Entscheidungsstichwort (Thema)
Leitende Angestellte. § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG
Leitsatz (amtlich)
§ 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG ist auf Angestellte, die zum selbständigen Abschluß von Verträgen mit freien Mitarbeitern und zur Auflösung solcher Verträge berechtigt sind, auch nicht analog anzuwenden. Eine derartige Befugnis der Angestellten ist im Rahmen des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG zu berücksichtigen.
Normenkette
BetrVG 1972 § 5 Abs. 3; ArbGG § 83; ZPO §§ 256, 320, 322, 561
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 21.09.1976; Aktenzeichen 10 Ta BV 9/76) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 21. September 1976 – 10 Ta BV 9/76 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Antragstellerin betreibt ein Verlagsunternehmen mit angeschlossener Druckerei, in dem die Tageszeitung „B. N. Nachrichten” mit einer Auflage von 160.000 Exemplaren herausgegeben und gedruckt wird. Das Verbreitungsgebiet der Zeitung liegt in N. mit K. als Mittelpunkt. Die Antragstellerin beschäftigt etwa 600 Arbeitnehmer. Ferner sind für sie insgesamt 767 Zeitungsträger und einige Bezieherwerber als freie Mitarbeiter tätig.
Der Beteiligte W. ist gelernter Verlagskaufmann. Seit dem 1. Februar 1946 war er stellvertretender Vertriebsleiter bei der Antragstellerin; seit dem 1. Januar 1975 ist er Vertriebsleiter. Für seinen Vorgänger, den früheren Vertriebsleiter Ki. hatte das Arbeitsgericht K. durch rechtskräftigen Beschluß vom 15. Mai 1953 – I Ca B 1/53 – festgestellt, daß er kein leitender Angestellter im Sinne des § 4 Abs. 2 Buchst. c) BetrVG 1952 war.
Anläßlich der am 24. April 1975 bei der Antragstellerin durchgeführten Betriebsratswahl ist zwischen der Antragstellerin und dem bei ihr bestehenden Betriebsrat, dem Antragsgegner, streitig geworden, ob der Beteiligte W. zu den leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG 1972 gehört. Zur Klärung dieser Frage hat die Antragstellerin das vorliegende Beschlußverfahren eingeleitet.
Die Antragstellerin ist eine „Familiengesellschaft”. Ihre Hauptgesellschafter sind Familienangehörige des Unternehmensgründers. Zwei Familienmitglieder stehen als Geschäftsführer der Gesellschaft an der Spitze des Unternehmens. Ihnen ist auf gleicher Führungsebene ein Verlagsdirektor beigeordnet, dem Einzelprokura erteilt ist. Unterhalb dieser ersten Führungsebene gliedert sieh das Unternehmen in sechs Hauptabteilungen, nämlich die Redaktion der Zeitung, die allgemeine Verlagsabteilung, die von einem weiteren Familienmitglied geleitete Personalabteilung, die Druckerei, die Anzeigenabteilung und den Vertrieb, den der Beteiligte W. leitet.
Zur Vertriebsabteilung gehören 51 Angestellte und Arbeiter, die im Hauptbetrieb in K. und in den Geschäftsstellen des Verbreitungsgebietes der Zeitung tätig sind. Der Beteiligte W. ist deren Vorgesetzter und hat ihnen gegenüber Weisungsbefugnis. Über die Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern entscheidet die Personalabteilung. Diese ist auch Gesprächspartner des Betriebsrats bei der Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte. Der Beteiligte W. leistet Entscheidungshilfe, indem er bei Neueinstellungen eine Vorauswahl unter den Bewerbern trifft. Der Vertriebsabteilung sind ferner die 767 Zeitungsträger und die Bezieherwerber zugeordnet. Über deren Einstellung und Entlassung entscheidet der Beteiligte W. allein. Der Betriebsrat wirkt hierbei nicht mit. Der Beteiligte W. ist verantwortlich für die Durchführung der Hauptaufgabe der Vertriebsabteilung, nämlich die Auslieferung der Zeitung an die Abonnenten und Verkaufsstellen. Er wirkt ferner bei der Planung und Durchführung von Werbemaßnahmen mit. Diese werden allerdings nicht ständig, sondern schwerpunktmäßig eingesetzt. Erscheinen besondere Werbeaktionen erforderlich, so unterbreitet der Beteiligte W. der Geschäftsleitung Vorschläge. Die Geschäftsleitung stellt dann nach Prüfung die notwendigen Mittel bereit. Über die Durchführung der Werbeaktion wird die Geschäftsleitung laufend unterrichtet. Sie greift mit Weisungen ein, wenn ihr die Werbemaßnahme als zu kostspielig oder als nicht hinreichend erfolgversprechend erscheint. Prokura oder Generalvollmacht sind dem Beteiligten W. nicht erteilt.
Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, der Beteiligte W. sei in seiner Eigenschaft als Vertriebsleiter leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG 1972. Die von ihm geleitete Vertriebsabteilung sei wesentlicher Umsatz- und Kostenträger und deshalb für den Bestand und die Entwicklung ihres Unternehmens von erheblicher Bedeutung. Der Beteiligte W. handele in wesentlichen Bereichen des Vertriebs selbstverantwortlich. Er müsse laufend planerische, organisatorische und personelle Entscheidungen insbesondere für die umfangreiche Trägerorganisation treffen. So bestimme er über den Trägereinsatz, die Aufteilung der Bezirke und die Vertriebswege. Daß er sich bei seinen Entscheidungen an gewisse Richtlinien der Geschäftsleitung halten müsse, sei unschädlich. Bei der Vielzahl der von ihm zu treffenden Entscheidungen sei es im übrigen gar nicht möglich, jeweils vorher die Zustimmung der Geschäftsleitung einzuholen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
festzustellen, daß der Beteiligte W. leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG 1972 ist.
Der Beteiligte W. hat sich diesen Antrag angeschlossen.
Der Antragsgegner hat um Zurückweisung des Antrags gebeten.
Nach seiner Auffassung nimmt der Beteiligte W. keine unternehmerischen Teilaufgaben wahr. Die Vertriebsabteilung sei zwar innerhalb des Gesamtunternehmens ein wesentlicher Umsatz- und Kostenträger, so daß ihr eine erhebliche Bedeutung zukomme. Die Vertriebsorganisation bewege sich aber seit ihrem Bestehen in vorgegebenen Bahnen. Die Tätigkeit des Beteiligten W. beschränke sich darauf, den Ablauf dieser funktionierenden Organisation zu überwachen. Die hierbei zu treffenden Maßnahmen seien lediglich verwaltender Natur; typisch unternehmerische Entscheidungen fielen dabei nicht an. Es fehle ferner auch der direkte Gegnerbezug. Hinsichtlich der ihm unterstellten 51 Arbeiter und Angestellten nehme der Beteiligte W. nur eine schlichte Vorgesetztenstellung ein. Daß er bei der Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern beratend mitwirke, reiche nicht aus, ihn als leitenden Angestellten auszuweisen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter, während der Antragsgegner um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
I. In prozessualer Hinsicht bestehen keine Bedenken.
1. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2. Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis der Antragstellerin als Arbeitgeberin ergibt sich unmittelbar aus § 83 Abs. 1 ArbGG. Das Antrags- und Beteiligungsrecht des Betriebsrats als Antragsgegners, um dessen Kompetenzbereich es geht, und des betroffenen Angestellten, dessen Rechtsstatus geklärt werden soll, ist ebenfalls gegeben.
3. Einer Sachentscheidung steht der rechtskräftige Beschluß des Arbeitsgerichts K. vom 15. Mai 1953 – I Ca B 1/53 – nicht entgegen. Dieser Beschluß, durch den festgestellt wurde, daß der Vorgänger des Beteiligten W., der frühere Vertriebsleiter Ki., kein leitender Angestellter im Sinne von § 4 Abs. 2 Buchst. c) BetrVG 1952 war, entfaltet für das vorliegende Verfahren keine Rechtskraftwirkung. Der Beschluß betrifft allein die Person des damaligen Vertriebsleiters Ki und nicht allgemein die Position eines Vertriebsleiters bei der Antragstellerin. Außerdem fehlt es an der Identität der Beteiligten (vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 118 BetrVG 1972 [zu II 3 der Gründe], auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Zwar sind Antragstellerin und Antragsgegner des damaligen und des gegenwärtigen Beschlußverfahrens dieselben. Der Beteiligte W. um dessen Rechtsstatus es hier geht, war an dem früheren Verfahren aber nicht beteiligt. Unter diesen Umständen kann es dahinstehen, ob sich die Voraussetzungen, unter denen ein Angestellter nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG 1972 als leitender Angestellter anzusehen ist, gegenüber dem früheren § 4 Abs. 2 Buchst. c) BetrVG 1952 derart geändert haben, daß auch aus diesem Grunde eine nach der früheren Rechtslage getroffene Entscheidung keine Rechtskraftwirkung für den betriebsverfassungsrechtlichen Status eines Angestellten nach dem Betriebsverfassungsgesetz von 1972 entfalten könnte.
