Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtliches Interesse an Entscheidung über Tarifzuständigkeit. Beteiligte des Verfahrens zur Entscheidung über die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung. Antragsbefugnis. Feststellungsinteresse
Leitsatz (amtlich)
Das rechtliche Interesse für den Antrag eines einzelnen Arbeitgebers, die tarifliche Unzuständigkeit einer Gewerkschaft festzustellen, setzt voraus, dass die Gewerkschaft gegenüber dem Antragsteller Befugnisse wahrnimmt oder wahrzunehmen beabsichtigt, für die es ihrer Tarifzuständigkeit bedarf.
Orientierungssatz
1. Der Betriebsrat besitzt keine Antragsbefugnis gem. § 97 Abs. 1 ArbGG zur Einleitung eines Verfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG.
2. Die Bezugnahme in § 97 Abs. 2 ArbGG auf § 81 Abs. 1 ArbGG erweitert nicht den Kreis der möglichen Antragsberechtigten nach § 97 Abs. 1 ArbGG.
3. Der einzelne Arbeitgeber ist in entsprechender Anwendung von § 97 Abs. 1 ArbGG antragsbefugt.
4. Für die Einleitung eines Verfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG bedarf es neben der Antragsbefugnis iSv. § 97 Abs. 1 ArbGG eines rechtlichen Interesses des Antragstellers an alsbaldiger Feststellung.
5. Für einen einzelnen Arbeitgeber ist das Feststellungsinteresse nur zu bejahen, wenn die betreffende Gewerkschaft durch entsprechende Erklärungen oder Handlungen zum Ausdruck gebracht hat, sie beabsichtige ihm gegenüber die Wahrnehmung von Befugnissen, für die es auf ihre Tarifzuständigkeit ankommt.
Normenkette
ArbGG §§ 97, 83 Abs. 3, § 81 Abs. 1, § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 94 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde von ver.di e.V. wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 2. Dezember 2005 – 6 TaBV 3/05 – aufgehoben.
2. Auf die Beschwerde von ver.di e.V. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 4. Februar 2005 – 2 BV 6/03 – abgeändert.
3. Die Anträge der Arbeitgeberin und des Betriebsrats werden abgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Tarifzuständigkeit von ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft – für den Betrieb der Arbeitgeberin.
Die Arbeitgeberin ist eine selbständige GmbH mit etwa 60 Arbeitnehmern. Sie erbringt Gebäudedienstleistungen. Zumindest anfänglich war sie ausschließlich für das Krankenhaus R… tätig. Zu ihren Leistungen dort gehören Reinigungsarbeiten aller Art einschl. der Tätigkeiten des klinischen Hauspersonals und sog. Facility-Management-Dienste. Das Krankenhaus hatte diese Aufgaben ursprünglich mit eigenem Personal wahrgenommen und sodann ab dem Jahr 1998 schrittweise der Z… B… GmbH übertragen. Im Jahr 2001 war die Arbeitgeberin aus der Z… B… GmbH ausgegründet worden und in die zwischen dieser und dem Krankenhaus geschlossenen Werk- und Dienstverträge eingetreten.
Im Hinblick auf anstehende Betriebsratswahlen entstand Streit zwischen ver.di und der Arbeitgeberin darüber, ob diese zusammen mit dem Krankenhaus einen gemeinsamen Betrieb führe. Gewählt wurden im März 2002 zwei eigenständige Betriebsräte für Krankenhaus und Arbeitgeberin. ver.di focht die Betriebsratswahlen in getrennten Verfahren an. Sie warb zudem bei den Beschäftigten der Arbeitgeberin um Mitglieder und trat auf Betriebsversammlungen auf. Die Arbeitgeberin hielt dies für unzulässig und forderte ver.di auf, künftig jeden Kontakt zu ihren Arbeitnehmern zu unterlassen. Sie sei ein Reinigungsunternehmen, in welchem ver.di nach Maßgabe seiner Satzungsbestimmungen nicht gewerkschaftlich tätig werden dürfe. ver.di lehnte die Abgabe einer entsprechenden Unterlassungserklärung ab. Im Rahmen des beim Arbeitsgericht Hamburg geführten Wahlanfechtungsverfahrens beantragte die Arbeitgeberin daraufhin festzustellen, dass ver.di für sie nicht tarifzuständig sei. Das Arbeitsgericht hat diesen Antrag vom Wahlanfechtungsverfahren abgetrennt und in das vorliegende Beschlussverfahren übergeführt. Das Anfechtungsverfahren ist ohne streitige Entscheidung mit der Folge der Wirksamkeit der Betriebsratswahl erledigt worden.
