3.4.1 Keine automatische Vertretungspflicht
Rz. 9
Die Vertretungsarbeit ist ein besonders geregelter Fall der Mehrarbeit bei Verhinderung des zu vertretenden Arbeitsplatzpartners. Als Vertretungsgründe kommen die in der Person des Vertretenen liegenden Gründe wie typischerweise Krankheit, Urlaub und Fortbildung in Betracht. Arbeitsverweigerung ist kein Verhinderungsfall (LAG München, Urteil v. 15.9.1993, 5 Sa 976/92).
Die gesetzliche Regelung geht in § 13 Abs. 1 Satz 2 TzBfG von dem Grundsatz aus, dass eine Pflicht zur Vertretung nicht besteht und die Vertretung nach dem Konsensprinzip der Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers bedarf. Die Ablehnung muss nicht begründet werden. Nimmt der Arbeitnehmer im Vertretungsfall die Arbeit auf, liegt hierin die konkludente Zustimmung.
Die vertretungsbezogene Mehrarbeit ist zu trennen von einer sonstigen arbeitsplatzbezogenen Mehrarbeit bei vorübergehendem erhöhtem Arbeitsanfall.
Die Anordnung arbeitsplatzbezogener Mehrarbeit ist nach den allgemeinen Grundsätzen möglich, sofern Ursache nicht die Verhinderung eines Teammitglieds ist. Es empfiehlt sich die Aufnahme einer entsprechenden Regelung. Auch hierüber sind seit 1.8.2022 nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG die betroffenen Arbeitnehmer zu unterrichten. Nach Schüren soll allerdings im Gegensatz zum gewöhnlichen Teilzeitarbeitsverhältnis eine vertragliche Regelung nicht erforderlich sein, wenn sich 2 Arbeitnehmer einen Vollzeitarbeitsplatz teilen.
3.4.2 Arbeitsvertraglich vereinbarte Vertretungspflicht
Rz. 10
Eine vorab vertraglich vereinbarte automatische Vertretungspflicht ist nach § 13 Abs. 1 Satz 2 TzBfG unzulässig. Nur unter den in § 13 Abs. 1 Satz 3 TzBfG geregelten engen Voraussetzungen ist eine generelle Vorabvereinbarung über vertretungsbezogene Mehrarbeit zulässig. Die Vereinbarung ist, soweit nicht in einem schriftlichen Arbeitsvertrag aufgenommen, seit dem 1.8.2022 nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG in den vom Arbeitgeber zu erteilenden schriftlichen Nachweis aufzunehmen. Die gesetzliche Beschränkung der Pflicht zur Mehrarbeit ist gewollt, da ansonsten bei Arbeitsplatzteilung die Gefahr besteht, dass der Arbeitgeber vertretungsbezogen regelmäßig in die zeitlichen Dispositionen des Arbeitnehmers eingreift. Dies führt dazu, dass bei Arbeitsplatzteilung die Arbeitnehmer im Vergleich zum Normalarbeitsverhältnis besser vor den Möglichkeiten der einseitigen Anordnung von Mehrarbeit geschützt sind.
Dringendes betriebliches Erfordernis
Rz. 11
Der Begriff "dringendes betriebliches Erfordernis" als unbestimmter Rechtsbegriff wird vom Gesetzgeber in verschiedenen Vorschriften verwendet, wie z. B. in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG. Durch das Erfordernis der Dringlichkeit wird klargestellt, dass nicht jeder betriebliche Grund genügt. Der Ausfall eines Teampartners allein genügt daher nicht. Erforderlich ist, dass ohne sofortige Vertretung erhebliche Störungen im Betriebsablauf oder sonstige erhebliche Nachteile auftreten können. Dies setzt voraus, dass andere Möglichkeiten, die drohende Störung abzuwenden, ausscheiden.
Zumutbarkeit im Einzelfall
Rz. 12
Bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe muss die Vertretung im Einzelfall zumutbar sein. Dabei hat der Arbeitgeber entsprechend § 315 BGB die betrieblichen Belange mit den Arbeitnehmerinteressen abzuwägen. Auch familiäre Verpflichtungen sind zu berücksichtigen.
Wesentlich für die Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer im Einzelfall ist neben der Lage und Dauer der Vertretung der Zeitpunkt der Mitteilung. Langfristig bekannte Vertretungsfälle sind eher zumutbar, da der betroffene Arbeitnehmer entsprechende Vorkehrung treffen kann. Eine Ankündigungsfrist entsprechend § 12 Abs. 2 TzBfG besteht bereits deswegen nicht, weil es nicht um die vertragliche Regelarbeitszeit geht, vielmehr um vertretungsbedingte Mehrarbeit. Allerdings wird bei Wahrung der Frist entsprechend § 12 Abs. 2 TzBfG die Vertretung in der Regel zumutbar sein.
Kommt es zum Streit, ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass eine Vereinbarung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 TzBfG vorliegt und der Arbeitnehmer wegen bestehender dringender betrieblicher Gründe auch im Einzelfall zur Vertretung verpflichtet war. Die Darlegungs- und Beweislast für die Unzumutbarkeit der Vertretung hat der Arbeitnehmer.