FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlaß v. 10.2.2012, S 0130 - § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO Karte 801
1. Allgemeine Grundsätze
Nach § 21 Abs. 4 SGB X haben die Finanzbehörden zum Zwecke der Gewährung und Rückforderung von Sozialleistungen sowie der Inanspruchnahme Dritter wegen Sozialleistungen Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen, soweit es in einem Verfahren nach dem SGB erforderlich ist.
Erforderlich ist die Auskunft nur, wenn die erbetenen Angaben nicht mit Hilfe der nach dem SGB auskunftspflichtigen Personen festgestellt werden können.
Da nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO die Offenbarung steuerlicher Verhältnisse aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung nur zulässig ist, wenn diese gesetzliche Bestimmung die Offenbarung ausdrücklich zulässt, ist außerdem eine Auskunft auf der Grundlage des § 21 Abs. 4 SGB X nur zulässig, soweit das entsprechende Sozialleistungsgesetz die Gewährung, die Rückforderung oder den Rückgriff wegen einer Sozialleistung ausdrücklich, d.h. im Gesetzestext, von Einkommens- oder Vermögensverhältnissen abhängig macht. Es reicht für die Zulässigkeit einer Auskunft nach § 21 Abs. 4 SGB X nicht aus, wenn z.B. die Gewährung von Sozialleistungen nur aufgrund einer Verwaltungsrichtlinie von den Einkommens- oder Vermögensverhältnissen des Betroffenen abhängig gemacht wird. Unzureichend ist auch der bloße Hinweis auf ein bestimmtes durchzuführendes Verfahren.
Die um Auskunft ersuchende Behörde hat vielmehr im Einzelfall unter Angabe der einschlägigen sozialrechtlichen Bestimmung darzulegen, dass die erbetene Auskunft erforderlich ist. Bestehen Zweifel an der Zulässigkeit der erbetenen Auskunft, müssen diese durch Rückfrage geklärt werden.
Die Auskunftspflicht besteht nur gegenüber Behörden, die eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit nach dem SGB ausüben (vgl. § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB X); sie besteht nicht, soweit es sich um die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten handelt (§ 1 Abs. 1 Satz 3 SGB X).
Einer Auskunftspflicht nach § 21 Abs. 4 SGB X steht nicht entgegen, dass die Auskunft für ein Verfahren benötigt wird, das der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterliegt, insbesondere im Fall eines nach den § 94 SGB XII übergeleiteten bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs. Die im Klageverfahren vorangehende Prüfung, ob überhaupt ein nach § 94 SGB XII überleitbarer Unterhaltsanspruch gegen den Steuerpflichtigen (Unterhaltsverpflichteten) besteht, erfolgt nämlich nach den Vorschriften des SGB XII und damit in einem Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch.
Auskünfte dürfen nur über die Einkommens- oder Vermögensverhältnisse der betroffenen Personen erteilt werden. Auskünfte über andere Personen als die in § 21 Abs. 4 SGB X genannten sind grundsätzlich nicht zulässig. Einer Auskunft nach § 21 Abs. 4 SGB X über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des mit dem Unterhaltsverpflichteten zur Einkommensteuer (bzw. für zurückliegende Veranlagungszeiträume zur Vermögensteuer) zusammenveranlagten Steuerpflichtigen steht jedoch nicht entgegen, dass dieser in § 21 Abs. 4 SGB X nicht ausdrücklich benannt ist, wenn es sich bei dem Betreffenden um einen Unterhaltsberechtigten oder um ein zum Haushalt rechnendes Familienmitglied handelt. Die Auskunft muss jedoch im Einzelfall auch erforderlich sein.
Die Auskunft muss sich nur auf die den Finanzbehörden bekannten Verhältnisse erstrecken. Darüber hinausgehende Ermittlungen der Finanzbehörden sind nicht erforderlich.
§ 21 Abs. 4 SGB X berechtigt die Finanzbehörde grundsätzlich nicht dazu, der Sozialbehörde den letzten Einkommen- bzw. Vermögensteuerbescheid sowie weitere Unterlagen (z.B. Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung) des Steuerpflichtigen (Unterhaltsverpflichteten) zu übersenden. Dies gilt auch dann, wenn die Sozialbehörde deren Übermittlung mit dem Hinweis auf sozialrechtliche Kürzungsvorschriften begründet. Einkommen- und Vermögensteuerbescheide sowie Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen enthalten über die i.S. des § 21 Abs. 4 SGB X erforderlichen Angaben hinaus regelmäßig Angaben, die für die Durchführung von Verfahren nach den Sozialgesetzen nicht erforderlich sind und daher ohne Zustimmung des Betroffenen nicht offenbart werden dürfen.
2. Auskunftspflicht nach § 117 Abs. 1 SGB XII
Gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII haben die Unterhaltspflichtigen, ihre nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und die Kostenersatzpflichtigen dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit die Durchführung des SGB XII es erfordert. Dabei haben sie die Verpflichtung, auf Verlangen des Trägers der Sozialhilfe Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Auskunftspflichtig sind hiernach auch Personen, von denen nach § 39 SGB XII trotz Aufforderung unwiderlegt vermutet wird, dass sie Leistunge...