutschen Demokratischen Republik geleistet habe. Jedenfalls könne diese Regimenützlichkeit nicht aus solchen Tätigkeiten hergeleitet werden, die die inneren staatlichen Abläufe sicherstellten, weil der öffentliche Dienst per se “staatsnah” sei. Auch fehlten rechtstatsächliche Erhebungen, die überhöhte Einkommen belegten. Könnten aber solche offenkundigen Privilegien nicht nachgewiesen werden, so sei eine Beschränkung von Rentenansprüchen und -anwartschaften nicht gerechtfertigt.
Von den Begrenzungsregelungen Betroffene würden gegenüber vielen Personengruppen benachteiligt, so gegenüber Angehörigen von Versorgungssystemen, die vor dem 19. Mai 1990 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt, und gegenüber Erwerbstätigen, die vor dem Zeitpunkt der Einführung der Versorgungssysteme aus ihrer maßgeblichen Position in der Deutschen Demokratischen Republik ausgeschieden seien. Ferner würden Personen, deren Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen nach § 6 Abs. 2 AAÜG begrenzt werden, mit Rentnern ungleichbehandelt, die lediglich Ansprüche aus der Sozialpflichtversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung hätten oder nach § 6 Abs. 4 AAÜG aus dem Anwendungsbereich der Begrenzungsregelung herausfielen. Andererseits erfasse die Kürzungsvorschrift auch Renten solcher Personen, die einem Versorgungssystem angehört hätten, jedoch später in Ungnade gefallen und aus dem System ausgeschieden seien. Für die festgestellten Fälle der Ungleichbehandlung bestehe kein hinreichender Grund.
5. Die GBM und die ISOR halten die Begrenzungsregelungen ebenfalls für verfassungswidrig. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Beurteilung stützt sich die GBM weitgehend auf die Gutachten und Stellungnahmen der Professoren Dr. Azzola und Dr. Dr. Merten sowie das Gutachten von Professor Dr. Rürup und Dr. Simon. In allen Äußerungen seien § 6 Abs. 2 und § 6 Abs. 3 AAÜG als grundgesetzwidrig, jedenfalls als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen worden. Die ISOR schließt sich zur Begründung ihrer Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Normen im wesentlichen den Ausführungen der vorlegenden Gerichte an.
IV.
In der mündlichen Verhandlung haben sich geäußert: der Kläger in dem Ausgangsverfahren des Vorlageverfahrens 1 BvL 34/95, die Bundesregierung, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, die Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V. (GBM) sowie die Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger der bewaffneten Organe und der Zollverwaltung der DDR – ISOR e.V. Als Sachverständige hat der Senat den Direktor bei der Deutschen Bundesbank Dr. König, Frankfurt am Main, und Professor Dr. Kaufmann, Jena, gehört.
Entscheidungsgründe
B.
Die Vorlagen sind zulässig. Das Sozialgericht hat sich insbesondere hinreichend mit der Entscheidungserheblichkeit des § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG auseinandergesetzt und zumindest vertretbar begründet, daß es diese Vorschrift für einen selbständigen Begrenzungstatbestand halte. Diese Beurteilung ist vom Bundesverfassungsgericht hinzunehmen (vgl. BVerfGE 7, 171 ≪175≫; stRspr). Der Ausgang der sozialgerichtlichen Verfahren hängt auch nach dem Inkrafttreten des AAÜG-Änderungsgesetzes mit Wirkung zum 1. Januar 1997 von den zur Prüfung gestellten Normen ab. Für die Entscheidung der Ausgangsverfahren im Hinblick auf Rentenbezugszeiten bis zum 31. Dezember 1996 sind nach wie vor ausschließlich § 6 Abs. 2 und § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes maßgeblich.
C.
§ 6 Abs. 2 (in Verbindung mit den Anlagen 4, 5 und 8) und § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes waren bis zum 30. Juni 1993 verfassungsmäßig. Danach verstießen sie gegen das Grundgesetz.
I.
§ 6 Abs. 2 AAÜG (in Verbindung mit den Anlagen 4, 5 und 8) verletzte Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG.
1. a) Art. 3 Abs. 1 GG, der hier vor allem als Prüfungsmaßstab heranzuziehen ist, gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 87, 1 ≪36≫; 92, 53 ≪68 f.≫; 95, 143 ≪153 f.≫; 96, 315 ≪325≫; stRspr).
Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie im vorliegenden Fall ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Allerdings setzt eine zulässige Typisierung voraus, daß diese Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. BVerfGE 84, 348 ≪360≫; 87, 234 ≪255 f.≫; stRspr), lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 63, 119 ≪128≫; 84, 348 ≪360≫).
b) Die zur Prüfung gestellte Vorschrift des § 6 Abs. 2 AAÜG führt zu einer Benachteiligung von Personengruppen, zu denen die Kläger der Ausgangsverfahren gehören, gegenüber Rentnern aus dem Beitrittsgebiet, deren tatsächlich erzielte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen bei der Rentenberechnung nur durch die Beitragsbemessungsgrenze gekappt werden.
Dazu rechnen vor allem Angehörige von Zusatzversorgungssystemen, die der Gesetzgeber von der “bereichsspezifischen” Sonderregelung des § 6 Abs. 2 AAÜG ausgenommen hat (Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 und 4 bis 18 zu § 1 Abs. 2 AAÜG) und die deshalb lediglich von § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG (in Verbindung mit Anlage 3) erfaßt werden. Von der Benachteiligung ausgenommen werden ferner Personen, die zwar einem der in § 6 Abs. 2 AAÜG genannten Zusatz- oder Sonderversorgungssysteme angehörten, jedoch der Ausnahme-Regelung des § 6 Abs. 4 AAÜG (in Verbindung mit Anlage 7) unterfallen, weil der Gesetzgeber ihre Funktionen als weniger “staats- und systemnah” angesehen hat. Bessergestellt sind auch alle Rentner, die nur in der Sozialpflichtversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung versichert waren. Nach § 307a SGB VI (Bestandsrentner) und §§ 256a, 159 SGB VI (Zugangsrentner) sind bei ihnen ebenfalls die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähig, mag sich auch diese rentenrechtliche Behandlung für sie wegen der niedrigeren Löhne und Gehälter regelmäßig nicht auswirken.
Innerhalb des Anwendungsbereichs von § 6 Abs. 2 AAÜG wird der betroffene Personenkreis darüber hinaus mit solchen Berechtigten aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen ungleichbehandelt, deren Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen in tatsächlicher Höhe und damit ungekürzt anerkannt werden, weil sie als Zusatz- oder Sonderversorgte oder als Funktionsträger nur einen Verdienst bis zu 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts erzielt haben. Soweit bei Personen – wie in den vorliegenden Verfahren – wegen eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens in Höhe von 180 vom Hundert des Durchschnittsentgelts im Beitrittsgebiet oder mehr dieser Verdienst sogar nur bis zum Durchschnittsentgelt angerechnet wird, werden sie außerdem gegenüber solchen Versicherten benachteiligt, deren Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zwischen 140 und 160 vom Hundert des Durchschnittsentgelts lag. Zwar findet auch bei diesen Personen eine Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Verdienste statt; mit der Kürzung auf 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts fällt sie jedoch weniger einschneidend aus.
c) Für die Ungleichbehandlung fehlt es an einem rechtfertigenden Grund. Das vom Gesetzgeber mit der Begrenzungsregelung verfolgte Ziel (aa) ist einsichtig und legitim (bb). Die angegriffene Regelung verfehlt jedoch das angestrebte Ziel, indem sie unzulässig typisiert (cc).
aa) Die Begrenzungsregelung des § 6 Abs. 2 AAÜG hat das Ziel, überhöhte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen bestimmter Personengruppen aus Tätigkeiten, in denen diese im Vergleich mit anderen Personengruppen bei typisierender Betrachtung einen erheblichen Beitrag zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des politischen Systems der Deutschen Demokratischen Republik geleistet haben, nicht in vollem Umfang in die Rentenversicherung zu übernehmen und bei der künftigen sozialen Sicherung fortwirken zu lassen (vgl. BTDrucks 12/4810, S. 20 f.). Die Vorschrift dient der Umsetzung der in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. b Satz 3 EV für den Gesetzgeber enthaltenen Vorgabe, im Zusammenhang mit der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Versorgungssystemen der Deutschen Demokratischen Republik zu überprüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dort erzielte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen die Gewährung einer Rente nach den Vorschriften des SGB VI rechtfertigen (vgl. BRDrucks 197/91, S. 113; BTDrucks 12/405, S. 113). Insoweit hat der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 6 Abs. 2 AAÜG an die Maßgaberegelung der Nr. 1 des Einigungsvertrages (“Abbau überhöhter Leistungen”) angeknüpft (so auch das einschlägige Schrifttum; vgl. etwa Papier, Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes ≪AAÜG≫, Rechtsgutachten, 1994, S. 49 f., 95 f.; Heintzen, VSSR 1995, S. 1 ≪11≫). Dagegen war es nicht Ziel des Gesetzgebers, die besondere “Staats- und Systemnähe” bestimmter Personengruppen durch Kürzung ihrer Renten und Anwartschaften zu ahnden.