Die Arbeitgeberin und der bei ihr gebildete Betriebsrat haben die Auffassung vertreten, ver.di sei für den Betrieb weder nach den Bestimmungen ihrer Satzung noch nach einer am 15. August/29. September 2003 zwischen ihr und der IG Bauen-Agrar-Umwelt getroffenen Vereinbarung über die Organisations- und Tarifzuständigkeit für ausgegliederte Dienstleistungs- und Serviceeinrichtungen tarifzuständig.
Arbeitgeberin und Betriebsrat haben beantragt
festzustellen, dass ver.di für die Arbeitgeberin nicht tarifzuständig ist.
ver.di hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, ihre Zuständigkeit für die Arbeitgeberin ergebe sich aus ihrer Satzung, zumindest aber aus der Vereinbarung mit der IG Bauen-Agrar-Umwelt.
Die Vorinstanzen haben dem Antrag von Arbeitgeberin und Betriebsrat entsprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt ver.di sein Begehren weiter, den Antrag abzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat dem von Arbeitgeberin und Betriebsrat gestellten Antrag zu Unrecht stattgegeben. Der Antrag ist unzulässig. Der Betriebsrat ist nicht antragsbefugt. Der Arbeitgeberin fehlt es am erforderlichen Feststellungsinteresse.
I. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Entgegen der Ansicht von Arbeitgeberin und Betriebsrat genügt sie den Erfordernissen des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG. Danach muss die Begründung einer Rechtsbeschwerde angeben, welche rechtliche Bestimmung durch den angefochtenen Beschluss verletzt sein und worin diese Verletzung bestehen soll. Dazu hat sie den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzuzeigen, dass Gegenstand und Richtung ihres Angriffs erkennbar sind. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Beschlusses. Darzulegen ist, weshalb der angefochtene Beschluss rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 11. Februar 2004 – 7 ABR 33/03 – AP ArbGG 1979 § 94 Nr. 3 = EzA ArbGG 1979 § 94 Nr. 4, zu II 1 der Gründe; 29. Oktober 1997 – 5 AZR 624/96 – BAGE 87, 41, zu 1 der Gründe).
Die Rechtsbeschwerdebegründung wird diesen Anforderungen gerecht. Sie setzt sich mit den tragenden Gründen des angefochtenen Beschlusses hinreichend auseinander. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag von Arbeitgeberin und Betriebsrat mit der Begründung stattgegeben, bis zu einem erforderlichen Schiedsverfahren nach § 16 der DGB-Satzung über die Zuständigkeit von ver.di oder der IG Bauen-Agrar-Umwelt für die Arbeitgeberin, die nach beider Satzung zumindest möglich sei, sei eine gerichtliche Interimslösung zu treffen. Wegen der größeren Nähe der Arbeitgeberin zum Gebäudereinigungs- und nicht zum Krankenhausbereich sei derzeit von einer Alleinzuständigkeit der IG Bauen-Agrar-Umwelt auszugehen. Die Doppelzuständigkeit beider Gewerkschaften sei durch deren Vereinbarung vom August/September 2003 nicht aufgelöst worden. Dazu führt die Rechtsbeschwerdebegründung aus, das Landesarbeitsgericht habe verkannt, dass der Tarifkonflikt zwischen den beteiligten Gewerkschaften durch ihre Vereinbarung gelöst worden sei. Dieser Vereinbarung komme ein höherer Wirkungsgrad als einseitigen Satzungsbestimmungen zu. Ein Schlichtungsverfahren nach § 16 der DGB-Satzung sei damit überflüssig geworden. Für eine gerichtliche Interimslösung sei kein Raum. Zumindest könne auf diese Weise ein nur faktischer Zustand nicht festgeschrieben werden.
