Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrat. Mitbestimmung. Umkleidezeiten
Leitsatz (amtlich)
Die betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG kann die Zeiten für das An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung umfassen. Um eine solche handelt es sich, wenn die Arbeitnehmer im öffentlichen Raum aufgrund der Ausgestaltung ihrer Kleidungsstücke ohne Weiteres als Angehörige ihres Arbeitgebers erkannt werden können.
Orientierungssatz
1. Die Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung in den Betriebsräumen des Arbeitgebers können ebenso zur verteilungsfähigen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gehören, wie die Zeiten, die der Arbeitnehmer braucht, um in Dienstkleidung von dem Ort seines Kleidungswechsels zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen.
2. Umkleidezeiten gehören zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Das ist bei einer besonders auffälligen Dienstkleidung der Fall. An der Offenlegung seines Arbeitgebers gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse. Zur Arbeitszeit zählt bei besonderer Auffälligkeit der Dienstkleidung auch das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle.
3. Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann. An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es auch, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen.
4. Es handelt sich um eine besonders auffällige Dienstkleidung, wenn der Arbeitnehmer im öffentlichen Raum aufgrund der Ausgestaltung seiner Kleidungsstücke ohne Weiteres als Angehöriger seines Arbeitgebers erkannt werden kann. Eine solche Zuordnungsmöglichkeit besteht auch bei einer unauffälligen Farbgestaltung der Dienstkleidung, wenn auf dieser ein Emblem oder Schriftzüge angebracht sind, die aufgrund ihrer Bekanntheit in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Rechtsträger oder einer Unternehmensgruppe in Verbindung gebracht werden. Hierfür kommt es – unabhängig von der Größe der Schriftzüge oder Logos – nur auf deren Erkennbarkeit an.
5. Die Entgegennahme und Abgabe von arbeitsnotwendigen Betriebsmitteln stellt Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar, wenn diese Tätigkeiten einem fremden Bedürfnis dienen und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllen. In diesem Fall handelt es sich auch um Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 ArbZG. Arbeitnehmer sind regelmäßig nicht verpflichtet, Arbeitsmittel, die sie in der dienstfreien Zeit nicht nutzen, nach Beendigung ihrer Arbeitszeit für den Arbeitgeber zu verwahren. Eine solche Tätigkeit dient nicht ihrem eigenen Bedürfnis.
Normenkette
BetrVG § 87 Eingangshalbs., Abs. 1 Nr. 2; ZPO § 256 Abs. 1, § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 08.08.2013; Aktenzeichen 18 TaBV 3/13) |
ArbG Stuttgart (Beschluss vom 21.03.2013; Aktenzeichen 4 BV 213/12) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 8. August 2013 – 18 TaBV 3/13 – aufgehoben.
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21. März 2013 – 4 BV 213/12 – abgeändert.
Die Anträge werden abgewiesen.
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitszeit.
Die tarifgebundene Arbeitgeberin betreibt öffentlichen Personennahverkehr in Stuttgart und Umgebung mit Straßenbahnen und Bussen. Am Verfahren beteiligt ist der bei ihr errichtete Betriebsrat.
Die Dienste des im Personennahverkehr eingesetzten Fahrpersonals beginnen und enden fahrplanbedingt nicht nur auf den Betriebshöfen der Arbeitgeberin, sondern auch an Haltestellen im Streckennetz. Für die Wege zu den Übernahme-/Ablösestellen stellt die Arbeitgeberin eine Transportmöglichkeit mit einem Personalwagen zur Verfügung, dessen Benutzung dem Fahrpersonal freigestellt ist. Dieses nutzt überwiegend den direkten Weg zwischen der Wohnung und der Übernahme-/Ablösestelle.
Bei der Dienstplangestaltung für die Jahre 2011/2012 kam es zwischen den Beteiligten zu Meinungsverschiedenheiten über die dienstplanmäßige Berücksichtigung der Wegezeiten des Fahrpersonals zu den außerhalb der Betriebshöfe im Streckennetz stehenden Fahrzeugen.