bb) Der Abbau überhöhter Leistungen zum Zweck der Angleichung des Niveaus gleichartiger Sozialleistungen ist als legitimes gesetzgeberisches Anliegen schon vor der Herstellung der deutschen Einheit anerkannt gewesen (vgl. zur Abschmelzung des Knappschaftsruhegeldes: BVerfGE 36, 73 ≪79 ff.≫; zur steuerlichen Privilegierung von Renten: BVerfGE 54, 11 ≪33 ff.≫; zur Beseitigung von Überversorgungen: BVerfGE 58, 81 ≪117≫; 64, 87 ≪93, 103 ff.≫). In der Alterssicherung der Deutschen Demokratischen Republik wirkten ungerechtfertigte Privilegien fort. Die Ansprüche und Anwartschaften beruhten in vielen Fällen nicht allein auf Arbeit und Leistung, sondern waren auch Prämien für Systemtreue. Insofern konnte der Gesetzgeber sie als “überhöht” ansehen und auf das durch Arbeit und Leistung gerechtfertigte Maß begrenzen. Das gilt um so mehr, als eine Überprüfung von Ansprüchen und Anwartschaften mit dem Ziel des Abbaus überhöhter Leistungen schon im Staatsvertrag vereinbart worden war (vgl. Art. 20 Abs. 2 Satz 3) und der Gesetzgeber hieran mit den Vorschriften im Einigungsvertrag und im Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz angeknüpft hat. Eine uneingeschränkte und bedingungslose Berücksichtigung der tatsächlichen Arbeitsverdienste bei der Versorgungsüberleitung war bereits von der Deutschen Demokratischen Republik nicht gewollt.
cc) Die angegriffene Regelung verfehlt jedoch das angestrebte Ziel. Der Gesetzgeber hat in einer unzulässig typisierenden Weise unterstellt, daß die Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen der von der Regelung erfaßten Personen durchweg überhöht waren.
Bereits mit der Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme in die gesetzliche Rentenversicherung sind neben hohen auch überhöhte Rentenansprüche auf das durch die Beitragsbemessungsgrenze vorgegebene Maß vermindert worden. Mit § 6 Abs. 2 AAÜG ist der Gesetzgeber noch einen Schritt weitergegangen. Für bestimmte Gruppen von Personen läßt er Arbeitsverdienste auch unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenberechnung unberücksichtigt. Diese Gruppen werden durch die Zugehörigkeit zu bestimmten Versorgungssystemen und – zusätzlich – pauschal durch die Höhe der Arbeitsentgelte bestimmt. Beide Kriterien sind zwar nicht von vornherein ungeeignet, den Tatbestand eines überhöhten Entgelts zu erfassen. Es ist aber nichts dafür ersichtlich, daß ihre Umsetzung durch § 6 Abs. 2 AAÜG auf Tatsachen beruht, die die Annahme rechtfertigen, daß überhöhte Arbeitsentgelte gerade an die vom Gesetz erfaßten Gruppen gezahlt worden sind oder daß Entgelte ab den vom Gesetz festgelegten Grenzen als überhöht angesehen werden müssen.
(1) § 6 Abs. 2 AAÜG knüpft, wie im einzelnen bereits dargelegt wurde, zunächst an die Zugehörigkeit zu bestimmten Versorgungssystemen (Anlage 1 Nr. 2, 3 und 19 bis 27 und Anlage 2 Nr. 1 bis 3) an. Für die so bestimmten Personengruppen vermindert das Gesetz die berücksichtigungsfähigen Entgelte. Bis zu einer Einkommenshöhe von 140 vom Hundert des Durchschnittseinkommens im Beitrittsgebiet treten keine Verminderungen ein. Darüberliegende Entgelte bis zu 160 vom Hundert werden auf 140 vom Hundert zurückgeführt. Entgelte über 160 vom Hundert führen zu einer weiteren – progressiv wirkenden – Verminderung: Je höher das diese Grenze übersteigende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen war, desto tiefer sinkt der berücksichtigungsfähige Anteil unter die 140-vom-Hundert-Marke, jedoch nicht unter 100 vom Hundert des Durchschnittseinkommens im Beitrittsgebiet. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt bei 180 vom Hundert.
