Rechtsmittel zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Status-Feststellungsklage bei beendetem Vertragsverhältnis. Neuorientierung des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs. Propagandistin als Arbeitnehmerin
Leitsatz (amtlich)
1) Sind aus einem beendeten Vertragsverhältnis nur noch einzelne Leistungsansprüche zwischen den Parteien strittig, so liegt in der Regel das Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO für einen Klageantrag nicht vor, nach dem festgestellt werden soll, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Insbesondere reicht es nicht aus, wenn zwischen den Parteien nur noch strittig ist, ob der eine Vertragspartner wegen der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen dem anderen Schadensersatz für eine eingetretene Rentenverkürzung schulde (insoweit gegen BAG vom 10.05.1974 – 3 AZR 523/73 – AP Nr. 48 zu § 256 ZPO).
2) Das Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO ist echte Prozeßvoraussetzung nur für ein stattgebendes Urteil (im Anschluß an BGH vom 24.2.1994 II ZR 3/53 = BGHZ 12, 308 (316).
3) Die aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates, auch der Rechtsprechung, gegenüber einem in einem Vertragsverhältnis grundsätzlich unterlegenen Teil erfordert angesichts grundlegender Veränderungen des Erwerbslebens und der Organisation der Arbeit eine Neubestimmung des Arbeitnehmerbegriffes.
4) Der herkömmliche, vom Bundesarbeitsgericht gebrauchte Arbeitnehmerbegriff, der wesentlich auf den Grad der persönlichen Abhängigkeit und dabei insbesondere auf die Fremdbestimmtheit der Arbeitszeit abstellt, kann unter diesem Gesichtspunkt dem Grundrechtschutz nicht mehr Rechnung tragen. Darüber hinaus begegnet dieser Begriff grundsätzlicher Kritik, was seine Leistungsfähigkeit für die Abgrenzung des Schutzbereiches des Arbeitsrechts anbelangt.
5) Die Kammer folgt daher der von Wank entwickelten Definition des Arbeitsverhältnisses, die darauf abstellt, ob eine Erwerbsperson selbständig mit allen Chancen und Risiken eines Unternehmers am Markt auftritt.
6) Nach dieser Lehre können folgende Merkmale als typische Arbeitnehmermerkmale angesehen werden:
- auf Dauer angelegte
- Arbeit nur für einen Auftraggeber
- in eigener Person, ohne Mitarbeiter
- im wesentlichen ohne eigenes Kapital und
- im wesentlichen ohne eigene Organisation.
7) Sogenannte Propagandistinnen sind in der Regel Arbeitnehmerinnen desjenigen Unternehmens, für das sie aufgrund eines Vertragsverhältnisses in einem Kaufhaus eines anderen Unternehmens tätig werden.
8) Hingegen liegt beim Einsatz solcher Propagandistinnen keine Arbeitnehmerüberlassung an den Inhaber des Kaufhauses vor.
Normenkette
ZPO § 256; HGB § 84 Abs. 1 S. 2; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 26.10.1994; Aktenzeichen 2 Ca 1176/94) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2) richtet, und daß sie als unbegründet abgewiesen wird, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 1) richtet.
Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, die aufgrund eines Vertrages mit der Beklagten zu 2) in einem Kaufhaus der Beklagten zu 1) als sog. Propagandistin tätig war, streitet mit beiden Beklagten darüber, ob mit ihr ein Arbeitsverhältnis bestehe.
Mit Datum vom 19. April 1979 erhielt die Klägerin von der Beklagten zu 2) ein Schreiben mit dem Betreff „Zusammenarbeit” (Bl. 11/12 d. A.). Darin heißt es u.a.:
„Sehr geehrte Frau,
Sie haben sich bereit erklärt, als selbständige Gewerbetreibende Waren auf Provisionsbasis zu propagieren.
Die Tätigkeit sieht wie folgt aus:
– Verkauf unseres Sortimentes und Beratung in der Fachabteilung des folgenden Warenhauses bzw. Fachgeschäftes:
Kaufhaus H., Abt. Ltr. Herr H.
…
Einsatztermin:
ab 15. Mai 1979 im Kaufhaus H.,
vom … bis … zunächst für 3 Tage, … später 5 Tage pro Woche.
Konditionen:
siehe beigefügtes Konditionsblatt.
Voraussetzung für die Tätigkeit ist, daß Sie im Besitz gültiger Gewerbepapiere sind und diese als Fotokopie ein- bzw. nachreichen.
Sie sind als selbständige Gewerbetreibende weder unsere Angestellte, noch diejenige des Kaufhauses bzw. Fachgeschäftes. Sie können Ihre Tätigkeit jederzeit einstellen oder unterbrechen. Das Kaufhaus/Fachgeschäft oder wir können jederzeit den Verkaufsstand an andere Personen vergeben.
Wir haben keinen Einfluß auf die Betriebs Zeiten und die Hausordnung des Kaufhauses/Fachgeschäftes. Sie sind an keine Weisungen gebunden, müssen sich jedoch, wenn Sie Ihre Tätigkeit in einem Kaufhaus ausüben, an dessen Hausordnung halten, soweit diese auch auf Sie zutrifft.
Sie sind als selbständige Gewerbetreibende verpflichtet, selbständig die Einkommens Steuer und auch die zusammen mit Ihrer Provision ausgezahlte Mehrwertsteuer an das zuständige Finanzamt abzuführen und selbst für Ihre Versicherungen (Krankheit, Altersvorsorge) aufzukom...