Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang bei einem Frauenhaus. Änderung der Tätigkeit. Voraussetzungen eines Wiedereinstellungsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
- Wesentliche Änderungen in der Organisation, der Struktur und im Konzept können im Rahmen des § 613a Abs. 1 BGB der Identitätswahrung entgegenstehen.
- Haben Merkmale eines Anforderungsprofils einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation und zum Inhalt der auszuführenden Arbeiten, kann ein Betriebsübernehmer ein geändertes Anforderungsprofil gegenüber einem Wiedereinstellungsanspruch einwenden.
Orientierungssatz
- Wesentliche Änderungen des Konzepts und der Organisation sind Umstände, die einem Betriebsübergang entgegenstehen können.
- Verfolgt ein neuer Betreiber eines Frauenhauses im Gegensatz zum früheren Betriebsinhaber die geschützte Unterbringung misshandelter Frauen nicht als eigentlichen Betriebszweck, sondern vielmehr ein umfassendes Beratungskonzept, in dem die Unterbringung nur die letztmögliche Maßnahme ist und organisiert er zugleich das Frauenhaus nicht als eigenständigen Betrieb, sondern strukturell und personell zusammengefasst mit mehreren Beratungsstellen nach dem Gewaltschutzgesetz, ist ein Betriebsübergang nicht anzunehmen.
- Ein Wiedereinstellungsanspruch besteht dann nicht, wenn berechtigte Interessen des neuen Betriebsinhabers entgegenstehen, beispielsweise, wenn er den frei gewordenen Arbeitsplatz schon wieder besetzt hat. Die Berufung auf diesen – erneuten – Wegfall des Arbeitsplatzes ist dem Arbeitgeber aber dann gemäß § 162 BGB verwehrt, wenn er den Arbeitsplatz in Kenntnis des Wiedereinstellungsverlangens treuwidrig besetzt und nicht eine den §§ 242, 315 BGB genügende Auswahlentscheidung getroffen hat.
- Die Entscheidung des Arbeitgebers, Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist von den Arbeitsgerichten jedenfalls dann zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten haben. Diese für die Durchführung der Sozialauswahl heranzuziehenden Grundsätze gelten auch für den Anspruch auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen des § 613a BGB.
- Schreibt ein Fördervertrag den Einsatz von Arbeitnehmern mit Hochschulabschluss vor und verfolgt der neue Arbeitgeber darüber hinaus ein umfassendes Beratungskonzept, ist die Nichtübernahme einer nicht diplomierten Arbeitnehmerin nach dem Wechsel der Trägerschaft für ein Frauenhaus nicht als treuwidrige Vereitelung eines ggf. bestehenden Wiedereinstellungsanspruchs anzusehen.
Normenkette
BGB § 613a; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. April 2005 – 8 Sa 509/04 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des Beklagten zu 1), über das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zu dem Beklagten zu 2) im Wege eines Betriebsübergangs und – hilfsweise – über einen Wiedereinstellungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 2).
Die schwerbehinderte, verheiratete Klägerin, Mutter eines Kindes, ist gelernte Elektromonteurin und war seit dem 30. November 1992 bei dem Beklagten zu 1) als Sozialbetreuerin im Frauenhaus W… beschäftigt. Die Klägerin verdiente monatlich 2.500,00 Euro brutto. Seit dem 17. Juli 1997 ist sie berechtigt, die Berufsbezeichnung “Staatlich anerkannte Fachkraft für soziale Arbeit” zu führen.
Der Beklagte zu 1) führte das Frauenhaus auf der Grundlage eines Vertrages mit dem Landkreis O… und beschäftigte dort zuletzt zwei Arbeitnehmerinnen einschließlich der Klägerin; in seiner Landesgeschäftsstelle sowie in verschiedenen externen Einrichtungen beschäftigt er darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
In der Landesvorstandssitzung am 8. April 2003 fasste der Beklagte zu 1) den Beschluss, das Frauenhaus zum 1. Januar 2004 an den Landkreis “zurückzuführen” und den Vertrag mit dem Landkreis sowie die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Mitarbeiterinnen fristgerecht zum 31. Dezember 2003 zu kündigen. Zur Begründung stellte er auf die unsichere Situation der zukünftigen Förderung und die darauf beruhende unternehmerische Entscheidung, den Vertrag mit dem Landkreis zu kündigen, ab. In der Folgezeit wurde der Vertrag mit dem Landkreis aufgelöst.
Unter dem 8./11. Juli 2003 hörte der Beklagte zu 1) den bei ihm bestehenden Betriebsrat unter Bezugnahme auf die bereits zuvor gegebenen Informationen zu einer beabsichtigten Kündigung der Klägerin zum 31. Dezember 2003 an. Nach Zustimmung des Integrationsamtes sprach der Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 31. Juli 2003 der Klägerin und der weiteren im Frauenhaus beschäftigten Arbeitnehmerin die Kündigung aus.
