FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlaß v. 18.6.2015, S 0256
1. Anspruchsberechtigung
1.1 Die von einer Finanzbehörde durch Verwaltungsakt zu Beweiszwecken herangezogenen Auskunftspflichtigen (§ 93 AO), Sachverständigen (§ 96 AO) und Vorlagepflichtigen (§ 97 AO) erhalten nach § 107 Satz 1 AO auf Antrag eine Entschädigung in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG), soweit sie weder Beteiligte (§ 78 AO) sind noch die Auskunftspflicht für einen Beteiligten zu erfüllen haben (wie z.B. die Vertreter und Verfügungsberechtigten im Sinne der §§ 34, 35 AO). Freiwillig – d.h. ohne Aufforderung durch die Finanzbehörde – erteilte Auskünfte und vorgelegte Unterlagen und Sachverständigengutachten führen selbst dann nicht zu einer Entschädigung, wenn die Finanzbehörde sie verwertet (AEAO zu § 107, Nr. 1).
Der Entschädigungsanspruch der Vorlagepflichtigen ist durch das AmtshilfeRLUmsG (BStBl 2013 I S. 802) neu in § 107 AO aufgenommen worden. § 107 AO n.F. ist auf Vorlageersuchen anzuwenden, die nach dem 30.6.2013 gestellt wurden. Für die vor diesem Zeitpunkt gestellten Vorlageersuchen gilt § 107 AO a.F. (AEAO zu § 107, Nr. 3 und 4).
1.2 Für die Duldung der Einnahme des Augenscheins (§ 98 AO) kann eine Entschädigung nach § 107 AO nicht beansprucht werden (AEAO zu § 107, Nr. 2).
1.3 Die Vorschrift des § 107 AO gilt in allen Abschnitten des Besteuerungsverfahrens (einschließlich des Außenprüfungs-, Vollstreckungs- und Rechtsbehelfsverfahrens).
1.4 Im Steuerstrafverfahren bzw. im Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit gilt § 405 AO. Danach erhalten die von der Finanzbehörde zu Beweiszwecken herangezogenen Zeugen und Sachverständigen auf Antrag eine Entschädigung oder Vergütung nach den Regelungen des JVEG.
1.5 Dritte, die aufgrund eines Beweiszwecken dienenden Ersuchens der Strafverfolgungsbehörde Gegenstände herausgeben (§ 95 Abs. 1 StPO) oder die Pflicht zur Herausgabe entsprechend einer Anheimgabe der Strafverfolgungsbehörde abwenden, Auskunft erteilen, haben nach § 23 Abs. 2 JVEG einen Anspruch darauf, wie Zeugen entschädigt zu werden.
Telekommunikationsunternehmen, die Anordnungen zur Überwachung der Telekommunikation umsetzen oder Auskünfte erteilen, erhalten nach § 23 Abs. 1 JVEG eine besondere Entschädigung.
1.6 Auskünfte über in das Wissen einer juristischen Person gestellte Tatsachen können nur durch die sie vertretenden Vorstandsmitglieder (§ 78 des Aktiengesetzes – AktG –) bzw. durch die von ihnen Beauftragten erteilt werden. Für die Entschädigungsverpflichtung gemäß § 107 AO ist es deshalb unbeachtlich, wenn mit der Erteilung der Auskunft bzw. der Zusammenstellung der Unterlagen, die den eigentlichen Inhalt der erteilten Auskunft ausmachen, Angestellte befasst werden (BFH-Urteil vom 23.12.1980, BStBl 1981 II S. 392). Die entstandenen Personalkosten sind jedoch höchstens mit dem Satz zu entschädigen, den ein Zeuge für den Verdienstausfall nach § 22 JVEG beanspruchen könnte (siehe auch Rz. 2.1.1.).
2. Umfang der Entschädigung
2.1 Auskunftspflichtige und Vorlagepflichtige
2.1.1 Verdienstausfall/Personalkosten
Erledigt der Auskunfts- bzw. Vorlagepflichtige das Ersuchen selbst oder beauftragt er Personen, die in seinem Betrieb beschäftigt sind, so werden der Verdienstausfall bzw. die Personalkosten mit dem Betrag erstattet, den ein Zeuge nach § 22 JVEG beanspruchen könnte, jedoch höchstens mit 21,00 EUR je Stunde. Dabei kommt es nicht auf die Frage an, ob dem Antragsteller durch Zahlung von Überstundenvergütungen oder Neueinstellungen ein Mehraufwand entstanden ist (Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 5.9.1990, 2 Ws 186/90). Die Entschädigung wird für höchstens zehn Stunden je Tag gewährt (§ 19 Abs. 2 JVEG).
Nicht erwerbstätige Auskunftspflichtige, die einen Haushalt für mehrere Personen führen, erhalten nach § 21 Satz 1 JVEG eine Entschädigung von 14 EUR je Stunde. Das Gleiche gilt für Teilzeitbeschäftigte, die außerhalb ihrer vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit herangezogen wurden (§ 21 Satz 1 JVEG). Die Entschädigung von Teilzeitbeschäftigten wird für höchstens 10 Stunden täglich gewährt abzüglich der Stundenzahl, die der vereinbarten regelmäßigen täglichen Arbeitszeit entspricht.
Soweit weder für Verdienstausfall noch für Nachteile bei der Haushaltsführung eine Entschädigung zu gewähren ist, erhalten Auskunftspflichtige nach § 20 JVEG eine Entschädigung für Zeitversäumnis von 3,50 EUR je Stunde. Dies gilt nicht, wenn durch die Auskunftserteilung ersichtlich kein Nachteil entstanden ist.
2.1.2 Auslagenersatz
Für die Praxis bedeutsam ist der Ersatz der Kosten für die Anfertigung von Kopien und Ausdrucken (§ 7 Abs. 2 JVEG).
Für jede Seite werden ersetzt:
- bis zu einer Größe von DIN A3 0,50 Euro für die ersten 50 Seiten und 0,15 Euro für jede weitere Seite
- in einer Größe von mehr als DIN A 3 3,00 Euro je Seite
- für die Anfertigung von Farbkopien und -ausdrucken jeweils das Doppelte der Beträge nach Nr. 1 und 2.
Werden Kopien oder Ausdrucke in einer Größe von mehr als DIN A3 von ein...