Entscheidungsstichwort (Thema)
Wählbarkeit von Betriebsratsmitgliedern. Wahlanfechtungsfrist
Leitsatz (amtlich)
1) Der Antrag auf Feststellung, daß ein Betriebsratsmitglied nicht wählbar war, richtet sich nicht gegen den Wahlvorstand. Dieser ist im Beschlußverfahren über den Antrag nicht Beteiligter.
2) Ein in der Vergangenheit liegender Umstand, der die Wahl eines Betriebsratsmitglieds mit dem Mangel der Nichtwählbarkeit behaftet erscheinen läßt, kann zwar noch nach Ablauf der Wahlanfechtungsfrist zu einer das Betriebsratsamt beendenden Feststellung der Nichtwählbarkeit führen. Dies kann aber nur gelten, wenn dieser Mangel fortwirkt, auch zur Zeit der Feststellung noch gegeben ist.
Normenkette
BVG § 24
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Beschluss vom 24.11.1953; Aktenzeichen 1 BV 14/53) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der I. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 24. November 1953 – 1 BV 14/53 – wird zurückgewiesen.
Gründe
Im Betrieb der Rechtsbeschwerdeführerin fand am 7. April 1953 eine Betriebsratswahl statt. Der Angestellte Berger, der dem Betrieb der Rechtsbeschwerdeführerin seit dem 16. August 1952, also zur Zeit der Wahl noch kein Jahr, angehörte, wurde als Betriebsobmann (Ein-Mann-Betriebsrat) gewählt. Das Wahlergebnis wurde am 8. April 1953 bekanntgemacht. Einen Tag später stellte sich Berger bei der Rechtsbeschwerdeführerin als Betriebsobmann vor.
Nachdem die Rechtsbeschwerdeführerin zunächst die Wahl beim Arbeitsgericht angefochten, die Anfechtung später aber, weil verspätet vorgenommen, zurückgenommen hatte, begehrte sie am 29. Juni 1953
festzustellen, daß die am 7.4.1953 erfolgte Wahl ihres Angestellten Rolf Berger zum Betriebsobmann ungültig sei.
Durch Beschluß des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 30. Juni 1953 wurde dem Antrag der Rechtsbeschwerdeführerin stattgegeben.
Der Beschluß wurde dem Rechtsbeschwerdegegner am 8. Juli 1953 zugestellt. Dieser legte gegen ihn am 3. August 1953 beim Landesarbeitsgericht Beschwerde ein mit dem Antrag,
den arbeitsgerichtlichen Beschluß aufzuheben und den Antrag der Rechtsbeschwerdeführerin zurückzuweisen.
Diese bat um
Zurückweisung der Beschwerde mit der Maßgabe, festzustellen, daß der Betriebsobmann Berger nicht wählbar war.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hob durch Beschluß vom 24. November 1953 den Beschluß des Arbeitsgerichts Wuppertal auf und wies den Antrag der Rechtsbeschwerdeführerin zurück. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluß wurde vom Landesarbeitsgericht zugelassen.
Der Beschluß wurde der Rechtsbeschwerdeführerin am 22. Januar 1954 zugestellt. Sie legte hiergegen am 2. Februar 1954 mit Gründen versehene Rechtsbeschwerde ein mit dem Antrag,
den landesarbeitsgerichtlichen Beschluß aufzuheben und die Beschwerde des Rechtsbeschwerdegegners gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Wuppertal zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil sie kraft Zulassung an sich statthaft, im übrigen auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 92 Abs. 1, S. 1, 94 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG). Sie ist jedoch nicht begründet.
Vorab ist festzustellen, daß sich der Antrag der Rechtsbeschwerdeführerin beim Arbeitsgericht gegen den Wahlvorstand richtet, und daß auch im ersten und im zweiten Rechtszuge der Wahlvorstand als Beteiligter in der Rolle des Antragsgegners bzw. Beschwerdeführers angesehen worden ist. Das ist jedoch zu Unrecht geschehen. Denn mit der Wahl des Angestellten Berger zum Betriebsobmann waren die Funktionen des Wahlvorstandes grundsätzlich erloschen. Wenn der Wahlvorstand auch vor der Wahl in erster Linie über die Wählbarkeit des Angestellten Berger zu entscheiden hatte (Dietz, BVG, 1953, § 7, Anm. 23) so herrschte nach vollzogener Wahl über die Wählbarkeit des Berger kein Streit zwischen der Rechtsbeschwerdeführerin und dem in Wahrheit bezüglich der Wahl des Berger funktionslos gewordenen Wahlvorstand, sondern zwischen der Rechtsbeschwerdeführerin und dem zum Betriebsobmann gewählten Berger. Das Rubrum konnte jedoch ohne weiteres berichtigt werden. Denn der Antrag der Rechtsbeschwerdeführerin richtete sich gegen den Wahlvorstand u. a. vertreten durch den Betriebsobmann Berger, gleichwie auch dieser als Mitvertreter des Wahlvorstandes beim Landesarbeitsgericht Beschwerde eingelegt hatte. Berger ist daher während des ganzen Verfahrens in Wahrheit Beteiligter gewesen, wenngleich die Funktion, aus der heraus seine Eigenschaft als Beteiligter des Beschlußverfahrens erwuchs, bisher verkannt worden war. Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat sich dann Berger richtig in reiner Eigenschaft als Betriebsobmann gemäß § 95 ArbGG auf die Rechtsbeschwerdeschrift hin geäußert.
