Entscheidungsstichwort (Thema)
Versetzung von Auszubildenden
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Betriebsrat hat nach Maßgabe des § 99 BetrVG bei Versetzungen von Auszubildenden mitzubestimmen.
2. Was unter einer Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne zu verstehen ist, bestimmt § 95 Abs 3 BetrVG auch für Auszubildende.
3. In einem Betrieb mit mehreren Filialen ist die Zuweisung einer anderen Ausbildungsstätte (Filiale oder Zentrale) mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden, unter denen die Ausbildung zu leisten ist. Diese Zuweisung ist eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs 3 Satz 1 BetrVG.
4. Die Zuweisung einer anderen Ausbildungsstätte gilt nur dann nicht als Versetzung, wenn sie in dem Filialbetrieb üblich und zur Erreichung des Ausbildungsziels sachlich geboten ist (§ 95 Abs 3 Satz 2 BetrVG). Das ist bei ausbildungsbedingten turnusmäßigen - jährlichen - Versetzungen von einer Filiale zur anderen oder zur Zentrale der Fall.
Normenkette
BBiG § 1 Abs. 2; BetrVG § 98 Abs. 1, 4, § 99 Abs. 2, § 95 Abs. 3 S. 1, § 99 Abs. 1 S. 1, § 95 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 14.06.1983; Aktenzeichen 8 TaBV 6/83) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 15.12.1982; Aktenzeichen 1 BV 13/82) |
Gründe
A. Arbeitgeber und Betriebsrat streiten darüber, ob der Betriebsrat bei der Versetzung von Auszubildenden mitzubestimmen hat.
Der Arbeitgeber betreibt einen Lebensmittelfilialbetrieb mit 92 Verkaufsstellen. Er beschäftigt über 2.000 Arbeitnehmer und zahlreiche Auszubildende. Diese Auszubildenden werden zum Beruf des Verkäufers ausgebildet. Dies geschieht überwiegend in den Verkaufsstellen, in geringem Umfang auch in der Zentrale. Die Ausbildungszeit beträgt in der Regel zwei Jahre. Während dieses Zeitraums sollen den Auszubildenden die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nach einem vom Arbeitgeber erstellten Ausbildungsplan vermittelt werden.
Die Auszubildenden werden in der Regel nicht nur in einer Verkaufsstelle ausgebildet. Sie wechseln die Verkaufsstelle in der Regel nach einem Jahr der Ausbildung. Dieser Wechsel wird von den Beteiligten als "turnusmäßiger Wechsel der Ausbildungsstätte" bezeichnet. Jedes Jahr kommt es etwa zweihundert Mal zu einem solchen turnusmäßigen Wechsel der Ausbildungsstätte. Darüber hinaus wechseln die Auszubildenden die Ausbildungsstätte auf Anordnung des Arbeitgebers dann, wenn sich im persönlichen Bereich Spannungen ergeben haben, die das Ausbildungsziel gefährden können, wenn der Wechsel notwendig wird aus Gründen, die im Leistungs- oder Verhaltensbereich des Auszubildenden liegen, oder wenn die Auszubildenden einen solchen Wechsel wünschen. Dies geschieht etwa sechzig Mal im Jahr. Die Beteiligten sprechen insoweit von einem "einzelfallbezogenen Wechsel der Ausbildungsstätte".
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, jede Zuweisung eines Auszubildenden an eine andere Ausbildungsstätte unterliege seiner Mitbestimmung. Er hatte deshalb in den Vorinstanzen beantragt, die Versetzung dreier Auszubildender in andere Verkaufsstellen aufzuheben. Diesen Antrag verfolgt der Betriebsrat mit der Rechtsbeschwerde nicht mehr weiter, weil die Ausbildungsverhältnisse inzwischen beendet wurden. Daneben hat der Betriebsrat von Anfang an beantragt
festzustellen, daß die Zuweisung eines Aus-
zubildenden von einer Betriebsstätte (Ver-
kaufsstelle, Zentrale oder sonstigen Be-
triebsstätte) zu einer anderen Betriebsstät-
te seiner Mitbestimmung nach § 99 BetrVG
unterliegt.