4. Das Rechtsschutzinteresse an der Klärung der Frage, ob ein Angestellter als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG zu qualifizieren ist, besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch dann noch fort, wenn der konkrete aktuelle Anlaß, der zur Einleitung des Beschlußverfahrens geführt hat, später weggefallen ist (vgl. BAG AP Nrn. 2, 3 zu § 5 BetrVG 1972 [zu II 1 bzw. II 2 der Gründe], auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt; AP Nr. 15 zu § 5 BetrVG 1972 [zu III der Gründe]). Daß sich die Entscheidung des vorliegenden Falles auf die Betriebsratswahl des Jahres 1975, bei der der Streit der Beteiligten aktuell wurde, nicht mehr auswirken kann, ist demnach unschädlich.
Entscheidungsgründe
II.1. In der Sache selbst ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß sich die Entscheidung der Frage, ob der Beteiligte W. leitender Angestellter ist, allein nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG richtet. Die Tatbestände der Nrn. 1 und 2 des § 5 Abs. 3 BetrVG scheiden für die Beurteilung aus; denn der Beteiligte W. ist weder zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in seiner Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt, noch hat er Generalvollmacht oder Prokura. Die Anwendbarkeit der Nr. 1 des § 5 Abs. 3 BetrVG wird nicht dadurch begründet, daß W. die für die Antragstellerin tätigen zahlreichen Zeitungsträger selbständig einstellt und entläßt. Diese Zeitungsträger sind nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten keine Arbeitnehmer der Antragstellerin, sondern freie Mitarbeiter. Die genannte Vorschrift setzt aber nach ihrem eindeutigen Wortlaut die Befugnis zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern voraus. Damit sollen solche leitenden Angestellten vom Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen werden, die die wichtigsten Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen und wegen dieser Funktionen auch in einem besonders ausgeprägten Interessengegensatz zu der vom Betriebsrat repräsentierten Arbeitnehmerschaft des Betriebes stehen. Das alles ist bei der Befugnis zum Abschluß und zur Auflösung von Verträgen mit freien Mitarbeitern nicht der Fall, so daß eine entsprechende Anwendung der Nr. 1 des § 5 Abs. 3 BetrVG ebenfalls nicht in Frage kommen kann.
2. Die somit allein einschlägige Vorschrift des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG erfaßt leitende Angestellte, wenn sie nach Dienststellung und Dienstvertrag im wesentlichen eigenverantwortlich Aufgaben wahrnehmen, die ihnen regelmäßig wegen deren Bedeutung für den Bestand und die Entwicklung des Betriebes im Hinblick auf besondere Erfahrungen und Kenntnisse übertragen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats geht der Gesetzgeber in § 5 Abs. 3 BetrVG von einem vorgegebenen, im Gesetz selbst nicht definierten Begriff des leitenden Angestellten aus. Für die Abgrenzung dieses vorgegebenen Begriffs hat der Senat folgende Erfordernisse aufgestellt (vgl. die zusammenfassenden Darstellungen in AP Nrn. 11 [zu III 4 der Gründe], 12 [zu IV 4 der Gründe], 15 [zu V 2 der Gründe] und 16 [zu II 5 der Gründe] zu § 5 BetrVG 1972):
Die Tätigkeit des Angestellten muß auf die Leitung des Unternehmens bezogen sein, also in erster Linie eine unternehmerische Tätigkeit anstelle des Unternehmers beinhalten und darf sich nicht nur in reinen Aufsichtsfunktionen (arbeitstechnischer Art) erschöpfen. Der Angestellte muß kraft seiner leitenden Punktion maßgeblichen Einfluß auf die wirtschaftliche, technische, kaufmännische, organisatorische, personelle oder wissenschaftliche Führung des Unternehmens (Betriebs) ausüben, und zwar entweder dadurch, daß er selbst die maßgeblichen Entscheidungen trifft oder kraft seiner Schlüsselposition Voraussetzungen schafft, an denen die eigentliche Unternehmensführung nicht vorbeigehen kann. Weiter ist ein eigener erheblicher Entscheidungsspielraum und schließlich ein sogenannter „Gegnerbezug” dergestalt erforderlich, daß der Angestellte entweder Entscheidungen zu treffen hat, die die Arbeitnehmerschaft unmittelbar berühren und insbesondere den Beteiligungsrechten des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegen, oder daß seine Tätigkeit in einer Schlüsselposition die Interessen der Arbeitnehmerschaft mittelbar trifft.