Der Betrieb der Arbeitgeberin wird ua. vom Bezirkstarifvertrag für die kommunalen Nahverkehrsbetriebe Baden-Württemberg (BzTV-N BW) vom 23. November 2005 erfasst. Die als „Besondere Bestimmungen für Arbeitnehmer im Fahrdienst” bezeichnete Anlage 3 vom 13. November 2001 idF vom 3. November 2015 lautet:
(1) |
Die Dienstschicht umfasst die reine Arbeitszeit (einschließlich der in § 4 Abs. 1 Satz 1 genannten Zeiten), die Pausen und die Wendezeiten. … |
(1) |
Für die Vorbereitungs- und Abschlussdienste sowie – bei Abrechnung und Einzahlung – für den Weg zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle wird die notwendige Zeit in die Arbeitszeit eingerechnet. Gleiches gilt für die sich aus dem Dienst- und Fahrplan ergebenden Wendezeiten. Betrieblich können abweichende Regelungen vereinbart werden. |
… |
|
Arbeitsplatz ist das Fahrzeug oder der angewiesene Aufenthaltsplatz.”
Die Beteiligten haben in der Betriebsvereinbarung Nr. 1/2003 eine pauschale Einrechnung von insgesamt 10 Minuten pro Schicht für die Vorbereitungs- und Abschlussdienste sowie für den Weg zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle vereinbart.
In der Betriebsvereinbarung Nr. 1/2011 zur „Neuregelung der Dienstkleiderordnung im Fahrdienst und im Verkehrsaufsichtsdienst – Dienstkleiderordnung (DKLO) – vom 14. Januar 2011 (BV 2011) ist bestimmt:
Das Erscheinungsbild der SSB wird wesentlich durch Verhalten und Auftreten ihrer Mitarbeiter/innen geprägt. Die von der SSB gewollte Kundenorientierung und Außenwirkung verlangt daher von bestimmten Mitarbeitergruppen, dass sie als SSB-Mitarbeiter erkennbar sind und vorbildlich und einheitlich auftreten. Solche Mitarbeiter/innen werden daher verpflichtet, im Dienst die zur Verfügung gestellte Dienstkleidung zu tragen. …
Diese Dienstkleiderordnung gilt für die Ausstattung
a) |
aller Fahrer im Linienverkehr, |
… |
|
(1) |
Die Dienstkleidung wird von der SSB AG beschafft und den Mitarbeitern unentgeltlich zur ausschließlichen dienstlichen Nutzung zur Verfügung gestellt. |
|
… |
(1) |
Die Mitarbeiter sind verpflichtet, ihren Dienst in korrekter Dienstkleidung und dazu passenden, für die jeweilige Tätigkeit geeignetem Schuhwerk anzutreten und auszuüben. …” |
Die Gestaltung der Dienstkleidung ist in einem „Katalog Dienstkleidung” festgelegt. An der Mehrzahl der Übernahme-/Ablösestellen besteht keine Umkleidemöglichkeit für das Fahrpersonal.
Nach § 16 Nr. 1 der „Dienstanweisung für den Fahrdienst mit Bussen” (DA Busse) hat das Fahrpersonal während der Fahrt die dort bestimmten Gegenstände mitzuführen. Zu diesen gehören ua. der Verbundfahrplan und der Wegweiser der Stadt Stuttgart, Formulare für Fundsachenmeldungen und Anträge auf Fahrgeldrückerstattung sowie das Wechselgeld und einen Wechsler. Die vorgenannten Gegenstände können in einem von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Rucksack mit Firmenlogo oder in einer Tasche ohne Logo transportiert werden. Die Einnahmen sind ua. nach Dienstende oder vor der Aufnahme des nächsten Dienstes abzurechnen, wenn die Summe der Verkaufserlöse die Wertgrenze von 500,00 Euro erreicht hat.
Die Arbeitgeberin hat gemeint, bei den Wegezeiten von der und zur Übernahme-/Ablösungsstelle handele es sich nicht um bei der Dienstplangestaltung zu berücksichtigende Arbeitszeit.
