Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg. Unterbleiben der Bestellung zum GmbH-Geschäftsführer
Leitsatz (amtlich)
Ein Dienstnehmer, der zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt werden soll, wird nicht dadurch zum Arbeitnehmer, daß die Bestellung zum Geschäftsführer unterbleibt.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 S. 3; GVG §§ 13, 17, 17a
Verfahrensgang
Tenor
1. Die weitere sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 6. November 1996 – 10 Ta 227/96 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der weiteren sofortigen Beschwerde zu tragen.
3. Der Streitwert für das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde wird auf 18.700,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen oder der zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist.
I. Der Kläger schloß mit der Beklagten zu 1), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und deren damaligem Alleingeschäftsführer und Gesellschafter (Beklagten zu 2) einen schriftlichen Vertrag vom 18. Juni 1992, wonach er ab 1. Januar 1993 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) tätig werden sollte. Der Vertrag lautet auszugsweise:
„…
Präambel
Herr G. S. hat die GmbH im Laufe vieler Jahre auf dem Sektor des Finanzmanagements und der Vermögens- und Beteiligungsberatung zu überdurchschnittlichen Erfolgen geführt. Er will nunmehr seine persönliche Aktivität für die GmbH schrittweise im Laufe der nächsten Jahre reduzieren, aber gleichzeitig sicherstellen, daß die GmbH weiterhin mindestens auf dem gegenwärtigen Niveau fortbestehen kann.
Herr v. D. ist deshalb dafür vorgesehen und dazu bereit, das Unternehmen als Führungskraft mitzusteuern und nach und nach in die Funktion eines aktiven Mitinhabers hineinzuwachsen, der nach vielleicht drei oder fünf Jahren die GmbH alleine führt. Herr S. bleibt aber auf Dauer der Mehrheitsgesellschafter der GmbH und erwartet dann aus den Überschüssen der Gesellschaft eine permanente Versorgung.
Anfang des kommenden Jahres wird Herr S. den Sitz der GmbH nach G. verlegen und dort die Verwaltung der GmbH unterhalten.
Dies alles vorausgeschickt, vereinbaren die Vertragsparteien wie folgt:
§ 1 – Aufgabengebiet
1/
Herr v. D. tritt mit Vertragsbeginn als Geschäftsführer in die Dienste der GmbH ein und übernimmt Funktionen im kaufmännischen, betrieblichen und vertrieblichen Bereich der GmbH; er vertritt Herrn S. bei Abwesenheit.
Sein Dienstsitz ist der Sitz der Gesellschaft.
2/
Sein Aufgabengebiet umfaßt zunehmend die selbständige Leitung der Organisation einschließlich Personalverantwortung gegenüber Mitarbeitern und Vertragspartnern. Er sorgt für die Gestaltung und Durchsetzung der Unternehmensziele.
3/
Die erforderlichen Eintragungen erfolgen nach erfolgreichem Ablauf der ersten 6 Monate dieses Vertrages. Danach vertritt Herr v. D. die Gesellschaft nach Maßgabe der Vorschriften der GmbH-Satzung.
§ 2 – Umfang der Befugnisse
1/
Herr v. D. wird als Geschäftsführer sein Amt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes führen und die ihm durch Gesetz und Vertrag übertragenen Obliegenheiten genau erfüllen.
2/
Seine Geschäftsführungsbefugnis erstreckt sich auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt.
§ 3 – Bezüge
1/
Herr v. D. erhält für seine Tätigkeit ein festes Jahres-Gehalt in Höhe von Brutto
DM 200.400,–
(in Worten: Zweihunderttausendvierhundert Deutsche Mark),
das in zwölf gleichen Raten jeweils am Ende eines jeden Kalendermonats netto, d.h. nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialabgaben von der GmbH ausgezahlt wird.
2/
Ferner erhält Herr v. D. für jedes Geschäftsjahr ab Beginn dieses Vertrages eine variable Erfolgsvergütung nach folgenden Vorschriften:
Für das |
1. Vertragsjahr |
10 % |
(zehn Prozent) |
„…” |
2. „…” |
20 % |
(zwanzig Prozent) |
vom |
3. „…” |
an 30 % |
(dreißig Prozent) |
vom Gewinn der GmbH vor Steuern vom Einkommen und Ertrag des betreffenden Geschäftsjahres. Die Höhe dieser Vergütung wird zum Zeitpunkt der Vorlage des Jahresabschlusses festgestellt und von der über diesen Abschluß beschließenden Gesellschafterversammlung genehmigt. Ihre Auszahlung erfolgt im unmittelbaren Anschluß netto zusammen mit dem nächstfälligen Monatsgehalt.