II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Antrag ist sowohl als Antrag des Betriebsrats wie auch als solcher der Arbeitgeberin unzulässig.
1. Am Verfahren sind außer der Arbeitgeberin, dem Betriebsrat – beide sind Antragsteller –, ver.di und der IG Bauen-Agrar-Umwelt keine weiteren Stellen beteiligt. Beteiligte im Verfahren nach § 97 ArbGG über die Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft sind gemäß § 97 Abs. 2 iVm. § 83 Abs. 3 ArbGG neben dem Antragsteller diejenigen Stellen, deren materielle Rechtsstellung im Hinblick auf die Tarifzuständigkeit unmittelbar betroffen ist (BAG 25. September 1996 – 1 ABR 4/96 – BAGE 84, 166, zu B I 1 der Gründe mwN). Dies trifft weder auf die in den Vorinstanzen angehörten tariflichen Spitzenorganisationen noch auf den Bundesminister für Arbeit und Soziales zu. Die Frage der Tarifzuständigkeit von ver.di für den Betrieb der Arbeitgeberin hat über deren Beziehung zur Arbeitgeberin und zur konkurrierenden Gewerkschaft hinaus keine unmittelbare rechtliche Wirkung. Bei dieser beschränkten Auswirkung des Verfahrens sind an ihm die Spitzenorganisationen der Tarifvertragsparteien und die oberste Arbeitsbehörde nicht beteiligt. Der Umstand, dass Letztere unter den Voraussetzungen des § 5 TVG Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären und dabei auf die Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien zu achten hat, genügt nicht, um eine materiellrechtliche Betroffenheit anzunehmen (BAG 18. Juli 2006 – 1 ABR 36/05 – AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 19 = EzA TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 10, zu B II 1d der Gründe).
2. Der Antrag des Betriebsrats ist unzulässig. Diesem fehlt die für die Einleitung eines Verfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG erforderliche Antragsbefugnis. Sie folgt weder aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG noch aus § 97 Abs. 5 ArbGG.
a) Eine Antragsbefugnis nach § 97 Abs. 1 ArbGG besteht nicht. Der Betriebsrat eines Betriebs, für den die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung streitig ist, gehört nicht zu den im Gesetz aufgeführten Stellen. Für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift besteht nach deren Sinn und Zweck kein Anlass. Der Betriebsrat ist in seiner Rechtsstellung nach dem Betriebsverfassungsgesetz nicht von der Tarifzuständigkeit einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft betroffen.
b) Eine Antragsbefugnis des Betriebsrats gem. § 97 Abs. 2 iVm. § 81 Abs. 1 ArbGG kommt nicht in Betracht. Nach § 97 Abs. 2 ArbGG sind zwar die §§ 80 bis 84 ArbGG und §§ 87 bis 96a ArbGG für das Verfahren nach § 97 Abs. 1 ArbGG entsprechend anzuwenden. Diese Verweisung gilt jedoch nur für die weitere Durchführung eines befugterweise eingeleiteten Verfahrens. Dagegen wird der Kreis der nach § 97 Abs. 1 ArbGG Antragsberechtigten auf diesem Wege nicht erweitert.
Das zeigt die Gesetzessystematik. In § 97 Abs. 1 ArbGG wird die Berechtigung zur Einleitung des Verfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG eigens geregelt. Dessen hätte es zumindest für die angeführten Vereinigungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht bedurft, wäre eine Antragsbefugnis für das Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG auch nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze zu § 81 Abs. 1 ArbGG möglich. Vereinigungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind regelmäßig in der nach § 81 Abs. 1 ArbGG erforderlichen Weise in eigenen Rechtspositionen betroffen, wenn es um die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit von gegnerischen bzw. konkurrierenden Vereinigungen geht. Um ihre Antragsberechtigung sicherzustellen, ist die Regelung des § 97 Abs. 1 ArbGG nicht erforderlich. Auch wäre es ungewöhnlich, mögliche Antragsberechtigte in einem eigenständigen Gesetzesabsatz ausdrücklich aufzuführen, ohne den Verweis auf eine Vorschrift, aus der sich weitere Antragsbefugte ergeben sollen, in diesen Gesetzesabsatz selbst aufzunehmen. Die Aufzählung der Antragsberechtigten in § 97 Abs. 1 ArbGG hat deshalb einschränkenden Charakter. Ihr Zweck ist es, andere Stellen, insbesondere betriebsverfassungsrechtliche Organe von einer Antragsbefugnis auszuschließen (GK-ArbGG/Dörner Stand Dezember 2006 § 97 Rn. 21, 26; Grunsky ArbGG 7. Aufl. § 97 Rn. 9; Düwell/Lipke/Koch ArbGG 2. Aufl. § 97 Rn. 5). Soweit der Senat in früheren Entscheidungen eine Antragsbefugnis gemäß § 97 Abs. 2 iVm. § 83 Abs. 3 ArbGG für grundsätzlich möglich gehalten hat (25. November 1986 – 1 ABR 22/85 – BAGE 53, 347, zu B I 2 der Gründe), hält er daran nicht weiter fest. Auf die Frage, ob eine Antragsbefugnis des antragstellenden Betriebsrats nach § 81 Abs. 1 ArbGG überhaupt bestünde, kommt es damit nicht an.
