Prof. Dr. jur. Tobias Huep
Das auf das Arbeitsverhältnis bei einem Auslandsaufenthalt anwendbare Recht bestimmt sich für Verträge ab dem 17.12.2009 nach der "Rom I-Verordnung" (Rom I-VO).
Rechtswahl
Für das auf ein Arbeitsverhältnis mit Auslandsberührung anzuwendende Recht gilt nach der Rom I-VO in erster Linie die Vereinbarung der Parteien des Arbeitsvertrags. Es gilt der Grundsatz der freien Rechtswahl. Eine solche Rechtswahl kann auch konkludent, z. B. durch Bezugnahme auf bestimmte (insbes. arbeitsrechtliche) Gesetze eines anderen Staats, erfolgen. Zulässig ist auch eine Teilrechtswahl für abgrenzbare Teile des Arbeitsvertrags. Die Rechtswahl kann mit Abschluss des Arbeitsvertrags, aber auch selbstständig zeitlich nachfolgend geregelt werden. Ein objektiver Bezug des Arbeitsverhältnisses zur gewählten Rechtsordnung ist dabei nicht erforderlich. Sinnvollerweise bietet sich für deutsche Unternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik grundsätzlich die (ausdrückliche) Vereinbarung deutschen Rechts an.
Objektive Anknüpfung
Ist keine Vereinbarung getroffen, so unterliegen Arbeitsverträge folgenden Grundsätzen:
- Es gilt das Recht des Staats, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.
- Der Staat, in dem die Arbeit gewöhnlich verrichtet wird, wechselt nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend in einem anderen Staat verrichtet.
- Sofern das anzuwendende Recht nicht nach den Grundsätzen 1. oder 2. bestimmt werden kann, so unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat.
Lässt sich bei mobilen Arbeitseinsätzen (Kraftverkehr, Flugverkehr o. Ä.) kein gewöhnlicher Arbeitsort feststellen, ist der Ort maßgeblich, von dem aus gearbeitet wird. Dies kann der Ort sein, von dem aus der Arbeitnehmer seine Tätigkeit aufnimmt und/oder beendet (die sog. "base") oder von welchem aus er seine Weisungen erhält.
Diese Grundsätze gelten nicht, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag engere Beziehungen zu einem anderen Staat aufweist; in diesem Fall ist das Recht des anderen Staats anzuwenden. Anknüpfungskriterien dafür können der Arbeits- und Niederlassungsort, die Staatsangehörigkeit der Parteien und der Sitz des Arbeitgebers sein. Vor Arbeitsaufnahme ist der für die Erbringung der Arbeitsleistung zukünftig vorgesehene Ort maßgeblich.
Zwingende Rechtsvorschriften
Die grundsätzlich freie Rechtswahl (s. o.) wird im Arbeitsrecht aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes jedoch eingeschränkt. Durch die Wahl des anzuwendenden Rechts dürfen keine zwingenden arbeitsrechtlichen Vorschriften umgangen werden, und zwar auch keine zwingenden privatrechtlichen Vorschriften. Nicht disponibel sind sog. "zwingende Eingriffsnormen" des Aufenthaltsstaates. Erforderlich dafür ist, dass die Norm neben dem Individualschutz zumindest auch Gemeinwohlinteressen sichert.
Einzelne Regelungen
Der Equal-Pay-Grundsatz gemäß § 8 AÜG findet daher auch bei Auslandseinsätzen eines Leiharbeitnehmers Anwendung. Zu dieser "lex fori" gehört auch das jeweilige Prozessrecht.
Das Kündigungsschutzgesetz, die gesetzlichen Regelungen über die Dauer der Kündigungsfristen und über den Übergang von Arbeitsverhältnissen z. B. bei einer Betriebsveräußerung sowie die §§ 2 und 3 EFZG gehören nicht zu diesen zwingenden Vorschriften.
Ergänzend gelten für die im Bereich der EU entsandten Arbeitnehmer aufgrund der Entsende-Richtlinie 96/71/EG bestimmte Mindestarbeitsbedingungen des jeweiligen Staates.
Deutsche öffentlich-rechtliche Vorschriften, insbesondere das Arbeitsschutzrecht, gelten grundsätzlich nur für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Territorialitätsprinzip).
Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung an Feiertagen kommt nur in Betracht, wenn der ausländische Feiertag mit dem deutschen Feiertag im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) zusammenfällt, solange keine abweichende vertragliche Regelung besteht.
Keine Anwendung findet das Arbeitszeitgesetz, allerdings kann die Geltung vereinbart werden.
Für die maßgebliche Zahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nach § 23 KSchG zählen die dauerhaft im Ausland tätigen Arbeitnehmer nicht mit. Dies gilt auch dann, wenn der ausländische Betrieb mit der inländischen Betriebsstätte einen Gemeinschaftsbetrieb bildet.
Einem Tarifvertrag kann ohne Weiteres Geltung auch oder nur für die im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer beigemessen werden. Nach der Rechtsprechung gilt der Tarifvertrag jedoch nur, wenn das Arbeitsverhältnis dem deutschen Arbeitsrecht unterliegt.