3/
Die Bezüge aus 1 sind jährlich zu überprüfen. Dabei sind auch die Veränderungen in den Lebenshaltungskosten sowie die allgemeine wirtschaftliche Situation zu berücksichtigen. Die Gehaltsentwicklung im Bereich Banken/Versicherungen dient als Maßstab.
4/
Die variable Erfolgsvergütung aus 2 steigt nach dem 3. Jahr nur noch in der Höhe, der die im Besitz von Herrn v. D. befindlichen Anteile an der GmbH 30 % überschreiten.
§ 10 Beteiligung am Unternehmen
1/
Herrn v. D. soll ab 01. Januar 1995 am Unternehmen beteiligt werden. Spätestens zum 01. Januar 2003 soll er 49 % der Unternehmensanteile besitzen.
2/
Hierüber wird bis zum 01. Juli 1993 ein separater Vertrag in Zusammenarbeit mit einem Wirtschaftsprüfer geschlossen.
…”
Der Vertrag wurde in Vollzug gesetzt. Der Kläger hat zunächst vorgetragen, er sei am 11. Januar 1994 zum Geschäftsführer bestellt worden. Bis dahin sei er als Arbeitnehmer beschäftigt worden.
Unter dem 14. März 1996 erhielt der Kläger ein Kündigungsschreiben auf einem Geschäftsbogen der Beklagten zu 1), worin es heißt:
„…
hiermit kündigen wir, die Firma G. S. GmbH, vertreten durch die Mehrheitsgesellschafterin und Geschäftsführerin, M. S., sowie der frühere alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer, G. S., den mit Ihnen abgeschlossenen Anstellungsvertrag vom 18.06.1992 fristgerecht zum 30. Juni 1996.
…”
Auf dem vorgedruckten Teil des Firmenbogens sind als Geschäftsführer der Beklagte zu 2) sowie der Kläger angegeben.
Des weiteren erhielt der Kläger unter dem 19. März 1996 ebenfalls auf einem Briefbogen der Beklagten zu 1) folgendes Schreiben:
„…
wir nehmen Bezug auf unser Kündigungsschreiben vom 14. März 1996 und teilen Ihnen ergänzend mit, daß Sie mit Beschluß der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der G. S. GmbH vom 10.03.1996 einstimmig als Geschäftsführer der G. S. GmbH mit sofortiger Wirkung abberufen worden sind, so daß Ihre Organstellung als Geschäftsführer beendet ist und kündigen hiermit, bezugnehmend auf Ziffern 2 und 3 des im Original beigefügten Gesellschafterbeschlusses vom 10.03.1996, nochmals den mit Ihnen abgeschlossenen Anstellungsvertrag vom 18.06.1992 und das Anstellungsverhältnis fristgerecht zum 30. Juni 1996.
Eine Ausfertigung des vorgenannten Gesellschafterbeschlusses fügen wir zur Kenntnisnahme bei.
…”
Auch auf diesem Geschäftsbogen sind der Beklagte zu 2) und der Kläger als Geschäftsführer angegeben.
Mit Schreiben vom 26. März 1996 kündigte die Beklagte zu 1) den Anstellungsvertrag nochmals zum 30. Juni 1996. In diesem Schreiben ist als Geschäftsführerin Frau M. S. angegeben worden. Mitunterzeichnet hat ein Herr S. S.
Mit seiner am 4. April 1996 beim Arbeitsgericht Siegburg eingereichten Klage setzt sich der Kläger gegen diese Kündigungen zur Wehr. Der Kläger kündigte den Antrag an:
„Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch eine Kündigung vom 14.03.1996, zugegangen am 14.03.1996, noch Kündigung vom 19.03.1996, zugegangen am 21.03.1996, noch Kündigung vom 26.03.1996, zugegangen am 28.03.1996 per Normalbrief, sowie zugegangen am 28.03.1996 als Wertbrief, sowie zugegangen per Fax am 29.03.1996 zum 30.06.1996 beendet worden ist, sondern ungekündigt über diese Termine hinaus fortbesteht.”
Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 1996 erweiterte der Kläger die Klage mit folgendem angekündigten Antrag:
„2. Die Beklagten werden verurteilt,
dem Kläger Auskunft zu erteilen
über den Gewinn der Beklagten zu 1) vor Steuern vom Einkommen und Ertrag der Geschäftsjahre 1993, 1994 sowie 1995
sowie über den Zeitpunkt der Feststellung der Jahresabschlüsse 1993, 1994 und 1995 durch die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1),
unter Vorlage der Bilanzen 1993, 1994 und 1995,
- erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben an Eides Statt zu versichern,
- an den Kläger eine erfolgsabhängige Vergütung in Höhe von 10 % des Jahresgewinns für das Geschäftsjahr 1993, in Höhe von 20 % des Jahresgewinns für das Geschäftsjahr 1994 sowie in Höhe von 30 % des Jahresgewinns für das Geschäftsjahr 1995 in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.”
Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigungen vom 14. und 19. März 1996 seien mangels ordnungsgemäßer Vertretung der Beklagten zu 1), wegen fehlenden Nachweises der Vollmacht und fehlender Vorlage eines Gesellschafterbeschlusses unwirksam. Alle drei Kündigungen seien auch sozial nicht gerechtfertigt. Es gebe weder verhaltensbedingte noch personenbedingte Gründe für eine ordentliche Kündigung noch lägen betriebliche Gründe i.S.d. § 1 KSchG vor. Zudem sei die ordentliche Kündigungsfrist nicht eingehalten worden.
Der Kläger hält den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für gegeben. Die Beklagten haben den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als unzulässig gerügt, weil der Kläger nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer gelte. Seine bloße Behauptung, Arbeitnehmer zu sein, reiche für die Bejahung des Rechtsweges deshalb nicht aus, weil der Kläger keine Klageanträge verfolge, mit denen er nur obsiegen könne, wenn er Arbeitnehmer sei.
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als zulässig erachtet und zur Begründung ausgeführt, es handele sich um einen „sic-non-Fall”. Der Kläger verfolge Anträge, mit denen er nur obsiegen könne, wenn er Arbeitnehmer sei.
Die Beklagten haben gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt und ihre Auffassung wiederholt. Der Kläger hat im Beschwerdeverfahren behauptet, er sei nicht wirksam zum Geschäftsführer der Beklagten zu 1) bestellt worden. Im Januar 1994 habe der Beklagte zu 2) anläßlich einer kurzen Besprechung ein Schriftstück unterzeichnet, wonach er, der Kläger, zum Geschäftsführer bestellt worden sei. Mit Rücksicht auf die desolate finanzielle Lage der Beklagten zu 1) habe er es aus Haftungsgründen abgelehnt, sich zum Geschäftsführer bestellen zu lassen. Tatsächlich sei er nach außen auch nie als Geschäftsführer in Erscheinung getreten.
Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als nicht gegeben erachtet und den Rechtsstreit an das Landgericht Köln verwiesen.
Mit der weiteren sofortigen Beschwerde will der Kläger erreichen, daß der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen bejaht wird. Auf das Fehlen von Vollmacht, Gesellschafterversammlung und Gesellschafterbeschluß für die ihm gegenüber erklärten Kündigungen wolle er seine Klage nicht mehr stützen. Mit dem Klageantrag zu 1) könne er nur obsiegen, wenn er Arbeitnehmer sei.
Entscheidungsgründe
II. Die weitere sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht eröffnet. Der Kläger gilt nicht als Arbeitnehmer i.S.d. Arbeitsgerichtsgesetzes (§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).
1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für „bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern” aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten als Arbeitnehmer nicht die Personen, die in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrages allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder Personengesamtheit berufen sind (vgl. dazu auch BAG in ständiger Rechtsprechung, statt vieler: Beschluß vom 18. Dezember 1996 – 5 AZB 25/96 – NJW 1997, 1722, zu II 1 a der Gründe, m.w.N., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
a) Hinsichtlich der rechtlichen Stellung der Mitglieder der Vertretungsorgane juristischer Personen ist zwischen dem Organisationsakt, nämlich der Bestellung und Abberufung dieser Organe, und dem der Bestellung zugrunde liegenden Vertrag zu unterscheiden. Die Bestellung zum Organ und die Beendigung der Organstellung haben für sich allein keinen Einfluß auf den Bestand des zugrunde gelegten Vertrags.
b) Für die Frage, ob der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen oder zu den allgemeinen Zivilgerichten eröffnet ist, wenn über den Bestand des Anstellungsverhältnisses oder über Rechte hieraus gestritten wird, ist danach zu unterscheiden, ob das Anstellungsverhältnis mit der juristischen Person besteht, zu deren Organvertreter der Dienstnehmer bestellt werden sollte oder wurde, oder ob das Anstellungsverhältnis mit einem Dritten begründet wurde.
