Entscheidungsstichwort (Thema)
Ernsthaftes, ausdauerndes und rückhaltloses Bemühen um eine Erwerbstätigkeit als Voraussetzung des Findens einer angemessenen Erwerbstätigkeit i.S.d. § 4c Nr. 4 Insolvenzordnung (InsO)
Normenkette
InsO § 4c Nr. 4; BGB § 1574 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Stundung der Verfahrenskosten wird aufgehoben.
2. Der Insolvenzantrag des Schuldners vom 20.07.2010 wird mangels Masse abgewiesen.
3. Der Schuldner hat die Verfahrenskosten zu tragen.
4. Der Gerichtskostenwert wird auf 1,– EUR festgesetzt
5. RA Bierwisch wird vom Gutachterauftrag entbunden.
Gründe
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Beschlüsse vom 14.09.2010 und 08.10.2010 sowie das Gutachten vom 31.01.2011 Bezug genommen.
Der Schuldner ist nach Aktenlage ein 52 Jahre alter, voll arbeitsfähiger und ortsungebundener Mann mit einer abgeschlossenen handwerklichen Berufsausbildung und umfangreicher Berufserfahrung, dessen Lebensunterhalt seit mindestens zwei Jahren von der arbeitenden und steuerzahlenden Bevölkerung erwirtschaftet wird.
Dies ergibt Anlass zur Prüfung, ob der Schuldner seiner Erwerbsobliegenheit nachkommt (vgl. § 4 c Nr. 4 InsO).
Der Einsatz öffentlicher Mittel für ein mit dem Ziel der Restschuldbefreiung geführtes Insolvenzverfahren ist nur dann gerechtfertigt, wenn auch der Schuldner erhebliche Anstrengungen unternimmt, um für die Verfahrenskosten aufzukommen – (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 14/5680 vom 28.03.2001, S. 23).
Den am Verfahren beteiligten Schuldnern wird (durch Stundung der Verfahrenskosten) deutlich gemacht, dass eine Restschuldbefreiung nur aufgrund erheblicher eigener Anstrengungen zu erlangen sein wird. Eine Entschuldung zum Nulltarif … wird es regelmäßig nicht geben. Schuldner, die ohne nennenswerte eigene Anstrengungen eine solche Rechtswohltat erlangen wollen, werden damit vom Eintritt in das Verfahren abgehalten – (a.a.O. S. 13).
Die gesetzliche Umsetzung dieser Motive ist § 4c Nr. 4 InsO.
Einem Schuldner obliegt es danach, eine „angemessene Erwerbstätigkeit” auszuüben; das Finden einer „angemessenen Erwerbstätigkeit” setzt regelmäßig das ernsthafte, ausdauernde und rückhaltlose Bemühen um eine solche voraus.
Scheinbewerbungen, vorzugsweise bei Unternehmen, die gar keine Arbeitskräfte suchen und die lediglich der formalen Befriedigung der Sozialbehörde und dem weiteren Bezug von Sozialleistungen dienen, sind keine ernsthaften Bemühungen um eine angemessene Erwerbstätigkeit. Bei einem Schuldner, der, wie der Antragsteller, peinlich darauf achtet, dass er nicht eine einzige „Bewerbung” mehr abgibt, als ihm von der Sozialbehörde vorgegeben, ist davon auszugehen, dass er keine angemessene Erwerbstätigkeit finden, sondern sich lediglich weiterhin aus Steuermitteln finanzieren lassen will.
Bei der Frage der „angemessenen Erwerbstätigkeit” wird die Rechtsprechung zu § 1574 Abs. 2 BGB herangezogen (vgl. Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 2. Aufl. § 4 c InsO Rn. 6, Uhlenbruck-Uhlenbruck § 4 c Rn. 5). Durch den Grundsatz der Eigenverantwortung bestehen hohe Anforderungen an die Nachweispflicht, sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemüht zu haben (vgl. Palandt, 68. Aufl., § 1574 Rn. 9).
„Angemessen” ist im Falle des Antragstellers eine versicherungspflichtige Vollzeittätigkeit.
Gemäߧ 4c Nr. 4 InsO ist die Stundung aufzuheben, wenn sich ein beschäftigungsloser Schuldner nicht hinreichend um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemüht. Maßstab der Prüfung dieser Bemühungen ist § 1574 Abs. 2 BGB. Der überwiegende Teil der Rechtsprechung zieht hier die Anforderungen heran, die bei der verschärften Minderjährigenhaftung gelten.
Ein erwerbsloser Schuldner hat daher alle nur denkbaren Anstrengungen zur Erlangung einer angemessenen Erwerbstätigkeit zu unternehmen und dabei die Zeit aufzuwenden, die ein Erwerbstätiger für seine Arbeit aufwendet (vgl. OLG Stuttgart, FamRZ 2006, 1757). Der Schuldner hat sich daher wöchentlich mindestens 35 Stunden lang mit der ernsthaften und rückhaltlosen Suche nach einem Arbeitsplatz zu beschäftigen!
Der Schuldner hat in der Zeit vom 15.09.2010 bis zum 26.01.2011 nach eigenen Angaben lediglich 20 Bewerbungen abgegeben; was von diesen „Bewerbungen” zu halten ist, wurde bereits ausgeführt!
Eine ca. dreiminütige Internetrecherche des Gerichts bei nur einem von zahlreichen Jobportalen ergab unter den Suchbegriffen „Hilfsarbeiter” und „Produktionshelfer” alleine für den Großraum um Jena 792 freie Stellen; deutschlandweit gibt es für arbeitswillige Männer mit einer abgeschlossenen handwerklichen Berufsausbildung zehntausende freier Stellen, die ein Einkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenzen ermöglichen (vgl. hierzu das Jobportal – www.kimeta.de –)!
Unter diesen Umständen wäre es den arbeitenden und steuerzahlenden Menschen, darunter viele Alleinerziehende, Pendler sowie ältere bzw. behinderte Menschen, die unter teilweise schwi...