Am 8. Oktober 2003 beschloss der Landkreis O… die Fortführung des Frauenhauses. Nach einer Ausschreibung fand der Kreis mit dem Beklagten zu 2) einen neuen Träger. Er schloss mit dem Beklagten zu 2) einen Mietvertrag über das Gebäude samt Mobiliar ab. Der Beklagte zu 2) führt das Frauenhaus seit dem 1. Januar 2004 auf der Grundlage eines Fördervertrages mit dem Land Sachsen-Anhalt vom 18. Deember 2003/21. Januar 2004 fort. Hierfür stellte er zum 1. Januar 2004 drei diplomierte Fachkräfte ein. Das bisherige Gebäude samt Mobiliar verwendete er ab 7. Januar 2004 auf Grund des Mietvertrages mit dem Landkreis weiter, ebenso die “alte” Telefonnummer. Fünf am 1. Januar 2004 betreute Bewohnerinnen verblieben im Frauenhaus.
Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben und später die Klage auf Feststellung eines im Wege des Betriebsübergangs begründeten Arbeitsverhältnisses zu dem Beklagten zu 2) erweitert. Im Kammertermin vom 10. Dezember 2003 vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin hilfsweise die Wiedereinstellung durch den Beklagten zu 2) ab dem 1. Januar 2004 beantragt.
Sie hat geltend gemacht, dass es an einem Kündigungsgrund fehle, da die weitere Finanzierung des Frauenhauses gesichert gewesen sei. Die unternehmerische Entscheidung des Beklagten zu 1) zur Rückgabe des Frauenhauses sei daher willkürlich. Darüber hinaus sei die Sozialauswahl fehlerhaft, weil die Klägerin als Fachkraft für soziale Arbeit ohne weiteres auch in der Kindertagesstätte des Beklagten zu 1) in N… eingesetzt werden könne. Weiter sei der Betriebsrat nicht ausreichend unterrichtet worden. Die Fortführung des Frauenhauses stelle einen Betriebsübergang iSv. § 613a BGB dar, da der Beklagten zu 2) nahtlos in die mit dem Betrieb des Frauenhauses verbundene Leistungserbringung unter Verwendung der bisherigen Betriebsmittel eingetreten sei.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Beklagten zu 1) mit der Klägerin nicht durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 31. Juli 2003 beendet worden ist,
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis mit Wirkung ab dem 1. Januar 2004 zu dem Beklagten zu 2) zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,
3. hilfsweise den Beklagten zu 2) zu verurteilen, die Klägerin mit Wirkung ab dem 1. Januar 2004 zu unveränderten Bedingungen wieder einzustellen.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Der Beklagte zu 1) hat geltend gemacht, dass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mangels ausreichender Arbeitnehmerzahl keine Anwendung finde. Seine “Rückführungs”-Entscheidung hat der Beklagte zu 1) damit begründet, dass das Land mehrfach eine Änderung seiner Bewilligungspraxis und die Aufhebung seiner Förderrichtlinien angekündigt habe. Ein eventueller Betriebsübergang sei im Zeitpunkt der Kündigung nicht absehbar und außerhalb seines Einflussbereiches gewesen. Eine anderweitige Weiterbeschäftigung sei mangels eines geeigneten freien Arbeitsplatzes ausgeschieden. Für eine Sozialauswahl habe es an vergleichbaren Mitarbeitern gefehlt. Zur Wahrung der Kündigungsfristen habe er daher die Kündigung aussprechen müssen. Der Beklagte zu 2) hat die Auffassung vertreten, dass die Fortführung des Frauenhauses keinen Betriebsübergang darstelle. Er habe keinen Betrieb in seiner Gesamtheit übernommen, sondern nur die Trägerschaft für ein Frauenhaus erhalten und einen eigenständigen Betrieb mit eigener Organisation, Leitung, einem eigenen Betreiberkonzept und eigenen Arbeitnehmern errichtet. Rechtsgeschäftliche Vereinbarungen zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) habe es nicht gegeben. Übergeben worden seien lediglich fünf Aktenordner, welche Dokumente über die Bewohnerinnen enthielten. Von einem Betreiberkonzept des Beklagten zu 1) habe der Beklagte zu 2) erst durch ein gerichtliches Verfahren im Dezember 2003 erfahren. Sein Konzept unterscheide sich in wesentlichen Punkten von dem des Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 2) stelle in den Mittelpunkt seiner Arbeit die Gewaltprävention im Vorfeld eines Frauenhausaufenthalts. Er biete den Betroffenen Kurse zur Konflikt- und Stressbewältigung sowie zur Entspannung an, um eigenverantwortliches Handeln und Verhalten zu fördern. Begleitend werde die Möglichkeit zur Teilnahme an beruflichen Weiterbildungskursen geboten. Eine Präventionsarbeit, die Arbeit mit den Betroffenen zum Erlernen von Techniken der Konfliktbewältigung und berufliche Weiterbildungsmaßnahmen seien in der Konzeption des Beklagten zu 1) nicht enthalten gewesen. Er habe von dem Beklagten zu 1) kein “Know-how” oder “Goodwill” übernommen. Auch verbessere der Beklagte zu 2) ständig die Einrichtung des Frauenhauses. Weiterhin habe er neue Verträge mit Dienstleistern in Bezug auf das Gebäude