3.3.1 Wirtschaftliche, technische und organisatorische Gründe
Rz. 16
§ 11 Satz 2 TzBfG stellt klar, dass eine Kündigung aus anderen als den in § 11 Satz 1 TzBfG genannten Gründen zulässig ist. In der amtlichen Begründung werden als Beispiele wirtschaftliche, technische und organisatorische Gründe genannt. Hieraus ergibt sich, dass neben personen- und verhaltensbedingten Gründen auch betriebsbedingte Gründe in Betracht kommen. Dabei kann grundsätzlich auf die von der Rechtsprechung des BAG anerkannten betriebsbedingten Gründe zurückgegriffen werden.
Beispiele
Kürzung oder Veränderung der Ladenöffnungszeiten; Änderungskündigung zur Reduzierung der Arbeitszeit bei verringertem Arbeitsanfall.
In diesen Fällen wird die Kündigung nicht wegen der Weigerung des Arbeitnehmers, sondern vielmehr als Folge einer hinzunehmenden unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers ausgesprochen.
Beispiel
Der Arbeitgeber bietet dem Arbeitnehmer bei Wegfall des bisherigen Vollzeitarbeitsplatzes einen anderen Arbeitsplatz mit Teilzeit an. Diesen Arbeitsplatz lehnt der Arbeitnehmer wegen der Reduzierung der Arbeitszeit ab. Spricht nun der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus, so ist die Weigerung des Arbeitnehmers nur der äußere Anlass, nicht jedoch der tragende Grund für diese Kündigung. Tragender Grund ist hier die Absicht des Arbeitgebers, den Kündigungsgrund nach § 1 Abs. 2 KSchG durchzusetzen.
3.3.2 Arbeitszeitdauer als unternehmerische Entscheidung
Rz. 17
Im Schrifttum ist streitig, ob unter § 11 Satz 2 TzBfG auch die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers fällt, zukünftig auf bestimmten Arbeitsplätzen nur noch Vollzeit- oder Teilzeitkräfte einzusetzen. Nach der Rechtsprechung des 2. Senats des BAG zum Kündigungsschutzrecht liegt eine verbindliche unternehmerische Organisationsentscheidung vor, wenn der Arbeitgeber beschließt, nach einem nachvollziehbaren personellen Konzept der Arbeitszeitgestaltung zukünftig in einem bestimmten Bereich nur noch Voll- oder Teilzeitkräfte zu beschäftigen. Sie sei lediglich in einer Missbrauchskontrolle dahingehend zu überprüfen, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich und ob sie ursächlich für den vom Arbeitgeber geltend gemachten Änderungsbedarf sei.
Rz. 18
Aus den §§ 8, 9 und 11 TzBfG hat insbesondere Buschmann unter Hinweis auf europarechtliche Vorgaben abgeleitet, dass diese Rechtsprechung nicht mehr aufrechterhalten bleiben könne. Da nach der in den §§ 8 und 9 TzBfG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung der Arbeitnehmer eine Änderung der persönlichen Arbeitszeitdauer unter Umständen gegen den Willen des Arbeitgebers durchsetzen könne, könne nicht umgekehrt der Wille des Arbeitgebers eine Unternehmerentscheidung darstellen.
Rz. 19
Nach der Gegenauffassung verfolgen das TzBfG und das KSchG jedoch unterschiedliche Regelungsziele. § 11 Satz 1 TzBfG solle die Weigerung als Kündigungsgrund ausschließen. Eine Änderung des materiellen Kündigungsrechts könne hieraus nicht abgeleitet werden. Auch bei den §§ 8, 9 TzBfG würden betriebliche Gründe, die die unternehmerische Entscheidung prägen, erheblich bleiben. Die nicht rechtsmissbräuchliche Unternehmerentscheidung, für einen bestimmten Arbeitsbedarf nur Vollzeit- oder Teilzeitkräfte einzusetzen, stelle daher einen "anderen Grund" i. S. v. § 11 Satz 2 TzBfG dar.
Rz. 20
Beide Auffassungen gehen zutreffend davon aus, dass die Lösung von dem Verständnis von § 8 Abs. 4 TzBfG abhängt. Bei § 8 Abs. 4 TzBfG geht das BAG seit der grundlegenden ersten Entscheidung davon aus, dass allein der Hinweis auf freie Unternehmensentscheidungen als betrieblicher Grund im Geltungsbereich des § 8 TzBfG nicht genügt und die Prüfung, ob aufseiten des Arbeitgebers hinreichend gewichtige Gründe vorliegen, nach einer 3-stufigen Prüfungsreihenfolge zu beurteilen ist. Damit übernimmt das BAG unter Hinweis auf die gesetzlichen Vorgaben des TzBfG nicht die Rechtsprechung des 2. Senats zum KSchG. Insbesondere wird bei § 8 TzBfG in der 3. Stufe geprüft, ob durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit das betriebliche Organisationskonzept wesentlich beeinträchtigt wird. Dies bedeutet nichts anderes als eine partielle Inhaltskontrolle und mittelbare Abwägung zwischen dem Antrag des Arbeitnehmers und den betrieblichen Interessen des Arbeitgebers. Bei Kündigungen hält das BAG ohne Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung zu § 8 TzBfG an seiner Auffassung fest. Dies führt dazu, dass die "dringenden betrieblichen Gründe" in § 1 Abs. 2 KSchG bei Kündigungen nur einer Missbrauchskontrolle unterliegen, während bei "betrieblichen Gründen" i. S. v. § 8 Abs. 4 TzBfG eine weitergehende Prüfung erfolgt.
Rz. 21
Der unterschiedliche Prüfungsmaßstab ist im Rahmen der bei § 11 Satz 2 TzBfG zu prüfenden "anderen Gründe" misslich. Einerseits sollte ein Wertungswiderspruch mit § 8 TzBfG vermieden werden, mit der Folge, dass nur die betrieblichen Gründe als andere Gründe nach § 11 Satz 2 TzBfG anzuerkennen sind, die umgekehrt einem Veränderungswunsch des Arbeitnehmers...