Neben diesen allgemeinen Voraussetzungen für die Erfüllung des Begriffs des leitenden Angestellten müssen zugleich die Voraussetzungen einer der Tatbestandsgruppen des § 5 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 BetrVG gegeben sein, im vorliegenden Falle also die Voraussetzungen der Nr. 3. Hiernach muß die Tätigkeit des Angestellten im wesentlichen eigenverantwortlich ausgeübt werden, was bereits für den allgemeinen Begriff des leitenden Angestellten vorausgesetzt wird (eigener erheblicher Entscheidungsspielraum). Die Aufgaben des Angestellten müssen ferner besondere Bedeutung für Bestand und Entwicklung des Unternehmens haben; der Angestellte muß also einen beachtlichen (Teil-)Bereich der unternehmerischen Gesamtaufgaben wahrnehmen. Die Aufgabenübertragung muß auch im Hinblick auf besondere Erfahrungen und Kenntnisse des Angestellten erfolgen.
Schließlich ist eine Gesamtwürdigung der Tätigkeit des Angestellten vorzunehmen, wobei das Zurücktreten einzelner Abgrenzungsmerkmale dadurch ausgeglichen werden kann, daß andere in besonders starkem Maße vorhanden sind. Sie dürfen jedoch in keinem Falle gänzlich fehlen. Die spezifisch unternehmerischen Aufgaben müssen der Tätigkeit des Angestellten das Gepräge geben, d. h. diese schwerpunktmäßig bestimmen.
3. Von diesen Grundsätzen ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Ihre Anwendung auf den vorliegenden Fall kann der Senat nicht voll nachprüfen. Da es sich bei dem Begriff des leitenden Angestellten um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, steht den Tatsacheninstanzen ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Das Rechtsbeschwerdegericht kann nur prüfen, ob die Bewertungsmaßstäbe im einzelnen richtig erkannt sind, eine vertretbare Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte erfolgt ist und ob alle wesentlichen Tatsachen ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze berücksichtigt worden sind (BAG AP Nrn. 1 [zu IV 2 der Gründe], 2 [zu III 2 g der Gründe], 3 [zu III 1 g der Gründe] zu § 5 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt; AP Nr. 11 zu § 5 BetrVG 1972 [zu IV der Gründe]). Insoweit läßt der angefochtene Beschluß keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen.
