Für große – und deswegen oft auch sehr hierarchische – Firmen oder Konzerne ist es schwierig, sich komplett in ihrer Organisationsform zu verändern und Strukturen und Prozesse einfach abzuschaffen. Hinzu kommen auch nicht-disponible rechtliche Auflagen, z. B. durch die Rechtsform des Unternehmens. So sind in einem Konzern Genehmigungsverfahren und Compliance-Maßnahmen notwendig, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen und um Unternehmen, Geschäftsführer oder Vorstände nicht in eine Haftung geraten zu lassen. Entsprechend dieser Strukturen sind Mitarbeiter, die jahrelang in einem solchen – eher sicherheitsorientierten und entscheidungsoptimierten – Gefüge gearbeitet haben, eher daran gewohnt, sich selbst abzusichern und nicht autonom entscheiden zu können. Sie kennen es in der Regel nicht anders, als sich an Vorgaben zu orientieren, und haben vielleicht auch gelernt, dass Fehler sich schmerzhaft auf ihr Arbeitsverhältnis oder ihre Karriere auswirken oder unangenehme Konsequenzen wie Abmahnungen oder sogar Kündigungen auslösen können. Die Veränderung einer solchen Struktur dauert in der Regel viele Jahre. Zudem gibt es ja auch nicht die einzig richtige agile Organisationsform. Insofern können solche Veränderungsprozesse zu enormen Unsicherheiten bei Mitarbeitern und sogar bei Kunden führen.
Abb. 13: Kurve der Leistungsenergie bei Veränderungen (Grafik: Redmann 2017)
Einige Konzerne oder größere Firmen gehen dazu über, agile Bereiche oder solche, die es werden sollen, auszugliedern oder sogar ganz neu aufzubauen. Diese abgespaltenen Einheiten sind in der Regel klein, selbstorganisiert und mit Mitarbeitern besetzt, die man bewusst aufgrund ihrer ›agilen Haltung‹ ausgesucht hat. Kennzeichnend für ein solches agiles Mindset bei Mitarbeitern ist, dass sie offen für neue Arbeitsweisen sind, sich trauen, Vorhaben auszuprobieren, Fehler als Lernchance begreifen und dass sie mitentscheiden und auch selbstbestimmt tätig sein wollen.
Häufig ist in diesen neu- oder ausgegründeten Unternehmungen auch die Gesellschaftsform direkt darauf ausgelegt, dass alle Mitwirkenden zugleich auch beteiligt sind, so z. B. als Kommanditist bei einer GmbH & Co. KG. In diesem Fall besteht zudem die Besonderheit, dass bei einer Beteiligung von Mitarbeitern an einer Gesellschaft – z. B. als Kommanditisten – keine Arbeitsverhältnisse, sondern gesellschaftsrechtliche Verhältnisse vorliegen.
Der Vorteil einer solchen neuen oder ausgegründeten Gesellschaft besteht darin, dass hier von Anfang an eine vernetzte agile Organisation mit agilen Arbeitsweisen unter Gleichgesinnten entstehen kann.
Eine weitere Möglichkeit, derer sich in jüngerer Zeit insbesondere Konzerne und größere Unternehmen bedienen, ist es, innerhalb des Konzerns eigene Start-ups oder auch sogenannte Innovation Labs oder Digital Hubs zu gründen. Mit diesen Einheiten sollen organisatorische – und auch räumliche – Möglichkeiten geschaffen werden, um insbesondere innovativ sein zu können – und zwar außerhalb der schon existierenden Unternehmens- bzw. Konzernhierarchie. Klassische Unternehmensstrukturen werden als innovationshemmend wahrgenommen. Als innovationsfördernde Maßnahme werden daher innerhalb der bestehenden Strukturen kleine Einheiten geschaffen, in denen etwa von Beginn an Arbeitsverhältnisse weitestgehend demokratisiert sind und Mitarbeiter selbstbestimmt und partizipativ mitarbeiten. Ziel ist es, mit diesen Strukturen Netzwerke zu schaffen, die Innovation zulassen und begünstigen. Zudem sollten Abläufe und ein Ideenmanagement so gestaltet werden, dass sich eine Erneuerung überhaupt ermöglichen lässt. Unabhängig davon, ob in einem solchen ›unternehmenseigenen‹ Start-up oder Innovation Lab sich Organisationsformen, wie z. B. Holocracy oder Soziokratie, etablieren, ist allen diesen vernetzten und agilen Gefügen eines gemeinsam: Das Team und nicht der einzelne Mitarbeiter rückt stark in den Vordergrund. Neben der Organisation der Aufgaben gehört hier insbesondere auch die Gestaltung der gemeinsamen Zusammenarbeit als ein zentrales Thema dazu, z. B., welche Werte und Prinzipen im Team wichtig sind und wie sie gelebt werden wollen? Mitarbeiter, die hier tätig sind, führen sich oftmals völlig selbst. Selbstorganisierte Teams zeichnen sich dadurch aus, dass sie weitestgehend autonom und eigenverantwortlich handeln. Sie bestimmen selbst über die Arbeitsinhalte, also, was wann zu tun ist und wer am besten welche Aufgaben übernimmt. Die bisher klassische Aufgabe einer Führungskraft geht in der Selbstorganisation auf das Team über, wie:
- Arbeitsorganisation
- Personalauswahl
- Personalentwicklung
- Budgetplanung
Übersicht mögliche Themen für selbstorganisierte Teams |
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Arbeitsmethode + Arbeitsmittel (z. B. Anwendung agiler Methoden wie z. B. Scrum, Design Thinking, Tools zum Projektmanagement und zur Kommunikation untereinander, z. B. über Trello, Jira, Slack)
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