Soweit sich eine bestehende Organisation oder ein Organisationsteil in eine Netzwerkorganisation ändern soll, kann hiermit auch der Tatbestand einer Betriebsänderung erfüllt sein (§§ 111, 112, BetrVG). Als Änderung der Betriebsorganisation im Sinne des Gesetzes zählt es, wenn die betrieblichen Abläufe und Zuständigkeiten der Mitarbeiter, insbesondere auch die Leitungsverantwortung, so geändert werden, dass der Betriebsaufbau nicht mehr dem vorherigen Aufbau entspricht (§ 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG). Dies ist in der Regel der Fall, wenn Leitungsebenen wegfallen, sich die Hierarchie ändert und die Änderungen grundlegend sind. Was als ›grundlegend‹ zu verstehen ist, hat das BAG in einer Entscheidung beschrieben:
Zitat
›Grundlegend ist die Änderung, wenn sie sich auf den Betriebsablauf in erheblicher Weise auswirkt. Maßgeblich dafür ist der Grad der Veränderung. Es kommt entscheidend darauf an, ob die Änderung einschneidende Auswirkungen auf den Betriebsablauf, die Arbeitsweise oder die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer hat. Die Änderung muss in ihrer Gesamtschau von erheblicher Bedeutung für den gesamten Betriebsablauf sein. Nur dann ist die mit § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG verbundene Fiktion gerechtfertigt, dass die Maßnahme im Sinne von § 111 S. 1 BetrVG wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile davon zur Folge hat.‹
Ob von einem Nachteil auszugehen ist, hängt also vom Ausmaß der organisatorischen Änderung ab.
Bei der Frage nach den von einer solchen Änderung betroffenen Interessen der Mitarbeiter (§§ 111, 112, 113 BetrVG) ist darauf abzustellen, inwieweit eine Netzwerkorganisation im Vergleich zur bisherigen Organisationsform für die Mitarbeiter konkret nachteilig sein kann.
Hier könnte beispielsweise daran zu denken sein, dass Statusfragen eine Rolle spielen, wenn Hierarchien und Leitungsebenen abgeschafft werden. Möglicherweise sind auch gesundheitliche Aspekte zu berücksichtigen. Eine agile Organisation kann für einige Mitarbeiter vielleicht zu erhöhten psychischen Belastungen führen, wohingegen für andere diese Form des Arbeitens eher entlastend und motivierend ist. Beurteilungen hierzu lassen sich nur anhand der Situation im jeweiligen Unternehmen konkret vornehmen.
Sofern es dann zu dem Ergebnis kommen sollte, dass ein möglicher Nachteil gegeben ist, wäre dieser als Gegenstand in einem Interessenausgleich und Sozialplan entsprechend zu regeln.
Agile Transformation
Entscheidet nun ein Unternehmen, sich in seiner Organisationsform hin zu einer agilen – meist flacheren und flexibleren – Arbeitsorganisation zu verändern (oder besser: zu transformieren) kann dies schon mal zu der ein oder anderen Herausforderung führen. Das betrifft sowohl die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern als auch die Zusammenarbeit mit einem ggf. im Unternehmen bestehenden Betriebsrat. Im tradierten Management – typischerweise auch sehr vertreten in Deutschland – folgt eigentlich jede Veränderung einem detaillierten Plan. In der agilen Transformation folgt dagegen jeder Plan irgendwann immer der sich gestaltenden Veränderung. Das deutsche Arbeitsrecht hat dieser Plan-Psychologie in bemerkenswerter Weise Rechnung getragen, denn im BetrVG heißen ›die Pläne‹ ›Interessenausgleich‹ und ›Sozialplan‹. Und da diese Pläne durch Betriebsräte mitgestaltet werden, haben die Mitarbeiter auch keinen Kontrollverlust, da man anhand der Pläne – es sind halt unbestechliche objektivierte Maßstäbe – genau feststellen kann, wenn es zu riskanten und/oder auch nur ungewollten Abweichungen von diesen Plänen kommt.
Wie kann man nun angesichts einer solchen psychologischen und rechtlichen Ausgangslage eine ›agile Transformation‹ erfolgreich in die Wege leiten?
Agilität schafft und braucht auch eine bestimmte Unternehmenskultur. Sofern sich Unternehmen also dafür entscheiden, agil zu arbeiten, ist das ein Einzahlen auf eine Vertrauenskultur. Und damit dieses Vertrauen belastbar wird, sind bestimmte rechtliche Gesichtspunkte zu beachten. Rechtliche Regelungen schaffen Transparenz und Verbindlichkeit. Diese erzeugen Verlässlichkeit und erlebte und erfahrene Verlässlichkeit schafft Vertrauen.
Die oben erwähnte große agile Gestaltungsfreiheit verlangt von allen betrieblichen Akteuren also einen Mix besonderer Emotionen und Eigenschaften: Mut, Pioniergeist und mehr Kreativität zum Ausprobieren von praktischen Lösungen. Hier sind alle gefragt. Mitarbeiter, Personaler, Betriebsräte, Führungskräfte, Firmeninhaber ...
Einer alleine kann hier wenig bewegen: Eine agile Transformation lebt und vollendet sich durch ›das Gemeinsame‹.
Eine Organisation wird nicht von heute auf morgen ›ganz agil‹. Insofern empfiehlt es sich, die Themen zu priorisieren und ggf. auch abzuschichten. Es kann auch sinnvoll sein, einzelne Maßnahmenpakete zu verhandeln und mit Verfahrensvereinbarungen zu arbeiten.
Letztendlich wird so auch der Mitbestimmungsprozess zu einer ›agilen Zusammenarbeit‹.
Agiles To-do
- Bei der Einrichtung oder Änderung in eine Netzwerkorganisation ist de...