(2) Die Regelung ist nicht schon deswegen mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, weil sie Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenberechnung unberücksichtigt läßt. Auch im normalen Streubereich der Verdienste unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze konnte es in der Deutschen Demokratischen Republik strukturelle oder individuelle Privilegierungen geben. Darauf weist das Bundessozialgericht im Vorlagebeschluß zutreffend hin. Der Gesetzgeber brauchte daher bei seiner Absicht, überhöhte Leistungen abzubauen, an der Beitragsbemessungsgrenze nicht von vornherein haltzumachen. Der Bestimmung von Überhöhungstatbeständen innerhalb dieses Normalbereichs der Arbeitnehmereinkommen mußten aber Kriterien zugrundegelegt werden, die in den tatsächlichen Verhältnissen eine Entsprechung finden.
(3) Für die Angehörigen der in § 6 Abs. 2 AAÜG genannten Versorgungssysteme konnte der Gesetzgeber nicht generell annehmen, daß sie in der Deutschen Demokratischen Republik ab einer bestimmten Schwelle überhöhte Arbeitsentgelte bezogen haben.
Zwar ist dem Gesetzgeber bei der Neuordnung sozialrechtlicher Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung ein besonders großer Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der weitgehende Typisierungen bei rentenrechtlichen Tatbeständen gestattet. So war es ihm nicht von vornherein verwehrt, den Kreis der von der Begrenzungsregelung betroffenen Personen durch Anknüpfung an bestimmte Versorgungssysteme festzulegen; denn diese Systeme können Anhaltspunkte für ein nicht durch Arbeit und Leistung gerechtfertigtes überhöhtes Arbeitsentgelt sein. Der Gesetzgeber hat insoweit an Typisierungen angeknüpft, die bereits in der Deutschen Demokratischen Republik vorgenommen wurden (vgl. §§ 23 ff. RAnglG).
Indes gibt es keine hinreichenden Erkenntnisse dafür, daß diese Personengruppen insgesamt oder auch nur überwiegend Entgelte erhalten haben, die selbst unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze noch als überhöht angesehen werden können. Zahlen über Lohn- und Gehaltsstrukturen in der Deutschen Demokratischen Republik, über das Einkommensgefüge in den hier einschlägigen Beschäftigungsbereichen und über das Verhältnis der dort erzielten Verdienste zum volkswirtschaftlichen Mittelwert liegen nicht vor. Ob es in dieser Allgemeinheit zutrifft, daß sich bei den von § 6 Abs. 2 AAÜG erfaßten Personengruppen die “Grenzen zwischen Partei, Staat und gesellschaftlichen Organisationen verflüchtigten” (vgl. Papier, a.a.O., S. 52, 96 f.) und deshalb die spezifische “Staats- und Systemnähe” besonders evident war (vgl. Rürup/Simon, Gutachten zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus den Zusatzversorgungssystemen der Anlage 1 Nr. 1 bis 22 des AAÜG in die gesetzliche Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland, 1993, S. 139; Papier, a.a.O., S. 51, 96 f.), kann offen bleiben. Denn der Gesetzgeber wollte nicht für Arbeitsleistungen, die der Deutschen Demokratischen Republik politisch nützten, den Rentenbezug ausschließen, sondern Versorgungszusagen, denen keine Arbeitsleistung entsprach, als allein politisch motivierten die rentenrechtliche Anerkennung versagen.
Keinesfalls folgt aus der “Staats- und Systemnähe” der Berufstätigkeit allein, daß diesen Personengruppen durchgängig Entgelte gezahlt worden sind, die nicht durch Arbeit und Leistung gerechtfertigt und insoweit “überhöht” waren. Nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Professor Dr. Kaufmann können Einkommensvorteile der Angehörigen des Staatsapparates gegenüber dem produzierenden Bereich anhand einer Arbeitsbewertung nicht festgestellt werden; die Einkommen von Mitarbeitern des Staatsapparates (Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 19 zu § 1 Abs. 2 AAÜG) wichen nicht signifikant vom volkswirtschaftlichen Durchschnitt ab.
Der Gesetzgeber stützt die von ihm vorgenommene Gruppenbildung auch nicht auf einschlägige Tatsachen. Jedenfalls ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen, in welchen Zusatz- und Sonderversorgungssystemen strukturell überhöhte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen bezogen wurden. Zwar wird im Entwurf zum Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz zur Begründung der Begrenzungsregelung des § 6 Abs. 2 AAÜG ausgeführt, es handele sich bei der Zielgruppe um Personen, die bei typisierender Betrachtungsweise einen erheblichen Beitrag zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des politischen Systems der Deutschen Demokratischen Republik geleistet hätten (BTDrucks 12/4810, S. 20 f.). Der für die Rechtfertigung der Typisierung entscheidende Schluß, daß diese Personengruppen bei generalisierender Betrachtungsweise leistungsfremde, politisch begründete und damit überhöhte Arbeitsverdienste bezogen haben, folgt daraus aber nicht.