abschließen müssen, da der Beklagte zu 1) alle Verträge zum 31. Dezember 2003 gekündigt habe. Weiter sei die Arbeitsorganisation bei dem Beklagten zu 2) eine andere als bei dem Beklagten zu 1). Das Frauenhaus bilde bei ihm eine Unterabteilung, welche direkt dem Leiter des Bildungswerkes unterstellt sei und von der Leiterin des Frauenhauses relativ selbständig geleitet werde. Außerdem betreibe der Beklagte zu 2) mit Mitarbeiterinnen des Frauenhauses neben der festen Beratungsstelle im Frauenhaus fünf weitere ambulante Beratungsstellen für gewaltbedrohte Frauen im Umkreis von W…. Die Mitarbeiterinnen seien im Schichtdienst eingesetzt und stünden an den Wochentagen von 7.30 Uhr bis 21.30 Uhr zur Verfügung. An den Wochenenden seien sie zu Bereitschaftsdiensten eingeteilt. Eine solch weitgehende Präsenz der Mitarbeiterinnen habe es bei dem Beklagten zu 1) nicht gegeben. Zur Umsetzung seines anspruchsvollen Konzepts benötige er diplomierte Fachkräfte und ziehe bei Bedarf außerdem externe Berater hinzu. Die Anforderungen an die Qualifikation ihrer Mitarbeiterinnen trügen den Vorgaben des Ministeriums für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt Rechnung. Die Klägerin erfülle diese Anforderungen nicht.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Ihr Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung des Beklagten zu 1) beendet worden, so dass es auch nicht zu dem Beklagten zu 2) fortbesteht. Die Klägerin hat darüber hinaus gegen den Beklagten zu 2) keinen Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung des Beklagten zu 1) für wirksam gehalten. Es könne dahinstehen, ob das Kündigungsschutzgesetz seinem fachlichen Geltungsbereich nach anwendbar sei, denn auch wenn man dies zugunsten der Klägerin unterstelle, liege wegen der Stilllegungsentscheidung des Beklagten zu 1) ein betriebsbedingter Grund für die Kündigung vor. Für den Beklagten zu 1) sei im Zeitpunkt der Kündigung eine durch den Landkreis zu beschließende Fortführung des Frauenhauses nicht absehbar gewesen. Die Entscheidung des Beklagten zu 1) sei auch nicht willkürlich und unsachlich gewesen. Eine Sozialauswahl habe angesichts der Tatsache, dass allen Arbeitnehmern des Frauenhauses gekündigt worden sei, nicht stattfinden müssen. Mit anderen Arbeitnehmern des Beklagten zu 1) sei die Klägerin schon wegen der arbeitsvertraglichen Beschränkungen nicht vergleichbar gewesen. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Das Integrationsamt habe der Kündigung zugestimmt. Auf Grund des Stilllegungsentschlusses sei die Kündigung auch nicht wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden. Dem Anspruch auf Wiedereinstellung stehe die Tatsache, dass der Beklagte zu 2) das Frauenhaus erst nach Ablauf der Kündigungsfrist der Klägerin weiter betreibe, nicht entgegen. Es sei jedoch zu keinem Betriebsübergang gekommen. Die nahtlose Übernahme des Gebäudes samt Mobiliar nebst den Unterlagen und der Notrufnummer habe, auch angesichts der Tatsache, dass die zu schützenden Frauen weiter im Frauenhaus wohnten, nur begrenzt identitätsstiftende Bedeutung. Der Beklagte zu 2) habe weder Personal noch eine vorhandene betriebliche Organisation übernommen. Die eigene Organisation, Konzeption, das eigene Personal und die eigene Leitung seien in Bezug auf die Art der Dienstleistung für die Frage der Identitätswahrung bestimmend. Dass der Kreis der gewaltbedrohten Frauen gleich geblieben sei, sei lediglich der Funktionsnachfolge zuzuordnen. Die Ausrichtung und Tendenz der Organisationen des Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) unterschieden sich schon nach ihrer Satzung. Dem käme ausschlaggebendes Gewicht zu. Doch selbst wenn es zu einem Betriebsübergang gekommen sei, sei der Wiedereinstellungsanspruch schon deshalb unbegründet, weil es dem Beklagten zu 2) im Hinblick auf seine unternehmerischen Dispositionen nicht zuzumuten sei, die Klägerin einzustellen. Die Klägerin entspreche nicht dem Anforderungsprofil des Beklagten zu 2). Dieser dürfe berechtigterweise nur diplomiertes Fachpersonal schon wegen des deutlich höheren Beratungsanteils beschäftigen. Auch liege die Heraufsetzung des Anforderungsprofils im Kernbereich der konkreten unternehmerischen Betätigung und entspreche dem mit dem Land abgeschlossenen Fördervertrag. Die Klägerin als gelernte Elektromonteurin mit einer nachfolgenden Ausbildung zur Fachkraft für soziale Arbeit sei einer diplomierten Sozialpädagogin oder Pädagogin nicht gleichgestellt. Die Interessen des Beklagten zu 2) überwögen gegenüber den Interessen der Klägerin.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung des Beklagten zu 1) zu Recht für wirksam gehalten und einen Übergang des Arbeitsverhältnisses bzw. einen Anspruch auf Neubegründung auf Grund eines Betriebsübergangs abgelehnt.
