Relevant ist auch das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG). Dieses Gesetz ist am 2.7.2023 in Kraft getreten und hat zum Ziel, sicherzustellen, dass Mitarbeiter Hinweise sicher und einfach abgeben können, ohne Repressalien befürchten zu müssen.[1] Im Gegensatz dazu verfolgt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) den Zweck, Mitarbeiter vor Diskriminierung zu schützen und ihnen das Recht auf unternehmensinterne Beschwerde zu gewähren.[2] Hierbei stellt sich die Praxisfrage, ob Beschwerde- und Meldestelle identisch sein können, und ob dies sinnvoll ist. Rechtlich gesehen ist es gestattet, dieselbe Stelle bzw. Person zur Beschwerde- und Meldestelle gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG und § 12 Abs. 1 Satz 1 HinSchG zu erklären. Sofern die jeweilige Person gleichermaßen sachkundig ist, bestehen hier keine Bedenken.[3] Führt dieselbe Person beide Stellen aus, trägt dies dazu bei, dass das Unternehmen eine uniforme Kultur schafft, was den Umgang mit Missständen angeht.[4]

Überschneidungen zwischen AGG und HinSchG können insbesondere bei Verstößen auftreten, die sowohl Aspekte der Diskriminierung als auch der allgemeinen Missstände am Arbeitsplatz betreffen. Mobbing und Belästigung am Arbeitsplatz können beide Gesetze tangieren. Beleidigt jemand einen anderen regelmäßig am Arbeitsplatz, ist das einerseits Mobbing und andererseits ist jede Beleidigung gemäß § 185 StGB strafbar. Straftaten fallen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG in den Anwendungsbereich des HinSchG. Auch andere Straftaten, die mit Mobbing in Zusammenhang stehen, sind also hiervon erfasst. Beispiele sind Nötigung gemäß § 240 StGB und Körperverletzung gemäß §§ 223 f. StGB. Begeht der Mobber eine Straftat gegen einen Kollegen aufgrund eines gemäß § 1 AGG verpönten Merkmals, ist auch der Anwendungsbereich des AGG eröffnet. Zeugen der Straftaten können einen Hinweis bei der Meldestelle gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG abgeben. Das Opfer selbst kann einen Hinweis abgeben und sich beschweren gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG, § 16 Abs. 1 Satz 1 HinSchG. Dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG nach steht das Beschwerderecht indes nur der betroffenen Person zu. Das bedeutet, dass das HinSchG hier das AGG ergänzt. Das Meldesystem des HinSchG erleichtert es, Mitarbeitern auf Missstände hinzuweisen, die im Zusammenhang mit strafrechtlich relevanten AGG-Verstößen stehen. Fraglich ist aber, ob das auch für AGG-Verstöße gilt, die nicht den Grad einer Straftat erreichen. Für sie gilt § 2 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG nicht. Es ist auch nicht ohne Weiteres ersichtlich, wie AGG-Verstöße unter Bußgeldvorschriften fallen. Eine Überschneidung von AGG-Verstoß und Verstoß gegen eine Arbeitsschutzverordnung kommt wegen der unterschiedlichen Regelungsinhalte nicht in Betracht, weshalb ein Bußgeld nach § 25 ArbSchG ausgeschlossen ist.[5]

Darüber hinaus findet sich in § 36 Abs. 2 Satz 1 HinSchG ebenfalls eine spezielle Beweislastregelung. Diese Regelung gilt, wenn der Arbeitgeber jemanden wegen einer Meldung benachteiligt. Wird der Hinweisgeber im Anschluss an einen Hinweis gemobbt, löst das die Beweislastumkehr des § 36 Abs. 2 HinSchG aus. Steht das Mobben wiederum im Zusammenhang mit einem verpönten Merkmal des § 1 AGG, greift auch die Beweiserleichterung des § 22 AGG. Eine Abgrenzung entlang des Zwecks ergibt, dass § 36 Abs. 2 Satz 1 HinSchG als speziellere und zweckgemäß den Arbeitnehmer stärker schützende Norm den Vorzug hat. Anders ist dies nur, wenn der Arbeitnehmer einen immateriellen Schadensersatz gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG geltend macht, weil dieser in § 37 HinSchG nicht vorgesehen ist.[6]

[3] Gravenhorst, NZA 2023, S. 1425.
[4] Lüneborg, GmbHR 2023, S. 765.
[5] S. a. https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsschutz/erklaerung-arbeitsschutz.html, zuletzt aufgerufen am 3.7.2024. Bei den gem. § 18 ArbSchG verabschiedeten Verordnungen geht es bislang nur um Arbeitssicherheit.
[6] S. zur ganzen Thematik auch Gravenhorst, NZA 2023, S. 1425.

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