Freie Mitarbeiter können ebenfalls eingesetzt werden, um eine Organisation agil zu gestalten. Ein freier Mitarbeiter ist jemand, der selbstständig eine unternehmerische Tätigkeit für ein fremdes Unternehmen auf dienst- oder werkvertraglicher Grundlage ausführt. Um die Gefahr einer ›verdeckten‹ Arbeitnehmerüberlassung und der damit verbundenen rechtlichen Folgen zu vermeiden, ist diese Vertragsgestaltung als auch die tatsächliche Durchführung des Vertrages immer sorgfältig dahingehend zu prüfen und auch kontinuierlich zu managen, dass wirklich stets die Merkmale eines Werk- bzw. Dienstvertrages und nicht die Merkmale eines Arbeitnehmerüberlassungsverhältnisses vorliegen.
Freie Mitarbeiter sind keine Arbeitnehmer. Häufig arbeiten sie in der Praxis eng mit den Arbeitnehmern im Unternehmen zusammen, sind in Teams integriert und verwenden ebenso Technik und Arbeitsmittel – z. B. Büroräume, Telefon, Laptop, Labor, Werkstatt, Maschinen etc. – des Unternehmens. Der Unterschied zu Arbeitsverhältnissen besteht wiederum darin, dass Werk- und Dienstverträge rechtlich unproblematisch auf eine bestimmte Zeit und auf die Erbringung einer bestimmten Leistung abgeschlossen werden können. Es besteht kein Sozialversicherungsschutz beim freien Mitarbeiter – mit gewissen Ausnahmen bei sog. arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen – und er unterliegt auch nicht einem arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz. Die Einsätze sind daher sehr flexibel und nach dem jeweiligen konkreten Bedarf des Unternehmens möglich. Ferner bestehen nur Vergütungspflichten für eine tatsächlich erbrachte Leistung, Urlaub und Krankheit müssen daher nicht bezahlt werden. Der freie Mitarbeiter ist zudem in seiner Entscheidung, ob er einen Auftrag annimmt, immer ›frei‹. Dies entspricht im weitesten Sinne auch dem Gedanken des eigenverantwortlichen Handelns bei agilem Arbeiten.
Gefahr der Scheinselbstständigkeit
Aufzupassen ist bei einer ggf. dauerhaften Zusammenarbeit mit Selbstständigen, dass es nicht zu einer sogenannten Scheinselbstständigkeit kommt. Diese Gefahr droht, wenn der freie Mitarbeiter tatsächlich eher nicht selbstständige Arbeiten in einem Betrieb ausführt. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach bestimmten Abgrenzungskriterien, wie der Eingliederung in die Organisation beim Auftraggeber, dem Freiheitsgrad in der Ausübung seiner Leistung und auch, ob er keine anderen Auftraggeber hat als das ihn beauftragende Unternehmen. Das BAG führt hierzu aus:
Zitat
›Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. [...] Ebenso ist der Grad der persönlichen Abhängigkeit für die Abgrenzung von dem Rechtsverhältnis eines Werkunternehmers maßgeblich. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragspartner ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben.‹
Abb. 15: ›Externe‹ agile Organisationseinheit (Grafik: B. Redmann)
Ob also die Kriterien zur Begründung einer Arbeitnehmereigenschaft vorliegen, ist im Einzelfall zu prüfen. Bei einer solchen Prüfung wird insbesondere auch der neue § 611a BGB zu berücksichtigen sein.
Abb. 16: Kriterien zur Prüfung der Begründung einer Arbeitnehmereigenschaft (Grafik: Redmann 2017)
Sofern ein Rechtsverhältnis erst im Nachgang als Arbeitsverhältnis identifiziert wird – z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung – und der Mitarbeiter nicht mehr als Selbstständiger anerkannt wird, hat dies zur Konsequenz, dass rückwirkend von einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis ausgegangen wird. Für das Unternehmen hat dies zur Folge, dass sämtliche sozialversicherungsrechtlichen Beiträge und Steuerbeträge für die letzten vier Jahre nachzuzahlen sind (§ 25 SGB IV).