1. Der Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 31. Juli 2003 beendet worden ist, ist unbegründet; die Kündigung ist wirksam.
Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2, 3 KSchG), auch wenn man – wie das Landesarbeitsgericht – zugunsten der Klägerin unterstellt, dass das Kündigungsschutzgesetz im Hinblick auf die Zahl der Beschäftigten anwendbar ist. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr., vgl. BAG 24. März 1983 – 2 AZR 21/82 – BAGE 42, 151, 157 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 12 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 21).
Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts stand. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin in dem Betrieb des Beklagten zu 1) entgegenstehen, bedingt. Eine Sozialauswahl war nicht durchzuführen (§ 1 Abs. 3 KSchG).
a) Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (BAG 5. Dezember 2002 – 2 AZR 522/01 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 50 mwN; 28. Oktober 2004 – 8 AZR 391/03 – BAGE 112, 273, 278 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 69 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 56). Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einen Grund zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung abgeben können, gehören die Stilllegung des gesamten Betriebs, einer Betriebsabteilung oder eines Betriebsteils durch den Arbeitgeber (BAG 27. November 2003 – 2 AZR 48/03 – BAGE 109, 40, 42 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 64 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128; 22. Januar 1998 – 8 AZR 243/95 – AP BGB § 613a Nr. 173 = EzA BGB § 613a Nr. 161). Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen (BAG 27. November 2003 – 2 AZR 48/03 – aaO; 18. Januar 2001 – 2 AZR 514/99 – BAGE 97, 10, 13 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 115 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 109). Mit der Stilllegung des gesamten Betriebs entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen (BAG 29. September 2005 – 8 AZR 647/04 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; 16. Mai 2002 – 8 AZR 319/01 – AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210 mwN). Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt (BAG 22. Mai 1997 – 8 AZR 101/96 – BAGE 86, 20, 25 = AP BGB § 613a Nr. 154 = EzA BGB § 613a Nr. 149).
b) Eine ernsthafte Stilllegungsentscheidung des Beklagten zu 1) lag im Zeitpunkt der Kündigung vor. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend angenommen, das Bedürfnis, die Klägerin weiterzubeschäftigen, sei mit der Stilllegungsentscheidung entfallen. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Vorstand des Beklagten zu 1) am 8. April 2003 beschlossen hat, das Frauenhaus zum 1. Januar 2004 an den Landkreis “zurückzuführen” und den Vertrag mit dem Landkreis sowie die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Mitarbeiterinnen fristgerecht zum 31. Dezember 2003 zu kündigen. Von der ernsthaften Stilllegungsabsicht im Zeitpunkt der Kündigung ist deshalb auszugehen, selbst wenn es im Nachhinein zu einem Betriebsübergang gekommen sein sollte. Der Landkreis O… fasste nämlich unstreitig erst am 8. Oktober 2003 den Beschluss, das Frauenhaus mit einem anderen Betreiber fortzuführen. Auch die Klägerin behauptet nichts anderes, insbesondere nicht, dass die Fortführung des Frauenhauses bereits im Zeitpunkt der Kündigung im Raum stand.
c) Die von dem Beklagten zu 1) getroffene unternehmerische Entscheidung ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht unwirksam. Von den Arbeitsgerichten voll nachzuprüfen ist, ob eine unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und ob durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist. Dagegen ist die unternehmerische Entscheidung selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (st. Rspr., vgl. nur BAG 28. Oktober 2004 – 8 AZR 391/03 – BAGE 112, 273, 278 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 69 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 56). Da für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung die Vermutung spricht, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgte, Rechtsmissbrauch also die Ausnahme ist, hat im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und im Streitfall zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 22. April 2004 – 2 AZR 385/03 – BAGE 110, 188, 192 = AP KSchG 1969 § 2 Nr. 74 = EzA KSchG § 2 Nr. 50; 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 – BAGE 92, 61, 69 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101). Die Missbrauchskontrolle hat sich ua. daran zu orientieren, dass durch die Wertung der Willkür und des Missbrauchs der verfassungsrechtlich geforderte Bestandsschutz nicht unangemessen zurückgedrängt wird. Neben Verstößen gegen gesetzliche und tarifliche Normen zählen nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats hierzu vor allem Umgehungsfälle (26. September 2002 – 2 AZR 636/01 – BAGE 103, 31, 37 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124 – Rheumaklinikfall mwN und insbesondere auch zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben). Vermieden werden soll, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt wird, um Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeit fortbestehen und lediglich die Arbeitsvertragsinhalte und die gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen als zu belastend angesehen werden (BAG 22. Mai 2003 – 2 AZR 326/02 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126).
Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Kündigung nur ausgesprochen wurde, um ihren Interessen zu schaden und ihr den Arbeitsplatz zu entziehen. Vor diesem Hintergrund bleibt es ohne Einschränkungen bei der grundgesetzlich geschützten Berechtigung des Unternehmers, einen Betrieb ganz oder teilweise stillzulegen. Der Arbeitgeber ist frei in der Entscheidung, ein Unternehmen zu betreiben oder nicht zu betreiben. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass es angesichts dieser Freiheit nicht darauf ankommt, ob der Beklagte zu 1) im Zeitpunkt der Kündigung damit rechnen konnte, dass erneut Fördermittel seitens des Landkreises und/oder des Landes zur Verfügung gestellt würden.
d) Der Wirksamkeit der Kündigung steht entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht entgegen, dass der Beklagte zu 1) zur Erläuterung seiner Kündigungsentscheidung und der Stilllegungsentscheidung im Kündigungsschreiben auf die unsichere Situation der zukünftigen Förderung abgestellt hat. Es kann offen bleiben, ob die Umstände oder Sachzwänge, die zu einer unternehmerischen Entscheidung geführt haben bzw. vom Arbeitgeber zu ihrer Begründung herangezogen werden, dann nachzuprüfen sind, wenn der Arbeitgeber eine sog. selbstbindende Unternehmerentscheidung getroffen hat (vgl. hierzu BAG 15. Juni 1989 – 2 AZR 600/88 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 45 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 63; 11. September 1986 – 2 AZR 564/85 – BB 1987, 1882; Ascheid NZA 1991, 873, 876; ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 404). Im Streitfall liegt nämlich entgegen der Auffassung der Klägerin keine sog. selbstbindende Unternehmerentscheidung vor. Im Kündigungsschreiben vom 31. Juli 2003 hat der Beklagte zu 1) lediglich zur Erläuterung der Situation auf die Unsicherheiten der Finanzierung hingewiesen. Er hat sich erkennbar nicht insoweit rechtlich binden wollen und gebunden, dass er – wie bei einer Kündigung aus außerbetrieblichen Gründen – die Kündigung (rechtlich) als zwangsläufige Folge einer finanziellen Unterdeckung durch das Land und den Landkreis behandelt sehen wollte. Als eigentlicher Kündigungsgrund wird die Stilllegungsentscheidung des Beklagten zu 1) genannt.
e) Die Kündigung ist auch nicht auf Grund mangelhafter Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) unwirksam.
Eine Auswahl der Arbeitnehmer unter sozialen Gesichtspunkten kommt grundsätzlich dann nicht mehr in Betracht, wenn allen Arbeitnehmern gekündigt wird. Denn die Verpflichtung des Arbeitgebers zur sozialen Auswahl dient dem Zweck, bei unvermeidbaren Kündigungen aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer den sozial stärksten Arbeitnehmer ausfindig zu machen; dies ist grundsätzlich derjenige Arbeitnehmer, der auf Grund seiner Sozialdaten am wenigsten auf seinen Arbeitsplatz angewiesen ist. Diese Frage wird jedoch dann nicht relevant, wenn alle Arbeitsplätze zum gleichen Zeitpunkt wegfallen (BAG 10. Oktober 1996 – 2 AZR 651/95 – NZA 1997, 92 mwN). Da der Beklagte zu 1) entschieden hat, den Betrieb des Frauenhauses stillzulegen, entfielen alle dortigen Arbeitsplätze an diesem Tag. Andere vergleichbare Arbeitnehmer gab es nicht. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin nicht angegriffen. Im Gegenteil, sie hat selbst in der Revisionsbegründungsschrift erklärt, dass die Kriterien der Sozialauswahl beachtet seien.
f) Andere Unwirksamkeitsgründe (§ 102 BetrVG, § 85 SGB IX, § 613a Abs. 4 BGB) sind nicht ersichtlich und auch nicht (mehr) geltend gemacht.
2. Der Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten zu 2) fortbesteht, ist schon deshalb unbegründet, weil das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu dem Beklagten zu 1) auf Grund der wirksamen Kündigung am 31. Dezember 2003 beendet worden ist.
3. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Wiedereinstellung ist zwar zulässig, aber ebenfalls unbegründet. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, dass die Klägerin gegen den Beklagten zu 2) keinen Anspruch auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses hat.
a) Zwar kann ein Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bzw. Erwerber auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses gegeben sein, wenn es trotz einer ursprünglich vorgesehenen Stilllegung des Betriebs oder eines Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit aus anderen Gründen und einer infolge dessen wirksam ausgesprochenen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen iSd. § 1 KSchG nachträglich zu einem Betriebsübergang und damit zur Fortführung des Betriebs oder der Entstehung einer anderen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer kommt (ausführlich Senat 13. Mai 2004 – 8 AZR 198/03 – BAGE 110, 336, 339 f. = AP BGB § 613a Nr. 264 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 25 mwN).
b) Der Beklagte zu 2) hat den Betrieb des Frauenhauses nicht gemäß § 613a BGB übernommen.
