Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuschuß zum Mutterschaftsgeld bei mehreren Arbeitsverhältnissen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld nach § 14 Abs 1 MuSchG dient dazu, die Frau während der Schutzfristen insoweit wirtschaftlich abzusichern, wie ihr kalendertägliches Nettoarbeitsentgelt 25,-- DM übersteigt.
2.a. Übt die Frau neben einer hauptberuflichen noch eine Nebentätigkeit aus, so sind auch die Bezüge der Nebentätigkeit für die Berechnung des kalendertäglichen Arbeitsentgelts zu berücksichtigen. Der Zuschuß zwischen dem so ermittelten Nettoentgelt und dem Mutterschaftsgeld ist von den Arbeitgebern anteilig in dem Verhältnis zu zahlen, in dem die Nettobezüge zueinander stehen.
b. Die Zuschußpflicht des Arbeitgebers der Nebentätigkeit entfällt nicht deshalb, weil die Nebentätigkeit versicherungsfrei ist.
Normenkette
MuSchG § 14 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 16.10.1986; Aktenzeichen 9 Sa 922/86) |
ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 28.02.1986; Aktenzeichen 1 Ca 3852/85) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin einen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld zu zahlen.
Die Klägerin ist als Verwaltungsangestellte bei der Stadt G beschäftigt; sie erzielte aus dieser Tätigkeit im Jahre 1984 ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 2.129,83 DM monatlich. Bei dem Beklagten arbeitet die Klägerin seit dem 1. Juni 1980 nebenberuflich als Kassiererin im Totalisatorbereich an durchschnittlich sieben Renntagen im Monat; in dieser Beschäftigung belief sich ihr Nettoverdienst auf 375,-- DM monatlich.
Am 17. August 1984 brachte die Klägerin ihre Tochter St zur Welt. Die Schutzfristen vor und nach der Niederkunft liefen vom 29. Juni 1984 bis 12. Oktober 1984. Für diese Zeit erhielt die Klägerin, die im Rahmen ihrer hauptberuflichen Beschäftigung bei der DAK krankenversichert ist, ein kalendertägliches Mutterschaftsgeld von 25,-- DM. Die Stadt G zahlte gemäß § 14 MuSchG einen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld.
Die Klägerin ist der Ansicht, auch der Beklagte sei verpflichtet, ihr einen anteiligen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld zu zahlen. Hinsichtlich der insoweit unstreitig gebliebenen Berechnung hat die Klägerin von dem erzielten Gesamtverdienst das erhaltene Mutterschaftsgeld abgesetzt und den Unterschiedsbetrag zum Gesamtnettoeinkommen im Verhältnis der erzielten Nettobezüge auf beide Arbeitgeber aufgeteilt. Demgemäß hat die Klägerin von dem Beklagten 8,76 DM netto für 106 Kalendertage mit einer Gesamtsumme von 928,56 DM begehrt und beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie
928,56 DM netto nebst 4 % Zinsen seit
dem 8. Januar 1986 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, aus dem zu ihm bestehenden Arbeitsverhältnis könne die Klägerin einen Anspruch auf Zuschuß zum Mutterschaftsgeld nicht herleiten, weil sie weniger als 25,-- DM netto kalendertäglich verdiene. Es könne nicht zu Lasten des Beklagten gehen, wenn die Klägerin noch in einem weiteren Arbeitsverhältnis stehe und dort ein Einkommen beziehe, das einen Anspruch auf Zuschuß zum Mutterschaftsgeld auslöse.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
1. Nach § 14 Abs. 1 MuSchG erhalten Frauen, die Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 200 RVO oder § 13 Abs. 2 MuSchG haben, für die Zeit der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 und des § 6 Abs. 1 MuSchG von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuß in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen 25,-- DM und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt. Wenn man allein auf diesen Wortlaut des Gesetzes abstellt, dann würde sich gegenüber dem Beklagten ein als Zuschuß zu zahlender Unterschiedsbetrag nicht ergeben. Denn das um die gesetzlichen Abzüge verminderte durchschnittliche kalendertägliche Arbeitsentgelt, das die Klägerin von dem Beklagten bezogen hat, lag unter dem Betrag des Mutterschaftsgeldes von 25,-- DM.