Der Arbeitgeber hat beantragt, diese Anträge zurückzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Wechsel des Arbeitsplatzes im Zuge der Ausbildung liege im Wesen eines Berufsausbildungsverhältnisses. Die Zuweisung einer anderen Ausbildungsstätte sei nach § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG keine Versetzung im Sinne von § 99 BetrVG. Im übrigen werde das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 98 Abs. 1 BetrVG nicht bestritten. Der Arbeitgeber hat insoweit jedoch behauptet, es bestehe kein fester Ausbildungsplan. Über den turnusmäßigen Wechsel werde aufgrund eines Gesprächs zwischen der Ausbildungsabteilung, der Verkaufsleitung, dem zuständigen Bezirksleiter und dem Personalbüro etwa vier bis sechs Wochen vor dem in Aussicht genommenen Termin entschieden.
Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag des Betriebsrats stattgegeben. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß die turnusmäßige Zuweisung der Auszubildenden an andere Ausbildungsstätten der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 98 Abs. 1 BetrVG solange unterliegt, bis eine Betriebsvereinbarung diese Wechsel der Ausbildungsstätten regelt. Den weitergehenden Antrag des Betriebsrats hat es zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß haben beide Seiten Rechtsbeschwerde eingelegt. Der Betriebsrat will erreichen, daß auch jede einzelfallbezogene Versetzung seiner Mitbestimmung nach § 99 BetrVG unterliegt. Der Arbeitgeber will erreichen, daß der Feststellungsantrag des Betriebsrats insgesamt abgewiesen wird.
B. Beide Rechtsbeschwerden sind begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Betriebsrat zu Unrecht ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG in den Fällen versagt, in denen dem Auszubildenden aus einzelfallbezogenen Gründen eine andere Ausbildungsstätte zugewiesen wird. Andererseits hat es dem Betriebsrat bei turnusmäßigen Zuweisungen zu Unrecht ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt. Insoweit muß der Antrag des Betriebsrats abgewiesen werden.
I. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig.
1. Der Betriebsrat hat ein rechtliches Interesse daran, daß sein Mitbestimmungsrecht bei der Zuweisung anderer Ausbildungsstätten alsbald festgestellt wird (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die Frage, ob der Betriebsrat auch bei Zuweisungen der Auszubildenden an andere Ausbildungsstätten nach § 99 BetrVG mitzubestimmen hat, ist zwischen den Parteien streitig. Ein Interesse des Betriebsrats an der Klärung dieser Rechtsfrage geht über das Interesse hinaus, das er in einem Einzelfall geltend machen könnte und auch geltend gemacht hat. Wie der vorliegende Fall zeigt, können sich streitige Einzelfälle durch Zeitablauf erledigen. Dann bleibt dem Betriebsrat nur die Möglichkeit, die streitige Rechtsfrage allgemein, losgelöst von einem Einzelfall, gerichtlich klären zu lassen (vgl. BAG Beschluß vom 10. April 1984 - 1 ABR 73/82 - AP Nr. 3 zu § 81 ArbGG 1979, zu B II 1 der Gründe). Von dieser Möglichkeit hat der Betriebsrat im vorliegenden Verfahren Gebrauch gemacht.
2. Der Antrag ist auch bestimmt genug (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZP0 entsprechend). Der Betriebsrat hatte zunächst ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG bei jeder Zuweisung eines Auszubildenden von einer Betriebsstätte an eine andere Betriebsstätte in Anspruch genommen. In jeder dieser Zuweisungen hat er eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gesehen. Er hat nicht unterschieden zwischen turnusmäßigen und einzelfallbezogenen Versetzungen. Die Unterscheidung ist aber notwendig, weil die Tatbestände rechtlich unterschiedlich beurteilt werden müssen. Sie ist auch möglich. Bei jeder Zuweisung einer anderen Ausbildungsstätte steht für die Beteiligten fest, um welche Art Zuweisung es sich handelt. Das folgt schon aus dem Zeitablauf. Wird nach einem Jahr Ausbildungszeit dem Auszubildenden eine andere Ausbildungsstätte zugewiesen, handelt es sich um die turnusmäßige Zuweisung. In allen anderen Fällen handelt es sich um eine Zuweisung aus einzelfallbezogenen Gründen.
