2.2.1 (Hoch-)Schulabschlüsse, Anerkenntnis und Gleichwertigkeitsgutachten
Anforderung nationaler Abschlüsse
Im April 2023 entschied das LAG Köln einen Fall, der die Frage betraf, ob es benachteiligend ist, wenn Arbeitgeber ausländische Abschlüsse nicht akzeptieren. In diesem Zusammenhang treten häufiger Konflikte zwischen Bewerbern und Arbeitgebern auf. Bei Bewerbern besteht nicht selten der Eindruck, ihr im Ausland erworbener Abschluss sei in den Augen des Arbeitgebers nicht gleichwertig. Mitunter gibt es spezielle nationale Abschlüsse, wie beispielsweise das zweite juristische Staatsexamen. Der länderabhängige Inhalt der juristischen Ausbildung erklärt, wieso Arbeitgeber ausländische Abschlüsse nicht für gleich gut halten müssen.
In dem zitierten Fall beschäftigte sich das Gericht zunächst mit der Frage, ob eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung vorliegt.
Unmittelbare Benachteiligung
Eine unmittelbare Benachteiligung liegt gemäß § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn der Arbeitgeber eine Person konkret vergleichbar wegen eines Merkmalunterschieds (deutsch – nicht-deutsch) schlechter behandelt.
Das verneinte das LAG mit der Begründung, dass der Erwerb des zweiten juristischen Examens jeder Ethnie offenstehe. Etwas schwieriger war die Frage bei der mittelbaren Benachteiligung.
Mittelbare Benachteiligung
Eine mittelbare Benachteiligung besteht darin, dass eine Regel oder Maßnahme neutral auftritt, sich dahinter aber eine Schlechterbehandlung einer Person mit einem in § 1 AGG genannten Merkmal verbirgt. Das liegt daran, dass manche Regeln bestimmte Personengruppen weitaus häufiger betreffen als andere.
Das LAG bejahte eine mittelbare Benachteiligung ausgehend von der Tatsache, dass Deutsche weitaus häufiger das zweite juristische Staatsexamen absolvieren als ausländische Juristen. Dieser Abschluss ist eine sachlich gerechtfertigte Anforderung gemäß § 3 Abs. 2 Halbsatz 2 AGG bzw. § 8 Abs. 1 AGG.
Wann ist eine Anforderung sachlich gerechtfertigt?
Eine sachliche Rechtfertigung ergibt sich gemäß § 8 Abs. 1 AGG, wenn die Tätigkeit mit Herausforderungen einhergeht, die die jeweilige Einstellungsvoraussetzung legitim und angemessen erscheinen lassen.
Unter sehr ähnlichen Voraussetzungen schließt § 3 Abs. 2 Halbsatz 2 AGG aus, dass der Arbeitgeber den Bewerber benachteiligt hat, und zwar, wenn die mittelbare Benachteiligung sich vom Zweck her ergibt, dass es erforderlich und angemessen erscheint, den Abschluss zu verlangen.
Gleichwertigkeitsgutachten ausländischer Abschlüsse aus EU-Mitgliedstaaten
Im Januar 2020 entschied das LAG Berlin-Brandenburg einen Fall eines Gleichwertigkeitsgutachtens eines in Rumänien erworbenen Abschlusses. Von Bewerbern zu verlangen, dass sie für ihren innerhalb der EU erworbenen Abschluss ein Gleichwertigkeitsgutachten im Vergleich zu einem deutschen Abschluss vorzeigen, kann eine ungerechtfertigte mittelbare Benachteiligung sein. So war es in diesem Fall, in dem eine Behörde von Bewerbern mit einem aus Rumänien stammenden Abschluss ein Gleichwertigkeitsgutachten verlangte. Das entscheidende Gericht erkannte hierin eine mittelbare Benachteiligung. Das begründete das Gericht mit dem allgemeinen Erfahrungssatz, dass Absolventen einer rumänischen Universität viel häufiger nicht-deutsch sind als Absolventen einer inländischen Universität. Eine mittelbare Benachteiligung legitimiert § 3 Abs. 2 Halbsatz 2 AGG, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist. Dafür muss es erforderlich sein, den Bewerber in dem gegebenen Ausmaß zu benachteiligen. Die überwiegenden Punkte sprachen aus Sicht des Gerichts dagegen, dass dieses erforderlich war.
Keine pauschale Absage der Gleichwertigkeit von Studienabschlüssen!
Arbeitgeber müssen bei Bewerbern mit Abschlüssen aus dem EU-Inland die Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV berücksichtigen. Arbeitnehmer aus dem EU-Inland dürfen ihren Arbeitsplatz in der EU frei wählen. Das spricht dafür, dass bei einer pauschalen Absage der Gleichwertigkeit von Studienabschlüssen Vorsicht geboten ist, wenn diese aus dem EU-Inland stammen.
Datenbank zur staatlichen Anerkenntnis von Abschlüssen
Außerdem ist für die meisten Universitäten kein Gleichwertigkeitsgutachten nötig. Es existiert eine Datenbank namens ANABIN, die die Bundesregierung zur Verfügung stellt und Auskunft darüber gibt, ob ein Abschluss von der jeweiligen Universität staatlich anerkannt ist oder nicht. Die Auskunft steht jeder Person gratis zur Verfügung.
Zum Thema Gleichwertigkeitsgutachten gibt es noch einen weiteren interessanten Fall. In diesem ging es darum, ob Arbeitgeber Gleichwertigkeitsgutachten anerkennen müssen. Als sich der Interessent für die Stelle bewarb, bewies er mit einem Gutachten die Gleichwertigkeit seines ausländischen Abschlusses. Der Arbeitgeber entschied sich dennoch gegen ihn, da der Abschluss nicht gleichwertig sei. Das erkannte das entscheidende Gericht als diskriminierend. Arbeitgeber müssen Gleichwertigkeitsgutachten, sofern sie vertrauenswürdig sind, respektieren. Setzen sie sich darüber hinweg, diskriminieren sie...