Zentrales Charakteristikum für agile Prozesse ist neben der Umstellung auf ein iterativ-inkrementelles Verfahren in erster Linie die Umverteilung von Verantwortung innerhalb des Prozesses. Während es in klassischen Projektstrukturen eine klare Top-Down-Befehlskette gibt und Prozessverantwortung und Entscheidungsgewalt ausschließlich auf der Managementebene liegen, zeichnen sich agile Prozesse dadurch aus, dass Entscheidungen dort und von denen getroffen werden, wo sie den größten Wirkungsgrad und die schnellste Reaktion ermöglichen. Man macht sich hier nicht von einzelnen Personen aufgrund der Hierarchieebene abhängig und vermeidet so die Verringerung von Geschwindigkeit und Flexibilität. Vielmehr werden Entscheidungen im Team getroffen, da das Team durch die tägliche Arbeit am dichtesten an Prozess und Produkt dran ist und somit auch am ehesten über die für die Entscheidung notwendigen Informationen verfügt. Darüber hinaus kann sich das Team durch die Möglichkeit der direkten Einflussnahme stärker mit dem Produkt identifizieren, was letztlich zu einer höheren Verantwortung für die Qualität des Produkts führt.

Durch die Tatsache, dass das Team mit einem hohen Grad an Verantwortung für sich selbst und der Umsetzung des Prozesses betraut ist, wird von ihm ein hoher Grad an Selbstorganisation verlangt. Die Führungskraft mischt sich in dem Sinne nicht mehr darin ein, wie sich das Team bestmöglich organisiert, um die Anforderungen zu bewältigen, sondern dies liegt einzig und allein in der Hand des Teams. Es besteht zwar die Möglichkeit, sich in dieser Frage Unterstützung durch den Scrum bzw. Agile Master zu holen, an sich organisiert sich das Team in seiner Arbeit jedoch komplett eigenständig und pflegt somit das Prinzip der Selbstorganisation.

 
Wichtig

Ermächtigung der Mitarbeiter

Betrachtet man die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich der Motivation von Menschen[9], untermauert dies die Prozessverschiebung hinsichtlich der Ermächtigung der Mitarbeiter und die Verleihung von Verantwortung. Dan Pink beschreibt in seinem Buch "Drive" den Faktor "Autonomy", der Menschen motiviert. Hinter diesem Begriff verbirgt sich der Wunsch, selbstbestimmt entscheiden und handeln zu können. Auch die anderen beiden Faktoren, die Pink nennt, spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle. Das Streben nach "Mastery", also der Drang, seine Fähigkeiten immer weiter zu verbessern, treibt Menschen ebenso an wie das Streben nach "Purpose", also einem Sinn und Zweck für das eigene Tun. Durch die Übertragung von Verantwortung und die Ermächtigung, Dinge selbst entscheiden und gestalten zu dürfen, werden alle diese Antriebe unterstützt und die Motivation der Mitarbeiter auf diese Art gesteigert.

[9] Vgl. Pink, Daniel H. (2010): Drive. The surprising truth about what motivates us. Canongate Books, Edinburgh.

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