Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung abhängige Beschäftigung. Selbstständige Tätigkeit bei Prostituierten
Leitsatz (redaktionell)
1. In der Regel wird derjenige, der arbeitsrechtlich Arbeitnehmer ist, auch steuerrechtlich als solcher zu qualifizieren sein.
2. Kann der Betreffende die Früchte seiner Tätigkeit im Wesentlichen selbst ziehen und seine Arbeitszeit weitgehend frei gestalten und schuldet er zudem keine persönliche Arbeitsleistung, sondern einen konkreten Arbeitserfolg, wird unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen sein. Liegen hingegen diese Kriterien nicht vor, wird in der Regel von einer nichtselbstständigen Tätigkeit auszugehen sein.
3. Im Streitfall führte die Abwägung der Verhältnisse dazu, dass die Prostituierten als Arbeitnehmerinnen des Clubbetreibers anzusehen waren.
4. Arbeitgeber ist derjenige, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet und unter dessen Leitung und Weisungsbefugnisse er steht. Der Clubbetreiber war im Streitfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse Arbeitgeber der Prostituierten und als solcher zum Lohnsteuerabzug verpflichtet.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, § 42d Abs. 1 Nr. 1, § 41a Abs. 1; LStDV § 1 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger in dem Zeitraum Januar 2000 bis einschließlich Oktober 2001 der tatsächliche Betreiber der beiden Sex- und Saunaclubs in M „B”, C-Straße, und „D”, E-Straße, war. Für den Fall, dass er der tatsächliche Betreiber der beiden vorgenannten Bordelle war, ist weiter streitig, ob er für alle dort tätigen Personen die Lohnsteuerabzugsbeträge ordnungsgemäß angemeldet und abgeführt hatte.
In der Zeit vom 09. April 2002 bis 01. Dezember 2003 wurde beim Kläger eine Steuerfahndung durchgeführt. Auf den Fahndungsbericht vom 15. Januar 2004 wird insoweit verwiesen. Nach den Feststellungen der Fahndungsprüfer soll der Kläger bereits in den Jahren 1994 bis 1999 diverse Sex- und Sauna-Clubs betrieben haben, u.a. das Bordell „B” in A, G-Straße (bis ca. Oktober 1999). Nach außen seien zwar andere Personen aufgetreten (z. B. Frau H I und Herr J K); diese seien aber nur vorgeschoben gewesen. Tatsächlicher Betreiber der Etablissements sei jedoch der Kläger gewesen. Dieser habe auch im März 1998 das neue „B” aufgemacht; das alte „B” sei in „L” umbenannt worden. Das neue „B” sei mit sieben Zimmern, teils mit Whirlpool, einer Sauna und einem großen Pool ausgestattet gewesen. Es seien dort regelmäßig 23 Prostituierte beschäftigt gewesen, davon mindestens zwei ständig und gleichzeitig. Als formeller Geschäftsführer des „B” wie auch des „D” sei ein Herr J K aufgetreten. Dieser sei aber vom Kläger wieder nur vorgeschoben worden. Tatsächlich sei der Kläger – wie schon vorher – der Clubbetreiber gewesen. Dieser habe sich, um die Kontrolle über den Bordellbetrieb und die Tätigkeit der Prostituierten ausüben zu können und so seiner Investition zu einem möglichst hohen Ertrag zu verhelfen, regelmäßig mindestens drei Tage in der Woche dort aufgehalten. Er habe – letztentscheidend – den organisatorischen Ablauf des Bordellbetriebes bestimmt und hierzu den Prostituierten unmittelbar oder mittelbar über den Zeugen K, der sich grundsätzlich mit dem Kläger abzustimmen hatte, u.a. nachstehende Rahmenarbeitsbedingungen vorgegeben: