Wie bereits aus den unterschiedlichen Formulierungen tariflicher Ausschlussfristen ersichtlich wird, kann es eine Rolle spielen, ob nur "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" oder daneben auch "solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen", von der Ausschlussfrist erfasst sind.

Ausgeschlossen sind damit jedenfalls immer solche Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis nichts zu tun haben. Für solche Ansprüche könnte ohnehin keine tarifliche Ausschlussfrist begründet werden, weil der normative Inhalt von Tarifverträgen sich gemäß § 1 Abs. 1 TVG nur auf "den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen" beziehen kann. Insofern können Rechts- und Haftungsverhältnisse nicht Gegenstand von Ausschlussfristen sein, da für deren Bestand das Arbeitsverhältnis ohne jede Bedeutung ist[1], z. B. Verkehrsunfälle im privaten Bereich.

Die Unterschiede zwischen beiden genannten Tarifvertragsformulierungen sind allerdings im Ergebnis gering. Schon unter die engere Formulierung ("Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis") fallen alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben.[2]

Damit werden z. B. Ansprüche auf Rückgewähr rechtsgrundlos erbrachter Leistungen des Arbeitgebers[3] oder Ansprüche aus unerlaubter Handlung nach den §§ 823 ff. BGB erfasst.[4] Im Tarifvertrag kann aber auch die Ausschlussfrist auf einzelne Ansprüche wie etwa Mehrarbeit oder Überstunden beschränkt werden.[5] Ebenso können die Tarifvertragsparteien die Ausschlussfrist nur auf Ansprüche aus einem bestimmten und im Tarifvertrag näher bezeichneten Anspruch beschränken.[6] Dann gilt die Ausschlussfrist nicht für andere, nicht genannte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis oder dem Tarifvertrag.

Von der weiteren Klausel ("und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen") sind regelmäßig alle Ansprüche erfasst, die mit dem Arbeitsverhältnis tatsächlich oder rechtlich zusammenhängen, auch wenn ein nur entfernter Zusammenhang besteht. Es genügt, wenn die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die tatsächliche Grundlage des Rechtsgeschäfts bildet, aus dem der erhobene Anspruch hergeleitet wird.[7]

 
Praxis-Beispiel

Ansprüche aus Darlehen

Gewährt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Darlehen, kann dieses je nach Ausgestaltung des Darlehensvertrags sogar ein Anspruch "aus dem Arbeitsverhältnis" sein, wenn es nach seinem Zweck sehr eng mit dem Arbeitsverhältnis verknüpft ist.[8] Meist wird es aber eher ein Anspruch sein, der "mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung steht", weil etwa die Parteien des Darlehensvertrags durch das Arbeitsverhältnis in Verhandlungen über das Darlehen gekommen sind, der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer günstige Zinsen gewährt. Nicht Gegenstand tariflicher Ausschlussfristen könnten daher nur solche Darlehensansprüche sein, bei denen das Arbeitsverhältnis den Darlehensansprüchen bloß zeitlich nachfolgte.

Nach der Rechtsprechung des BAG können tarifliche Ausschlussfristen auch gesetzlich zwingende Ansprüche wie etwa Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall,[9] Urlaubsentgeltansprüche[10] und Urlaubsabgeltungsansprüche erfassen.[11]

Dieses zunächst überraschende Ergebnis wird überzeugend damit begründet, dass die Ausschlussfrist den gesetzlichen Anspruch selbst nicht beseitigt, sondern den Arbeitnehmer nur anhält, diesen in einer bestimmten Frist geltend zu machen. Ausschlussfristen können daher auch für an sich nicht tarifdispositive Ansprüche Gültigkeit entfalten.[12]

Anders ist dies nur, wenn das Gesetz selbst wiederum Ausschlussfristen ausdrücklich ausschließt. So verbietet § 3 Abs. 1 MiLoG explizit Ausschlussfristen "insoweit" sie sich auf den ab dem 1.1.2015[13] geltenden gesetzlichen Mindestlohn beziehen. Dies führt bei tariflichen Ausschlussfristen dazu, dass nur der den gesetzlichen Mindestlohn übersteigende Anspruch verfallen kann.[14] In Höhe des Mindestlohns gilt dies auch für Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall[15] bzw. bei der Feiertagsvergütung. Auch Ansprüche aus Annahmeverzug (§§ 611a Abs. 2, 615 Satz 1 BGB) können in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns nicht verfallen.[16]

Die Gerichte sind verpflichtet, dies ggf. von Amts wegen zu berücksichtigen und bei Bejahung des Tatbestands der Ausschlussfrist unter Klageabweisung i. Ü. den Mindestlohn zuzusprechen.

 
Praxis-Beispiel

Mindestlohn und tarifliche Ausschlussfrist

Der Arbeitsvertrag sieht eine Arbeitszeit von 173 Stunden pro Monat und ein Gehalt von 4.000 EUR brutto vor. Der Arbeitgeber zahlt die Vergütung für einen Monat nicht. Der Arbeitnehmer macht den Anspruch erst nach Ablauf der tariflichen Ausschlussfrist geltend.

In diesem Fall bleibt dem Arbeitnehmer (lediglich) der gesetzliche Mindestlohn erhalten, der seit dem 1.10.2022 12 EUR pro Stunde beträgt und daher im Beispiel zu einem Monatsbetrag von 2.076 EUR brutto führt. Der darüber hinausgehende Anspruch ist verfallen. Das Gericht muss d...

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