(4) Im Hinblick auf das verfolgte Ziel erfaßt das Gesetz die von der Herabsetzung des berücksichtigungsfähigen Entgelts betroffenen Personengruppen auch insoweit nicht hinreichend genau, als es pauschal auf die Höhe des in der Deutschen Demokratischen Republik gezahlten Arbeitsentgelts abstellt.
Zwar war der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht daran gehindert, bei der Festlegung eines Überhöhungstatbestandes an eine bestimmte Entgelthöhe anzuknüpfen. Derartige Vereinfachungen sind gerade im Rentenrecht unvermeidlich und ebenso wie Stichtagsregelungen ungeachtet von Härtefällen grundsätzlich hinzunehmen. Sie müssen aber am vorgegebenen Sachverhalt orientiert und sachlich vertretbar sein (vgl. BVerfGE 3, 58 ≪148≫; 58, 81 ≪126≫; 80, 297 ≪311≫; ferner BVerfGE 87, 1 ≪43 ff.≫).
Das ist hier nicht der Fall. Weder die Festlegung des Grenzwertes auf 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts noch der Abstufungsmechanismus bei Verdiensten über 140 vom Hundert ist sachgerecht. Mit seiner Grenzziehung bei 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts hat der Gesetzgeber zwar anerkannt, daß eine überdurchschnittliche Entlohnung nicht in jedem Falle als überhöht anzusehen ist. Er hat sich dabei auch nicht auf einen beliebigen Grenzwert, sondern auf einen Mittelwert zwischen der Beitragsbemessungsgrenze (180 vom Hundert) und dem Durchschnittsentgelt (100 vom Hundert) festgelegt. Das macht die Bestimmung dieses Grenzwertes aber nicht wirklichkeitsnäher, weil sie nicht durch Erkenntnisse zur wirklichen Verteilung überhöhter Arbeitsverdienste im Bereich zwischen dem Durchschnittsentgelt und Entgelten an der Beitragsbemessungsgrenze getragen wird.
Nicht hinreichend am Ziel des Gesetzes orientiert ist auch der Abstufungsmechanismus des § 6 Abs. 2 AAÜG, soweit das Arbeitsentgelt über 160 vom Hundert des Durchschnittsentgelts progressiv auf Werte zwischen dem Durchschnittsentgelt und 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts zurückgeführt wird. Auch für diese Regelung fehlt es an dem erforderlichen tatsächlichen Anhalt für eine progressiv ansteigende Verteilung politisch motivierter überhöhter Entgelte. Ebensowenig ist es überzeugend, daß bei Versicherten mit Verdiensten in der Nähe oder oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze das gesamte oder nahezu das gesamte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oberhalb des Durchschnittsentgelts nicht mehr durch Arbeit und Leistung gerechtfertigt sein soll und deshalb das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen auch insoweit bei der Rentenberechnung unberücksichtigt bleibt, als es unterhalb von 140 vom Hundert bis zum Durchschnittsentgelt liegt. Hohe in der Deutschen Demokratischen Republik erzielte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen sind nicht notwendig auch “überhöhte” Entgelte, deren rentenrechtliche Anerkennung der Gesetzgeber ohne weitere Nachprüfung versagen durfte.
2. § 6 Abs. 2 AAÜG verletzte auch das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) der von dieser Regelung Betroffenen.
a) Die in der Deutschen Demokratischen Republik erworbenen und im Einigungsvertrag nach dessen Maßgaben als Rechtspositionen der gesamtdeutschen Rechtsordnung anerkannten Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen genießen den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 28. April 1999, – 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95 –, Umdruck S. 43 ff.). In dieses Grundrecht griff die Regelung dadurch ein, daß sie bei der Bemessung der Rente nach dem SGB VI Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen zwischen dem Durchschnittsentgelt und der Beitragsbemessungsgrenze ganz oder teilweise unberücksichtigt ließ, sofern die Arbeitsverdienste 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts überstiegen (vgl. oben unter A I 5 b).
b) § 6 Abs. 2 AAÜG bewegte sich nicht im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Vorschrift diente zwar einem Zweck des Gemeinwohls (vgl. BVerfGE 53, 257 ≪292 f.≫). Der Gesetzgeber darf – wie bereits ausgeführt (vgl. oben unter C I 1c bb) – Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen von Angehörigen bestimmter Versorgungssysteme bei der Berechnung der Rente unberücksichtigt lassen, wenn sie nicht auf Arbeit und Leistung beruhten und deshalb überhöht waren. Die Regelung verstieß aber gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil sie nicht geeignet war, diesen Gemeinwohlzweck zu verwirklichen. Bei der näheren Ausgestaltung der Überhöhungstatbestände in § 6 Abs. 2 AAÜG hat der Gesetzgeber an Merkmale angeknüpft, die allein nicht als Indikatoren für ein überhöhtes Entgelt ausreichen. Insofern ist nicht hinreichend sichergestellt, daß die Kürzung nur solche Personen betraf, denen tatsächlich überhöhte Entgelte bezahlt worden waren.
II.
Die zur Prüfung gestellte Norm des § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes war ebenfalls verfassungswidrig.
1. Die Bestimmung verletzte das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Durch die zur Prüfung gestellte Vorschrift werden Personen wie der Kläger in dem Ausgangsverfahren des Normenkontrollverfahrens 1 BvL 22/95 gegenüber anderen Versichertengruppen im Beitrittsgebiet schlechterbehandelt. So wird der Kläger gegenüber Personen benachteiligt, die in der Deutschen Demokratischen Republik ebenfalls eine herausgehobene Funktion innegehabt haben, eine Begrenzung ihrer Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen aber nicht hinnehmen müssen, weil deren Funktion in § 6 Abs. 3 AAÜG nicht genannt und daher von dieser Vorschrift auch nicht erfaßt wird. Die Personengruppe, zu der der Kläger des Ausgangsverfahrens gehört, wird auch mit Rentnern ungleichbehandelt, die in der Sozialpflichtversicherung und in der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung versichert waren. Schlechtergestellt ist der Kläger ferner gegenüber Funktionsinhabern im Sinne des § 6 Abs. 3 AAÜG, die einen Verdienst bis zu 140 vom Hundert des Durchschnittsentgelts erzielt haben, außerdem gegenüber solchen im Verdienstbereich über 140 vom Hundert bis 160 vom Hundert des Durchschnittsentgelts. Diesen Gruppen ist gemeinsam, daß ihrer Rentenberechnung nach den Vorschriften des SGB VI das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG in Verbindung mit Anlage 3) oder jedenfalls ein weniger stark begrenzter Verdienst zugrundegelegt wird (vgl. C I 1 b).
b) Für diese Benachteiligung bestand kein hinreichender sachlicher Grund.
aa) Ebenso wie die “bereichsspezifische” Sonderregelung des § 6 Abs. 2 AAÜG (vgl. C I 1c aa) verfolgt auch die “funktionsspezifische” Sonderregelung des § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG das Ziel, in der Deutschen Demokratischen Republik erzielte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen für die Rentenberechnung nach dem SGB VI solcher Anteile zu entkleiden, die sich im Sinne der Vorgabe des Einigungsvertrages nach Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. b Satz 3 Nr. 1 als “überhöht” darstellen. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift und ihrer Stellung im Gesetzeszusammenhang ergibt sich, daß § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG keinem anderen Zweck dienen soll als § 6 Abs. 2 AAÜG. Er ist einsichtig und legitim.
bb) Der – typisierenden – Bestimmung des von § 6 Abs. 3 AAÜG erfaßten Personenkreises anhand des Kriteriums der Zugehörigkeit zu bestimmten Funktionsebenen haftet jedoch der gleiche verfassungsrechtliche Mangel an wie derjenigen des § 6 Abs. 2 AAÜG (vgl. oben unter C I 1c cc). Die Begrenzungsregelung des § 6 Abs. 3 AAÜG soll Personen treffen, die “leitende Funktionen” im Staatsapparat, in den Parteien und in der Wirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik ausgeübt haben (vgl. die Begründung des Entwurfs zum Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz, BTDrucks 12/4810, S. 20). In diesen Funktionen erzielte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen werden nur eingeschränkt berücksichtigt, weil der Gesetzgeber hinter den Inhabern dieser Funktionen Personen vermutet, die insofern “Förderer” des Systems waren, als sie durch ihre besondere Stellung in der Deutschen Demokratischen Republik zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des Staats- oder Gesellschaftssystems beitrugen (BTDrucks 12/4810, S. 20).