II. Der Antrag des Betriebsrats ist nur zum Teil begründet, nämlich hinsichtlich der Zuweisung aus einzelfallbezogenen Gründen. Bei der jährlichen turnusmäßigen Zuweisung einer anderen Ausbildungsstätte steht ihm kein Mitbestimmungsrecht zu.
1. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BetrVG hat der Betriebsrat in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern bei einer Versetzung von Arbeitnehmern mitzubestimmen. Zu den Arbeitnehmern gehören auch die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten (§ 5 Abs. 1 BetrVG). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht danach auch bei Versetzungen von Auszubildenden.
2. Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist nach § 95 Abs. 3 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Unter Arbeitsbereich im Sinne dieser Bestimmung sind die Arbeitsbedingungen eines Arbeitnehmers zu verstehen, bezogen auf Ort und Gegenstand der geschuldeten Tätigkeit und auf die organisatorische Einordnung in den Betriebsablauf (vgl. Beschluß des Senats vom 10. April 1984 - 1 ABR 67/82 - zu B 1 der Gründe, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 99 Rz 22; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 17 f.; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 74, jeweils mit weiteren Nachweisen). Bezogen auf Auszubildende heißt das: Ein Auszubildender wird versetzt im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG, wenn ihm ein anderer Ausbildungsbereich zugewiesen wird, und wenn die Zuweisung entweder die Dauer von einem Monat überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Ausbildung stattfinden soll. Dabei gehören zum Ausbildungsbereich die Bedingungen, unter denen ein Auszubildender ausgebildet wird; maßgebend sind der Ort der Ausbildung, der Gegenstand der Ausbildung und die organisatorische Einordnung in den Betriebsablauf.
In diesem Sinne ist die Zuweisung einer anderen Ausbildungsstätte die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs. Die Filialen des Arbeitgebers sind Betriebsteile. Beim Wechsel von einer Filiale zur anderen ändert sich - räumlich gesehen - der Arbeitsplatz des Auszubildenden.
Diese Zuweisung eines Auszubildenden von einer Betriebsstätte zu einer anderen Betriebsstätte ist auch dann eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, wenn sie die Dauer von einem Monat nicht überschreitet. Denn sie ist jedenfalls mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden, unter denen die Ausbildung stattzufinden hat (§ 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Der Auszubildende hat sich nicht nur an einem anderen Ort ausbilden zu lassen. Er erhält andere Ausbilder und wird Mitarbeiter in einer anderen Arbeitsgruppe. Die Mitbestimmung bei Versetzungen dient u.a. dem Schutz des Arbeitnehmers und Auszubildenden gegen eine unnötige Veränderung seiner ihm vertrauten näheren Arbeitsumwelt (vgl. Galperin/Löwisch, aaO, § 99 Rz 17). Unter Berücksichtigung dieses Zweckes handelt es sich bei einem Wechsel der Betriebsstätte um eine erhebliche Änderung der Umstände, unter denen der Auszubildende ausgebildet wird.
3. Ausnahmsweise liegt dann keine Versetzung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor, wenn sich im Einzelfall nur der Arbeitsplatz (Ausbildungsplatz) ändert und der Arbeitnehmer (Auszubildende) nach der Eigenart seines Arbeitsverhältnisses (Ausbildungsverhältnisses) üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt wird (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG).
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, Auszubildende würden üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Ausbildungsplatz beschäftigt. Die Betriebe seien heute überwiegend arbeitsteilig organisiert. Ein Auszubildender müsse verschiedene Abteilungen durchlaufen. Das gelte auch für den Ausbildungsberuf eines Verkäufers, der in der Warenannahme, Buchhaltung, im Lager und in verschiedenen Verkaufsstätten ausgebildet werde. Dies müsse für alle Zuweisungen der Auszubildenden an andere Betriebsstätten gelten, unabhängig davon, ob sie aus Gründen des Einzelfalles oder turnusgemäß ausgesprochen würden.
