Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung; Beschäftigung, geringfügige
Leitsatz (redaktionell)
Für die Frage der Steuerbefreiung ist es unschädlich, wenn im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung der Monatslohn von 630 DM durch Hinzurechnung des tariflichen Anspruchs auf Urlaubsgeld ausnahmsweise geringfügig und einmalig überschritten wird.
Normenkette
SGB IV § 8 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 3 Nr. 39
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist für die Frage der Steuerfreiheit des Arbeitsentgelts aus einer geringfügigen Beschäftigung nach § 3 Nr. 39 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.03.1999, BGBl. I S. 388 (EStG), ob auch tarifvertraglich geschuldetes, tatsächlich aber vom Arbeitgeber nicht gezahltes und vom Arbeitnehmer nicht gefordertes Arbeitsentgelt zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin beschäftigte neben weiteren Arbeitnehmern im Jahre 1999 neun, im Jahr 2000 sieben und im Zeitraum 1.1. bis 31.3.2001 fünf Aushilfen, für die Bescheinigungen zur Steuerfreistellung des Arbeitslohnes für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse vorlagen. Die Aushilfskräfte erhielten jeweils das vereinbarte Monatsentgelt von 630,00 DM ausgezahlt, für das die Klägerin Beiträge nach § 168 Abs. 1 Nr. 1b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtete.
Für die Klägerin und deren Arbeitnehmer galt in den Streitjahren 1999 bis 2001 der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Elektrohandwerke Nordrhein-Westfalen (Tarifvertrag). Danach erhielt jeder Arbeitnehmer eine Urlaubsvergütung, die sich aus 100 % des für den Urlaub fortzuzahlenden regelmäßigen Arbeitsentgeltes und einem zusätzlichen Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des für den Urlaub fortzuzahlenden regelmäßigen Arbeitsentgelts zusammensetzte (§ 9 Abs. 2 Tarifvertrag). Das Urlaubsentgelt und das zusätzliche Urlaubsgeld waren auf Wunsch des Arbeitnehmers vor Antritt des Urlaubs zu zahlen, sofern der Urlaub mindestens 2 Wochen umfasste (§ 9 Abs. 3 Tarifvertrag). Diese Regelung galt auch für Teilzeitbeschäftigte (§ 9 Abs. 4 Tarifvertrag).
Dieses Urlaubsgeld nach § 9 Tarifvertrag wurde weder den Aushilfen gezahlt noch von ihnen eingefordert.
Nach einer Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum 1.4.1998 bis 31.3.2001 vertrat der Prüfer die Auffassung, das den Aushilfen tarifrechtlich zustehende Urlaubsgeld sei, auch wenn keine Auszahlung erfolgt sei, auf jeden Beschäftigungsmonat des Kalenderjahres zu verteilen. Bei zusätzlicher Berücksichtigung dieses Urlaubsgeldes seien die Entgeltgrenzen des § 3 Nr. 39 EStG überschritten. Insoweit seien die ab dem 1.4.1999 gezahlten Arbeitsentgelte der Aushilfen in Höhe von insgesamt 40.320,00 DM in 1999, 44.730,00 DM in 2000 und 8.190,00 DM für den 1.1. bis 31.3.2001 pauschal zu versteuern.
Mit Nachforderungsbescheid vom 11.6.2001 nahm der Beklagte die Klägerin gem. §§ 40, 40a, 40b EStG für 18.648,00 DM Lohnsteuern, 1.025,64 DM Solidaritätszuschläge, 848,48 DM evangelische Kirchensteuern und 456,88 DM römisch-katholische Kirchensteuern in Anspruch.
Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit der Begründung zurück, eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei nicht gegeben, da bei Einbeziehung des tarifvertraglich geschuldeten Urlaubsgeldes die Geringfügigkeitsgrenze von 630,00 DM überschritten sei. Nach den Urteilen des Bundessozialgerichtes vom 26.10.1982 12 RK 8/91, BSGE 54/136 und vom 30.8.1994 12 RK 59/92, BSGE 75/61 seien Beiträge zur Sozialversicherung für geschuldetes, bei Fälligkeit aber nicht gezahltes Arbeitsentgelt auch dann zu entrichten, wenn der Anspruch auf Arbeitsentgelt wegen einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist erloschen sei und deshalb der entsprechende Arbeitslohn vom Arbeitnehmer rechtswirksam nicht mehr verlangt werden könne.
Mit der Klage vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, die Arbeitentgelte der Aushilfen seien nach § 3 Nr. 39 EStG steuerfrei.
Bei Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 Buch SGB IV sei es bereits unschädlich, wenn die wöchentliche Arbeitszeit von 15 Stunden oder der Monatslohn von 630,00 DM ausnahmsweise überschritten werde. Dies ergebe sich aus dem Begriff „regelmäßig”, der damit auch für die Lohnsteuer gelte.
Außerdem lägen die Voraussetzungen für eine an die sozialrechtliche Beurteilung anknüpfende steuerliche Behandlung nicht vor. Die sozialversicherungsrechtliche Pauschalierung sei in ihrem Falle von den zuständigen Stellen bislang nicht beanstandet worden. Es entspreche auch nicht der gängigen Prüfungspraxis der Sozialversicherungen, im Bereich der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse „künstliche” beitragsrechtliche Besonderheiten zu fiskalischen „Fallen” aufzubauen, in dem bei ansonsten identischer Entlohnung ungeachtet der willentlichen Vertragsgestaltung im Bereich eines Manteltarifvertrages andere Abgabenlasten als ohne Manteltarifvertrag entstehen.
Zudem habe die ab 1.4.1999 geltende...