Es ist hier nicht zu entscheiden, ob der Rentengesetzgeber bei der Regelung des § 6 Abs. 3 AAÜG an diesen Gesichtspunkt anknüpfen durfte, ohne das Grundgesetz zu verletzen. Jedenfalls war er durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht gehindert, Leitungsfunktionen in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen, im Staatsapparat (Nr. 7 und 8) und in den Parteien (Nr. 5 und 8), in der Wirtschaft (Nr. 1 bis 4) und in den übrigen gesellschaftlichen Organisationen (Nr. 6), daraufhin zu überprüfen, ob deren Inhaber “überhöhte” Arbeitsverdienste erhalten hatten. Verfassungsrechtlich verwehrt war es ihm allerdings, dies generell für die in § 6 Abs. 3 AAÜG erfaßten Funktionsebenen anzunehmen, wenn es dafür keine tatsächlichen Anhaltspunkte gab.
Weder aus den Gesetzesmaterialien zum Renten-Überleitungsgesetz (vgl. den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P., BTDrucks 12/829) noch aus der Begründung des Entwurfs zum Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz (BTDrucks 12/4810, S. 20) wird deutlich, warum für die in § 6 Abs. 3 AAÜG aufgezählten Leitungsfunktionen im Vergleich zu anderen ebenfalls leitenden Positionen in der Deutschen Demokratischen Republik “überhöhte” Entgelte gezahlt worden sein sollen. Die den Begrenzungsregelungen zugrundeliegenden Annahmen wurden im übrigen schon im Gesetzgebungsverfahren für zweifelhaft gehalten. Das ist in den Beratungen des Deutschen Bundestages mehrfach zum Ausdruck gekommen (vgl. die Stellungnahmen der Abgeordneten Dr. Babel, BT, 12. Wp., Sitzung vom 21. Juni 1991, Sten.Ber., S. 2939; der Abgeordneten Mascher, BT, 12. Wp., Sitzung vom 30. April 1993, Sten.Ber., S. 13322; des Abgeordneten Kauder, BT, 12. Wp., Sitzung vom 27. Mai 1993, Sten.Ber., S. 13822).
cc) Soweit es um die Ausgestaltung des Begrenzungsmodus bei der Anrechnung des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens von Personen geht, die der Regelung des § 6 Abs. 3 AAÜG unterliegen, gelten die zu § 6 Abs. 2 AAÜG angestellten Erwägungen entsprechend (vgl. oben unter C I 1c cc ≪4≫).
2. Die zur Prüfung gestellte Norm des § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG verletzte auch das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG. Mit dieser Begrenzungsregelung hat der Gesetzgeber in eigentumsgeschützte Rechtspositionen des Personenkreises, zu dem der Kläger des Ausgangsverfahrens zum Vorlageverfahren 1 BvL 22/95 gehört, verfassungswidrig eingegriffen, weil sie zur Erreichung ihres Zwecks ungeeignet war (vgl. oben unter C I 2 b).
D.
I.
1. Bis zum 30. Juni 1993 – dem Monat vor Erlaß des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes – kann allerdings ein Verstoß der zur Prüfung gestellten Normen gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG noch nicht festgestellt werden. Handelt es sich um die Regelung komplexer Lebenssachverhalte, so kann dem Gesetzgeber eine angemessene Zeit zur Sammlung von Erkenntnissen und Erfahrungen eingeräumt werden. In dieser Zeit darf er sich mit gröberen Typisierungen und Generalisierungen begnügen (vgl. BVerfGE 33, 171 ≪189 f.≫; 37, 104 ≪118≫; 70, 1 ≪34 f.≫; 71, 364 ≪393≫; 75, 108 ≪162≫; stRspr). Damit einhergehende Härten und Ungerechtigkeiten geben erst dann Anlaß zur verfassungsrechtlichen Beanstandung, wenn der Gesetzgeber seine Regelungen nicht anhand inzwischen möglicher Erkenntnisse und Erfahrungen überprüft und auf den Versuch einer sachgerechteren Lösung verzichtet (vgl. BVerfGE 33, 171 ≪189 f.≫; 37, 104 ≪118≫; 71, 364 ≪393≫).
