4.1 Grundsätze

Führt die Pflichtverletzung eines Arbeitnehmers zu einem Personenschaden bei einem betriebsfremden Dritten, gilt: ein Anspruch des Geschädigten folgt ohne Einschränkungen aus allgemeinem Deliktsrecht[1], der Arbeitnehmer hat jedoch gegenüber seinem Arbeitgeber einen internen Anspruch auf Freistellung nach den oben dargestellten Grundsätzen der Haftungsprivilegierung im Arbeitsrecht.

Kommt es dagegen zur Verletzung eines betriebsangehörigen Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers selbst (als natürliche Person) gelten weitere Besonderheiten: ein Schadensersatzanspruch gegen den schädigenden Arbeitnehmer entfällt weitgehend, an seine Stelle tritt ein Schadensersatzanspruch gegenüber der Unfallversicherung nach weiterer Maßgabe der §§ 105 ff. SGB VII. Zweck der gesetzlichen Haftungsfreistellung ist die Gewährleistung eines dauerhaft solventen Haftungsverpflichteten sowie die Vermeidung von betriebsinternen Konflikten.

4.2 Voraussetzungen der Haftungsfreistellung

Voraussetzung der Haftungsfreistellung ist, dass das Schadensereignis bei einer betrieblichen Tätigkeit aufgrund eines Arbeitsunfalls eingetreten ist. Ausgeschlossen ist die Freistellung jedoch bei vorsätzlichem Handeln des Schädigers bzw. bei Eintritt des Schadensereignisses auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII versicherten Weg.

4.2.1 Schadenseintritt bei betrieblicher Tätigkeit

Das schädigende Ereignis muss im Zusammenhang mit einer betrieblichen Tätigkeit stehen. Daran fehlt es bei rein privatem Handeln des schädigenden Arbeitnehmers. Nicht erforderlich ist, dass der Schädiger selbst Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung ist. Entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen übernimmt auch die Unfallversicherung nicht die Freistellung des Arbeitnehmers vom allgemeinen Lebensrisiko. Nicht (mehr) betrieblich veranlasst sind Tätigkeiten, bei denen das Eigeninteresse des Arbeitnehmers im Vordergrund steht.

Eine betriebliche Tätigkeit scheidet ebenfalls aus bei privaten Streitigkeiten zwischen Beschäftigten (Schlägerei am Arbeitsplatz aus privatem Anlass).[1]

[1] BAG, Urteil v. 19.3.2015, 8 AZR 67/14: Verletzung durch Werfen mit einem ca. 10 g schweren Wuchtgewicht für Autoreifen.

4.2.2 Geschützter Personenkreis

Die Haftungsfreistellung setzt weiterhin voraus, dass ein Arbeitnehmer desselben Betriebs bzw. der Arbeitgeber selbst geschädigt wurde. Entscheidend wird zunächst auf die betriebliche Eingliederung abgestellt; es reicht die Tätigkeit "wie ein Beschäftigter", wie aus § 2 Abs. 2 SGB VII hervorgeht.[1] Der diesbezügliche Betriebsbegriff ist jedoch noch weiter gefasst – letztlich kommt es allein auf den funktionalen Zusammenhang gemeinsamer betrieblicher Tätigkeiten an.[2] Neben der herkömmlichen arbeitsrechtlichen Betriebszugehörigkeit ist dies auch zu bejahen bei:

  • Einsatz von Leiharbeitnehmern[3],
  • Angehörigen verschiedener Unternehmen, die z. B. auf einer Baustelle (ARGE Bau) auch ohne konkrete rechtliche Vereinbarung tatsächlich miteinander zusammenarbeiten[4] und eine sog. "Gefahrengemeinschaft" bilden[5],
  • kurzfristiger und spontaner Mithilfe,
  • Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland.[6]

Zur betrieblichen Tätigkeit gehört auch der Weg zwischen Arbeitsplatz und Werkstor.[7] Zum Betriebsweg nach § 8 Abs. 1 SGB VII gehört auch die Fahrt zu einer auswärtigen Baustelle.[8]

4.2.3 Ausschlusstatbestände

Eine Verpflichtung zum Ersatz eines Personenschadens seitens der Unfallversicherung scheidet bei vorsätzlicher Herbeiführung des Unfalls aus. Dies setzt Vorsatz bezüglich Verletzungshandlung und Verletzungserfolg voraus.[1] Ein Vorsatz liegt in Bezug auf den Verletzungserfolg bereits vor, wenn der Schädiger sein Vorhaben trotz starker Gefährdung der betroffenen Arbeitnehmer durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und er das Nichteintreten des Schadens allein dem Zufall überlässt.[2]

Bedingter Vorsatz genügt insoweit.[3]

Ausgeschlossen ist die Haftungsfreistellung auch bei einem Wegeunfall i. S. v. § 8 Abs. 2 SGB VII. Kein Wegeunfall sind Fahrten auf dem Werks- oder Betriebsgelände, die dem Zweck dienen, die Arbeitnehmer bei der Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Aufgaben zu unterstützen.[4]

Schmerzensgeld kann der geschädigte Arbeitnehmer von der Unfallversicherung grundsätzlich nicht verlangen. Insoweit kommt allein ein Anspruch gegen den Schädiger in Betracht, sofern dieser nach den genannten Grundsätzen haftet.

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