Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeinverbindlicherklärung. Aussetzung. Tarifautonomiestärkungsgesetz
Leitsatz (amtlich)
Eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG kommt im Verfahren über die nachträgliche Zulassung der Revision nach § 72a ArbGG nicht in Betracht, da die Entscheidung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung abhängt.
Orientierungssatz
1. Eine Pflicht zur Aussetzung eines Rechtsstreits nach § 98 Abs. 6 ArbGG in der ab dem 16. August 2014 geltenden Fassung besteht auch in bereits anhängigen Verfahren, wenn deren Entscheidung von der Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG (oder einer Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a AEntG oder nach § 3a AÜG) abhängt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Streitgegenstand des anhängigen Rechtsstreits nicht mit dem Gegenstand des Verfahrens nach § 98 ArbGG identisch ist.
2. Eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG darf nur erfolgen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ausschließlich von der Frage der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung abhängt; andernfalls fehlt es an ihrer Entscheidungserheblichkeit.
3. Im Verfahren über die nachträgliche Zulassung der Revision nach § 72a ArbGG kommt eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG nicht in Betracht, da die Entscheidung nicht von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung oder Rechtsverordnung abhängt, sondern allein davon, ob einer der gesetzlichen Zulassungsgründe des § 72 Abs. 2 ArbGG hinreichend dargelegt wurde und tatsächlich vorliegt.
Normenkette
ArbGG § 97 Abs. 5, § 98 Abs. 6; TVG § 5
Verfahrensgang
LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 07.05.2014; Aktenzeichen 4 Sa 1700/12) |
ArbG Berlin (Teilurteil vom 15.08.2012; Aktenzeichen 62 Ca 61716/11) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Mai 2014 – 4 Sa 1700/12 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben die Kosten der Beschwerde zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 7.519,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG in der ab 16. August 2014 geltenden Fassung (Art. 2 Nr. 5 des Tarifautonomiestärkungsgesetzes vom 11. August 2014, BGBl. I S. 1348) liegen nicht vor.
Danach ist ein Rechtsstreit auszusetzen, wenn seine Entscheidung davon abhängt, ob eine Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG oder eine Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a AEntG oder nach § 3a AÜG wirksam ist. Die Pflicht zur Aussetzung gilt ab ihrem Inkrafttreten mangels Übergangsregelung auch für bereits anhängige Verfahren, jedenfalls soweit deren Streitgegenstand – wie hier – nicht mit dem Gegenstand des Verfahrens nach § 98 ArbGG identisch ist (vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 46).
Die Norm ist § 97 Abs. 5 ArbGG nachgebildet (vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 45). Eine Aussetzung darf nach der dazu ergangenen Rechtsprechung nur erfolgen, wenn die Entscheidung ausschließlich von der nach § 97 ArbGG maßgeblichen Frage der Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit abhängt; andernfalls fehlt es an ihrer Entscheidungserheblichkeit (BAG 24. Juli 2012 – 1 AZB 47/11 – Rn. 5, BAGE 142, 366). Gleiches muss für eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG gelten (vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 46). Eine Aussetzung darf auch in diesem Fall nur erfolgen, wenn die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits ausschließlich von der Frage der Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG oder einer der in § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG genannten Rechtsverordnungen abhängt.
Eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG kommt danach im Verfahren über die Zulassung der Revision nach § 72a ArbGG nicht in Betracht. Gegenstand der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde ist ausschließlich die Frage, ob ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision iSd. § 72a Abs. 3 Satz 2, § 72 Abs. 2 ArbGG vorliegt. Die Entscheidung hierüber hängt nicht – auch nicht als Vorfrage – von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG oder einer Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a AEntG oder nach § 3a AÜG ab. Vielmehr kommt es allein darauf an, ob die Beschwerde einen der gesetzlichen Zulassungsgründe hinreichend dargelegt hat (§ 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG) und ein solcher Grund tatsächlich vorliegt.
II. Die Beschwerde ist unbegründet, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ArbGG nicht vorliegen.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG abgesehen. Weiter gehende Ausführungen sind auch von Verfassungs wegen nicht geboten (vgl. BVerfG 8. Dezember 2010 – 1 BvR 1382/10 – BVerfGK 18, 301).
Unterschriften
Linck, Brune, W. Reinfelder, Rudolph, Kiel
Fundstellen
Haufe-Index 7279423 |
BAGE 2015, 45 |