Zusammenfassung
Täuscht ein Arbeitnehmer bewusst über die Erbringung seiner Arbeitsleistung, liegt ab der ersten Minute ein Arbeitszeitbetrug vor. Dem Arbeitgeber wird suggeriert, dass Arbeitsleistung in einem bestimmten Umfang erbracht wurde, obwohl dem Arbeitnehmer bewusst ist, dass er die Arbeitsleistung nur in einem geringeren Umfang oder gar nicht erbracht hat.
Mit der Unterzeichnung eines Arbeitsvertrags entstehen für beide Arbeitsvertragsparteien bestimmte Rechte und Pflichten nach den §§ 611a ff. BGB. Durch Arbeitszeitbetrug kann ein Arbeitnehmer sowohl gegen Haupt- als auch gegen Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßen.
1 Ausgangslage
Mit der Unterzeichnung eines Arbeitsvertrags entstehen für beide Arbeitsvertragsparteien bestimmte Rechte und Pflichten. Zu diesen gehört unter anderem die Pflicht, die vertraglich geschuldete Leistung in dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitszeitumfang zu erbringen.
Während der Arbeitszeit sind alle privaten Tätigkeiten grundsätzlich untersagt. Aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers sind jedoch gelegentliche und kurzweilige Verfolgungen privater Tätigkeiten während der Arbeitszeit gestattet und stellen keine Pflichtverletzung dar. Geht der Arbeitnehmer jedoch über diese Ausnahme hinaus während der Arbeitszeit eigenen Interessen nach und arbeitet nicht, verstößt er gegen seine Hauptleistungspflicht. Erfasst der Arbeitnehmer außerdem die Unterbrechungen der Arbeitsleistung nicht zutreffend, verstößt er damit zudem gegen eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis.
Für einen Arbeitszeitbetrug muss der Arbeitnehmer bewusst über die Erbringung seiner Arbeitsleistung täuschen. Er suggeriert dem Arbeitgeber, seine Arbeitsleistung in einem bestimmten Umfang erbracht zu haben, obwohl er sich darüber bewusst ist, dass er die Arbeitsleistung nur in einem geringeren Umfang oder gar nicht erbracht hat. Beim Arbeitgeber muss die Fehlvorstellung hervorgerufen werden, der Arbeitnehmer hätte einen Anspruch auf die entsprechend höhere Vergütung. Durch die Zahlung der überhöhten Vergütung, für die er keine Gegenleistung erhalten hat, entsteht dem Arbeitgeber ein finanzieller Schaden.
Keine Erheblichkeitsschwelle
Eine Erheblichkeitsschwelle, die für die Annahme eines Arbeitszeitbetrugs erreicht werden müsste, existiert nicht. Täuscht der Arbeitnehmer bewusst über die Erbringung seiner Arbeitsleistung, liegt ab der ersten Minute ein Arbeitszeitbetrug vor. Es können daher auch schon Verstöße im Umfang von wenigen Minuten wirksame arbeitsrechtliche Maßnahmen rechtfertigen.
2 Erscheinungsformen
Der Arbeitszeitbetrug tritt grundsätzlich in 2 Erscheinungsformen auf:
- Der Arbeitnehmer erbringt während der vereinbarten Arbeitszeit seine Arbeitsleistung vertragswidrig nicht in dem geschuldeten Umfang, ohne dies gegenüber dem Arbeitgeber kenntlich zu machen, oder die Arbeitszeit nachzuholen und erhält die volle Vergütung. Hierbei handelt es sich um ein "passives Verhalten" des Arbeitnehmers, weil er die gebotene Mitteilung über die Unterschreitung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung an den Arbeitgeber unterlässt.
- Die Abweichung zwischen der tatsächlichen von der geschuldeten Arbeitsleistung wird dem Arbeitgeber bewusst vorenthalten, indem durch eine entsprechende Einwirkung auf die Arbeitszeiterfassung suggeriert wird, die Arbeitsleistung sei in vollem Umfang erbracht worden. Hier handelt der Arbeitnehmer entweder aktiv, indem er auf die Zeiterfassung manipulativ einwirkt, oder passiv, indem er sich z. B. für die Zeiten, in denen er keine Arbeitsleistung erbringt, nicht aus dem Zeiterfassungssystem ausloggt oder ausstempelt.
Verschiedene Fallgestaltungen in der Praxis:
- Missbrauch der Stempeluhr; Manipulation z. B. durch Verdecken des Chips, damit Pausenzeiten nicht erfasst werden
- Falsches Ausstellen von Formularen zur Arbeitszeit
- Bestätigung von zu viel Arbeitsstunden durch Unterschrift von Vorgesetztem auf Zeiterfassungskarten
- Beantragung einer Korrektur der Zeiterfassung bei bestehendem Stempelsystem
- Fehlerhafte Angabe von Mehrarbeit: Eintragung von Überstunden, die tatsächlich nicht geleistet wurden
- Private Telefonate während der Arbeitszeit oder private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit
- Nutzung von Softwarelösungen oder sog. "Jigglern", die Mausbewegungen simulieren, um eine Anwesenheit am PC vorzutäuschen
- Keine ordnungsgemäße Erfassung der Raucherpausen
Arbeitszeitbetrug durch Arbeitgeber
Möglich ist auch ein arbeitgeberseitiger Arbeitszeitbetrug. Ein solcher kann vorliegen, wenn z. B. Zeiterfassungssysteme mit dem Ziel manipuliert werden, von Arbeitnehmern erbrachte Mehrarbeit nicht vergüten zu müssen. Sollten Anhaltspunkte/Beweise hierfür vorliegen, können Arbeitnehmer den Betriebsrat einschalten oder gerichtlich gegen den Arbeitgeber vorgehen.