a) Die Hauptaufgabe des Beteiligten W. besteht darin, für die pünktliche und reibungslose Auslieferung der Zeitung an Händler und Abonnenten zu sorgen. Daß dies eine für den Bestand und die Entwicklung eines Zeitungsverlages lebenswichtige Funktion ist, steht außer Zweifel; denn eine nicht oder nicht reibungslos funktionierende Vertriebsorganisation wirkt sich negativ auf den Zeitungsumsatz und damit auf die Ertragslage des Verlages aus. Das verkennt auch das Landesarbeitsgericht nicht. Es meint jedoch, der Vertrieb einer Zeitung, der sich – wie hier – im Rahmen einer bestehenden und eingespielten Vertriebsorganisation vollziehe, sei keine unternehmensleitende Aufgabe, sondern eine (arbeitstechnische) Aufsichtstätigkeit. Ob diese von der Rechtsbeschwerde bekämpfte Auffassung des Landesarbeitsgerichts allgemein zutrifft, kann dahinstehen. Im vorliegenden Falle sind jedenfalls keine Umstände hervorgetreten, die die Tätigkeit des Beteiligten W. als Wahrnehmung unternehmerischer Teilaufgaben mit entsprechendem erheblichen eigenen Entscheidungsspielraum kennzeichnen könnten. Die zur Aufrechterhaltung einer funktionierenden Vertriebsorganisation von dem Beteiligten W. zu treffenden und von der Rechtsbeschwerde besonders hervorgehobenen planerischen und organisatorischen Entscheidungen sind arbeitstechnischer und nicht unternehmensleitender Natur. Das gilt namentlich für die Aufstellung der Tourenpläne, nach denen die Transportfahrzeuge der Antragstellerin zur Auslieferung der Zeitungen an Händler und Zeitungsträger eingesetzt werden, für die Einteilung der Zustellbezirke der einzelnen Zeitungsträger und die Umdispositionen beim Ausfall von Zeitungsträgern. Soweit die Rechtsbeschwerde darauf hinweist, dem Beteiligten W. obliege auch die Marktbeobachtung und die Aufgabe, negativen Umsatzentwicklungen, von denen er über die Händler und Zeitungsträger zuerst Kenntnis erlange, vorzubeugen und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen, steht dies im Widerspruch zu den den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts. Hiernach nimmt der Beteiligte W. zwar auf die Ausweitung der Zeitungsauflage durch Gewinnung neuer Abonnenten Einfluß, indem er an der Planung von Werbemaßnahmen mitwirkt und der Geschäftsleitung dazu Vorschläge unterbreitet. Die Entscheidung trifft aber die Geschäftsleitung allein, die auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellt. Darüber hinaus greift sie sogar in die Durchführung der Werbemaßnahmen ein. Dem Beteiligten W. steht nicht einmal ein eigener Werbeetat zur Verfügung, innerhalb dessen er selbständig disponieren könnte. Dem Landesarbeitsgericht ist deshalb zuzustimmen, wenn es aus alledem den Schluß zieht, daß sich die Geschäftsleitung der Antragstellerin insoweit die unternehmerischen Leitungsfunktionen selbst vorbehalten hat. Der weitere Hinweis der Rechtsbeschwerde, der Beteiligte W. habe auch ein entscheidendes Wort bei der Festsetzung der Bezugspreise mitzureden, findet in den Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts keine Stütze. Es handelt sich hierbei um neues Vorbringen, das in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht berücksichtigt werden kann.
b) Daß der Beteiligte W. Vorgesetzter der in der Vertriebsabteilung beschäftigten 51 Arbeiter und Angestellten ist und ihnen gegenüber Anordnungs- und Weisungsbefugnis hat, vermag ihn ebenfalls nicht als leitenden Angestellten zu qualifizieren. Wie der Senat bereits in seinem Beschluß vom 17. Dezember 1974 (AP Nr. 6 zu § 5 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) ausgeführt hat, ist der Leiter einer Betriebsabteilung, der im Rahmen des von der Unternehmensleitung festgelegten Funktions- und Aufgabenbereiches ein Anordnungs- und Weisungsrecht gegenüber den ihm unterstellten Arbeitnehmern ausübt, nur dann leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG 1972, wenn der Umfang der ihm übertragenen Aufgaben und des ihm übertragenen Anordnungs- und Weisungsrechts zu einer Interessenpolarität, zu einem direkten Gegnerbezug zur Arbeitnehmerschaft und zum Betriebsrat führt. Ein Gegnerbezug in diesem Sinne liegt nicht schon dann vor, wenn der Leiter der Betriebsabteilung mit einer überschaubaren Arbeitnehmerzahl eine schlichte Vorgesetztenstellung inne hat, ihm also das Recht eingeräumt ist, im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgaben- und Funktionsbereichs die notwendigen Anordnungen zu treffen und den ihm unterstellten Arbeitnehmern hierzu Weisungen zu erteilen, deren ausschließlicher Zweck es ist, den arbeitstechnischen Ablauf der Produktion nach vorgegebenen Daten zu gewährleisten. Im vorliegenden Falle ist nicht ersichtlich, daß die Befugnisse des Beteiligten W. über die mit einer schlichten Vorgesetztenstellung verbundenen Befugnisse hinausgehen. Insbesondere hat er keine selbständige Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis. Er leistet zwar bei Neueinstellungen Entscheidungshilfe, indem er eine Vorauswahl unter den Bewerbern vornimmt, über die Einstellung des Bewerbers entscheidet jedoch letztlich der Leiter der Personalabteilung, der auch sonst der Gesprächspartner des Betriebsrats bei der Ausübung von dessen Mitwirkungsrechten ist. Die Vorauswahl allein hat bei der Gesamtzahl der überhaupt in Frage kommenden Arbeitnehmer, bei der eine ständige Fluktuation nicht anzunehmen ist, jedenfalls keine gewichtige qualitative Bedeutung für das Unternehmen.