Die Arbeitgeberin hat beantragt
festzustellen, dass folgende Wegezeiten des Fahrpersonals keine Arbeitszeiten im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne sind und somit nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliegen:
- die Zeiten für den Weg vor Beginn der jeweiligen Schicht zum Fahrzeug, das außerhalb einer Betriebshöfe der Arbeitgeberin im Streckennetz steht,
- die Zeiten für den Weg nach Ende einer Schicht, die nicht auf einem der Betriebshöfe der Arbeitgeberin endet, vom Fahrzeug zu einem Betriebshof der Arbeitgeberin oder anderswohin,
soweit es sich nicht um Zeiten für Wege zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle iSd. § 4 Abs. 1 Anlage 3 idF. vom 3. November 2011 des BzTV-N BW handelt.
Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt dieser seinen Abweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats gegen die stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die negativen Feststellungsanträge der Arbeitgeberin sind unbegründet.
I. Die Anträge sind in der gebotenen Auslegung zulässig.
1. Die Arbeitgeberin möchte die Feststellung erreichen, dass es sich – mit Ausnahme der Wege zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle – bei den Zeiten für die Wege, die von den Arbeitnehmern zu Schichtbeginn zum Fahrzeug und nach Schichtende vom Fahrzeug zurückgelegt werden, nicht um solche handelt, die als betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Dienstplangestaltung des Fahrpersonals zu berücksichtigen sind. Diese Feststellung will die Arbeitgeberin in Bezug auf den Antrag zu a) auch für solche Wege erreichen, die von den Arbeitnehmern nach Anlegen ihrer Dienstkleidung im Betriebshof zu den Fahrzeugen zurückgelegt werden. Dies folgt – anders als bei dem Antrag zu b) – nicht bereits aus seinem Wortlaut, sondern aus dem zur Begründung ihres Antrags gehaltenen Vorbringen. Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, die in den Dienstplänen zu verteilende Arbeitszeit beginne erst, wenn das Fahrpersonal in Dienstkleidung an der Übernahme-/ Ablösestelle erscheint. Mit diesem Inhalt sind beide Anträge auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet.
2. Die Anträge sind hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Dies gilt auch in Hinblick auf die vom Arbeitsgericht angeregte Einschränkung in Bezug auf „Wege zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle”. Das Vorliegen solcher Sachverhalte steht mit der notwendigen Eindeutigkeit fest. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Anlage 3 BzTV-N BW wird bei der Abrechnung und Einzahlung der Fahrgeldeinnahmen die notwendige Zeit für den Weg zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle in die Arbeitszeit eingerechnet. Abrechnungsstelle ist in örtlicher Hinsicht der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Einnahmen abliefert und die Abrechnung vornimmt. Nach der Tarifbestimmung sind dies nur Wege, die er zwischen der Ablösungsstelle und einer Einrichtung der Arbeitgeberin (Betriebshof) zurücklegt und die zur Abrechnung und Einzahlung führen sollen. Die Abrechnungsstelle kann allerdings nicht beliebig aufgesucht werden, sondern nur aufgrund einer Anordnung der Arbeitgeberin (BAG 12. August 1993 – 6 AZR 553/92 – zu II 1 a und c der Gründe, BAGE 74, 85). Diese hat ihr Direktionsrecht in der Dienstanweisung 01/2011 onkretisiert.
3. Für die Klärung der aufgeworfenen Fragen nach dem Inhalt der betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG besteht ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO.
a) Das besondere Feststellungsinteresse für die Anträge der Arbeitgeberin folgt aus den unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten über die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu verteilende betriebliche Arbeitszeit und ihrer Berücksichtigung in den Dienstplänen. Dieser Streit wird durch die Anträge einer Klärung zugeführt.
b) Das Feststellungsinteresse für die Anträge ist nicht deshalb entfallen, weil die Betriebsparteien entsprechend der Vorgaben in § 4 Abs. 1 Satz 3 Anlage 3 BzTV-N BW eine Regelung über die Dauer der notwendigen Vorbereitungs- und Abschlussdienste getroffen haben. Zu diesen gehören die Wegezeiten nicht.
II. Die Anträge sind unbegründet. Sie erfassen Sachverhaltsgestaltungen, in denen die betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG Umkleide- und Wegezeiten sowie das Mitführen von Arbeitsmitteln umfasst.
