Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratswahl. Vorschlagslisten. Nachfristsetzung
Leitsatz (amtlich)
Bei der Angabe des letzten Tages der Frist zur Einreichung von Vorschlagslisten im Wahlausschreiben gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 der Wahlordnung 1972 zum BetrVG hat der Wahlvorstand keinen Entscheidungsspielraum. Er muß vielmehr den sich aus § 6 Abs. 1 Satz 2 der Wahlordnung ergebenden Tag angeben.
Normenkette
BetrVG 1972 § 19 Abs. 1; WahlO 1972 zum BetrVG § 3 Abs. 2 Nr. 7; WahlO 1972 zum BetrVG § 6 Abs. 1 S. 2; BGB § 187 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Beschluss vom 25.02.1992; Aktenzeichen 6 TaBV 117/91) |
ArbG Wesel (Beschluss vom 30.09.1991; Aktenzeichen 5 BV 30/91) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. Februar 1992 – 6 TaBV 117/91 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die drei Antragsteller sind wahlberechtigte Arbeitnehmer im Betrieb der beteiligten Arbeitgeberin. Sie haben mit der beim Arbeitsgericht am 23. Juli 1991 eingegangenen Antragsschrift die Wahl des beteiligten Betriebsrats vom 11. Juli 1991 mit der Begründung angefochten, der Wahlvorstand habe gegen wesentliche Wahlvorschriften dadurch verstoßen, daß er die Frist zur Einreichung der Vorschlagslisten unter Verstoß gegen § 6 Abs. 1 der Wahlordnung 1972 unrichtig berechnet und es entgegen § 9 Abs. 1 der Wahlordnung unterlassen habe, eine Nachfrist zur erneuten Einreichung der Vorschlagslisten zu setzen.
Eine Betriebsratswahl außerhalb des regelmäßigen Wahltermins war notwendig geworden, weil die Zahl der Betriebsratsmitglieder auch nach Eintreten aller Ersatzmitglieder unter die der Belegschaftsstärke entsprechende Zahl von elf Betriebsratsmitgliedern gesunken war. Der daraufhin bestellte Wahlvorstand erließ am 15. Mai 1991 ein Wahlausschreiben, in dem die wahlberechtigten Arbeitnehmer aufgefordert wurden, vor Ablauf von zwei Wochen, spätestens bis zum 31. Mai 1991, 15.00 Uhr, beim Wahlvorstand Vorschlagslisten einzureichen. Die Betriebsratswahl wurde auf den 27. Juni 1991 festgesetzt.
Am 31. Mai 1991 wurden beim Wahlvorstand zwei Vorschlagslisten eingereicht, die eine mit dem Kennwort „Wende” und die andere mit dem Kennwort „E.”. Die Vorschlagsliste „Wende” führte ursprünglich zwölf Kandidaten auf, die ihrer Kandidatur zugestimmt hatten und von 45 wahlberechtigten Arbeitnehmern unterschriftlich unterstützt wurden. Der unter der laufenden Nummer 10 aufgeführte Kandidat Manfred N. wurde zwei Stunden vor Ablauf der festgesetzten Einreichungsfrist am 31. Mai 1991 auf eigene Bitte hin als Kandidat gestrichen, ohne daß zuvor die Zustimmung der Arbeitnehmer eingeholt worden wäre, die die Vorschlagsliste unterzeichnet hatten. Mit dieser Streichung wurde die Vorschlagsliste am 31. Mai 1991 um 13.25 Uhr beim Wahlvorstand eingereicht.
Am 3. Juni 1991 beanstandete der Wahlvorstand gegenüber dem Antragsteller V. als Vertreter der Liste „Wende” die Vorschlagsliste als mangelhaft. Er teilte mit, die Liste könne nicht berücksichtigt werden, weil sie ungültig sei. Eine Nachfrist komme nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht in Betracht, da eine andere gültige Vorschlagsliste, nämlich die Liste „…-…”, vorhanden sei.
Für die Vorschlagsliste „Wende” wurden daraufhin am 4. Juni 1991 erneut die Unterschriften wahlberechtigter Arbeitnehmer gesammelt. Am 5. Juni 1991 reichte der Beteiligte zu 1) die Vorschlagsliste mit insgesamt 52 tragenden Unterschriften erneut beim Wahlvorstand ein. Am 7. Juni 1991 teilte der Wahlvorstand dem Antragsteller V. mit, daß auch die neu eingereichte Liste „Wende” keine Berücksichtigung für die Wahl finden könne, weil eine Nachfrist nicht gesetzt worden sei. Daraufhin fand die Betriebsratswahl am 11. Juli 1991 unter ausschließlicher Berücksichtigung der Kandidaten der Vorschlagsliste „E.” statt.
Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, die Verfahrensweise des Wahlvorstandes habe in schwerwiegender Weise gegen zwingende Vorschriften über die Wahl und das Wahlverfahren verstoßen. Schon bei der Berechnung der Zwei-Wochen-Frist des § 6 Abs. 1 Satz 2 der Wahlordnung 1972 im Wahlausschreiben sei dem Wahlvorstand ein Fehler unterlaufen, da diese Frist bei richtiger Berechnung bereits am 29. Mai 1991 abgelaufen sei. Da bis zu diesem Zeitpunkt kein gültiger Wahlvorschlag vorgelegen habe, sei der Wahlvorstand verpflichtet gewesen, gemäß § 9 Abs. 1 der Wahlordnung 1972 eine einwöchige Nachfrist zu setzen, was er jedoch unterlassen habe. Innerhalb dieser einwöchigen Nachfrist wäre dann die ordnungsgemäße Vorschlagsliste „Wende” rechtzeitig eingereicht gewesen.