Die Voraussetzungen für eine gröbere Typisierung und Generalisierung waren zunächst gegeben. Es galt, die Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der Deutschen Demokratischen Republik in die gesetzliche Rentenversicherung erstmals gesetzlich zu regeln. Besondere Probleme bereitete dabei die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von Arbeitsentgelten oder Arbeitseinkommen, die vor oder während der Zugehörigkeit zu diesen Versorgungssystemen erzielt worden waren. Hinreichende Erkenntnisse und Erfahrungen lagen insoweit noch nicht vor. Anders als etwa für Renten aus der Sozialpflichtversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung konnte für die Berechtigungen aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen auf aussagefähige Daten zunächst nicht zurückgegriffen werden (vgl. die Gesetzentwürfe zum Renten-Überleitungsgesetz, BRDrucks 197/91, S. 113, und BTDrucks 12/405, S. 113). Verwertbare Unterlagen über Versicherungsverläufe waren häufig nicht vorhanden. Insoweit fehlte es an ausreichenden und zuverlässigen Informationen über individuell erzielte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen, Verdienstspannen und Durchschnittseinkünfte. Teilweise mußten die Rechtsgrundlagen der zahlreichen Versorgungssysteme erst ermittelt werden, weil sie nicht veröffentlicht waren. Bei dieser Sachlage hätten genauere rechtliche Unterscheidungen nur mit erheblicher Verzögerung getroffen werden können. Der Gesetzgeber war aber zu Recht darauf bedacht, so schnell wie möglich Überleitungsregelungen zu erlassen und ihren Vollzug sicherzustellen.
Für den Zeitraum bis zum 30. Juni 1993 können deshalb die Regelungen des § 6 Abs. 2 und 3 Nr. 7 AAÜG verfassungsrechtlich hingenommen werden. Zwar hat der Gesetzgeber auch sie erst im Jahre 1993 erlassen und rückwirkend zum 1. August 1991 in Kraft gesetzt. Insoweit handelt es sich aber um eine Regelung, die dem Grundgesetz näher steht als die abgelöste Vorschrift des § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG in der Fassung des Renten-Überleitungsgesetzes von 1991. Sie begünstigte den betroffenen Personenkreis. Mit Rückwirkung war dies aber von Verfassungs wegen nicht geboten.
2. Seit dem 1. Juli 1993 verstießen die zur Prüfung gestellten Normen mit ihrer in die Zukunft gerichteten Wirkung jedoch aus den dargestellten Gründen gegen das Grundgesetz. Mit Inkrafttreten des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes zu diesem Zeitpunkt (Art. 18 Abs. 1 Rü-ErgG) genügten die Regelungen des § 6 Abs. 2 und 3 Nr. 7 AAÜG den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht mehr. Da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 2 und des § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG zu beseitigen, sind die Regelungen nicht für nichtig, sondern lediglich für mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG unvereinbar zu erklären.
II.
Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich verpflichtet, bis zum 30. Juni 2001 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Diese Verpflichtung erstreckt sich auf den gesamten von der Unvereinbarerklärung betroffenen Zeitraum zwischen dem 1. Juli 1993 und dem 31. Dezember 1996. Es ist nicht erkennbar, daß eine solche gesetzgeberische Maßnahme nach der tatsächlichen Lage praktisch nicht mehr durchgeführt werden kann oder nur unter unverhältnismäßig großer Beeinträchtigung anderer schutzwürdiger Belange möglich wäre (vgl. BVerfGE 87, 114 ≪137≫). Typisierungen werden auch bei einer verfassungsgemäßen Regelung unvermeidlich sein. Sollten damit schwerwiegende Unbilligkeiten und Unstimmigkeiten einhergehen, könnte dem mit Härteklauseln begegnet werden, die den Betroffenen die Möglichkeit individueller Entlastung eröffnen.
III.
Die Unvereinbarerklärung führt dazu, daß § 6 Abs. 2 und § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden dürfen. Die vorlegenden Gerichte müssen die Ausgangsverfahren weiterhin aussetzen, bis der Gesetzgeber die verfassungswidrigen Normen durch mit der Verfassung vereinbare Regelungen ersetzt hat.
IV.
Die auf der Grundlage der verfassungswidrigen Vorschriften ergangenen und im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftigen Bescheide, insbesondere die nicht mehr anfechtbaren (Entgeltüberführungs-)Bescheide gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG, bleiben unberührt. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 82 Abs. 1 i.V.m. § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, der auch zur Anwendung kommt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Vorschrift als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt (vgl. BVerfGE 81, 363 ≪384≫). Es ist dem Gesetzgeber aber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen. Er kann die erforderliche Neuregelung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet ist er hierzu nicht.
Unterschriften
Grimm, Kühling, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner, Jentsch
Fundstellen
Haufe-Index 1276081 |
FamRZ 1999, 1341 |
ZBR 1999, 285 |
SGb 1999, 408 |
BGBl. I 1999, 1060 |