Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg; Zuschuß zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung
Leitsatz (redaktionell)
Für Klagen auf Zahlung des Arbeitgeberzuschusses zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig (im Anschluß an den Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 4. Juni 1974 - GmS-OGB 2/73 - BSGE 37, 292 = AP Nr 3 zu § 405 RVO = NJW 1974, 2087).
Tenor
1. Die weitere sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß
des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 23. Oktober 1998 -
22 Ta 8/98 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der weiteren sofortigen
Beschwerde zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.376,00 DM
festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung von Zuschüssen zu seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Beklagte betreibt einen Schnell-Lieferdienst für Paketsendungen und sonstiges Stückgut. Der Kläger hatte für sie vom 1. Oktober 1989 bis zum 30. April 1996 die Beförderung von Sendungen mit Kraftfahrzeugen übernommen. Grundlage seiner Tätigkeit waren ein "Unternehmervertrag" vom 11. Februar 1991 und zuletzt ein "Frachtführervertrag" vom 6. September 1994. Danach unterhielt der Kläger "einen selbständigen Gewerbebetrieb". Sozialversicherungsbeiträge führte die Beklagte für ihn nicht ab.
In der Zeit vom 1. Dezember 1992 bis zum 30. April 1996 überschritt der Verdienst des Klägers die jeweilige Entgeltgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung und - ab dem 1. Januar 1995 - für die Pflegeversicherung. Der Kläger hat in dieser Zeit insgesamt 14.257,10 DM für seine private Kranken- und Pflegeversicherung aufgewendet. Mit seiner im Juli 1998 vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage verlangt er von der Beklagten die Erstattung der Hälfte dieses Betrags. Für die vor Dezember 1992 liegenden Zeiten haben die Sozialversicherungsträger Beitragsansprüche an die Beklagte gestellt. Der Kläger stützt sein Begehren auf § 257 Abs. 1 SGB V, § 61 Abs. 1 SGB XI. Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien um die Zulässigkeit des Rechtswegs.
Der Kläger hat geltend gemacht, er sei Arbeitnehmer der Beklagten gewesen. Da ihm ein Erstattungsanspruch nur als Arbeitnehmer zustehen könne, sei der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ohne weiteres eröffnet.
Das Arbeitsgericht hat die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen bejaht. Das Landesarbeitsgericht hat sie verneint und den Rechtsstreit an das Sozialgericht verwiesen. Mit seiner weiteren sofortigen Beschwerde begehrt der Kläger, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.
II. Die weitere Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten zu Recht verneint.
1. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG sind die Arbeitsgerichte zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Streiten die Parteien über den Arbeitnehmerstatus des Beschäftigten, so hat der Senat hinsichtlich der Anforderungen an den entsprechenden Klägervortrag verschiedene Fallgestaltungen unterschieden. In Fällen, in denen ein Erfolg des Klagebegehrens den Arbeitnehmerstatus des Klägers zwingend voraussetzt (sog. sic-non-Fälle), reicht es für die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten bereits aus, daß der Kläger die Rechtsansicht vertritt, er sei Arbeitnehmer (Senatsbeschluß vom 24. April 1996 - 5 AZB 25/95 - BAGE 83, 40 = AP Nr. 1 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung). Dies gilt allerdings nur, wenn es sich bei dem geltend gemachten Anspruch unter der Prämisse, der Kläger sei Arbeitnehmer, tatsächlich um einen arbeitsrechtlichen Anspruch handelt. Das wiederum setzt voraus, daß sich der Streit der Parteien als eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit darstellt. Die Arbeitsgerichte sind nur für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis zuständig. Das schließt zwar nicht aus, daß sie neben der zuständigkeitsbegründenden bürgerlich-rechtlichen Anspruchsgrundlage ggf. auch an sich rechtswegfremde Anspruchsgrundlagen zu prüfen haben, § 17 Abs. 2 GVG (vgl. Senatsbeschluß vom 14. Dezember 1998 - 5 AS 8/98 - NZA 1999, 390, 392). Die zuständigkeitsbegründende Anspruchsgrundlage selbst muß aber eine bürgerlich- und arbeitsrechtliche sein. Die Erfüllung dieses Zugangserfordernisses ist unverzichtbar. Macht der Arbeitnehmer einen Anspruch geltend, der ausschließlich auf eine öffentlich-rechtliche Grundlage gestützt werden kann, sind die Arbeitsgerichte unzuständig. Sie sind in diesem Fall selbst dann nicht zuständig, wenn feststeht, daß der Anspruchsteller Arbeitnehmer ist.
2. Der Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß nach § 257 SGB V hat seine Grundlage im Recht der Sozialversicherung und damit im öffentlichen Recht. Das Bundesarbeitsgericht hat dies zwar ursprünglich anders gesehen. In Urteilen vom 16. März 1972 (- 5 AZR 423/71 - BAGE 24, 214 = AP Nr. 1 zu § 405 RVO) und 15. Februar 1973 (- 5 AZR 403/72 - AP Nr. 2 zu § 405 RVO) hat es für die inhaltsgleiche Vorschrift des § 405 RVO entschieden, der betreffende Anspruch gründe im bürgerlichen Recht. Auf Vorlagebeschluß des Bundessozialgerichts hat aber der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes mit Beschluß vom 4. Juni 1974 (- GmS - OGB 2/73 - BSGE 37, 292 = AP Nr. 3 zu § 405 RVO = NJW 1974, 2087) entschieden, die durch § 405 RVO begründeten Ansprüche seien den Angelegenheiten der Sozialversicherung im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG und damit dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Die Ansprüche verwiesen hinsichtlich Voraussetzung und Rechtsfolge auf das Recht der Sozialversicherung und dienten einem der Sozialversicherung eigentümlichen Sicherungszweck. Das Fehlen eines hoheitlichen Verhältnisses der Über- und Unterordnung zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem sei dem Recht der Sozialversicherung nicht fremd. Klagen aus § 405 RVO seien darum durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheiden. Dabei mache es keinen Unterschied, ob der Anspruchsteller bei einem Träger der Sozialversicherung oder bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sei.
Der Beschluß des Gemeinsamen Senats vom 4. Juni 1974 ist nach der Ersetzung von § 405 RVO durch § 257 SGB V (Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung vom 20. Dezember 1988 - BGBl. I S. 2477) nicht unmaßgeblich geworden. Die Überführung der Vorschriften der Reichsversicherungsordnung in das Sozialgesetzbuch V hat nichts an der Zugehörigkeit des Anspruchs aus § 257 SGB V zum Sozialversicherungsrecht geändert. Die Entscheidung vom 4. Juni 1974 kann darum weiterhin und trotz kritischer Stimmen (vgl. Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 2 Rz 82, m.w.N.; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 2 Rz 79, 80) Beachtung beanspruchen.
Zum Recht der Sozialversicherung zählt gleichermaßen der Anspruch auf Zuschuß zur Pflegeversicherung gem. § 61 Abs. 1 SGB XI. Die Vorschrift wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1995 der Regelung des § 257 SGB V nachgebildet.
Für den Streitfall ist deshalb der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit zu Recht an das Sozialgericht verwiesen.
Griebeling Müller-Glöge Kreft
Fundstellen
Haufe-Index 610960 |
BB 1999, 1822 |
DB 1999, 2120 |
NJW 2000, 1811 |
ARST 1999, 278 |
FA 1999, 299 |
FA 1999, 369 |
FA 1999, 402 |
NZA 1999, 1174 |
SAE 2000, 83 |
ZTR 1999, 573 |
AP, 0 |
NZS 1999, 624 |
NZS 2000, 209 |
SozSi 2000, 68 |