aa) Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist grundsätzlich nicht eröffnet, wenn das Vertragsverhältnis zwischen dem, der zum Organ(mitglied) bestellt werden soll und der juristischen Person geschlossen worden ist, für die er als deren Vertretungsorgan bestellt werden sollte (BAG in ständiger Rechtsprechung, vgl. statt vieler: Beschluß vom 18. Dezember 1996, aaO, zu II 1 b der Gründe, m.w.N.). Dabei ist es unerheblich, ob es zur vertraglich vorgesehenen Bestellung zum Organvertreter gekommen ist oder nicht (vgl. für den Geschäftsführer einer Vor-GmbH: BAG Beschluß vom 13. Mai 1996 – 5 AZB 27/95 – AP Nr. 27 zu § 5 ArbGG 1979 = NZA 1996, 952). In einem auf die Bestellung zum Organvertreter gerichteten Vertrag ist der Dienstnehmer nicht etwa bis zur Bestellung Arbeitnehmer und erst danach Nichtarbeitnehmer i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG. Dies ist auch anzunehmen, wenn der Bestellung eine Probezeit als Geschäftsführer vorgeschaltet wird. Die gesetzliche Fiktion gilt auch in der Probezeit.
Der rechtliche Charakter des Anstellungsverhältnisses eines Organvertreters ändert sich andererseits nicht schon dadurch, daß der Organvertreter abberufen wird. Durch den Abberufungsakt wird das Anstellungsverhältnis nicht zum Arbeitsverhältnis (BAG in ständiger Rechtsprechung, statt vieler: Beschluß vom 21. Februar 1994 – 2 AZB 28/93 – AP Nr. 17 zu § 5 ArbGG 1979; auch BGH Urteil vom 9. Februar 1978 – II ZR 189/76 – AP Nr. 1 zu § 38 GmbHG). Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, aus denen folgt, daß neben dem Geschäftsführervertrag noch ein Arbeitsvertrag bestanden hat oder ein solcher wieder aufgelebt ist oder daß der Anstellungsvertrag infolge der Abberufung zum Arbeitsvertrag geworden ist. Soweit Rechte aus einem solchen wieder aufgelebten oder neu begründeten Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden, ist § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht anzuwenden. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt, zu welchem sich das tatsächliche Geschehen, das der Klage zugrunde gelegt wird, vollzieht, z.B. die Kündigung ausgesprochen wird. Dabei ist dann nach allgemeinen Regeln zu prüfen, ob der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist.
Erhebt ein abberufener Organvertreter allerdings gegen eine ordentliche Kündigung des der Bestellung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses eine ausschließlich auf Sozialwidrigkeit (§ 1 KSchG) gestützte Kündigungsschutzklage mit der Behauptung, sein Arbeitsverhältnis, das mit der beklagten Gesellschaft vor seiner Bestellung zum Organvertreter bestanden habe, sei nach Beendigung der Organstellung wieder aufgelebt, so ist für diese Klage der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet. Es handelt sich dann um einen sog. sic-non-Fall. In solchem Fall kann der Kläger nur durchdringen, wenn er tatsächlich Arbeitnehmer war. Deshalb genügt für die Bejahung des Rechtswegs die entsprechende Behauptung des Klägers (BAG Beschluß vom 18. Dezember 1996 – 5 AZB 25/96 – NJW 1997, 1722, unter II 2 a der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
bb) In den Fällen, in denen der Anstellungsvertrag dagegen nicht mit der juristischen Person abgeschlossen worden ist, zu deren Organvertreter der Dienstnehmer bestellt werden sollte, sondern mit einem Dritten, z.B. einem Konzernunternehmen, ist § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG bei einer Klage gegen den Dritten nicht anzuwenden (BAG Beschluß vom 20. Oktober 1995 – 5 AZB 5/95 – AP Nr. 36 zu § 2 ArbGG 1979; Beschluß vom 21. Februar 1994 – 2 AZB 28/93 – AP Nr. 17 zu § 5 ArbGG 1979). Ob bei einer Klage gegen den Dritten der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist oder der zu den ordentlichen Gerichten, richtet sich vielmehr nach den allgemeinen Regeln des § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, b ArbGG bzw. des § 13 GVG.
