Hinsichtlich der Festlegung und der Verteilung von Arbeitszeiten gibt es sowohl Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu beachten als auch bei einer tariflichen Bindung ggf. bindende Normen des Tarifvertrages.

2.4.1 ›Agile‹ betriebliche Vereinbarung

Der Betriebsrat hat gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei Beginn, Ende und der Verteilung der täglichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen.[74] Das bezieht sich auch auf die Einführung und Ausgestaltung von Arbeitszeitmodellen. Das BAG[75] hat hierzu ausgeführt:

Zitat

›Die Festlegung des Ausgleichszeitraums für die Einhaltung der Wochenarbeitszeit sowie der Umfang der Schwankungsbreite eines Arbeitszeitkontos sind zwar nach § 87 I Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtig. (...) Nach dieser Vorschrift hat ein Betriebsrat mitzubestimmen bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das Mitbestimmungsrecht dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen.‹

Das Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG besteht allerdings nur insoweit, als abschließende zwingende gesetzliche oder tarifliche Regelungen fehlen.[76] Besteht eine zwingende Mitbestimmung des Betriebsrates, empfiehlt es sich, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen.[77] Der Vorteil ist, dass damit eine betriebliche Regelung geschaffen werden kann, die für alle Beteiligten transparent und verlässlich ist. Dadurch entsteht einerseits ein rechtssicherer Handlungsrahmen, innerhalb dessen gleichzeitig ein flexibler Spielraum möglich ist.[78] Zusätzlich kann durch solche verlässlichen Spielregeln bei Mitarbeitern das Gefühl des Vertrauens gestärkt werden.

[74] Richardi, BetrVG/Richardi, 16. Aufl. 2018, BetrVG § 87 Rn. 257.
[75] BAG, Urteil vom 26.09.2017, NZA 2018, 194; BAG, Beschl. v. 17.11.2015 – 1 ABR 76/13 = NZA 2016, 247.
[76] Richardi, BetrVG/Richardi, 16. Aufl. 2018, BetrVG § 87 Rn. 263–274; ErfK/Kania, 19. Aufl. 2019, BetrVG § 87 Rn. 39–41.
[77] Siehe Interview mit Dr. Wolf Wehner (Deutsche Telekom) im Beitrag "Erfahrungen aus agilen Unternehmen".
[78] Siehe Interview mit Prof. Dr. Gunther Olesch (Phoenix Contact) sowie mit Karl-Heinz Hageni (IG Metall) im Beitrag "Erfahrungen aus agilen Unternehmen"; siehe auch Fay, Wagner, Wick, Flexibel in der Zeit, Arbeit im Betrieb, 5/2019, S. 14, 16.

2.4.2 Agilität durch Tarifvertrag

Arbeitszeiten sind auch ein Kernelement in Tarifverträgen. Da hier dann ebenfalls zwingende Regelungen vorliegen, sind Unternehmen und Mitarbeiter, soweit der Tarifvertrag für sie gilt, daran gebunden. Das bedeutet, tarifliche Vorschriften zur Arbeitszeit sind verbindlich im Unternehmen zu beachten. Ausnahmen können sich aber ergeben, sofern in dem betreffenden Tarifvertrag Öffnungsklauseln vorgesehen sind, in deren Rahmen Unternehmen dann ggf. betriebliche Regelungen mit dem Betriebsrat oder mit Arbeitnehmern treffen können.

Agiles Arbeiten gewinnt zunehmend auch an Gewicht bei den Verhandlungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften.[79] Es ist daher davon auszugehen, dass sich flexible bzw. agilitätskompatible Regelungen, z. B. zur Arbeitszeit, zukünftig auch verstärkt in Tarifverträgen wiederfinden werden.[80] Beispielhaft ist der TV MobA in der Metall- und Elektroindustrie zu nennen, der z. B. eine Reduzierung der Ruhezeit von elf auf neun Stunden ermöglicht.[81] Hier ist ein deutlicher Trend erkennbar, der sich wahrscheinlich künftig noch ausweiten wird.[82]

Sofern es tarifliche Bestimmungen gibt, können diese – wie oben schon zu den betrieblichen Regelungen angemerkt – einen besonders rechtssicheren Handlungsrahmen schaffen, der dann einen Spielraum für betriebliches agiles Wirken ermöglicht. Tarifverträge bilden heute schon eine große Varianz an Regelungsmöglichkeiten ab.[83] So reicht die Bandbreite von Wochenarbeitszeiten von z. B. 34 Stunden bei der Deutschen Telekom bis hin zu 40 Stunden im Bauhauptgewerbe.[84] In vielen Tarifverträgen gibt es ›Zeitkorridore‹, die variieren können. So kann beispielsweise in der Metall- und Elektroindustrie zwischen 35 und 40 Stunden pro Woche gearbeitet werden. In anderen Branchen sind darüber hinaus Wochenarbeitszeiten von 50 Stunden möglich als auch Arbeitstage, die bis zu 10 Stunden dauern dürfen.[85] Ähnliches gilt für Überstunden. Innerhalb solcher Bandbreiten können sinnvolle betriebliche Gestaltungen vorgenommen werden.

Anders als bei jeweils individuellen Vereinbarungen bieten kollektive –insbesondere tarifliche – Vereinbarungen eine sehr rechtssichere und damit auch vertrauensvolle Grundlage, die ggf. auch eine optimierte Reaktionsgeschwindigkeit ermöglichen kann und den Verhandlungsaufwand im Einzelfall reduziert.

 

Agiles To-do

  • Klärung des betrieblichen Bedarfs (z. B. Umfang, Auslastung, Erreichbarkeitszeiten)
  • Klärung Wunsch des Mitarbeiters (Reduzierung, befristeter Zeitraum, Hintergrund)
  • Mithilfe von individuellen Vereinbarungen Freiräume schaffen
  • Ausschöpfen der gesetzlichen...

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