aa) Die Vorschrift des § 613a Abs. 1 BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (st. Rspr. des Senats im Anschluss an EuGH 11. März 1997 – Rs. C-13/95 – [Ayse Süzen] EuGHE I 1997, 1259 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145; vgl. zB BAG 22. Juli 2004 – 8 AZR 350/03 – BAGE 111, 283, 291 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27; 18. März 1999 – 8 AZR 159/98 – BAGE 91, 121, 126 = AP BGB § 613a Nr. 189 = EzA BGB § 613a Nr. 177). In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung ihrer Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) keinen Betriebsübergang dar (BAG 18. März 1999 – 8 AZR 196/98 – AP BGB § 613a Nr. 190 = EzA BGB § 613a Nr. 178; 29. Juni 2000 – 8 AZR 520/99 –). In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (so zuletzt EuGH 20. November 2003 – Rs. C-340/01 – [Carlito Abler] EuGHE I 2003, 14023 AP EWGRichtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13; vgl. auch BAG 22. Juli 2004 – 8 AZR 350/03 – BAGE 111, 283, 292 = aaO). Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Der bisherige Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb einstellen. Die bloße Möglichkeit zu einer unveränderten Fortsetzung des Betriebs genügt für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht. Wesentliches Kriterium für den Übergang ist die tatsächliche Weiterführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der Fortführung des Betriebs nicht (BAG 12. November 1998 – 8 AZR 282/97 – BAGE 90, 163, 167 = AP BGB § 613a Nr. 186 = EzA BGB § 613a Nr. 170).
bb) Nach diesen Kriterien liegt kein Betriebsübergang vor.
Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass es sich bei dem Frauenhaus um einen organisatorisch selbständigen Betrieb oder zumindest Betriebsteil gehandelt hat, obwohl dies nicht näher festgestellt ist. Der Beklagte zu 2) führte ab 1./7. Januar 2004 den Betrieb eines Frauenhauses, wobei fünf Bewohnerinnen vor und nach dem 1. Januar 2004 im Frauenhaus wohnten. Die Einrichtung befindet sich im selben Gebäude wie zuvor bei dem Beklagten zu 1). Auch wurde das Mobiliar übernommen. Diese Betriebsmittel sind angesichts der von dem Beklagten zu 2) übernommenen Dienstleistung jedoch von eher untergeordneter Bedeutung, zumal gerade am Gebäude Veränderungen vorgenommen worden sind. Die Einrichtung befand sich nach dem nicht in Abrede gestellten Vortrag des Beklagten zu 2) in keinem sehr gepflegten Zustand, auch war keine oder keine ausreichende Sicherheitsschleuse am Eingangsbereich vorhanden; diese Umstände hat der Beklagte zu 2) geändert. Der Beklagte zu 2) hat des Weiteren weder Personal noch andere wesentlichen Betriebsmittel übernommen, mit denen er seine Dienstleistung betreibt. Im Übrigen hat der Beklagte zu 2) nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keinerlei Konzepte oder die Organisation des Beklagten zu 1) übernommen. Die Klägerin hat die Behauptung des Beklagten zu 2), er habe kein Betreiberkonzept, keine Hausordnung, keine Ablaufpläne und keine Sicherheits- und Alarmpläne des Beklagten zu 1) übernommen, nicht mit ihr obliegendem Gegenvortrag in Abrede gestellt. Auch hatte der Beklagte zu 1) alle Verträge über Energie, das Postschließfach und den Münzfernsprecher gekündigt; es waren Neuabschlüsse nötig. Der Beklagte zu 2) hat nach seiner Behauptung lediglich fünf Ordner mit Daten über die noch im Frauenhaus wohnenden Personen bekommen, die aber nicht einmal personenbezogene Hilfepläne und Handlungsleitfaden sowie Erziehungspläne für die Kinder enthielten; dies betrifft Maßnahmen, die der Beklagte zu 2) nunmehr jeweils neu ergreift. Gegenteiliges hat die Klägerin nicht behauptet.
Die Klägerin bestreitet zwar nach wie vor eine geänderte Tätigkeit bzw. ein anderes Konzept, hat aber insoweit keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben. Soweit die Klägerin rügt, das Gericht habe einen verspäteten Schriftsatz des Beklagten zu 2) vom 20. April 2005 prozessual zu Unrecht und entgegen § 67 ArbGG berücksichtigt, ist die Verfahrensrüge unzulässig, da sie den Vorwurf nicht näher konkretisiert. Es ist nicht im Einzelnen vorgetragen, dass und warum welcher konkrete Vortrag zu Unrecht – weil verspätet – berücksichtigt worden ist und inwiefern dies für das Landesarbeitsgericht entscheidungserheblich war. Gleiches gilt für den Einwand, der Klägerin habe insoweit rechtliches Gehör gewährt werden müssen. Es ist unklar, was die Klägerin damit meint. Auch der Einwand, die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu einem geänderten Betreiberkonzept seien unrichtig, beinhalten keine zulässige Verfahrensrüge. Außerdem übersieht die Klägerin, dass ihr im Rahmen des Wiedereinstellungsanspruchs für die anspruchsbegründenden Tatsachen der Fortführung eines identischen Betriebs die Darlegungs- und Beweislast obliegt. Auf ein Bestreiten eines eigenen Konzepts des Beklagten zu 2) kann sie sich dabei nicht beschränken.