Dem kann der Senat - im Ergebnis - nur für die ausbildungsbedingten turnusmäßigen Zuweisungen folgen, nicht aber für alle anderen Versetzungen eines Auszubildenden.
a) Das Landesarbeitsgericht will auf die Eigenart des Berufsausbildungsverhältnisses schlechthin abstellen. Es erkennt zwar, daß Auszubildende heute noch ohne Änderung des Ausbildungsplatzes ausgebildet werden können, etwa in kleinen Handwerksbetrieben. Doch will es auf die zahlenmäßig überwiegende arbeitsteilige Berufsausbildung abstellen. Diese Betrachtung ist weder mit dem Wortlaut noch mit Sinn und Zweck des § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG zu vereinbaren. Die Bestimmung stellt ab auf die Eigenart der jeweiligen Arbeitsverhältnisse. Der Wechsel des Arbeitsplatzes muß für Arbeitsverhältnisse dieser Art typisch sein (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 99 Rz 28; Galperin/Löwisch, aaO, § 99 Rz 21). Was für das Arbeitsverhältnis gilt, muß entsprechend auf das Ausbildungsverhältnis übertragen werden. Es kann deshalb mitbestimmungsfreie Versetzungen in Ausbildungsverhältnissen nur dort geben, wo üblicherweise nach der Eigenart dieses Ausbildungsverhältnisses der Auszubildende nicht ständig an einem bestimmten Ausbildungsplatz ausgebildet wird. Bei der Ausbildung zum Verkäufer ist dies nicht immer der Fall. Es gehört nicht zum typischen Berufsbild eines Verkäufers und zum typischen Ablauf eines solchen Ausbildungsverhältnisses, daß in mehreren Betriebsstätten ausgebildet wird. Der Hinweis des Landesarbeitsgerichts, auch in einem Kaufhaus werde der Auszubildende in verschiedenen Betriebsabteilungen ausgebildet, überzeugt nicht. Die Zuweisung von Auszubildenden an verschiedene Arbeitsstätten (Filialen oder Zentrale) geht über die Zuweisung an einzelne Abteilungen hinaus. Typisch für die Ausbildung eines Verkäufers ist die Ausbildung in einer Arbeitsstätte, wenn auch in verschiedenen Abteilungen. Der örtliche Wechsel des Arbeitsplatzes ergibt sich somit nicht aus der Eigenart dieses Ausbildungsverhältnisses; er ist für Ausbildungsverhältnisse dieser Art nicht typisch.
b) Dem Landesarbeitsgericht ist jedoch für den Sonderfall einer Ausbildung in einem Betrieb mit mehreren Filialen zuzustimmen, wenn es für diese Betriebe die ausbildungsbedingte turnusmäßige Zuweisung einer anderen Ausbildungsstätte in die Ausnahmeregelung des § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG einbezieht. Hier bedingt die Eigenart des Ausbildungsverhältnisses üblicherweise den Wechsel der Ausbildungsstätte. Zwar reicht es nicht aus, daß der Arbeitgeber in seinem Betrieb tatsächlich, also üblicherweise, Auszubildenden regelmäßig nach einer bestimmten Zeit eine zweite oder dritte Ausbildungsstätte zuweist; allein die praktische Handhabung kann die rechtlich zu billigende Übung nicht begründen. Die Übung muß auch sachlich gerechtfertigt sein.
Das ist hier der Fall. Die Zuweisung einer zweiten Ausbildungsstätte nach Ablauf eines Jahres ist sachlich geboten. Sie liegt im Interesse der Auszubildenden. Der Wechsel hat für sie erhebliche Vorteile: Sie lernen vom jeweiligen Ausbilder verschiedene Methoden und Fähigkeiten, sie lernen andere Warengruppen und einen anderen Kundenkreis kennen. Der Wechsel verhindert, daß der Auszubildende einseitig ausgebildet wird. Der Auszubildende erhält auf diese Weise eine breit angelegte berufliche Grundbildung (§ 1 Abs. 2 BBiG).
c) Danach besteht in Fällen der ausbildungsbedingten turnusmäßigen Zuweisung anderer Ausbildungsstätten kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
4. Das Landesarbeitsgericht hat ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei diesen turnusmäßigen Zuweisungen nach § 98 Abs. 1 BetrVG bejaht. Diese Begründung ist rechtlich nicht haltbar.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betriebsrat habe bei diesen Zuweisungen jedenfalls so lange mitzubestimmen, wie nicht eine Betriebsvereinbarung über Zeit, Art und Umstände des turnusmäßigen Wechsels der Ausbildungsstätten zustande gekommen sei. Insoweit habe der Betriebsrat nämlich bei der Durchführung der Ausbildung nach § 98 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen.
