Es gibt nicht die eine agile Organisation. Allerdings gibt es bestimmte Elemente, die Agilität prägen. Dazu gehören Werte, die Orientierung geben, eine eigenverantwortliche Haltung in der Zusammenarbeit, eine vielseitige Führung und eine kontinuierliche Reflexion, um aus Erfahrungen zu lernen und Veränderungen erfolgreich zu begegnen.
2.1 Wertorientierung
Dadurch, dass sich der traditionelle Managementrahmen, der Verantwortung und Aufgaben von oben nach unten delegiert, auflöst, bedarf es in einem agilen Umfeld einer anderen Orientierung. Diese Orientierung findet über Werte statt. Sie sind sozusagen die Leitsterne, an denen sich alle Mitarbeiter ausrichten können. Werte sind daher Teil der Strategie und wirken gleichzeitig unmittelbar auf die Kultur ein.
Es geht darum, an Werten festzumachen, was für den Unternehmenserfolg entscheidend und für die Zusammenarbeit wichtig ist. Eine Organisation, die agil werden möchte, sollte sich also Gedanken über ihre Werte machen und diese für sich festlegen. Bedeutet dies, dass Leitbilder und Führungsgrundsätze ad acta gelegt werden können? Nicht unbedingt! Denn höchstwahrscheinlich sind diese auf Basis von Werten entwickelt worden, die mehr oder weniger bewusst oder unbewusst in einem Unternehmen gelten. Werte machen Leitbilder, Führungsgrundsätze und Regeln zur Zusammenarbeit nicht überflüssig: Es gilt, die ›neu‹ entwickelten Werte mit den etablierten abzugleichen und eine Passung herzustellen – sofern diese nicht bereits gegeben ist. Im besten Fall dient somit eine Werteentwicklung der gründlichen Auseinandersetzung und einem Check-up der bisherigen Unternehmenskultur.
2.2 Prinzip Eigenverantwortung
Ein weiteres Merkmal von Agilität ist eine besondere Form der Zusammenarbeit. Diese wird konsequent daran ausgerichtet, was für den Erfolg dienlich ist. Teams finden sich und lösen sich wieder auf, und das in einem kontinuierlichen Prozess. Die Teamzusammensetzung erfolgt immer unter dem Aspekt der aktuellen Nützlichkeit. In der Praxis wird geschaut, wer welche Kompetenz besitzt, um bestimmte Aufgaben zu lösen, und wer sich dieser Aufgabe verantwortlich annimmt. Der Mitarbeiter übernimmt selbstverantwortlich die Entscheidung, was er tut und wie er es tut – ausgerichtet an den Unternehmenszielen und Werten. Es ist seitens der Unternehmensführung sicherzustellen, dass alle an einem Strang ziehen bzw. alle dasselbe Ziel, dieselbe Richtung verfolgen. Hierarchien, Abteilungen sowie permanente Zuständigkeiten sind nicht zwingend vorhanden. Sichere Strukturen im Sinne von unveränderlichen Gefügen gibt es nicht. Klassische Ablauforganisationen können sich dadurch auflösen – dort, wo es sinnvoll ist. Stattdessen kann eine vernetzte Zusammenarbeit sinnvoll sein. Sowohl eine ausgeprägte Konfliktkompetenz als auch die große Lust an und die Bereitschaft zur Veränderung sind allerdings Voraussetzung.
Der Kunde ist dabei Teil des Unternehmenssystems und ist nicht mehr außen vor. Er wird aktiv in die Produktentwicklung und die Dienstleistung einbezogen. Kundenorientierung ist ein wesentlicher Erfolgsgarant. Das bedeutet: Die Leistung jedes Einzelnen muss immer dem Kunden nutzen. Führungsverantwortliche – soweit es sie in dem Sinne noch gibt – sorgen hauptsächlich für ein Umfeld, in dem diese Vernetzung gelebt werden kann, und befähigen ihre Mitarbeiter in der Entwicklung zum Mit-Unternehmer.
2.3 Führungskraft – Scout und Pionier
Aus den vorangegangenen Überlegungen ergibt sich auch ein agiles Führungsverständnis. Die agile Führungskraft hat daher vier wesentliche Herausforderungen zu meistern und zu verantworten:
- Herausforderung hinsichtlich der Arbeitsweise,
- Herausforderung hinsichtlich der eigenen Persönlichkeit,
- Herausforderung hinsichtlich der Organisation,
- Herausforderung hinsichtlich der Führung.
Abb. 8: Die Herausforderungen der agilen Führungskraft (Grafik: B. Redmann 2017)
Führungskräfte sind daher Wegbereiter der neuen Zusammenarbeit. Und einen Wegbereiter zeichnet vor allem Mut aus, Neugier und Entdeckergeist. Das heißt, als agile Führungskraft ist man stärker als bisher gefordert, mit Unsicherheiten und Veränderungen umzugehen und diesen Herausforderungen in einer der eigenen Persönlichkeit entsprechenden Art und Weise zu begegnen. Hier gibt es kein ›genau so haben wir es immer schon gemacht‹. Agile Führungskräfte zeichnen sich dadurch aus, dass sie Organisationen und Zusammenarbeit so gestalten, dass sich der einzelne Mitarbeiter weitgehend autark und selbstbestimmt steuern kann. Das betrifft andere Mitarbeiter ebenso wie die Führungskraft selbst: Denn erst wenn Führungskräfte genau das (vor-)leben, wozu sie andere durch ihr Führungsverhalten animieren wollen, kann man von einer ganzheitlichen agilen Zusammenarbeit sprechen.