c) Der Betriebsrat ist nicht nach § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG antragsbefugt. Diese Bestimmung erweitert die Berechtigung zur Einleitung des Verfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG im Fall der Vorgreiflichkeit der Frage der Tarifzuständigkeit über den Kreis der in § 97 Abs. 1 ArbGG genannten Stellen auf die Parteien und Beteiligten des aus diesem Grund ausgesetzten Verfahrens. Diese prozessuale Situation liegt hier nicht vor. Weder ist das vorliegende Verfahren für die Entscheidung des Wahlanfechtungsverfahrens, aus dem es hervorging, objektiv vorgreiflich, noch ist ersichtlich, dass das mit der Wahlanfechtung befasste Gericht sein Verfahren nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG ausgesetzt hätte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Arbeitsgericht, nachdem die Tarifzuständigkeit von ver.di für den Betrieb der Arbeitgeberin von dieser im Wahlanfechtungsverfahren in Form eines Widerantrags in Frage gestellt worden war, das Verfahren über diesen Antrag lediglich nach Maßgabe von § 147 ZPO abgetrennt und ins vorliegende Verfahren übergeführt hat. Im Übrigen wäre das vorliegende Verfahren andernfalls objektiv erledigt, nachdem das Wahlanfechtungsverfahren beendet worden ist.
3. Der Antrag der Arbeitgeberin ist ebenfalls unzulässig.
a) Dies folgt nicht schon daraus, dass sie ihr Begehren zusammen mit dem Betriebsrat im Wege der subjektiven Antragshäufung verfolgt. Zwar ist damit eine – auch im Beschlussverfahren mögliche (BAG 27. September 2005 – 1 ABR 41/04 – AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 18 = EzA TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 9, zu B I 1 der Gründe) – notwendige Streitgenossenschaft iSv. § 62 Abs. 1 ZPO gegeben, weil über den Antrag nur eine einheitliche Sachentscheidung ergehen kann. Die einzelnen Prozessvoraussetzungen sind jedoch für sämtliche Antragsteller getrennt zu prüfen.
b) Die Arbeitgeberin ist auch antragsbefugt. Zwar ist die Antragsberechtigung des einzelnen Arbeitgebers in § 97 Abs. 1 ArbGG nicht ausdrücklich erwähnt. Sie folgt aber aus der gebotenen entsprechenden Anwendung der Bestimmung. Eine solche ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil eine Erweiterung der Antragsbefugnis nach Maßgabe von § 81 Abs. 1 ArbGG, wie dargelegt, nicht in Frage kommt. Nach Sinn und Zweck des § 97 Abs. 1 ArbGG ist auch ein einzelner Arbeitgeber zur Einleitung eines Verfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG befugt, wenn die Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft für sein Unternehmen oder einen seiner Betriebe zu klären ist (BAG 27. September 2005 – 1 ABR 41/04 – AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 18 = EzA TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 9, zu B I 3 der Gründe; 29. Juni 2004 – 1 ABR 14/03 – BAGE 111, 164, zu B I 1a der Gründe).
