Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Sozialpolitik. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Ermittlung des Grundgehalts von Beamten anhand des Lebensalters. Überleitungsregelung. Perpetuierung des Gehaltsunterschieds. Rechtfertigungsgründe. Entschädigungsanspruch. Haftung des Mitgliedstaats. Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität
Normenkette
Richtlinie 2000/78/EG Art. 2, 3 Abs. 1 Buchst. c, Art. 6 Abs. 1
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
1. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass die Besoldungsbedingungen der Beamten in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen.
2. Die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Maßnahme entgegenstehen, nach der sich wie bei der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahme die Grundgehaltsstufe eines Beamten innerhalb der jeweiligen Besoldungsgruppe bei seiner Einstellung nach seinem Lebensalter richtet.
3. Die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, die wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorschriften die Modalitäten der Überleitung von Beamten, die vor dem Inkrafttreten dieser Rechtsvorschriften verbeamtet worden sind, in ein neues Besoldungssystem festlegen und vorsehen, dass zum einen die Besoldungsstufe, der sie nunmehr zugeordnet werden, allein auf der Grundlage des unter dem alten Besoldungssystem erworbenen Grundgehalts ermittelt wird, obgleich dieses alte System auf einer Diskriminierung wegen des Alters des Beamten beruhte, und dass sich zum anderen der weitere Aufstieg in eine höhere Besoldungsstufe nunmehr allein nach der seit dem Inkrafttreten dieser Rechtsvorschriften erworbenen Berufserfahrung bemisst.
4. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 17 der Richtlinie 2000/78, schreibt unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren nicht vor, den diskriminierten Beamten rückwirkend einen Betrag in Höhe des Unterschieds zwischen ihrer tatsächlichen Besoldung und der Besoldung nach der höchsten Stufe ihrer Besoldungsgruppe zu zahlen.
Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob alle vom Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für eine unionsrechtliche Haftung der Bundesrepublik Deutschland erfüllt sind.
5. Das Unionsrecht steht einer nationalen Vorschrift wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der ein Beamter Ansprüche auf Geldleistungen, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, zeitnah, nämlich vor dem Ende des laufenden Haushaltsjahrs, geltend machen muss, nicht entgegen, wenn diese Vorschrift weder gegen den Äquivalenzgrundsatz noch gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen in den Ausgangsverfahren erfüllt sind.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidungen vom 23. Oktober 2012 (Rechtssachen C-501/12 bis C-506/12) und vom 13. November 2012 (Rechtssachen C-540/12 und C-541/12), beim Gerichtshof eingegangen am 8. und am 28. November 2012, in den Verfahren
Thomas Specht (C-501/12),
Jens Schombera (C-502/12),
Alexander Wieland (C-503/12),
Uwe Schönefeld (C-504/12),
Antje Wilke (C-505/12),
Gerd Schini (C-506/12)
gegen
Land Berlin
und
Rena Schmeel (C-540/12),
Ralf Schuster (C-541/12)
gegen
Bundesrepublik Deutschland
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev (Berichterstatter),
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Wieland, Herrn Schönefeld, Herrn Schini, Frau Schmeel und Herrn Schuster, vertreten durch die Rechtsanwälte E. Ribet Buse und R. Hildebrand,
- des Landes Berlin, vertreten durch M. Theis als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch M. Simm und J. Herrmann als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. November 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 2, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Ra...