Der "Scientology-Beschluss" erklärt, wie der Gesetzgeber die Begriffe der Religion und der Weltanschauung meint.
Einordnung von Scientology
Mit dem Beschluss stellte das BAG fest, dass es sich bei der sogenannten Scientology-"Kirche" weder um eine Religions- noch um eine Weltanschauungsgemeinschaft handelt. Der wesentliche Grund hierfür liegt darin, dass der Betrieb der Scientology-"Kirche"nahezu ausschließlich erwerbswirtschaftlichen Zwecken dient. Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob die Inhalte selbst, die Scientology vermittelt, die Definition für religiöse oder weltanschauliche Glaubenssätze erfüllen. Der Beschluss des BAG bezieht sich auf den Scientology-Verein und nicht auf das jeweilige Individuum, das an die Inhalte der Scientology-Lehre glaubt. Ein "gläubiger" Scientologe verfolgt mit seinem Glauben keine vordergründig erwerbswirtschaftlichen Zwecke. Zahlreiche Beispiele hierzu finden sich in der amerikanischen Filmindustrie. Weil das Merkmal der vordergründigen Gewinnorientierung bei einem gläubigen Scientologen wegfällt, kann dieser sich unter Umständen auf den Schutz der Religions- bzw. Weltanschauungsfreiheit berufen. Es sind verschiedene Fragen, ob es sich bei dem Verein um eine Religionsgemeinschaft handelt, die sich auf Rechtfertigungsgründe für Tendenzbetriebe (zum Begriff siehe weiter unten) berufen kann, oder ob ein Arbeitnehmer für seine Glaubenssätze Schutz erfährt.
Die Grenze besteht dort, wo sich die Haltung von der Weltanschauung zum bloßen Weltbild wandelt. Das Weltbild gehört zu den Meinungen einer Person und erfährt daher Schutz durch die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
Meinungsfreiheit bei privaten Arbeitgebern
Grundsätzlich gilt die Meinungsfreiheit nur mittelbar gegenüber Handlungen und Maßnahmen, die private Arbeitgeber vornehmen (sogenannte mittelbare Drittwirkung). Bei den Grundrechten handelt es sich primär um Abwehrrechte gegenüber dem Staat. Sollen die Grundrechte auch gegenüber Privaten wirken, bedarf es einer näheren Begründung. Mittlerweile ist die mittelbare Drittwirkung gegenüber privaten Arbeitgebern anerkannt. Das liegt an dem strukturellen Machtgefälle zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.
Die Meinung bzw. das Weltbild einer Person ist keines der in § 1 AGG geschützten Merkmale. Arbeitgeber müssen sich also beim Umgang mit der Meinungsfreiheit nicht an die Vorgaben des AGG halten. Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass Arbeitnehmer weniger geschützt sind, wenn sie ihre Meinung äußern, bzw. ihr Weltbild kenntlich machen. Im Bereich des Whistleblowings gibt es ein aussagekräftiges Urteil hierzu. Im Juli 2011 entschied der EGMR einen Fall, der die Kündigung einer Altenpflegerin betraf. Der Arbeitgeber kündigte ihr, weil sie Missstände bei der Pflege von Patienten offenlegte. Der EGMR entschied, dass diese Kündigung ungerechtfertigt ist. Das begründete er damit, dass die Öffentlichkeit ein ausgeprägtes Interesse daran hat, dass Menschen sich trauen, solche Missstände offenzulegen. Der EGMR gewichtete die Meinungsfreiheit höher als das Interesse des Arbeitgebers an dem Schutz vor informativer Auslieferung an die Öffentlichkeit.