Bei diesen Erwägungen hat das Landesarbeitsgericht den Inhalt des Mitbestimmungsrechts nach § 99 Abs. 1 und 2 BetrVG verkannt.
a) Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen in Anspruch genommen. Dieses Mitbestimmungsrecht ist in den §§ 99 ff. BetrVG näher ausgestaltet nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Von diesem Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen unterscheidet sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung (§ 98 Abs. 1 BetrVG). Hier geht es nicht um personelle Einzelmaßnahmen, sondern um alle Regelungen, die mit der Durchführung einer Bildungsmaßnahme zusammenhängen. Gegenstand der Mitbestimmung nach § 98 Abs. 1 BetrVG ist die Art und Weise, in der die Berufsbildung im Betrieb durchgeführt wird. So kann Gegenstand der Mitbestimmung auch die Reihenfolge der Ausbildungsstationen im Betrieb sein. Besteht daher im Betrieb des Arbeitgebers ein Bedürfnis, eine solche Reihenfolge der Ausbildungsstationen festzulegen, hat der Betriebsrat hierbei mitzubestimmen. Sollten bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung personelle Einzelmaßnahmen erforderlich werden, ist das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zu beachten. Beide Mitbestimmungsrechte sind auch in den Rechtsfolgen unterschiedlich ausgestaltet. Über die Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung sollen sich Arbeitgeber und Betriebsrat einigen. Sie können auf diese Weise die Reihenfolge der Ausbildungsstationen festlegen. Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle; ihr Spruch ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 98 Abs. 4 BetrVG). Demgegenüber bedarf der Arbeitgeber bei personellen Einzelmaßnahmen der Zustimmung des Betriebsrats. Der Betriebsrat kann diese Zustimmung aus den im Gesetz genannten Gründen verweigern. Über die Berechtigung, die Zustimmung zu verweigern, entscheiden die Gerichte für Arbeitssachen im Beschlußverfahren (§ 99 Abs. 4 BetrVG).
b) Im vorliegenden Fall kann sich das beanspruchte Mitbestimmungsrecht nur aus § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ergeben und nicht aus § 98 Abs. 1 BetrVG. Die ausbildungsbedingte turnusmäßige Zuweisung eines Auszubildenden an eine andere Ausbildungsstätte ist keine Maßnahme der betrieblichen Berufsbildung im Sinne des § 98 Abs. 1 BetrVG, auf die sich die Mitbestimmung des Betriebsrats erstreckt. Diese Zuweisung ist immer personelle Einzelmaßnahme, für die ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach Maßgabe des § 99 Abs. 2 in Verb. mit § 95 Abs. 3 Satz 1 und 2 BetrVG bestehen kann. Deshalb kann das Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen auch nicht davon abhängig sein, ob eine Betriebsvereinbarung über die Reihenfolge, in der Ausbildungsstationen durchlaufen werden müssen, geschlossen worden ist. Um das Zustandekommen einer solchen Betriebsvereinbarung kann sich der Betriebsrat nach § 98 Abs. 4 BetrVG bemühen. Umgekehrt, auch wenn eine solche Betriebsvereinbarung besteht, ist damit das Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen nicht ausgeschlossen. Beide Mitbestimmungsrechte bestehen selbständig nebeneinander. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 98 Abs. 1 und 4 BetrVG brauchen deshalb nicht dadurch gesichert zu werden, daß dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen nur bis zum Zustandekommen einer Betriebsvereinbarung eingeräumt wird.
Da im vorliegenden Fall bei ausbildungsbedingten turnusmäßigen Zuweisungen einer anderen Ausbildungsstätte kein Mitbestimmungsrecht in personellen Angelegenheiten besteht (s. oben Abschnitt B II 3), kann es auch nicht über § 98 Abs. 1 BetrVG begründet werden. Davon unabhängig hat der Betriebsrat das Recht, über die Durchführung der beruflichen Bildung nach § 98 Abs. 1 BetrVG mitbestimmen zu können. Darüber ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.
