2.1 Stellenausschreibung
Wie bei allen Merkmalen betreffen die meisten Fälle, die vor Gericht gehen, die Stellenausschreibung. Als leicht nachweisbares Dokument dessen, was sich der Arbeitgeber vorgestellt hat, ergeben sich hieraus am ehesten die Indizien, weswegen der Arbeitgeber den Bewerber wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale benachteiligt haben könnte. Ein Blick auf die Rechtsprechung gibt Aufschluss darüber, welche Grenzen Arbeitgeber bei der Formulierung und Aufstellung ihrer Anforderungen beachten müssen.
2.1.1 Sprachkenntnisse
Es ist grundsätzlich in Ordnung, ein bestimmtes Sprachniveau als Qualifikation für eine bestimmte Tätigkeit zu verlangen. Regelmäßig erfordert die sinnvolle Bewältigung einer Tätigkeit die Fähigkeit, in der geläufigen Sprache des Ortes, an dem die Tätigkeit stattfindet, zu kommunizieren. Die Einstufung des Sprachniveaus erfolgt neutral anhand des gemeinsamen Referenzrahmens für europäische Sprachen. Es gibt hier 6 Stufen, die von A1 bis C2 reichen, wobei C2 gleichzusetzen ist mit dem Niveau eines Muttersprachlers. Solange Arbeitgeber nicht ungeschickt formulieren, sind sie bei der Forderung von Sprachkenntnissen auf der sicheren Seite.
2.1.2 Deutsch als Muttersprache
Problematisch sind Formulierungen wie "Deutsch als Muttersprache"“. Die Formulierung nimmt implizit Bezug auf die ethnische Herkunft. Es gibt zwar im Detail hierzu unterschiedliche Auffassungen, aber Deutsch als Muttersprache sprechen regelmäßig nur Deutsche. Die Anforderung "Deutsch als Muttersprache" ist daher ein Indiz gemäß § 22 AGG, das eine Benachteiligung vermuten lässt, wenn der Arbeitgeber jemanden ablehnt, der nicht deutsch ist, aber Deutsch auf dem Niveau eines Muttersprachlers spricht. Wie immer im Anwendungsbereich des AGG muss der Arbeitgeber dann den Gegenbeweis erbringen, dass er sich so entschieden hat, ohne dass die Herkunft des Bewerbers hierbei eine Rolle gespielt hätte. Die Herkunft darf keinen Eingang gefunden haben in das Motiv des Arbeitgebers, den Bewerber abzulehnen. Diesen Gegenbeweis zu erbringen, fällt Arbeitgebern häufig schwer.
2.1.3 Zu verlangendes Sprachniveau an Anforderungen der Tätigkeit geknüpft
Arbeitgeber dürfen, je nach Tätigkeit, keine übertriebenen Anforderungen an das Sprachniveau stellen. Es erscheint unangemessen und daher sachlich nicht gerechtfertigt, beispielsweise für die Tätigkeit als Logistikmitarbeiter einwandfreies, akzentfreies Deutsch zu verlangen.
Die Anforderung muss aber sachlich gerechtfertigt sein gemäß § 3 Abs. 2 Halbsatz 2 AGG. Einwandfreies Deutsch sprechen in der Regel nur Muttersprachler. Nicht-Muttersprachler erfahren durch diese Anforderung eine mittelbare Benachteiligung.
Mittelbare Benachteiligung
Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Gruppe im Vergleich zu einer anderen von einer neutral scheinenden Anforderung viel häufiger negativ betroffen ist.
Eine sachliche Rechtfertigung verlangt, dass die Erwartung an die Deutschkenntnisse nur so weit gehen kann, wie sie für die Tätigkeit unerlässlich sind. Es genügt, wenn der Mitarbeiter Deutsch auf einem Niveau spricht, das gewährleistet, dass er seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt.
Im Fall des LAG Bremen kamen einige Umstände hinzu, die es dem Gericht leichter machten, sich zu entscheiden. So konnte das Gericht einen Zusammenhang erkennen zwischen dem Umstand, dass der Arbeitgeber von neuen Mitarbeitern verlangte, dass sie akzentfreies Deutsch sprechen und, dass der Arbeitgeber tatsächlich deutsche Bewerber bevorzugte. Nach der Zeugenaussage einer der Mitarbeiter äußerte der Geschäftsführer sinngemäß, dass die Beschäftigung von Ausländern den Ruf des Unternehmens schädige. Das Gericht konnte hieraus die Überzeugung ziehen, dass der Arbeitgeber den Bewerber diskriminiert habe.
2.2 Bewerbung
2.2.1 (Hoch-)Schulabschlüsse, Anerkenntnis und Gleichwertigkeitsgutachten
Anforderung nationaler Abschlüsse
Im April 2023 entschied das LAG Köln einen Fall, der die Frage betraf, ob es benachteiligend ist, wenn Arbeitgeber ausländische Abschlüsse nicht akzeptieren. In diesem Zusammenhang treten häufiger Konflikte zwischen Bewerbern und Arbeitgebern auf. Bei Bewerbern besteht nicht selten der Eindruck, ihr im Ausland erworbener Abschluss sei in den Augen des Arbeitgebers nicht gleichwertig. Mitunter gibt es spezielle nationale Abschlüsse, wie beispielsweise das zweite juristische Staatsexamen. Der länderabhängige Inhalt der juristischen Ausbildung erklärt, wieso Arbeitgeber ausländische Abschlüsse nicht für gleich gut halten müssen.
In dem zitierten Fall beschäftigte sich das Gericht zunächst mit der Frage, ob eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung vorliegt.
Unmittelbare Benachteiligung
Eine unmittelbare Benachteiligung liegt gemäß § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn der Arbeitgeber eine Person konkret vergleichbar wegen eines Merkmalunterschieds (deutsch – nicht-deutsch) schlechter behandelt.
Das verneinte das LAG mit der Begründung, dass der Erwerb des zweiten juristischen Examens jeder Ethnie offenstehe. Etwas schwieriger war die Frage bei der mittelbaren Benachteiligung.
Mittelbare Benachteiligung
Eine...