1. Die Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung in den Betriebsräumen des Arbeitgebers können ebenso zur verteilungsfähigen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gehören, wie die Zeiten, die der Arbeitnehmer braucht, um in Dienstkleidung von dem Ort seines Kleidungswechsels zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen.
a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das Beteiligungsrecht nach dieser Bestimmung dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen. Das Mitbestimmungsrecht betrifft die Lage der täglichen „Arbeitszeit” iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dies ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich zu erbringen hat. Es geht um die Festlegung des Zeitraums, während dessen der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflichten verlangen und dieser sie ihm ggf. mit der Folge des § 293 BGB anbieten kann. Arbeitszeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist deshalb die Zeit, in welcher der Arbeitnehmer verpflichtet bzw. berechtigt ist, seine vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten (BAG 14. November 2006 – 1 ABR 5/06 – Rn. 27, BAGE 120, 162).
b) Nach der Senatsrechtsprechung gehören Umkleidezeiten zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Das ist bei einer besonders auffälligen Dienstkleidung der Fall. An der Offenlegung seines Arbeitgebers gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse (vgl. BAG 17. Januar 2012 – 1 ABR 45/10 – Rn. 32, BAGE 140, 223). Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann (BAG 10. November 2009 – 1 ABR 54/08 – Rn. 15). An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es auch, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet (BAG 12. November 2013 – 1 ABR 59/12 – Rn. 33, BAGE 146, 271). Zur Arbeitszeit zählt auch das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle. Bei diesen Zeiten handelt es sich um innerbetriebliche Wegezeiten, die der Arbeitnehmer aufgrund der Anordnung des Arbeitgebers über das Anlegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung zurücklegen muss (BAG 19. September 2012 – 5 AZR 678/11 – Rn. 28, BAGE 143, 107).
2. Danach erweist sich zwar die vom Betriebsrat vertretene Ansicht als unzutreffend, wonach die Wege von der und zur Übernahme-/Ablösestelle bereits dann betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG darstellen, wenn das Fahrpersonal diese in Dienstkleidung zurücklegt. Jedoch handelt es sich um betriebliche Arbeitszeit, wenn Arbeitnehmer sich im Betriebshof umkleiden und anschließend den Weg zur Übernahme-/Ablösestelle in ihrer Dienstkleidung zurücklegen. Dies gilt gleichermaßen, wenn sie nach Schichtende zum Betriebshof zurückkehren, um dort ihre Dienstkleidung abzulegen.
a) Die im Fahrdienst beschäftigten Arbeitnehmer sind nach § 1 Buchst. a, § 5 Abs. 1 BV 2011 zum Tragen der unternehmenseinheitlichen Dienstkleidung verpflichtet. Dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit.
b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts handelt es bei den tragepflichtigen Kleidungsstücken des Fahrpersonals um eine besonders auffällige Dienstkleidung.
aa) Bei der Beurteilung, ob eine Dienstkleidung als besonders auffällig anzusehen ist, steht dem Beschwerdegericht ein Beurteilungsspielraum zu. Dessen Würdigung ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob das Gericht den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungs- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (vgl. BAG 13. Mai 2014 – 1 ABR 50/12 – Rn. 19).
bb) Diesem eingeschränkten rechtsbeschwerderechtlichen Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat die besondere Auffälligkeit der vom Fahrpersonal zu tragenden Dienstkleidung verneint. Nach der hierzu gegebenen Begründung hat es darauf abgestellt, dass die Dienstkleidung weder in markanten Farben gehalten noch der Firmenname der Arbeitgeberin in größerer, auch aus einer gewissen Entfernung deutlich erkennbarer Schrift oder auffälliger Färbung gestaltet ist.