Damit ist zugleich der Einwand des Arbeitgebers erledigt, das Landesarbeitsgericht habe über einen Antrag entschieden, den der Betriebsrat nicht gestellt habe. Tatsächlich hat das Landesarbeitsgericht über ein Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen entschieden, dieses aber - rechtlich unzutreffend - aus § 98 Abs. 1 BetrVG hergeleitet. In der Sache hat der Arbeitgeber jedenfalls recht: Bei den ausbildungsbedingten turnusmäßigen jährlichen Zuweisungen einer Ausbildungsstätte hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG; bei diesen Zuweisungen handelt es sich nicht um Versetzungen im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG.
5. Anders ist die Rechtslage bei der Zuweisung einer anderen Ausbildungsstätte aus nicht ausbildungsbedingten Gründen des Einzelfalles. Diese Zuweisungen beruhen - schon nach der Darstellung des Arbeitgebers - auf persönlichen Spannungen, auf Mängeln in der Ausbildung oder auf dem Wunsch des Auszubildenden. Diese Wechsel der Ausbildungsstätte beruhen deshalb nicht auf der Eigenart eines Ausbildungsverhältnisses. Die Ausnahme des § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG greift insoweit nicht ein. Es bleibt dabei, daß eine solche nicht ausbildungsbedingte einzelfallbezogene Zuweisung einer anderen Ausbildungsstätte eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist (s. den Abschnitt B II 3 a). Das ist auch sachlich gerechtfertigt. Bei dieser Fallgestaltung bedarf der Auszubildende des kollektiven Schutzes durch den Betriebsrat. Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß der betroffene Auszubildende durch die Zuweisung benachteiligt wird, ohne daß dies aus betrieblichen oder in seiner Person liegenden Gründen gerechtfertigt ist (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG).
6. Danach hat der Betriebsrat nach § 99 BetrVG mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber einem Auszubildenden eine andere Ausbildungsstätte zur Ausbildung zuweist, sofern es sich nicht um eine ausbildungsbedingte turnusmäßige Zuweisung handelt. Bei ausbildungsbedingten turnusmäßigen jährlichen Zuweisungen besteht dieses Mitbestimmungsrecht nicht. Der Beschluß des Landesarbeitsgerichts, durch den umgekehrt entschieden wurde, muß deshalb auf die Rechtsbeschwerden des jeweils unterlegenen Beteiligten aufgehoben werden. Soweit das Arbeitsgericht für nicht ausbildungsbedingte einzelfallbezogene Versetzungen festgestellt hat, daß die Zuweisung eines Auszubildenden von einer Betriebsstätte zur anderen der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, bleibt es bei diesem Beschluß. Soweit das Arbeitsgericht die jährliche turnusmäßige Zuweisung von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig gemacht hat, muß der Beschluß auf die Beschwerde des Arbeitgebers abgeändert werden.
Dr. Heither Matthes Dr. Becker
Schneider Dr. Schönherr
Fundstellen
Haufe-Index 436981 |
BAGE 50, 226-235 (LT1-4) |
BAGE, 226 |
DB 1986, 915-917 (LT1-4) |
AuB 1987, 139-139 (T) |
BetrR 1986, 480-482 (LT1-4) |
EzB BBiG § 1 Abs 2, Nr 21 (S1) |
EzB BetrVG § 5, Nr 12 (S1) |
EzB BetrVG § 98, Nr 5 (S1) |
EzB BetrVG § 99, Nr 5 (ST1) |
ARST 1986, 115-116 (LT1-4) |
NZA 1986, 532-534 (LT1-4) |
RdA 1986, 137 |
SAE 1987, 151-154 (LT1-4) |
AP § 95 BetrVG 1972 (LT1-4), Nr 8 |
AP § 95 BetrVG 1972, Nr 8 |
AR-Blattei, Berufsausbildung Entsch 48 (LT1-4) |
AR-Blattei, ES 400 Nr 48 (LT1-4) |
EzA § 95 BetrVG 1972, Nr 10 |