Die Antragsteller haben beantragt
festzustellen, daß die am 11. Juli 1991 bei der Beteiligten zu 5) durchgeführte gemeinsame Wahl der Arbeiter und Angestellten zum Betriebsrat ungültig ist.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, der von den Antragstellern ursprünglich eingereichte Wahlvorschlag sei ungültig gewesen, da er ohne Zustimmung sämtlicher Unterzeichner verändert worden sei. Der Setzung einer Nachfrist habe es nicht bedurft, da bei Ablauf der im Wahlausschreiben festgesetzten Frist die gültige Vorschlagsliste „E.” vorgelegen habe. Die neue Vorschlagsliste „Wende” sei verspätet eingereicht worden und habe daher nicht berücksichtigt werden dürfen. Eine versehentliche Fristverlängerung im Wahlausschreiben für die Einreichung von Vorschlagslisten führe nicht zu einer Anfechtbarkeit der Wahl. Überdies habe dieser Mangel keinen Einfluß auf das Wahlergebnis gehabt.
Das Arbeitsgericht hat die Wahl für unwirksam erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Abweisung des Antrags der Antragssteller, während diese beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Betriebsratswahl vom 11. Juli 1991 zu Recht für ungültig erklärt.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung, die Wahl für unwirksam zu erklären, unter weitgehender Bezugnahme gemäß § 543 ZPO auf die Gründe des arbeitsgerichtlichen Beschlusses im wesentlichen darauf gestützt, daß der Wahlvorstand die für die Einreichung von Wahlvorschlägen vorgeschriebene Zwei-Wochen-Frist (§ 6 Abs. 1 Satz 2 und § 3 Abs. 2 Nr. 7 Wahlordnung 1972), die an sich am 29. Mai 1991 abgelaufen wäre, unzulässigerweise bis zum 31. Mai 1991 verlängert habe. Dieser Fehler habe das Wahlergebnis schon deshalb beeinflußt, weil nicht ausgeschlossen werden könne, daß bei einer zutreffenden Angabe des Fristendes 29. Mai 1991 im Wahlausschreiben die Vorschlagsliste „Wende” ohne die erst am 31. Mai 1991 erfolgte Änderung eingereicht worden wäre, so daß sie der Wahlvorstand nicht hätte zurückweisen dürfen. Dabei gehen die Vorinstanzen übereinstimmend davon aus, daß die in der Wahlordnung vorgeschriebene Zwei-Wochen-Frist aus Gründen der Rechtssicherheit für alle Beteiligten eine klare zeitliche Grenze für die Einreichung von Wahlvorschlägen bilden solle, so daß nicht nur eine Verkürzung dieser Einreichungsfrist, sondern auch ihre Verlängerung durch den Wahlvorstand ein die Wahlanfechtung begründender Verstoß i. S. d. § 19 Abs. 1 BetrVG sei. Bei richtiger Berechnung der Frist (Fristende 29. Mai 1991) habe bei Fristende keine gültige Liste vorgelegen, weil auch die Liste „E.” erst am 31. Mai 1991 eingereicht worden sei. Gemäß § 9 Wahlordnung 1972 habe daher der Wahlvorstand eine Nachfrist setzen müssen.
II. Dieser Würdigung der Vorinstanzen ist uneingeschränkt zu folgen.
1. Eine Verlängerung der Zwei-Wochen-Frist des § 6 Abs. 1 Satz 2 der Wahlordnung 1972 zum Betriebsverfassungsgesetz durch den Wahlvorstand kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es nicht dem Wahlvorstand obliegt, die Frist für die Einreichung von Vorschlagslisten zu bestimmen. Vielmehr regelt diese Vorschrift selbst eindeutig, daß die Vorschlagslisten vor Ablauf von zwei Wochen seit Erlaß des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand einzureichen sind. Dem Wahlvorstand obliegt es gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 7 der Wahlordnung 1972 lediglich, im Wahlausschreiben auf diese Zwei-Wochen-Frist hinzuweisen. Die vorgeschriebene Angabe des letzten Tages der Frist ist nur eine zusätzliche Klarstellung; nicht aber soll sie dem Wahlvorstand irgendeinen Berechnungsspielraum einräumen. Die Frist des § 6 Abs. 1 Satz 2 Wahlordnung 1972 endete mithin am 29. Mai 1991, wie die Vorinstanzen aufgrund des § 187 Abs. 1 BGB zutreffend erkannt haben.
Die damit fehlerhafte Terminsangabe durch den Wahlvorstand führt gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG zur Anfechtbarkeit der Wahl. Denn die Ursächlichkeit dieses Fehlers für das Wahlergebnis kann schon deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil bis zum 29. Mai 1991 kein gültiger Wahlvorschlag eingereicht worden war und deshalb der Wahlvorstand gemäß § 9 Abs. 1 der Wahlordnung 1972 eine Nachfrist hätte setzen müssen.
2. Auch in dem Unterlassen dieser Nachfristsetzung liegt ein wesentlicher Verstoß des Wahlvorstands gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren, die einen weiteren Anfechtungsgrund bildet. Auch die Ursächlichkeit dieses Fehlers für das Wahlergebnis kann nicht ausgeschlossen werden, da nicht festgestellt worden ist, daß die Antragsteller während des Laufes einer Nachfrist keinen gültigen Wahlvorschlag eingereicht hätten.
III. Die Rechtsbeschwerde war daher zurückzuweisen. Einer Kostenentscheidung bedarf es gemäß § 12 Abs. 5 ArbGG nicht.
Unterschriften
Dr. Seidensticker, Schliemann, Dr. Steckhan, Ruppert, Schmoldt
Fundstellen
BB 1993, 1217 |
NZA 1993, 765 |