3.2.4.1 Allgemeine Grundsätze

 

Rz. 143

Mit diesem Sachgrund wollte der Gesetzgeber in erster Linie verfassungsrechtlichen, sich aus der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs. 3 GG) ergebenden Besonderheiten bei der Vereinbarung befristeter Arbeitsverträge mit programmgestaltenden Mitarbeitern von Rundfunkanstalten und mit Bühnenkünstlern Rechnung tragen.[1] Diese Besonderheiten waren bereits vor dem Inkrafttreten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes von Bedeutung. Deshalb kann die bisherige Rechtsprechung in diesem Bereich weiterhin berücksichtigt werden.

 

Rz. 144

Der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG ist jedoch nicht auf derartige verfassungsrechtlich geprägte Arbeitsverhältnisse begrenzt. Der Sachgrund erfordert allerdings, dass die Arbeitsleistung Besonderheiten aufweist, aus denen sich ein berechtigtes Interesse der Arbeitsvertragsparteien, insbesondere des Arbeitgebers, ergibt, statt eines unbefristeten nur einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. Diese Besonderheiten müssen das Interesse des Arbeitnehmers an der Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses überwiegen. Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG gebietet daher eine Abwägung der beiderseitigen Belange, bei der das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen ist.[2] Die Tätigkeit als Führungskraft oder in leitender Position weist keine derartigen die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG rechtfertigenden Besonderheiten auf, ebensowenig eine weitgehende Weisungsunabhängigkeit des Arbeitnehmers.[3]

Da eine Abwägung der beiderseitigen Interessen bereits Teil des Sachgrundes nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG ist, ist bei Vorliegen dieses Sachgrundes eine gesonderte Prüfung nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs[4] darauf, ob der Arbeitgeber den an sich vorliegenden Sachgrund dazu nutzt, einen in Wahrheit ständigen und dauerhaften Beschäftigungsbedarf zu decken, nicht veranlasst[5].

Weil für die Wirksamkeit einer Befristung grundsätzlich die Umstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich sind, ist Anknüpfungspunkt für die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG die Art der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit. Es kommt daher darauf an, was von dem Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag, einer Dienstaufgabenbeschreibung oder sonstiger Umstände nach objektiven Gesichtspunkten bei Vertragsschluss erwartet wird. Nach Vertragsschluss eintretende Umstände sind für die Wirksamkeit der Befristung grundsätzlich nicht erheblich. Die tatsächliche Vertragsdurchführung nach Vertragsschluss kann jedoch insoweit Bedeutung erlangen, als sich daraus ggf. Rückschlüsse ziehen lassen, was die Vertragsparteien als vertraglich vereinbart und geschuldet angesehen haben.[6]

[1] Vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 19.
[2] BAG, Urteil v. 16.1.2018, 7 AZR 312/16, AP TzBfG § 14 Nr. 166.
[3] BAG, Urteil v. 1.6.2022, 7 AZR 151/21, NZA 2022, 1525 zum geschäftsführenden Direktor eines Klinikums.
[4] Vgl. hierzu Rz. 43, 44.
[5] BAG, Urteil v. 30.8.3017, 7 AZR 864/15, AP TzBfG § 14 Nr. 162.

3.2.4.2 Fallgruppen

3.2.4.2.1 Mitarbeiter bei Rundfunk- und Fernsehanstalten

 

Rz. 145

Voraussetzungen

Nach der Rechtsprechung des BVerfG umfasst die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit auch das Recht der Rundfunk- und Fernsehanstalten, frei von fremdem, insbesondere staatlichem Einfluss über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter zu bestimmen, die an Hörfunk- oder Fernsehsendungen inhaltlich gestaltend mitwirken.[1] Die Rundfunkfreiheit dient der Aufgabe der Rundfunkanstalten, an der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung durch möglichst umfassende Berichterstattung und durch die Wiedergabe vielfältiger Meinungen mitzuwirken.

Dieser Aufgabe können Rundfunk- und Fernsehanstalten nur gerecht werden, wenn sie über Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Programme frei entscheiden können. Dies setzt auch voraus, dass die Sendungen von Personen gestaltet werden, die in der Lage sind, die gebotene Vielfalt in das Programm einzubringen. Dazu müssen die Rundfunk- und Fernsehanstalten auf einen breit gestreuten Kreis geeigneter Mitarbeiter zurückgreifen können. Das kann zur Folge haben, dass die Mitarbeiter nicht dauerhaft, sondern nur zeitweise beschäftigt werden.[2] Aus der besonderen Bedeutung der Rundfunkfreiheit folgt, dass ihr im Einzelfall mehr Gewicht beizumessen sein kann als dem arbeitsrechtlichen Bestandsschutz.[3] Der Grund für die Befristung des Arbeitsvertrags mit einem programmgestaltend tätigen Mitarbeiter kann sich daher allein aus der Rundfunkfreiheit ergeben, ohne dass dazu weitere Gründe erforderlich sind.[4]

 

Rz. 146

Der Bestandsschutz des Arbeitnehmers muss allerdings nicht immer hinter der Rundfunkfreiheit zurücktreten. Dies hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Belange der Rundfunkanstalt und diejenigen des Mitarbeiters sind gegeneinander abzuwägen, wobei keiner der beiden Positionen von vornherein ein Übergewicht zukommt.[5] Dabei ...

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