c) Wie das Landesarbeitsgericht ferner zutreffend annimmt, wird der Beteiligte W. nicht dadurch zum leitenden Angestellten, daß ihm die Trägerorganisation mit insgesamt 767 Zeitungsträgern untersteht. Diese Zeitungsträger sind, wie schon in anderem Zusammenhang gesagt worden ist, keine Arbeitnehmer der Antragstellerin, sondern freie Mitarbeiter. Der Betriebsrat wirkt demgemäß bei der Einstellung und Entlassung von Zeitungsträgern nicht mit. Den Aufgaben des Beteiligten W. hinsichtlich dieser Trägerorganisation fehlt also ein direkter Gegnerbezug zur Arbeitnehmerschaft und zu dem sie vertretenden Betriebsrat. Im übrigen hat der Beteiligte W. auch in diesem Rahmen keine unternehmensleitenden Funktionen auszuüben. Seine Tätigkeit beschränkt sich im wesentlichen auf reine Aufsichts- und Kontrollfunktionen. Er hat darauf zu achten, daß die einzelnen Zeitungsträger die Zeitung pünktlich zustellen und muß notfalls unzuverlässige durch neu anzuwerbende Zeitungsträger ersetzen. Ob die Einstellung und Entlassung von Zeitungsträgern an sich unternehmerischen Charakter haben oder doch haben können, kann offenbleiben. Jedenfalls sind dies keine Aufgaben, die besondere Erfahrungen und Kenntnisse im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG erfordern. Im übrigen ist noch nicht einmal vorgetragen worden, daß der Beteiligte W. hinsichtlich des Inhalts der mit den Zeitungsträgern abzuschließenden Verträge einen eigenen erheblichen Entscheidungsspielraum hat.
d) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde brauchte das Landesarbeitsgericht nicht den von der Antragstellerin angebotenen Beweis durch Einholung einer Auskunft des Bundesverband es Deutscher Zeitungsverleger e.V. darüber zu erheben, daß Vertriebsleiter der mit der Antragstellerin vergleichbaren Zeitungsverlage regelmäßig leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sind. Maßgebend sind jeweils die Verhältnisse des konkreten Unternehmens. Ob in vergleichbaren Unternehmen die Inhaber entsprechender Stellungen als leitende Angestellte betrachtet werden, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung.
e) Fehl geht schließlich die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Landesarbeitsgericht habe den in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 1976 gegebenen ergänzenden mündlichen Sachvortrag der Antragstellerin weder in das Sitzungsprotokoll aufgenommen noch ihn bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Der rechtlichen Prüfung des Senats unterliegt nur das aus dem angefochtenen Beschluß und aus dem Sitzungsprotokoll ersichtliche Tatsachenvorbringen der Beteiligten (vgl. § 561 Abs. 1 ZPO). Will ein Beteiligter geltend machen, daß mündliches Tatsachenvorbringen eines Beteiligten in dem Beschluß des Landesarbeitsgerichts nicht wiedergegeben worden sei, so muß er beim Landesarbeitsgericht gemäß § 320 ZPO innerhalb der dort vorgesehenen Frist einen entsprechenden Berichtigungsantrag stellen. Das ist im vorliegenden Falle nicht geschehen.
III. Nach alledem hat das Landesarbeitsgericht dem Beteiligten W. ohne Rechtsfehler den Status eines leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG nicht zuerkannt. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin war daher zurückzuweisen.
Unterschriften
gez.: Dr. Müller, Bichler, Dr. Seidensticker, Bücker, Schwarz
Fundstellen