2.a) § 14 Abs. 1 MuSchG weist jedoch eine Lücke auf. Er behandelt nicht den Fall, daß eine Frau in mehreren Beschäftigungsverhältnissen steht. Diese Lücke muß dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechend geschlossen werden (vgl. zu einer ähnlichen Lage BAG Urteil vom 21. Januar 1960 - 2 AZR 523/58 - AP Nr. 13 zu § 1 ArbKrankhG). Wie schon das Landesarbeitsgericht zutreffend herausgestellt hat, bezweckt § 14 Abs. 1 MuSchG, die Frau während der Schutzfristen vor und nach der Niederkunft wirtschaftlich dadurch abzusichern, daß ihr grundsätzlich das durchschnittliche kalendertägliche Arbeitsentgelt, wie es nach § 14 Abs. 1 Satz 2 MuSchG zu berechnen ist, erhalten bleibt. Dies wird dadurch erreicht, daß die Krankenkasse verpflichtet ist, an die versicherten Frauen ein Mutterschaftsgeld bis zur Höhe von 25,-- DM täglich zu zahlen, wobei sich allerdings die Leistungspflicht gegenüber den nicht versicherten Frauen auf einen Gesamtbetrag von 400,-- DM beschränkt. Soweit das Nettoarbeitsentgelt 25,-- DM täglich übersteigt, ist der Arbeitgeber gehalten, zu der wirtschaftlichen Absicherung durch den Zuschuß beizutragen (vgl. zu Sinn und Zweck des § 14 MuSchG auch das zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmte BAG Urteil vom 11. Juni 1986 - 5 AZR 365/85 - AP Nr. 3 zu § 14 MuSchG 1968, zu II 1 der Gründe sowie das zur Veröffentlichung bestimmte BAG Urteil vom 22. Oktober 1986 - 5 AZR 733/85 -, zu I 2 a der Gründe).
b) Geht man von diesem Sinn und Zweck des § 14 MuSchG aus, so muß, wenn die Frau in mehreren Arbeitsverhältnissen steht, das Entgelt dieser mehreren Arbeitsverhältnisse herangezogen werden, um das durchschnittliche kalendertägliche Arbeitsentgelt zu ermitteln. Denn die Gesamteinkünfte haben den Lebensstandard bestimmt, der durch Mutterschaftsgeld und Zuschuß des Arbeitgebers aufrechterhalten werden soll. Die Höhe des Zuschusses bestimmt sich in solchem Falle nach dem Verhältnis, in dem die Verdienste zueinander stehen. Diese Auffassung wird auch im Schrifttum einhellig vertreten (Bulla/Buchner, MuSchG, 5. Aufl., § 14 Rz 29; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, 5. Aufl., § 14 Rz 19; Schmatz/Fischwasser, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, Stand September 1986, § 14 MuSchG Rz 53, T 327; Leube, DB 1968, 1222; Gröninger/Thomas, MuSchG, Stand Juli 1986, § 14 Anm. 3 b; Heilmann, MuSchG, § 14 Rz 19 bis 21).
3. Der Beklagte macht geltend, es dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, daß die Klägerin nur aufgrund ihrer anderweitigen hauptberuflichen Tätigkeit versicherungspflichtig ist und so einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld habe. Mit diesem Hinweis kann sich der Beklagte seiner Zuschußpflicht jedoch nicht entziehen. Soweit der Anspruch auf Mutterschaftsgeld für versicherte Frauen auf § 200 RVO beruht, ist es unerheblich, ob die Frau in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht oder ob sie freiwillig versichert oder weiterversichert ist. In jedem dieser Fälle kommt es nur darauf an, wie hoch das Mutterschaftsgeld einerseits und die Nettobezüge andererseits sind, die im Sinne des § 14 MuSchG für die Berechnung des Zuschusses zu berücksichtigen sind. Im übrigen würde selbst eine Versicherungsfreiheit die Zuschußpflicht auslösen, weil in § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG auch der Anspruch auf Mutterschaftsgeld angeführt ist, der der nicht versicherten Frau nach § 13 Abs. 2 MuSchG - allerdings nur in Höhe von 400,-- DM - zusteht.
Dr. Thomas Dr. Olderog Schneider
Scherer Dr. Schönherr
Fundstellen
BAGE 54, 361-365 (LT1-2) |
BAGE, 361 |
BB 1987, 1987, 2024-2025 (LT1-2) |
BB 1987, 2024 |
DB 1987, 2159-2159 (LT1-2) |
ARST 1988, 55-56 (LT1-2) |
NZA 1987, 851-852 (LT1-2) |
RdA 1987, 319 |
ZTR 1987, 284-285 (LT1-2) |
AP § 14 MuSchG 1968 (LT1-2), Nr 6 |
AR-Blattei, ES 1220 Nr 90 (LT1-2) |
AR-Blattei, Mutterschutz Entsch 90 (LT1-2) |
EzA § 14 MuSchG, Nr 6 (LT1-2) |
EzBAT § 8 BAT Zuschuß zum Mutterschaftsgeld, Nr 6 (LT1-2) |
PersV 1991, 236 (K) |
Streit 1987, 138 |