Zusammenfassung
1 Spannungsverhältnis zwischen Kultur und Recht
Damit alle Spielräume so weit wie möglich erschlossen werden können, ist es wichtig, auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen, in denen sich Arbeitgeber bewegen. Sind diese bekannt, kann in diesem Feld schöpferisch und rechtssicher gestaltet werden. Unsere unternehmerische Arbeitswelt ist in der Regel durch Arbeitsverhältnisse geprägt: Ein abhängig Beschäftigter – der Arbeitnehmer – wird für einen Unternehmer – den Arbeitgeber – tätig. In diesem dauerhaften, auf Austausch angelegten Vertragsverhältnis folgt das sogenannte Individualarbeitsrecht der vertraglichen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das sogenannte kollektive Arbeitsrecht betrifft das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und/oder knüpft tarifrechtlich an ein durch Koalitionsbildung statuiertes Arbeitnehmerkollektiv an. Durch die oben beschriebenen Veränderungen in der Arbeitswelt verändern sich auch die Organisationsstrukturen in den Unternehmen. Der Trend geht weg von einer hierarchischen Form hin zu einer Netzwerkbildung. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Rollen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Sie verlieren ihre bisherige Kontur. Die Bewältigung dieser Veränderungen in der Arbeitsbeziehung zwischen Unternehmen, Mitarbeitern und Betriebsräten stellt das Arbeitsrecht vor neue Herausforderungen. Das Ziel der nachfolgenden Betrachtungen liegt daher in der Verbindung einer agilen Veränderung der Arbeitswelt und deren rechtssicheren Umsetzung. Beides soll in Unternehmen sinnvoll koexistieren und zum gewünschten Erfolg beitragen.
Die Frage nach dem Nutzen von Agilität muss jedes Unternehmen jedoch für sich selbst prüfen und entscheiden. Dies hängt sehr eng mit dem Unternehmenszweck und dem eigenen Leistungsverständnis zusammen. Es kann und sollte daher nicht pauschal betrachtet werden, sondern bedarf einer sorgfältigen, bewussten Entscheidung. Dies bezieht sich auf alle erwähnten Aspekte von möglichen agilen Maßnahmen oder Handlungsfeldern. Vor der Einführung – und meistens damit verbunden auch vor der Abschaffung bestehender Regelungen – sollten Unternehmen eine Bestandsaufnahme hinsichtlich des Bedarfs agiler Arbeitsweisen und deren Nutzen durchführen. Zu prüfen ist auch, ob es vielleicht unternehmerische Notwendigkeiten gibt, die einer Einführung entgegenstehen.
Agilität schafft und braucht auch eine bestimmte Unternehmenskultur. Sofern sich Unternehmen also dafür entscheiden, in die eigene Agilitätskompetenz zu investieren, bedeutet dies ein Einzahlen auf eine Vertrauenskultur. Und damit dieses Vertrauen auch unternehmerisch trägt, sind bestimmte rechtliche Gesichtspunkte zu beachten. Denn rechtliche Verlässlichkeit schafft Vertrauen.
Agilität bewegt sich in einem Spannungsverhältnis von unternehmerischer Notwendigkeit, Kultur und Recht.
2 Arbeitsrecht und agiles Arbeiten
Das Wissen über die rechtlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen von agilem Arbeiten im Unternehmen soll eine Basis bereiten, um dann in der unternehmerischen Praxis rechtskonformes und nachhaltiges agiles Arbeiten erfolgreich umzusetzen und dabei rechtliche Fallstricke möglichst zu vermeiden.
Wenn wir ›agiles Arbeiten im Unternehmen‹ betrachten, dann geht es im Wesentlichen um rechtliche Belange, die Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern in Unternehmen betreffen. Ein Schwerpunkt in den folgenden Ausführungen wird sich daher auf agiles Arbeiten im Rahmen von Arbeitsverhältnissen beziehen. Das beinhaltet im Wesentlichen das Arbeitsrecht mit seinen unterschiedlichen Gesetzen.
Das Arbeitsrecht ist ein Teil des Zivilrechts und betrifft die Rechtsbeziehung zwischen Mitarbeitern und Arbeitgebern in Unternehmen. Sofern also agil zwischen diesen zusammengearbeitet wird, hat dies immer auch arbeitsrechtliche Auswirkungen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) beschreibt den Sinn und Zweck des Arbeitsrechts sehr treffend:
Zitat
›Die deutsche Wirtschaftsordnung kennt zwei Hauptakteure: Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Das Arbeitsrecht gewährt dabei seit jeher den Arbeitnehmern aus Gründen der wirtschaftlichen und strukturellen Unterlegenheit einen besonderen Schutz. Arbeitsrecht ist also in erster Linie ein Arbeitnehmerschutzrecht. ‹
Dieser Grundsatz gilt auch bei der Betrachtung der Wirksamkeit von neuen agilen Strukturen, Arbeitsweisen oder Organisationsformen. Auch wenn diese als Lösung geeignet sind, die gegenwärtigen Bedürfnisse von Unternehmen zu erfüllen und ihre Wirtschaftlichkeit zu sichern, wird immer gleichermaßen zu scha...