Rz. 137
Die in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründe müssen nicht das gleiche Gewicht haben wie die betrieblichen Gründe. Es genügen sachliche Gründe. Dies ist weitgehend anerkannt.
Typischer Fall der Übertragung aus einem in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund ist die Arbeitsunfähigkeit, wenn diese der Inanspruchnahme von Urlaub im Urlaubsjahr entgegensteht.
Beispiel
Der Arbeitnehmer war vom 1.8.2022 bis 31.1.2024 arbeitsunfähig erkrankt. Am 1.2.2024 verlangt er die Gewährung des vollen Urlaubsanspruchs für das Jahr 2023.
Für das Jahr 2023 erwirbt der Arbeitnehmer den vollen Urlaubsanspruch auch ohne Erbringung von Arbeitsleistung. Dieser Anspruch wurde automatisch in das Folgejahr übertragen, weil der Arbeitnehmer den Urlaub wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen konnte. Der übertragene Urlaubsanspruch ist nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG bis zum 31.3. zu gewähren.
Als sachliche Gründe kommen in Betracht:
- Erkrankung eines Angehörigen, für den der Arbeitnehmer sorgen muss
- Der Urlaub soll mit einem Angehörigen oder Lebensgefährten verbracht werden, der erkrankt ist.
- Streitig ist, ob die Niederkunft der Ehefrau oder schulpflichtige Kinder genügen. Richtigerweise hängt dies davon ab, inwieweit Urlaubsplanungen als in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe anerkannt werden.
Rz. 138
Kein Fall der Übertragung als Folge einer Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer nach Ende der Arbeitsunfähigkeit den Urlaub oder einen Teil des Urlaubs noch im Kalenderjahr nehmen kann.
Beispiel
Der Arbeitnehmer ist vom 15.7. bis 30.11. eines Jahres arbeitsunfähig erkrankt. Er hat noch einen offenen Jahresurlaubsanspruch von 10 Arbeitstagen.
Da dieser noch bis zum 31.12. gewährt werden kann, scheidet die Übertragung wegen Arbeitsunfähigkeit aus. In Betracht kommt die Übertragung in diesem Fall nur, wenn der Inanspruchnahme im Dezember dringende betriebliche Gründe des Arbeitgebers oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe vorliegen.
Wird der Arbeitnehmer am 26.12. wieder gesund, geht nur der Teil des Resturlaubsanspruchs über, den der Arbeitnehmer nicht mehr bis zum 31.12. nehmen konnte (5 Tage). Der Rest geht auch hier nur über, wenn der Inanspruchnahme ab 27.12. dringende betriebliche Gründe des Arbeitgebers oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe entgegenstehen.
Rz. 139
Allein der Wunsch des Arbeitnehmers, den Urlaub in einer bestimmten Zeit zu verbringen, genügt nach allgemeiner Ansicht nicht. Hieraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass Umstände im Lebensbereich und der Urlaubsplanung des Arbeitnehmers die Übertragung nicht begründen können. Entscheidend ist allein, ob nach den Umständen des Einzelfalls die Urlaubsnahme im laufenden Kalenderjahr für den Arbeitnehmer zumutbar ist.
Beispiel
Den Urlaubswünschen des Arbeitnehmers standen bis Mitte November dringende betriebliche Gründe des Arbeitgebers entgegen. Die Tatsache, dass nunmehr der Arbeitnehmer in der Urlaubsplanung wesentlich eingeschränkt ist, wird bei der Prüfung des in der Person des Arbeitnehmers liegenden sachlichen Grundes zu berücksichtigen sein.
Deshalb kann auch der Wunsch eines Arbeitnehmers, den Urlaub zusammen mit dem Urlaub des darauffolgenden Kalenderjahres zu nehmen, als Übertragungsgrund genügen.
Ein Übertragungsgrund liegt im Hinblick auf die Bedeutung von § 8 BUrlG auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer in einem zweiten Arbeitsverhältnis steht und in diesem der Urlaubsanspruch aus betrieblichen Gründen im Kalenderjahr nicht genommen werden konnte.
Eine Übertragung nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG erfolgt auch dann, wenn die Wartezeit erst kurz vor Ende des Kalenderjahres erfüllt ist, z. B. am 27.12.
Rz. 140
Genügen sachliche Gründe der Urlaubsgestaltung für die Übertragung, so hat umgekehrt eine Abwägung mit den Interessen des Arbeitgebers zu erfolgen, da der Grundsatz der Bindung an das Urlaubsjahr für beide Seiten gilt. Dies setzt jedoch voraus, dass dem Arbeitnehmer die Gründe des Arbeitgebers, die einer Urlaubsgewährung im ersten Quartal des Folgejahres entgegenstehen, bekannt sind.
Beispiel
Der Arbeitgeber weist bereits im Juli darauf hin, dass als Folge betrieblicher Umstrukturierungen im ersten Quartal des Folgejahres Urlaub nicht gewährt werden kann. Dies muss der Arbeitnehmer bei seiner Urlaubsplanung berücksichtigen. Die Anforderungen an einen Übertragungsgrund aus persönlichen Gründen sind daher höher. Arbeitsunfähigkeit bleibt ein Übertragungsgrund, Urlaubsplanungen hingegen nicht.