c) Dem Antrag der Arbeitgeberin fehlt das Feststellungsinteresse. Ein solches ist auch für das Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 Abs. 1 ArbGG erforderlich (BAG 18. Juli 2006 – 1 ABR 36/05 – AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 19 = EzA TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 10, zu B II 1c der Gründe). Für einen negativen, auf die Feststellung der Unzuständigkeit einer Gewerkschaft gerichteten Antrag eines einzelnen Arbeitgebers besteht ein Feststellungsinteresse, wenn sich die Gewerkschaft einer Tarifzuständigkeit für das Unternehmen oder einen Betrieb des Arbeitgebers berühmt. Dazu ist Voraussetzung, dass die Gewerkschaft durch entsprechende Erklärungen oder Handlungen zum Ausdruck bringt, dass sie die Wahrnehmung von Befugnissen beabsichtigt, für die es ihrer Tarifzuständigkeit bedarf.
Das ist hier nicht der Fall. Nach dem Vorbringen der Beteiligten und den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat ver.di keine Aktivitäten entwickelt oder angekündigt, für deren zulässige Vornahme es ihrer Tarifzuständigkeit für die Arbeitgeberin bedürfte. ver.di hat zu keiner Zeit erklärt oder durch entsprechende Aktivitäten zu verstehen gegeben, dass sie beabsichtige, zu Tarifabschlüssen mit der Arbeitgeberin zu gelangen. Vielmehr macht ver.di im Betrieb der Arbeitgeberin lediglich die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte einer dort vertretenen Gewerkschaft geltend. Zum vorliegenden Verfahren kam es allein deshalb, weil die Arbeitgeberin rechtsirrtümlich davon ausging, dass eine Wahrnehmung gewerkschaftlicher Rechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz die Tarifzuständigkeit der betreffenden Gewerkschaft voraussetze. Zur Wahrnehmung von Rechten etwa aus § 17 Abs. 4 oder § 19 BetrVG bedarf es jedoch nicht der Tarifzuständigkeit für den Betrieb, sondern nur des Vertretenseins der Gewerkschaft im Betrieb (BAG 10. November 2004 – 7 ABR 19/04 – AP BetrVG 1972 § 17 Nr. 7 = EzA BetrVG 2001 § 17 Nr. 1).
Das vorliegende Verfahren dient damit nicht der Beilegung eines realen Konflikts der Beteiligten. Eine gerichtliche Entscheidung liefe auf die Erstellung eines bloßen Rechtsgutachtens hinaus. Daran ändert nichts der Umstand, dass ver.di sich im Laufe des vorliegenden Verfahrens gegen den negativen Feststellungsantrag der Arbeitgeberin sachlich verteidigt und ihre Tarifzuständigkeit schriftsätzlich reklamiert hat. Es ist einem Beteiligten, der mit einem negativen Feststellungsantrag überzogen wird, nicht zuzumuten, sich einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem gestellten Antrag zu enthalten, nur um zu vermeiden, ein bei der Einleitung des Verfahrens fehlendes rechtliches Interesse des Antragstellers an der begehrten Feststellung nachträglich doch noch herbeizuführen. Die prozessuale Vorsicht gebietet es vielmehr, sich mit dem Begehren des Antragstellers auch sachlich auseinanderzusetzen. Ein solches Prozessverhalten vermag das zu Verfahrensbeginn objektiv fehlende Feststellungsinteresse des Antragstellers nicht zu begründen.
Im Streitfall kommt hinzu, dass ver.di noch in der Beschwerdebegründung vom 27. Juni 2005 erklärt hat, sie habe aus ihrer Sicht keinen konkreten Anlass für den Antrag der Arbeitgeberin gegeben, insbesondere habe sie diese nicht zum Abschluss eines Tarifvertrags aufgefordert. Auch daraus wird ersichtlich, dass ver.di der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin zwar nicht beipflichtet, derzeit aber nicht beabsichtigt, Aktivitäten zu entwickeln, bei denen es auf die Richtigkeit ihrer Rechtsauffassung ankäme.
Unterschriften
Schmidt, Linsenmaier, Kreft, Buschmann
Für den am 30.4.07 ausgeschiedenen ehrenamtl. Richter Giese
Schmidt
Fundstellen
Haufe-Index 1780086 |
BAGE 2008, 362 |
DB 2008, 1331 |