Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg. Arzt als freier Mitarbeiter oder Arbeitnehmer. Abgrenzung beim fehlenden Vollzug des Vertragsverhältnisses
Leitsatz (redaktionell)
Die Tätigkeit eines Facharztes in einem Krankenhaus kann auch selbstständig außerhalb eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden.
Normenkette
BGB § 611; ArbGG § 5
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Beschluss vom 22.07.2010; Aktenzeichen 5 Ca 1793/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 22.07.2010 – 5 Ca 1793/09 – abgeändert.
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten wird für unzulässig erklärt. Der Rechtsstreit wird wegen an das Landgericht Essen verwiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug um die Zulässigkeit des Rechtsweges.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung entgangener Honorarforderungen in Anspruch.
Die Beklagte betreibt u.a. das S1. J1-Hospital in G1-H2.
Unter dem 19.06.2009 schlossen die Parteien einen Vertrag, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:
„FREIER-MITARBEITER-VERTRAG
…
1. Herr Dr. M2 wird als freier Mitarbeiter in der Funktion als Facharzt für Innere Medizin eingesetzt.
Der Einsatz erfolgt im S1. J1-Hospital in G1-H2.
2. Der freie Mitarbeiter wird in der Zeit vom 22.06.2009 bis 30.09.2009 im Regel- und Bereitschaftsdienst eingesetzt und erhält dafür nachfolgend aufgeführtes Honorar:
- 500,– EUR je Tagdienst
- 450,– EUR je Bereitschaftsdienst (Mo-Fr)
- 900,– EUR je Bereitschaftsdienst (Sa, So, Feiertag)
Das Honorar wird entsprechend des tatsächlichen Einsatzes am Monatsende gegen Erstellung einer Rechnung fällig.
Dem freien Mitarbeiter wird die Möglichkeit der kostenfreien Verpflegung gewährt.
3. Anfallende Steuern, Abgaben und Versicherungen gehen zu Lasten des freien Mitarbeiters. Der freie Mitarbeiter ist über die Betriebs-Haftpflicht-Versicherung auf Kosten der KKEL versichert; eine Übersicht über den Versicherungsschutz wird dem freien Mitarbeiter ausgehändigt. Fahrtkosten werden nicht erstattet.
4. Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, die ihm aufgrund der freien Mitarbeit zugänglich gemachten Unterlagen vertraulich zu behandeln und Dritten gegenüber auch nach Beendigung des Vertrages Stillschweigen zu bewahren.
Er verpflichtet sich ferner, bei Beendigung des Vertrages sämtliche ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben zur Verfügung gestellten Unterlagen, auch in Form von Kopien etc., herauszugeben. Ein Zurückhaltungsrecht ist ausgeschlossen.
…
7. Durch diesen Vertrag wird kein Arbeitsverhältnis begründet.”
Wegen der weiteren Einzelheiten des schriftlichen Vertrages vom 19.06.2009 wird auf Bl. 25, 26 d. GA Bezug genommen.
Vereinbarungsgemäß erschien der Kläger am Montag, dem 22.06.2009, bei der Beklagten. Den ärztlichen Dienst nahm er nicht auf, nachdem die Beklagte dies wegen fehlender Vorlage der Approbationsurkunde im Original abgelehnt hatte.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei dem Vertrag vom 19.06.2009 entgegen dem Wortlaut nicht um einen „Freien Mitarbeiter-Vertrag”, sondern um einen Arbeitsvertrag handele. Dies folge daraus, dass sein Einsatzort nach dem Vertrag festgelegt worden sei, er zu keiner anderen als von der Beklagten vorgegebenen Arbeitszeit von acht Stunden täglich hätte eingesetzt werden können und er auch keine weiteren Einnahmen hätte erzielen dürfen. Da er dem Chefarzt und dem diesen vertretenen Oberarzt fachlich und organisatorisch weisungsunterworfen gewesen sei, die seinen zeitlichen und fachlichen Einsatz bestimmten, und er auch das Personal und die Gerätschaften der Beklagten zur Dienstausübung hätte in Anspruch nehmen müssen, sei er Arbeitnehmer gewesen.
Die Beklagte hat die Unzulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten unter Berufung darauf gerügt, dass der Kläger entsprechend dem Wortlaut des Vertrages vom 19.06.2009 als freier Mitarbeiter in sogenannten „Diensten” eingesetzt werden sollte. Entgegen dem Vorbringen des Klägers könne dem Vertrag vom 19.06.2009 nicht entnommen werden, dass eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden vereinbart worden sei, weil es sich bei diesem Vertrag lediglich um einen Rahmenvertrag gehandelt habe. Da der Kläger für die Ableistung von sogenannten „Diensten” vorgesehen gewesen sei, sei gerade keine in fachlicher und organisatorischer Hinsicht weisungsgebundene Tätigkeit vorgesehen gewesen. Darüber hinaus sehe der Rahmenvertrag auch kein Verbot einer anderweitigen Tätigkeit vor. Dementsprechend sei das Vorbringen des Klägers zur Begründung der geltend gemachten Arbeitnehmereigenschaft völlig aus der Luft gegriffen und so unsubstantiiert. Darüber hinaus habe der darlegungs- und beweispflichtige Kläger für das bestrittene Vorbringen keinen Beweis angetreten, was aber erforderlich gewesen sei, weil die bloße Schlüssigkeit des Vorbringens für die Annahme der Zulässigkeit des Rechtsweges in Fällen vorliegender Art nicht ausreichend sei. Da ...