2. Vorliegend ist der Anstellungsvertrag mit der GmbH, zu deren Geschäftsführer der Beklagte bestellt werden sollte (Beklagte zu 1) und mit dem Beklagten zu 2) als dem damaligen Alleingeschäftsführer und -gesellschafter der Beklagten zu 1) abgeschlossen worden.
a) Soweit der Kläger Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte zu 1) erhoben hat, ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht schon deshalb eröffnet, weil der Kläger gegen die ordentlichen Kündigungen auch mit der Begründung vorgeht, sie seien i.S.d. § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt, und behauptet, das Anstellungsverhältnis mit der Beklagten zu 1) sei rechtlich ein Arbeitsverhältnis. Auf die oben dargestellte Rechtsprechung für die sic-non-Fälle kann sich der Kläger nicht stützen. Ein solcher Fall liegt hier nämlich nicht vor. Der Kläger greift die Kündigungen auch mit der Begründung an, die vertragliche Kündigungsfrist sei nicht eingehalten. Damit kann der Kläger auch Erfolg haben, wenn er kein Arbeitnehmer, sondern freier Dienstnehmer ist.
b) Sowohl hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags als auch hinsichtlich aller anderen Streitgegenstände ist gegenüber der Beklagten zu 1) der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen deswegen nicht eröffnet, weil der Kläger nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer gilt. Nach dem Anstellungsvertrag sollte der Kläger zum Organvertreter der Beklagten zu 1) bestellt werden. Der Vertrag war von vornherein auf eine solche Bestellung gerichtet. Tatsächliche Umstände, aus denen sich ergeben könnte, daß dieser einheitliche Anstellungsvertrag hinsichtlich seiner Rechtsqualität bis zum vorgesehenen Zeitpunkt der Bestellung des Klägers zum Organvertreter als Arbeitsvertrag zu qualifizieren sei, liegen nicht vor. Ebensowenig hat der Kläger Umstände dargetan noch sind solche ersichtlich, aus denen sich ergibt, daß die Parteien den Anstellungsvertrag später ausdrücklich oder stillschweigend in einen Arbeitsvertrag umgewandelt hätten. Insbesondere ist der Anstellungsvertrag nicht schon deswegen zum Arbeitsvertrag geworden, weil es nicht zu seiner Bestellung zum Geschäftsführer gekommen ist. Der Kläger hätte Vertragserfüllung verlangen und darauf dringen können, zum Geschäftsführer bestellt zu werden. Wenn er es – wie er erstmals im Beschwerderechtszug behauptet hat – im Januar 1994 abgelehnt hat, sich zum Geschäftsführer bestellen zu lassen, so läßt sich auch hieraus nicht schließen, daß er sodann nur noch als weisungsabhängiger Arbeitnehmer der Beklagten zu 1) tätig geworden sei und dies einer zumindest stillschweigenden Einigung der Parteien entsprach. Eine Änderung des Anstellungsverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis hätte sich zwar unter Umständen aufgrund der vom Beklagten angebotenen schriftlichen Vereinbarung vom 30. März 1995 zum „bestehenden Arbeitsvertrag” darstellen können. Dieses Angebot der Beklagten hat der Kläger jedoch nach seinem eigenen Vortrag nicht angenommen.
3. Soweit die Klage gegen den Beklagten zu 2) gerichtet ist, ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ebenfalls nicht eröffnet. Der vorliegende Anstellungsvertrag begründet gegenüber dem Beklagten zu 2) kein weiteres, vom Anstellungsverhältnis als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) abtrennbares Dienst- oder Arbeitsverhältnis gegenüber dem Beklagten zu 2). Vielmehr beschreibt der einheitliche Vertrag insoweit nur die organschaftliche und (künftige oder beabsichtigte) gesellschaftsrechtliche Stellung des Klägers gegenüber dem Beklagten zu 2). Der Vertrag enthält keine Regelung, nach der der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 2) zur Leistung von Diensten verpflichtet war, geschweige denn, daß er ihm gegenüber als Arbeitnehmer Dienste zu erbringen gehabt hätte. Denkbar wäre zwar, wie der Kläger meint, daß er sich nicht nur gegenüber der GmbH (Beklagte zu 1), sondern zusätzlich auch gegenüber dem Beklagten zu 2) persönlich verpflichtet hätte, als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) tätig zu werden. Eine solche zusätzliche Verpflichtung ist dem Vertrag indessen gerade nicht zu entnehmen. Vielmehr beschränken sich die Regelungen gegenüber dem Beklagten zu 2) auf die angesprochenen organschaftlichen bzw. gesellschaftsrechtlichen Fragen.
4. Der Streitwert war entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats auf ein Drittel des Streitwerts der Hauptsache festzusetzen.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke
Fundstellen
NJW 1998, 260 |
NZA 1997, 1363 |
SAE 1998, 234 |
ZIP 1997, 1930 |