Die Annahme eines Betriebsübergangs auf den Beklagten zu 2) scheitert deshalb daran, dass der Beklagte zu 2) nach seinen von der Klägerin nicht widerlegten Behauptungen den Betrieb des Beklagten zu 1) nicht im Wesentlichen unverändert fortführt und damit nicht die Identität der wirtschaftlichen Einheit wahrt. Der Beklagte zu 2) erbringt keine ähnliche, sondern eine im Wesentlichen andere betriebliche Tätigkeit als der Beklagte zu 1). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind wesentliche Änderungen der Tätigkeit auf Grund von Änderungen des Konzepts und der Struktur Faktoren, die einem Betriebsübergang entgegenstehen können (vgl. 13. Mai 2004 – 8 AZR 331/03 – AP BGB § 613a Nr. 273 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 26 (Modellschuhe anstatt Massenproduktion); 25. September 2003 – 8 AZR 421/02 – AP BGB § 613a Nr. 261 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 14 (Schießplatz); 2. Dezember 1999 – 8 AZR 796/98 – AP BGB § 613a Nr. 188 = EzA BGB § 613a Nr. 188 (Sortimentswechsel im Einzelhandel); 11. September 1997 – 8 AZR 555/95 – BAGE 86, 271, 274 ff. = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 16 = EzA BGB § 613a Nr. 153 (Neuausrichtung im Gastronomiebetrieb); vgl. auch ErfK/Preis § 613a BGB Rn. 33; APS/Steffan 2. Aufl. § 613a BGB Rn. 40).
Der Betrieb des Frauenhauses ist nach der Darlegung des Beklagten zu 2) und den vorgelegten Unterlagen mit der präventiven Beratung konzeptionell verflochten. Der Beklagte zu 2), ein Unternehmen, das sich – anders als der Beklagte zu 1) – insgesamt vorwiegend mit Weiterbildungsangeboten befasst, hat entschieden, die präventiv beratende Tätigkeit zur Vermeidung einer Unterbringung und Angebote zur Stress- und Konfliktbewältigung, Freizeitgestaltung und kostenlose Rechtsberatung in den Vordergrund zu stellen und erst im Notfall die bedrohten Frauen unterzubringen. Die Unterbringung ist nur ein Baustein in dem Konzept des Beklagten zu 2), während es bei dem Beklagten zu 1) der Hauptbetriebszweck war. Unterbringung und präventive Beratung sind konzeptionell und personell verzahnt, da die Mitarbeiterinnen im Frauenhaus auch die Beratung in und außerhalb des Frauenhauses in den Beratungsstellen durchführen. Die Beratungsstellen sind organisatorisch nicht selbständig, sondern dem Frauenhaus zugeordnet. Die Klägerin hat nicht im Einzelnen vorgetragen, ob und wie der Beklagte zu 1) Beratungstätigkeit durchgeführt hat. Schon gar nicht ist ersichtlich, dass die Beratungstätigkeit den Stellenwert einnahm, den er bei dem Beklagten zu 2) hat und dass überhaupt eine präventive Beratung durchgeführt worden ist.
Dies ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten Konzept des Beklagten zu 1) für das Frauenhaus in W…. Hiernach beschränkte sich die Dienstleistung des Beklagten zu 1) auf die Hilfe im Frauenhaus und die nachgehende Beratung. Außerdem gibt es bei dem Beklagten zu 2) rund um die Uhr einen Bereitschaftsdienst, was es bei dem Beklagten zu 1) ebenfalls nicht gegeben hat. Die Tatsache, dass das schriftlich erstellte Konzept des Beklagten zu 2) ggf. erst vom Frühjahr 2004 stammt, widerlegt nicht den Vortrag des Beklagten zu 2), er habe ein anderes Betreiberkonzept als der Beklagte zu 1) und keines des Beklagten zu 1) übernommen. Jedenfalls folgt aus diesem Einwand nicht die positiv von der Klägerin darzulegende und zu beweisende Tatsache, dass der Beklagte zu 2) Konzepte des Beklagten zu 1) übernommen hat. Der Einwand der Klägerin, die Beratung habe mit dem Frauenhaus “nichts zu tun”, ist angesichts des detaillierten Vortrags des Beklagten zu 2) zu dieser Frage unsubstanziiert. Eine Änderung der Tätigkeit ist selbst dann anzunehmen, wenn im Frauenhaus selbst nur eine Beratung von zweimal zwei Stunden wöchentlich angeboten wird, denn entscheidend ist, dass der Beklagte zu 2) die geschützte Unterbringung der misshandelten Frauen nicht als eigentlichen Betriebszweck ansieht, sondern vielmehr ein umfassendes Beratungskonzept verfolgt, in dem die Unterbringung nur die letztmögliche Maßnahme ist. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte zu 2) das Frauenhaus zugleich nicht mehr als eigenständigen Betrieb, sondern strukturell und personell zusammengefasst mit mehreren Beratungsstellen nach dem Gewaltschutzgesetz organisiert.
c) Selbst wenn von einem Betriebsübergang auszugehen wäre, wäre – wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat – es dem Beklagten zu 2) unzumutbar, mit der Klägerin ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen.
