Tenor
I.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 176,15 EUR (in Worten: einhundertsechsundsiebzig 15/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 12.01.2021 zu zahlen.
II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 81 % und die Beklagte 19 %.
IV.
Die Berufung wird für die Beklagte nicht zugelassen.
V.
Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf 911,99 EUR bei einem Gebührenstreitwert in Höhe von 926,56 EUR.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Der Kläger war vom 01.04.2018 bis 30.09.2020 als Sicherheitsmitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt.
Für den Zeitraum vom 26.08.–30.08.2020 sowie vom 05.09.–09.09.2020 übermittelte der Kläger der Beklagten von der in Hamburg ansässigen Gynäkologin Dr. med. A. ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
Dr. A. stellte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen anhand der vom Kläger online auf der Seite „www.au-schein.de” getätigten Angaben aus; es fand weder ein persönlicher noch telefonischer Kontakt zwischen ihr und dem Kläger statt. Die Website ermöglicht gegen Zahlung einer Gebühr in Höhe von 14 EUR den Erhalt einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als PDF ausschließlich im Wege der Fernbehandlung. Entsprechend dem Angebot der Website „www.au-schein.de” gelangt man „in 3 Schritten zur AU”; dort heißt es wörtlich:
„Fragebogen beantworten
jederzeit, ohne Registrierung & datengeschützt. Du bestimmst Beginn & Dauer der AU für bis zu 7 Tage
Arzt erstellt PDF
Mo-Fr von 8:00–9:30 Uhr & 13:00–14:30 Uhr vom Privatarzt in Hamburg ohne Arztgespräch. Bei bestimmten Erkrankungen wählst Du im Fragebogen einen Kassenarzt, der Dich dann zu seinen dort angezeigten Zeiten anruft oder per SMS zum Videochat einlädt.
PDF runterladen
Sofort danach erhältst Du eine Email + SMS-Code, um alle Versionen Deiner AU als PDF-Dateien runterzuladen. Optional erhältst Du die AUs auch sofort per Post.”
(https://www.au-schein.de/)
Nutzer der Website werden aufgefordert, zunächst eine von zwölf Grunderkrankungen auszuwählen und anschließend verschiedene vorformulierte Fragen, insbesondere zu Symptomen, zu beantworten. Dem Nutzer werden dazu vorgegebene Antwortmöglichkeiten und Symptome zur Auswahl angeboten. Die ärztliche Anamnese beruht im Regelfall ausschließlich auf den Antworten des Nutzers auf die vorformulierten Fragen. Führen die Antworten des Nutzers nicht zu einer plausiblen Diagnose, wird der Nutzer mittels einer automatisch generierten Erklärung darauf hingewiesen, dass er den Dienst nicht nutzen kann. Im Anschluss kann der Dienst erneut in Anspruch genommen werden, ohne dass die zuvor gegebenen Antworten dabei berücksichtigt werden. Der Vorgang kann beliebige Male wiederholt werden.
Mit Schreiben vom 09.09.2020 machte der Kläger einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 26.08.–30.08.2020 in Höhe von 374,04 EUR brutto für vier Tage der Arbeitsunfähigkeit zu je 93,51 EUR geltend (Blatt 7 der Akten). Die Beklagte lehnte die Zahlung mit Schreiben vom 17.09.2020 mit der Begründung ab, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien nur durch einen Online-Arzt erfolgt und sie zweifle daher an der Arbeitsunfähigkeit (Blatt 10 der Akten).
Am 09.09.2020 bot der Kläger seine Arbeit für den 10.09.2020 an, die Beklagte setzte ihn gleichwohl nicht ein, da sie die Dienste bereits an andere Mitarbeiter vergeben hatte.
Mit Schreiben vom 18.12.2020 machte der Kläger unter Fristsetzung bis zum 11.01.2021 auch Ansprüche auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 05.09.–09.09.2020 für vier Tage à 90,38 EUR in Höhe von insgesamt 361,52 EUR sowie Annahmeverzug für den 10.09.2020 in Höhe von 191,00 EUR brutto geltend (Blatt 19–20 der Akten), die die Beklagte mit Schreiben vom 06.01.2021 mit gleicher Begründung zurückwies (Blatt 21 der Akten).
Mit seiner am 15.12.2020 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger seine Ansprüche auf Entgeltfortzahlung für August und September sowie Annahmeverzugslohn weiter.
Der Kläger behauptet, im Zeitraum vom 26.08.–30.08.2020 sowie vom 05.09.–09.09.2020 arbeitsunfähig erkrankt zu sein. Er habe unter starkem Schnupfen und Kopfschmerzen gelitten, sich schwach gefühlt. Da er sich jedoch keiner Ansteckungsgefahr durch das Corona-Virus habe aussetzen wollen und weil er seine Symptome auf eine normale Erkältung zurückgeführt habe, habe er auf einen Arztbesuch verzichtet.
Der Kläger beantragt unter Rücknahme im Übrigen,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 374,04 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 537,95 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01.2021 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei erschüttert, da sie online ausgestellt wurde und keine ärztlic...