Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrten Wohnung – Arbeitsstätte eines Gesellschafter-Geschäftsführers, umsatzsteuerliche Behandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anscheinsbeweis streitet ausschließlich dafür, dass ein vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen auch tatsächlich privat genutzt wird (BFH-Urteil vom 6. Oktober 2011 VI R 64/10).
2. Dieser Anscheinsbeweis kann entkräftet werden, indem substantiierte Einwände vorgebracht werden, aus denen sich die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt (vgl. nur BFH-Urteil vom 4. April 2008 VI R 68/05, BStBl II 2008, 890 m.w.N.).
3. Im Streitfall ist der Anscheinsbeweis nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht entkräftet worden.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 2 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob Fahrten des Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin zwischen Wohnung und dem Büro der Klägerin zu versteuern sind. Die insoweit streitige Umsatzsteuer beträgt 755,57 € im Veranlagungszeitraum 2003 und 920,76 € in 2004 (bis Ende September).
Herr F.T. ist Alleingesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin. Daneben ist er zu 90 % Gesellschafter und ebenfalls Geschäftsführer der T.-GmbH (Parallelverfahren 6 K 2515/04).
Die Klägerin hatte ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer, Herrn F.T., gemäß § 5 des Anstellungsvertrages vom 1. September 2000 einen Anspruch auf Nutzung der durch die Gesellschaft angeschafften PKW auch zu privaten Zwecken eingeräumt. Die Versteuerung des geldwerten Vorteils sollte nach dem geschlossenen Vertrag der Geschäftsführer übernehmen, Betriebs- und Unterhaltskosten die Gesellschaft.
Der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin wohnte im streitbefangenen Zeitraum in der .... -straße in C. Der Sitz und das eingerichtete Büro der Klägerin befand sich in der Zeit vom 1. Januar 2003 bis 30. September 2004 in der ......-straße in F.
Der lohnsteuerlich als geldwerter Vorteil behandelte Betrag wurde monatlich als Lohnaufwand gebucht der Lohnsteuer unterworfen. Im Rahmen der Lohnversteuerung wurde die Regelung des § 8 Abs. 2 S. 3 EStG - der pauschale Ansatz von 0,03 % für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - nicht angewendet.
Im streitbefangenen Zeitraum standen dem Gesellschafter-Geschäftsführer die folgenden betrieblichen PKW zur Verfügung:
- 01/2003 bis 05/2003: Ford Fiesta Courier
- 06/2003 bis 09/2003: MB SL 350 Roadster (Saisonkennzeichen)
- 11/2003 bis 02/2004: MB E 270 CDI
- 04/2004 bis 09/2004: MB SL 350 Roadster (Saisonkennzeichen)
Bei der Klägerin wurde für die Jahre 2003 - 2005 eine Außenprüfung durchgeführt. Durch die Außenprüfung wurden für die Jahre 2003 und 2004 für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zusätzlich 0,03 % des inländischen Listenpreises für Kfz angesetzt (Bericht vom 7. November 2008, Tz. 1.2.1 betreffend Körperschaftsteuer und Tz. 4.1 betreffend die Umsatzsteuer).
Der Beklagte folgte den Prüferfeststellungen. Die entsprechend geänderten Bescheide gingen am 8. Januar 2009 zur Post. Mit ihrem hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Einspruch trug die Klägerin zur Begründung vor, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer mit mehreren Gruppen Gräben für die Telekom ausgehoben habe, wobei eine dieser Gruppen von dem Gesellschafter-Geschäftsführer selbst geleitet worden sei. Aus diesem Grund sei Herr F.T. morgens nie ins Büro, sondern mit einem Bautransporter direkt an die jeweiligen Baustellen gefahren. Herr F.T. führe im Übrigen seine Geschäftsführertätigkeit ausschließlich von zu Hause aus durch. Anweisungen seien dort über seine ebenfalls bei der Klägerin beschäftigte Ehefrau - keine Gesellschafterin - weitergegeben worden.
Mit Einspruchsentscheidung vom 13. Oktober 2009 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Zur Besteuerung der privaten Pkw-Nutzung sehe das Gesetz zwei Methoden vor. Zum einen den Ansatz der tatsächlichen Kosten und zum anderen die pauschale Regelung über die so genannte 1 %-Regelung für die rein Privatfahrten und die 0,03 %-Regelung für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Da die Klägerin kein Fahrtenbuch geführt habe, sei die pauschale Regelung anzuwenden. Der geldwerte Vorteil für die reine Privatnutzung sei für jeden Kalendermonat mit einem Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Umsatzsteuer zu bewerten. Gemäß § 8 Abs. 2 S. 3 EStG erhöhe sich dieser Wert für jeden Kalendermonat um 0,03 % des genannten Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Zuschlag), wenn das Fahrzeug hierfür genutzt werden könne. Die Arbeitsstätte sei vorliegend das eingerichtete Büro in der .......-straße in F. Die BFH-Urteile VI R 68/05 und VI R 52/07 seien im Wege der nachträglichen Billigkeitsregelung anzuwenden; diese greife jedoch vorliegend nicht ein, da mit öffentlichen Verkehrsmittel keine Wege zurückgelegt worden s...