4.1 Kein Anhörungsrecht des Arbeitnehmers
Eine Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Abmahnung ist grundsätzlich (rechtlich) nicht erforderlich.
Etwas anderes gilt, wenn der Bundesangestellten-Tarifvertrag auf das Vertragsverhältnis noch Anwendung findet. Nach § 13 Abs. 2 BAT muss der betroffene Arbeitnehmer vor Aufnahme der Abmahnung in die Personalakte gehört werden. Im TV-L sieht § 3 Abs. 6 Satz 4 TV-L eine Anhörung des Arbeitnehmers vor, wenn Behauptungen tatsächlicher Art, die für ihn ungünstig sind oder ihm nachteilig werden können, in die Personalakte aufgenommen werden sollen. Im TVöD fehlt dazu eine vergleichbare Regelung.
4.2 Verhältnismäßigkeit der Abmahnung
Die Abmahnung muss im Vergleich zum beanstandeten Verhalten verhältnismäßig sein. D. h. die in der Abmahnung vorgeworfene Pflichtverletzung darf nicht völlig geringfügig sein. An die Verhältnismäßigkeit der Abmahnung sind jedoch keine strengen Voraussetzungen zu stellen, auch geringfügige Pflichtverletzungen können abgemahnt werden. Insgesamt dürfte eine Abmahnung daher nur im Ausnahmefall und in sog. Bagatellfällen unverhältnismäßig sein.
Teilweise gibt es interne Regelungen (z. B. in Betriebsvereinbarung, Unternehmensleitlinien) zu Eskalationsstufen (z. B. 1. Stufe: Kritikgespräch, 2. Stufe: Ermahnung, 3. Stufe: Abmahnung). Dann müssen diese eingehalten werden.
4.3 Inhalt bzw. Bestandteile der Abmahnung
Um wirksam zu sein, muss die Abmahnung in jedem Fall die folgenden Bestandteile enthalten:
- Detaillierte Beschreibung des dem Fehlverhalten zugrundeliegenden Sachverhalts.
- Nennung der zugrundeliegenden Pflicht, optimalerweise mit Rechtsgrundlage (z. B. Gesetz, Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Weisung des Arbeitgebers), die durch dieses Fehlverhalten verletzt wurde.
- Konkrete Aufforderung, sich zukünftig pflichtgemäß zu verhalten.
- Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen bis hin zur Kündigung im Wiederholungsfall.
Es empfiehlt sich in der Abmahnung nur einen Vorfall zu rügen. Bei mehreren Pflichtverletzungen sollten mehrere Abmahnungen ausgesprochen werden.
4.4 Form der Abmahnung
Die Abmahnung erfordert keine bestimmte Form. Sie kann auch mündlich erfolgen.
Aus Beweisgründen sollte eine Abmahnung aber schriftlich oder in Textform erfolgen und zur Vermeidung von Missverständnissen die Überschrift "Abmahnung" haben.
4.5 Frist bzw. Zeitpunkt der Abmahnung
Es gibt keine sogenannte Regelausschlussfrist, nach deren Ablauf eine Abmahnung nicht mehr ausgesprochen werden kann.
Allerdings unterliegt das Recht zur Abmahnung der Verwirkung. Dieses greift dann, wenn der Abmahnungsberechtigte lange Zeit ohne Reaktion zuwartet (Zeitmoment, z. B. 6 Monate bis ein Jahr) und zudem durch sein Verhalten beim betroffenen Vertragspartner der Eindruck geweckt wird, es werde nichts mehr unternommen bzw. die Angelegenheit sei erledigt (Umstandsmoment).
4.6 Abmahnungsberechtigte Personen
Die Abmahnung kann durch den Arbeitgeber selbst, von bevollmächtigten Vertretern, wie z. B. Rechtsanwälten, und von Vorgesetzten ausgesprochen werden. Denn nach der Rechtsprechung des BAG sind alle Mitarbeiter abmahnungsberechtigt, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung dazu befugt sind, Anweisungen bezüglich des Orts, der Zeit sowie der Art und Weise der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu erteilen. Das sind die Personen, an die das Direktionsrecht delegiert wurde. Damit sind grundsätzlich die leitenden Angestellten, wie die Abteilungs-, Personal-, Filial-, Zweigstellenleiter, aber auch die Vorgesetzten (z. B. Meister als Fachvorgesetzter), zum Ausspruch von Abmahnungen berechtigt.
4.7 Zugang und Kenntnisnahme der Abmahnung
Einem Anwesenden geht die Abmahnung mit der Übergabe des Abmahnungsschreibens sofort zu. Den Empfang durch persönliche Übergabe sollte man sich am besten unter Angabe des Datums schriftlich durch den Empfänger oder einen hinzugezogenen Zeugen bestätigen lassen.
Einem Abwesenden ist die Abmahnung zugegangen, wenn sie so in dessen Machtbereich gelangt, dass unter üblichen Verhältnissen damit zu rechnen ist, dass er von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen konnte. Wird das Abmahnungsschreiben in den Briefkasten geworfen, geht es in dem Zeitpunkt zu, in dem der Briefkasten üblicherweise geleert wird.
Bei der Abmahnung gilt die Besonderheit, dass der reine Zugang nicht ausreicht. Das BAG fordert als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Abmahnung, dass über ihren Zugang hinaus auch die Kenntnis des Empfängers von ihrem Inhalt vorliegt. Dies spielt vor allem bei nicht deutschsprachigen Mitarbeitern eine Rolle, für die ggf. eine Übersetzung der Abmahnung in die Landessprache erforderlich ist.