cc) Danach hat das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an eine besonders auffällige Dienstkleidung verkannt. Um eine solche handelt es sich, wenn die Arbeitnehmer im öffentlichen Raum aufgrund der Ausgestaltung ihrer Kleidungsstücke als Angehörige ihres Arbeitgebers ohne Weiteres erkannt werden können. Hierfür ist ohne Bedeutung, ob die Dienstkleidung in dezenten oder auffälligen Farben gehalten ist. Die Möglichkeit einer Zuordnung zu einem bestimmten Arbeitgeber besteht auch bei einer unauffälligen Farbgestaltung der Dienstkleidung, wenn auf dieser ein Emblem oder Schriftzüge angebracht sind, die aufgrund ihrer Bekanntheit in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Rechtsträger oder einer Unternehmensgruppe in Verbindung gebracht werden (BAG 12. November 2013 – 1 ABR 59/12 – Rn. 35, BAGE 146, 271). Hierfür kommt es – unabhängig von der Größe der Schriftzüge oder Logos – nur auf deren Erkennbarkeit an.
(4) Einer hierauf gestützten Zurückverweisung bedarf es indes nicht. Der Senat kann über die besondere Auffälligkeit der Dienstkleidung selbst befinden. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann das Fahrpersonal der Arbeitgeberin aufgrund der darauf angebrachten Schriftzüge von Dritten dem Unternehmen der Arbeitgeberin zugeordnet werden. Das entspricht dem Zweck ihrer Ausgestaltung. Die Dienstkleidung dient nach der Präambel der BV 2011 der Herstellung eines einheitlichen Erscheinungsbilds des Fahrpersonals und dessen Erkennbarkeit in der Öffentlichkeit.
c) Die Zuordnung der Umkleide- und Wegezeiten zur betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist von der Entscheidung des Fahrpersonals abhängig, an welchem Ort sie die Dienstkleidung an- und ablegen.
aa) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats handelt es sich nicht um betriebliche Arbeitszeit, wenn die als Fahrpersonal beschäftigten Arbeitnehmer unmittelbar von ihrer Wohnung zur Übernahme-/Ablösestelle fahren oder nach Dienstende dorthin zurückkehren. Die Arbeitgeberin gestattet dem Fahrpersonal, seine Dienstkleidung bereits zu Hause anzulegen und auf den Wegen von und zur Übernahme-/Ablösestelle zu tragen. Entscheiden sich die Arbeitnehmer, die Kleidungsstücke nicht im Betrieb an- und abzulegen, ist das Tragen der Dienstkleidung auf dem Weg von und zur Arbeit nicht ausschließlich fremdnützig.
bb) Hingegen liegt eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit vor, wenn die als Fahrpersonal eingesetzten Arbeitnehmer eine dafür vorgesehene und geeignete Umkleidemöglichkeit im Betrieb für das Anlegen der Dienstkleidung nutzen und sich anschließend zur Übernahme-/Ablösestelle begeben. Dies gilt entsprechend nach Beendigung ihrer Fahrtätigkeit. Nutzen sie eine betriebliche Umkleidemöglichkeit zum An-/Ablegen ihrer Dienstkleidung, handelt es sich bei den dafür notwendigen Wege- und Umkleidezeiten um betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
d) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist nicht nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG eingeschränkt oder ausgeschlossen.
aa) Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten dient dem Schutz der Arbeitnehmer durch gleichberechtigte Teilhabe an den sie betreffenden Angelegenheiten (BAG GS 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – zu C II 1 a der Gründe, BAGE 69, 134). § 87 Abs. 1 BetrVG beschränkt wegen der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers und im Hinblick auf den Teilhabegedanken die Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei der Vertragsgestaltung und der Ausübung seines Direktionsrechts (Wiese GK-BetrVG 10. Aufl. § 87 Rn. 56). Der Eingangshalbsatz in § 87 Abs. 1 BetrVG beruht dabei auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr besteht, wenn eine den Arbeitgeber bindende Regelung durch Gesetz oder Tarifvertrag bereits vorliegt. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass mit dieser Regelung den berechtigten Interessen und Schutzbedürfnissen der Arbeitnehmer hinreichend Rechnung getragen worden ist (BAG 12. November 2013 – 1 ABR 59/12 – Rn. 38, BAGE 146, 271).
bb) Die Tarifvertragsparteien haben in dem für das Fahrpersonal einschlägigen BzTV-N BW keine abschließende Regelung über die betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG getroffen.
