Auch der gesetzliche Unfallversicherungsschutz entfällt durch eine Krankschreibung nicht per se. Maßgeblich für den Versicherungsschutz ist vielmehr, ob es sich um einen Arbeitsunfall handelt. Entscheidend ist, ob der Versicherungsfall (auch) durch betriebliche Umstände herbeigeführt, bzw. beeinflusst wurde. Dies ist der Fall, wenn der Versicherungsfall im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht. Der Versicherungsschutz kann demnach dann beeinflusst werden und ggf. entfallen, wenn es zu einem Unfall des Arbeitnehmers kommt, der ausschließlich auf eine innere Ursache des Arbeitnehmers zurückzuführen ist und nicht im Zusammenhang mit der Tätigkeit steht und durch die Tätigkeit nicht verschlimmert oder intensiviert wird. Innere Ursachen sind solche, die auf die körperliche Verfassung und/oder krankhafte Erscheinungen beruhen, z. B. Herzinfarkt, Kreislaufschwäche (Schwächeanfall auf dem Arbeitsweg). Wird eine arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit mitursächlich für den Schaden, bleibt der Versicherungsschutz auch in diesem Fall bestehen und kann maximal gekürzt werden.
Arbeitsunfall
Stürzt ein Arbeitnehmer aufgrund eines Schwächeanfalls zu Boden, wird regelmäßig nicht von einem Arbeitsunfall ausgegangen. Anders verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt seines Sturzes auf einer Leiter stand und sich dadurch schwerere Verletzungen zugefügt hat. Hier wird man von einem Arbeitsunfall ausgehen können.
Wegeunfall
Begibt sich ein Arbeitnehmer trotz Krankschreibung zur Arbeit und ereignet sich auf dem Weg ein Unfall, schließt die AU-Bescheinigung den Unfallversicherungsschutz nicht zwingend aus. Grundsätzlich sind auch die Wege von und zur Arbeit unter denselben Voraussetzungen wie ein Arbeitsunfall vom Versicherungsschutz umfasst. Der Unfallversicherungsschutz erfasst das auf dem Arbeitsweg wesentlich durch die arbeitsvertragliche Tätigkeit gesetzte Gefahrenrisiko der Fortbewegung (Teilnahme am Verkehr). Maßgeblich ist, dass der Arbeitnehmer den Weg aufgrund der vertraglich geschuldeten Tätigkeit zurücklegt und andere Ursachen für das Zurücklegen des Weges in den Hintergrund treten; dies gilt unabhängig davon, ob zu dem Zeitpunkt eine Krankschreibung vorlag. Etwas anderes kann gelten, wenn der Arbeitnehmer einer objektiven Fehleinschätzung hinsichtlich seiner Genesung unterliegt und die wesentliche Ursache für den eingetretenen Unfall in den Folgen der Erkrankung liegt.
Arbeitsaufnahme trotz Krankschreibung
Herr Müller hat eine Erkältung. Sein Hausarzt stellt ihm für 4 Tage eine AU-Bescheinigung aus. Bereits am Morgen des 3. Tages ist Herr Müller wieder fit. Er entscheidet sich, seine Arbeit trotz der Krankschreibung aufzunehmen. Auf dem Weg von seiner Wohnung zur Arbeit nimmt ihm ein Motorradfahrer die Vorfahrt. Es kommt zu einem Unfall, bei dem sich Herr Müller seinen rechten Arm bricht. Sein Arbeitgeber verweist Herrn Müller auf die AU-Bescheinigung und behauptet, er hätte sich noch nicht wieder zur Arbeitsstätte begeben dürfen. Es liege daher kein Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII vor, da sich der Unfall während der Krankschreibung ereignete.
Die Ansicht seines Arbeitgebers verfängt nicht. Herr Müller befand sich auf unmittelbarem Weg von seinem Wohnort zur Arbeitsstätte, als sich der Unfall ereignete. Die Arbeitsstätte suchte er auf, um seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Herr Müller war zum Zeitpunkt des Unfalls nicht mehr arbeitsunfähig. Auch hier gilt, dass von einer ärztlichen AU-Bescheinigung nicht zwingend auf eine Arbeitsunfähigkeit geschlossen werden kann. Die Krankschreibung enthält ausschließlich einen prognostizierten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit. Herr Müller war zur vorzeitigen Arbeitsaufnahme nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet. Es liegt daher ein Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII vor.
Absprache
Begibt sich ein Arbeitnehmer trotz bestehender Krankschreibung vorzeitig und erstmalig wieder zur Arbeit, sollte dies gegenüber dem Arbeitgeber kommuniziert werden. So können nachträgliche Streitigkeiten um die Frage eines Wegeunfalls vermieden werden. Auch kann dadurch Einvernehmen über die objektive Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers hergestellt werden.