aa) Ein Wiedereinstellungsanspruch besteht dann nicht, wenn berechtigte Interessen des Arbeitgebers der Wiedereinstellung entgegenstehen (BAG 28. Juni 2000 – 7 AZR 904/98 – BAGE 95, 171, 177 ff. = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5 mwN). Solche entgegenstehenden Interessen des Arbeitgebers können insbesondere dann vorliegen, wenn er bereits anderweitige Dispositionen getroffen hat. Dies ist ua. dann der Fall, wenn der Arbeitgeber den frei gewordenen Arbeitsplatz schon wieder mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt hat. Dadurch erlischt grundsätzlich ein etwa entstandener Wiedereinstellungsanspruch. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Arbeitgeber den – erneuten – Wegfall der in Betracht kommenden Beschäftigungsmöglichkeit treuwidrig herbeigeführt hat. Dies folgt aus dem in § 162 BGB normierten allgemeinen Rechtsgedanken, nach dem niemand aus einem von ihm selbst treuwidrig herbeigeführten Ereignis Vorteile herleiten darf. Die Berufung des Arbeitgebers auf den – erneuten – Wegfall des für den Arbeitnehmer geeigneten Arbeitsplatzes kann ihm insbesondere dann verwehrt sein, wenn er den Arbeitsplatz in Kenntnis des Wiedereinstellungsverlangens des Arbeitnehmers treuwidrig mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt hat. Wenn es für einen frei gewordenen Arbeitsplatz mehrere Bewerber gibt, darf der Arbeitgeber unter diesen nicht willkürlich auswählen, sondern hat anhand betrieblicher Belange und sozialer Gesichtspunkte eine den §§ 242, 315 BGB genügende Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei unterliegt es grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers, das Anforderungsprofil für einen eingerichteten Arbeitsplatz festzulegen (BAG 21. Februar 2001 – 2 AZR 39/00 – EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 8 mwN; 24. Juni 2004 – 2 AZR 326/03 – AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132; 7. Juli 2005 – 2 AZR 399/04 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138). Die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist von den Arbeitsgerichten jedenfalls dann zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten haben. Diese für die Durchführung der Sozialauswahl heranzuziehenden Grundsätze gelten auch beim Anspruch auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen des § 613a BGB.
bb) Unter Berücksichtigung dieser Kriterien durfte der Beklagte zu 2) die Einstellung der Klägerin ablehnen. Der Beklagte zu 2) beschäftigt nunmehr im Frauenhaus drei diplomierte Kräfte, dh. Arbeitnehmerinnen mit (Fach-)Hochschulausbildung. Diese nehmen nicht nur die Betreuung und Beratung der im Frauenhaus wohnenden Frauen und Kinder wahr, sondern betreuen auch die insgesamt sechs vom Beklagten zu 2) betriebenen Beratungsstellen für Frauen nach dem Gewaltschutzgesetz. Frauenhaus und Beratungsstellen sind personell miteinander verzahnt. Der Beklagte zu 2) hat – auch im Hinblick auf die Beratungsstellen – die sachlich gerechtfertigte Entscheidung getroffen, nur Mitarbeiterinnen zu beschäftigen, die über einen Diplomabschluss und somit über vertieftes Grundlagenwissen verfügen, wie es nur an einer Hochschule vermittelt wird. Außerdem ist in § 4 Nr. 1 des Fördervertrages zwischen dem Land und dem Beklagten zu 2) festgelegt, dass mindestens zwei staatlich anerkannte Diplomsozialpädagoginnen bzw. Diplomsozialarbeiterinnen sowie ggf. als zweite Kraft eine staatlich anerkannte Diplompädagogin einzusetzen sind. Über eine Hochschulausbildung verfügt die Klägerin nicht. Sie hat eine dreijährige Ausbildung an einer berufsbildenden Schule für Gesundheits- und Sozialberufe in Magdeburg – einer Fachschule für Sozialpädagogik – durchlaufen und ist berechtigt, die Berufsbezeichnung “Staatlich anerkannte Fachkraft für soziale Arbeit” zu führen. Damit entspricht sie nicht dem Anforderungsprofil des Beklagten zu 2). Bereits deshalb überwiegen die Interessen des Beklagten zu 2) die der Klägerin an einer Neueinstellung, selbst wenn man das Alter, die Schwerbehinderung und die Betriebszugehörigkeit der Klägerin bei dem Beklagten zu 1) berücksichtigt.
Dem steht letztlich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht entgegen, dass nach dem Fördervertrag nur eine Mindestanzahl einzusetzender Arbeitnehmerinnen gefordert ist und der Beklagte zu 2) daneben – weitere – geringer bzw. anders qualifizierte Kräfte beschäftigen könnte. Denn die Entscheidung darüber, mit welcher Anzahl von Arbeitnehmern ein Arbeitgeber sein Unternehmen betreiben will, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts in der unternehmerischen Freiheit (BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – BVerfGE 97, 169, 176 = AP KSchG 1969 § 23 Nr. 17 = EzA KSchG § 23 Nr. 17; 29. Dezember 2004 – 1 BvR 2283/03 – AP AEntG § 3 Nr. 2; BAG 12. November 1998 – 2 AZR 91/98 – BAGE 90, 182, 188 = AP KSchG 1969 § 2 Nr. 51 = EzA KSchG § 2 Nr. 33). Der Beklagte zu 2) kann deshalb nicht gezwungen werden, die Klägerin als überzählige Kraft einzustellen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Hauck, Dr. Wittek, Laux, Heydenreich, Brückmann
Fundstellen
Haufe-Index 1553117 |
BAGE 2007, 168 |
BB 2007, 46 |
DB 2006, 2129 |