Nach § 2 Abs. 1 Anlage 3 BzTV-N BW umfasst die Dienstschicht die reine Arbeitszeit, die Pausen und die Wendezeiten. In § 2 Abs. 1 ArbZG wird die Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen definiert. Zur Arbeit iSd. genannten Vorschrift gehört auch das Umkleiden für die Arbeit und die innerbetrieblichen Wegezeiten, wenn – wie vorliegend – das Tragen einer besonders auffälligen Dienstkleidung vorgeschrieben ist und betrieblichen Belangen dient. Für ein vom gesetzlichen Arbeitszeitbegriff abweichendes Verständnis der Tarifvertragsparteien hätte es eines hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Regelungswillens bedurft, für den jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Ebenso wird das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht durch § 7 Anlage 3 BzTV-N BW, wonach Arbeitsplatz das Fahrzeug oder der angewiesene Aufenthaltsplatz ist, ausgeschlossen oder eingeschränkt. Die Vorschrift enthält schon nach ihrem Wortlaut keine Regelung über die betriebliche Arbeitszeit. Entscheiden sich die Angehörigen des Fahrpersonals, ihre Dienstkleidung erst an einem von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Ort an- und abzulegen, handelt es sich bei diesem Ort zudem um einen angewiesenen Aufenthaltsplatz iSd. § 7 Anlage 3 BzTV-N BW. Die Arbeitgeberin kann ihr Fahrpersonal nicht anweisen, die auffällige Dienstkleidung auch auf dem Weg von und nach der Übernahme-/Ablösestelle zu tragen.
3. Die Anträge der Arbeitgeberin sind auch unbegründet, weil ihre im Fahrdienst mit Bussen eingesetzten Arbeitnehmer berechtigt sind, die von ihnen mitzuführenden Arbeitsmittel an einem der Betriebshöfe der Arbeitgeberin abzugeben und wieder in Empfang zu nehmen. Dementsprechend stellt auch die erforderliche Zeit für das Zurücklegen dieser Wege betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar.
a) Die Entgegennahme und Abgabe von arbeitsnotwendigen Betriebsmitteln stellt Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar, wenn diese Tätigkeiten einem fremden Bedürfnis dienen und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllen. In diesem Fall handelt es sich auch um Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 ArbZG. Arbeitnehmer sind regelmäßig nicht verpflichtet, Arbeitsmittel, die sie in der dienstfreien Zeit nicht nutzen, nach Beendigung ihrer Arbeitszeit für den Arbeitgeber zu verwahren. Eine solche Tätigkeit dient nicht ihrem eigenen Bedürfnis (BAG 12. November 2013 – 1 ABR 59/12 – Rn. 57 und 60, BAGE 146, 271).
b) Bei den nach § 16 Nr. 1 DA Busse mitzuführenden Gegenständen handelt es sich um notwendige Arbeitsmittel. Deren Empfang und Abgabe stellen Arbeitszeit dar. Die Arbeitgeberin erlaubt dem Fahrpersonal zwar die Verwahrung dieser Arbeitsmittel außerhalb des Dienstes. Entscheiden sich die Arbeitnehmer jedoch zu deren Rückgabe nach Dienstende, sind die Abgabe und die erneute Entgegennahme dieser Arbeitsmittel bei Dienstbeginn ausschließlich fremdnützig und damit Arbeitszeit. Dies gilt gleichermaßen für die Wege nach Dienstende zur Abgabestelle und bei Dienstbeginn von dort bis zum Fahrzeug.
Unterschriften
Schmidt, K. Schmidt, Koch, Rath, N. Schuster
Fundstellen
Haufe-Index 9017513 |
BAGE 2016, 225 |
BB 2016, 371 |
DB 2016, 536 |
DB 2016, 7 |
NJW 2016, 8 |
FA 2016, 126 |
JR 2017, 660 |
NZA 2016, 247 |
ZTR 2016, 287 |
AP 2016 |
AuA 2016, 437 |
EzA-SD 2016, 14 |
EzA 2016 |
ZMV 2016, 295 |
ArbRB 2016, 77 |
ArbR 2016, 116 |