Zu Unrecht rügt die Rechtsbeschwerdeführerin unrichtige Anwendung des § 24 BVG durch das Landesarbeitsgericht. Nach dieser Vorschrift erlischt die Mitgliedschaft im Betriebsrat u. a. auch dann, wenn nach Ablauf der im § 18 BVG bezeichneten Frist festgestellt wird, daß das Mitglied nicht wählbar war, weil es, wie der Rechtsbeschwerdegegner, zur Zeit der Wahl noch kein Jahr dem Betriebe angehörte. Diese im Beschlußverfahren erfolgende Feststellung (vgl. Dietz aaO, § 24 Anm. 23) führt mithin zur Beendigung des Amtes des Betriebsratsmitglieds, woraus folgt, daß bis zu dieser Feststellung das Betriebsratsamt bestand. Entscheidend ist nun hier, ob nach Ablauf der im § 18 BVG vorgesehenen Anfechtungsfrist unbeschränkt die Nichtwählbarkeit mit der Wirkung des Erlöschens der Betriebsratsmitgliedschaft festgestellt werden kann.
Der Rechtsbeschwerdeführerin ist allerdings zuzugeben daß der bloße Wortlaut des § 24 BVG in der Tat eine Auffassung, es könne unbeschränkt die Nichtwählbarkeit eines Betriebsratsmitglieds festgestellt werden, zu rechtfertigen scheint. Es ist auch richtig, daß in den zuständigen parlamentarischen Gremien ein Antrag, „und die Wählbarkeit inzwischen auch nicht erlangt hat”, dem § 24 BVG letzte Alternative zuzusetzen, nicht angenommen und damit nicht Gesetz geworden ist (Meissinger, BVG, 1952, § 24 Anm. 9). Gleichwohl muß berücksichtigt werden, in welchem Zusammenhang denn der Erlöschensgrund der Feststellung der Nichtwählbarkeit eines Betriebsratsmitglieds steht. Bei den übrigen Gründen für die Beendigung des Amtes eines Betriebsratsmitglieds nach § 24 BVG handelt es sich um solche, die im Laufe der Mitgliedschaft im Betriebsrat vom Zeitpunkt der Wahl an gerechnet erst entstanden sind. Die Feststellung gemäß § 24 BVG letzte Alternative über die Nichtwählbarkeit erfolgt ebenfalls erst im Laufe der Zugehörigkeit des betroffenen Mitglieds zum Betriebsrat, wenn auch diese Feststellung auf einem Umstand beruht, der schon im Zeitpunkt der Wahl vorgelegen haben muß. Ein solcher in der Vergangenheit liegender Umstand, der die Wahl mit einem Mangel behaftet erscheinen läßt, kann zwar auch noch nach Ablauf der im § 18 BVG bezeichneten Frist zu einer das Betriebsratsamt beendenden Feststellung der Nichtwählbarkeit führen. Dies kann aber sinnvollerweise doch nur gelten, wenn dieser Mangel der Nichtwählbarkeit fortwirkt und zur Zeit der Feststellung, die ja das Erlöschen der Betriebsratsmitgliedschaft herbeiführt, noch gegeben ist. Es ist kein Grund einzusehen, warum hier durch Richterspruch ein Betriebsratsamt beendet werden sollte, nur weil das betreffende Betriebsratsmitglied zwar vor Monaten oder gar mehr als einem Jahr, wie hier der Rechtsbeschwerdegegner, nicht wählbar war, inzwischen aber wählbar geworden ist.
Die Tatsache, daß der beantragte Zusatz „und die Wählbarkeit inzwischen auch nicht erlangt hat” nicht Gesetz geworden ist, berechtigt keineswegs zu dem Umkehrschluß, es müße ohne Einschränkung die Nichtwählbarkeit im Rahmen des § 24 BVG festgestellt werden, auch wenn inzwischen das betroffene Betriebsratsmitglied wählbar geworden ist. Daß solches außergewöhnliche Ergebnis vom Gesetzgeber hier ausdrücklich gewollt sei, ist in keiner Weise ersichtlich. Es kann nicht Sinn und auch nicht Absicht des BVG sein, unnützerweise Betriebsfrieden und gedeihliche Betriebsratsarbeit noch nach Jahr und Tag zu stören, wenn nur ein inzwischen behobener Mangel hinsichtlich der Wählbarkeit zur Zeit der Wahl in Frage steht. Soweit also Nichtwählbarkeit durch Zeitablauf heilbar erscheint, trifft sie gar nicht den Fall des § 24 BVG letzte Alternative, es sei denn, die Nichtwählbarkeit sei auch zur Zeit der rechtskräftigen richterlichen Feststellung noch vorhanden. Der Mangel einjähriger Dauer der Betriebszugehörigkeit als Voraussetzung der Wählbarkeit ist aber durch Ablauf der Zeit heilbar. Gehört, wie hier der Rechtsbeschwerdegegner Berger zur Zeit der Verkündung des landesarbeitsgerichtlichen Beschlußes, das Betriebsratsmitglied inzwischen ein Jahr dem Betrieb an, so ist der die Nichtwählbarkeit begründende Mangel geheilt. In diesem einengenden Sinne ist § 24 BVG letzte Alternative zu verstehen (Dietz aaO, § 24 Anm. 23, Abs. 2; Galperin BVG 1953, § 7 Anm. 33, § 24 Anm. 22).
Nach allem mußte die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen werden. Die Entscheidung ergeht gebühren- und auslagenfrei (§ 12 Abs. 4 ArbGG).
Unterschriften
gez. Nipperdey, Dr. König, Dr. Poelmann, Doertenbach, K. Debus
Fundstellen